Jessup Moot Court 2023 in Berlin
Erfahrungsbericht des Teams 2023
Die Interpretation eines Friedensvertrages, tödliche Angriffe in (angeblich) besetztem Gebiet, unilaterale Wirtschaftssanktionen und die Entsorgung von giftigem Müll. Das waren die Themen des diesjährigen Jessups, die thematisch einen direkten Bezug zur aktuellen Lage in der Welt erkennen lassen. In einer simulierten Gerichtsverhandlung streiten sich zwei Länder vor dem Internationalen Gerichtshof. Ragnell (Respondent), marschiert nach Terrorangriffen in von ihnen gepachtetes Territorium ein. Im Zuge dessen erhängt Aglovale (Applicant) Wirtschaftssanktionen. Zudem kommt es als Teil der militärischen Auseinandersetzungen zur Bombardierung eines humanitären Korridors, der Gefangennahme von ‚Terroristen‘ und einer drohenden Umweltkatastrophe.
Dieser verzwickte, 26 Seiten lange Sachverhalt, kam im September 2022 heraus. Zuvor hatten wir, Emil Eglit, Yeseo Choi, Franziska Zankel und Paula Schwarze, noch mit unserer Coach Lea Kuhlmann Einführungsworkshops zum allgemeinen Völkerrecht gemacht. Da wir in unterschiedlichen Semestern und somit völkerrechtlich nicht auf dem gleichen Stand waren, ermöglichte dies einen guten Einstieg in die Thematik.
Damit begann auch die Arbeit mit dem Sachverhalt, den wir bis zu den German Nationals im März immer und immer wieder lesen und immer wieder neue Informationen entdecken würden. Dies war auch der Punkt, an dem wir uns entscheiden mussten, wer welche Seite vertreten würde: Nach einer kurzen Diskussion (und besonders Zweifel hinsichtlich der Frage, wer sich mit WTO-Recht beschäftigen würde) stand fest, wer für welches Land ins Rennen gehen würde.
Anfang Oktober sollte die Arbeit an unseren Schriftsätzen (Memorials) losgehen, jeweils ein Memo für jede Seite, in dem die vier ‚Claims‘ behandelt werden. Urlaubsbedingt zog es sich aber noch ein bisschen, bis dann in der zweiten Oktoberwoche alle wieder in Berlin eingetrudelt waren. Dann haben wir angefangen, mit einer neuen Coach, Leonora Erhardt, und zwei Treffen in der Woche, in denen wir an den Memos arbeiteten und erste Speaking Übungen in Vorbereitung auf die Pleadings machten. Mit regelmäßigen Abgaben der Memos bei unserer Coach und den regelmäßigen Treffen wurde der Jessup schnell ein integraler Teil des Alltags, bis er sich auch in unseren Träumen wiederfand. Auch unsere Freunde mussten sich über die Monate viel über die (teilweise sehr speziellen) völkerrechtlichen Fragen anhören. In diesem dynamischen Prozess haben wir nicht nur gelernt, wie man im typischen Jessup Style schreibt, sondern auch, sich von der eher deutschen, neutralen Sichtweise zu lösen, und parteiisch, oder ‚biased‘ für unser Land zu argumentieren.
Der Herbst verging und schnell war es im neuen Jahr schon Zeit für die ‚editing week‘, in der eine Woche vor der Abgabe nochmal alle Memos von dem gesamten Team, Wort für Wort überarbeitet, und vor allem auf die richtige Wortzahl heruntergekürzt werden müssen. Besonders dieser Teil bereitete uns viel Kopfzerbrechen und es wurde um jedes Füllwort diskutiert, und jedes unnötige ‚the‘ aus dem Text entfernt. Mithilfe vieler Snacks, einigen Nachtschichten und dem ein oder anderen hysterischen Lachkrampf sind wir zeitig fertig geworden, und konnten unsere Abgabe gebürtig mit Sekt feiern.
Nach einer Woche Pause, in der wir uns vom Stress der editing week erholen konnten, ging es mit der Vorbereitung auf die Pleadings weiter. Das bedeutete für uns, viermal die Woche treffen und gegeneinander pleaden, während unsere Coach und verschiedenste Besucher*innen (Guest Judges) zwischendurch fiese Fragen stellen, um uns aus dem Konzept zu bringen und unser Wissen zu testen. In diesen Wochen simulierter Gerichtsverhandlungen haben wir nicht nur gelernt, gekonnt auf Fragen zu reagieren und im Notfall auch mal ‚zu bullshitten‘, sondern auch, welche unserer Argumente mündlich in der Präsentation funktionieren, und wie wir sie am besten präsentieren können. So wurde jedes Argument und jedes Pleading immer wieder überarbeitet und von Woche zu Woche besser, ebenso wie unser Englisch. Zudem waren wir noch zu Probepleadings in verschiedenen Berliner Kanzleien, um Input und Feedback von Außenstehenden zu bekommen.
Die 6 Wochen Pleading sind wie im Flug vergangen, und nach der Generalprobe an der Uni, in der Professor Krieger, Professor Aust und Dr. Björnstjern Baade uns nochmal mit Fragen gelöchert haben, war es auch schon Zeit für die German National Rounds, dieses Jahr von der Hertie School hier in Berlin organisiert. Unsere Coach hatte uns ein AirBnB organsiert, in dem wir die 4 Tage gemeinsam als Team verbringen konnten. Dies war sehr gut für die gemeinsame Erfahrung und hat uns auch die letzten Vorbereitungen sehr erleichtert, wenn auch unsere Theorie ist, dass unsere Coach dadurch versichern wollte, dass wir auch alle pünktlich zu den Pleadings kommen.
Am Mittwoch startete abends der Wettbewerb mit einer Willkommensveranstaltung, und im Anschluss haben wir die Memos unserer gegnerischen Teams zur Vorbereitung erhalten. Donnerstagvormittag ging es dann auch schon mit unserem ersten Pleading los, ein Lokalderby gegen das Team von der HU. Wir verbrachten jede freie Minute der zwei Pleading Tage damit, noch Fragen der vorherigen Pleadings nachzuschauen und letzte Verbesserungen vorzunehmen. Für große Aufregung bei uns hat auch gesorgt, dass einer der Judges Andreas von Arnauld war, der unser go-to Völkerrechtslehrbuch geschrieben hat. Am Freitagabend war das Announcement Dinner, in dem die Top 8 Teams, die in die nächste Runde kommen würden, verkündet wurden. Wir sind leider nicht weitergekommen, haben aber später erfahren, dass wir als neunter Platz die Knockoutr-Rounds nur knapp verfehlt hatten. Am Samstag konnten wir noch das Match um den dritten Platz anschauen und mitfiebern, welches der beiden Teams einen der begehrten Spots für die International Rounds in Washington DC im April ergattern würde.
Wir sind sehr stolz auf unsere Leistung und auf unser Team, und wie wir mit dieser stressigen, aber auch wundervollen Zeit umgegangen sind. Wir sind als Team zusammengewachsen, bei Kaffeepause, Mensen und Feierabendbier, und haben uns sehr gut kennengelernt, in guten wie in schlechten Momenten. Der Jessup war für uns alle eine einzigartige Erfahrung, die wir allen, die Interesse and Völkerrecht haben, ans Herz legen würden. Wir freuen uns schon, als Guest Judges das nächste FU Team zu besuchen.