Erfahrungsbericht des 2021 FU Jessup Teams
Moot Court während Corona? Schriftsätze anfertigen im Lockdown? Plädoyers halten über WebEx? Geht das?
Das wollten wir, das 2021 FU Jessup Team, in diesem ganz besonderen Moot Court Jahr wissen. Und wir fanden heraus; Ja, und wie das geht! Beim Jessup Moot Court drehte es sich in diesem Jahr ebenfalls um eine Pandemie. J-VID 18 (sehr kreativ) bricht aus und die Nachbarstaaten Aprepluya und Ranovstayo verhängen Einreisebeschränkungen. Die Whistleblowerin Keinblat Vormund (noch viel kreativer) veröffentlicht über Twitter, dass Aprepluya J-VID Fälle geheim hält. Daraufhin flieht sie in das Ranovstayisches Konsulat. Um Asyl in Ranovstayo zu beantragen, will sie nachts in einem Flugzeug fliehen. Das Flugzeug wird von Aprepluya jedoch fälschlicherweise als terroristischer Anschlag gewertet und abgeschossen. Es geht um internationales (öffentliches) Gesundheitsrecht, diplomatisches Asyl von Whistleblowern, internationales Zivilluftfahrtsrecht und um Zuständigkeitsprobleme des International Court of Justice. Klingt nach Themengebieten, von denen „normale“ Jurastudierende wenig Ahnung haben? Stimmt! Aber das hat sich schnell geändert.
Nachdem im September der Sachverhalt veröffentlicht wurde, ging es für uns in die schriftliche Phase. Jeweils zwei „Mooties“ vertraten dabei einen Staat. Für uns hieß es nun, die „Memorials“, die Schriftsätze, anzufertigen. Sofort war klar, dass ein solcher Schriftsatz deutlich von dem – uns bekannten – deutschen Gutachtenstil abweicht. Es ging nicht mehr darum, objektiv einen Meinungsstreit anzuführen. Unser Staat hatte Recht, egal, ob unser persönliches Rechtsempfinden, das anders sieht. Dies fiel zunächst schwer, doch mit der Zeit wuchsen wir in unsere Rollen hinein und vertraten die Meinungen unseres Staates so vehement, dass die Fiktion des ganzen Falles schnell vergessen war.
Die Arbeit war sehr intensiv, da wir schnell merkten, dass es zu jedem Argument auch ein gutes Gegenargument gab. Wir ließen uns davon aber nicht entmutigen. Nach Monaten intensivster Recherche, ging es dann in die finale Woche, in der das gesamte Team die Schriftsätze perfektionierte. Am Abend vor der Abgabe, fiel Lea zum Glück noch auf, dass unser Zitierstil seit diesem Jahr nicht mehr erlaubt war. Es galt also in 24 Stunden pro Schriftsatz über 3.000 Wörter zu entfernen. Die Nacht war kurz und das Stresspensum hoch. Dass wir nicht zusammen sein konnten, sondern jede:r allein im eigenen Zimmer saß, erschwerte die Arbeit außerdem. 30 Minuten vor Einsendeschluss reichten wir erschöpft aber erleichtert unsere fertigen Schriftsätze ein. Nun standen die mündlichen Plädoyers („Pleadings“) an.
20 Minuten frei über hoch komplexe juristische Themen zu sprechen, wäre ja schon eine Herausforderung an sich gewesen. Aber wir lernten schnell, dass die „Pleadings“ keine auswendig gelernte Rede darstellten, sondern wir im besten Fall in einen Dialog mit den Judges treten sollten. So wurden wir – gefühlt – in jedem zweiten Satz von Lea sowie unseren zahlreichen Guest Judges unterbrochen. Darauf souverän zu reagieren und quasi mühelos in unser eigentliches „Pleading“ zurückzukehren, war zunächst schwerer als erwartet. Doch nach über 25 Probepleadings wurden wir souveräner und selbstbewusster. Die unterschiedlichen Guest Judges, darunter Jessup Alumni und Völkerrechtler:innen, sowie auch Antwält:innen aus den Kanzleien Noerr, Hengeler Mueller und Gleiss Lutz, bereiteten uns optimal auf mögliche Fragestellungen vor. So fühlten wir uns nach fast zwei Monaten intensivem Pleadingtraining gut vorbereitet auf die German National Rounds.
Die deutschen Vorrunden des Moot Courts sollten ursprünglich in Nürnberg stattfinden. Jedoch machte auch da Corona einen Strich durch die Rechnung. Glücklicherweise durften wir mit einem entsprechenden Hygienekonzept in der Uni pleaden und konnten so jedenfalls ein wenig das Wettkampfgefühl aufkommen lassen, sowie die anderen „Mooties“ das erste Mal wieder in Person sehen. Der Wettkampf, auf den wir seit fast 6 Monaten hingearbeitet hatten, stand nun endlich vor der Tür und die Anspannung war groß. Zu unserem großen Glück standen uns wahnsinnig interessierte, aber auch hartnäckige Judges gegenüber. So pleadeten wir vor der (selbsternannten) „Bench of Doom“, die uns mit Fragen bis ins kleinste Detail löcherte. Doch das stachelte uns nur noch mehr an. Wir realisierten, dass wir die Möglichkeit hatten, mit den renommiertesten Völkerrechtler:innen Deutschlands über aktuelle Probleme des internationalen Rechts zu diskutieren und fingen an, die Pleadings regelrecht zu genießen. Nach zwei anstrengenden Tagen wurde abends dann auch noch verkündet, dass wir weitergekommen waren. Die Freude war riesig! Letztlich konnten wir den siebten Platz in den deutschen Runden belegen, was uns sehr gefreut hat.
Doch das Abenteuer Jessup 2021 war damit noch nicht vorbei. Da die Internationalen Runden Corona bedingt ebenfalls nicht in Washington stattfinden konnten, veranstaltete die ILSA den Wettkampf für alle antretenden Teams online. Normalerweise durften aus Deutschland nur die Top 2 bzw. 3 antreten. Nun hatten aber auch wir die Chance, gegen Studierende aus aller Welt zu pleaden. Corona hatte da also doch etwas Gutes. Wir pleadeten gegen Teams aus Pakistan, Finnland, Indien und Kanada und vor Judges aus der ganzen Welt. Schnell merkten wir, dass andere „Mooties“ ganz andere Herangehensweisen an die Rechtsprobleme hatten. Die Erfahrung war in jeder Hinsicht bereichernd.
Nach einer langen Jessup Zeit, endete es für uns dann Anfang April. Überwältigt von den vielen Eindrücken, dem immensen neuen Wissensstand, den erlernten Fähigkeiten und den neuen Freundschaften, blicken wir auf eine aufregende Zeit zurück. Trotz Corona konnten wir erleben, was es bedeutet, unter Zeitdruck in einem engen Team zusammenarbeiten, sich tiefgreifend in neue Themengebiete einzuarbeiten und professionell bei Verhandlungen aufzutreten. All diese Fähigkeiten werden uns in unserer zukünftigen juristischen Laufbahn sicher des Öfteren helfen. Vor allem aber, kann man uns die einzigartigen Erfahrungen des digitalen Jessup Moot Court 2021 niemals nehmen.