(BGH, NStZ 2001, 642)
A stemmte einen Tankautomaten auf und entwendete aus diesem 4.000 EUR. Der Sachschaden am Tankautomaten belief sich auf 10.000 EUR. An einem anderen Tag versuchte er, in ein Geschäft für Mobiltelefone einzubrechen. Wegen der ihm zu groß erscheinenden Entdeckungsgefahr gab er das Vorhaben jedoch auf, nachdem er bereits nahe der Ladenkasse stand und bereits einen Sachschaden von 250 EUR verursacht hat.
Strafbarkeit des A ? Erforderliche Strafanträge sind gestellt.
Lösung:
I. Strafbarkeit nach §§ 242 I,
243 I 2 Nr.2 StGB
Indem A den Tankautomaten aufgestemmt und 4.000 EUR entwendet hat, kann er sich nach §§ 242 I, 243 I 2 Nr.2 StGB strafbar gemacht haben.
1. Tatbestandsmäßigkeit
a. A hat dem Tankautomaten Geldscheine und Münzen und damit für sich fremde, bewegliche Sachen entgegen dem Willen des Eigentümers an sich genommen und damit weggenommen. b. Dies tat er vorsätzlich sowie mit Zueignungsabsicht.
2. Rechtswidrigkeit und Schuld
Mangels Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgründen geschah die Tat rechtswidrig und schuldhaft.
3. § 243 I 2 Nr.2 StGB
Zudem kann A das Regelbeispiel des § 243 I 2 Nr.2 StGB verwirklicht haben. Hierzu müsste er eine Sache gestohlen haben, die durch ein verschlossenes Behältnis gegen Wegnahme besonders gesichert war. Ein verschlossenes Behältnis ist ein zur Aufnahme von Sachen dienendes und sie umschließendes Raumgebilde, das nicht dazu bestimmt ist, von Menschen betreten zu werden (BGH (GS) 1, 163). Der Tankautomat stellt ein Behältnis dar. Zwar dient die Umschließung in Form der Verkleidung auch zum Schutz gegen Wind und Wetter und zur Aufnahme des Mechanismus, aber eben auch zum Schutz des Geldes gegen eine Wegnahme. Indem A diese Verkleidung gewaltsam öffnete, hat er eine Schutzvorrichtung umgangen und damit einen besonders schweren Diebstahl im Sinne des §§ 242 I, 243 I 2 Nr.2 StGB.
4. Ergebnis
A hat sich somit nach §§ 242 I, 243 I 2 Nr.2 StGB strafbar gemacht.
II. Strafbarkeit nach § 303 I StGB
Darüber hinaus hat A durch das Aufbrechen des Automaten eine fremde Sache vorsätzlich, rechtswidrig und schuldhaft beschädigt und sich damit sogar nach § 303 I StGB strafbar gemacht, insoweit der nach § 303 c StGB erforderliche Strafantrag vorliegt.
III. Konkurrenzen
Schließlich stellt sich die Frage der Konkurrenzen. Der Diebstahl in erschwerter Form und die Sachbeschädigung wurden mit einer Handlung (natürliche Handlungseinheit) verwirklicht. Nachdem sich beide Delikte in dem jeweils von ihnen geschützten Rechtsgütern unterscheiden, kommt einzig eine Gesetzeskonkurrenz in Form der Konsumtion in Betracht. Eine Konsumtion ist als Sammelbecken für jene Fälle, in denen weder Spezialität noch Subsidiarität vorliegen, anzunehmen, wenn ein bestimmtes Strafgesetz trotz an sich anderer Schutzrichtung neben einem vorrangig anderen Strafgesetz zwar nicht zwingenderweise, aber üblicherweise mitverwirklicht wird und wenn mit der Bestrafung aus dem vorrangigen Gesetz auch die andere Gesetzesverletzung mitabgegolten wird (Geppert, Jura 2000, 651 (655)).
Nach einer verbreiteten Auffassung soll die Sachbeschädigung von einer Verurteilung wegen Diebstahls im besonders schweren Fall wegen der Verwirklichung des Regelbeispiels nach § 243 I 2 Nr.1 StGB oder nach § 243 I 2 Nr.2 StGB als typische Begleittat konsumiert werden. Denn verurteilt der Richter aus § 243 StGB und wendet er dessen Strafrahmen an, so habe er damit die Tatsache, dass der Täter in fremde Räume eingedrungen ist und fremde Sachen beschädigt hat, bereits miteinbezogen (vgl. KG, JR 1979, 25; Sch/Schr/Eser, StGB, § 243 Rn.59; Tröndle/Fischer, StGB, § 243 Rn.30; Lackner/Kühl, StGB, § 243 Rn. 24).
Hiergegen spricht aber, dass man so § 243 StGB als Regelbeispiel mit §§ 123, 303 StGB konkurrieren lassen würde, aber nur Tatbestände miteinander konkurrieren könnten. Es würde also wie auch bei der teilweise zu unrecht angenommenen Straferhöhung bei nur versuchten Regelbeispiele zu Tatbeständen erheben. Zudem setzt eine Konsumtion voraus, dass das Unrecht bereits mitabgegolten wird durch die Verurteilung wegen Diebstahls. Dies ist aber nur dann der Fall, wenn die Rechtsgutsträger jeweils gleich sind, also dem Eigentümer der zu stehlenden Sache auch Eigentümer der beschädigten Sache sowie Hausrechtsinhaber ist. Dies ist jedoch keinesfalls zwingend. So kann das Haus, dessen Fassade beschädigt wird, dem Vermieter gehören und ein Ladengeschäft dem Mieter. Zudem können Hausrechtsinhaber und Eigentümer verschiedene Personen sein. Der Täter würde dann jeweils zwei Personen Unrecht antun, sodass ein Unrecht unberücksichtigt bliebe, würde die Sachbeschädigung oder der Hausfriedensbruch zurücktreten. Die hiermit verbundene Ungerechtigkeit verdeutlicht sich auch im Tenor: Erkennt der Richter die Regelwirkung des § 243 StGB an, so würde der Täter nur wegen Diebstahls (§ 242 StGB) bestraft würden, ansonsten wegen Diebstahl, Sachbeschädigung und Hausfriedensbruchs. Schließlich bleibt zu bedenken, dass aufgrund der heutigen technischen Möglichkeiten nicht mehr jeder Einbruchsdiebstahl notwendig mit einer Sachbeschädigung verbunden sein muss. Die besseren Argumenten sprechen damit dafür, § 303 StGB nicht als typische Begleittat zu §§ 242, 243 StGB anzusehen, hinter die er zurücktreten würde (so erstmals BGH, NStZ 2001, 642; zuvor bereits Maurach/Schroeder/Maiwald, BT 1, § 33 Rn. 109). Es ist daher von Tateinheit auszugehen.
B. Der Einbruch im Mobilfunkgerät
I. §§ 242
I, II, 243 I 2 Nr.1, 22 StGB
Indem A versuchte, in ein Geschäft für Mobiltelefone einzubrechen, kann er sich nach §§ 242 I, II, 243 I 2 Nr.1, 22 StGB strafbar gemacht haben.
1. Tatentschluss
A wollte im Geschäft für ihn fremde, bewegliche Sachen gegen den Willen des Eigentümers an sich nehmen und damit wegnehmen, sodass der diesbezügliche Vorsatz vorlag. Zudem handelte er mit der Absicht, sich die Sachen rechtswidrig zuzueignen.
2. Unmittelbares Ansetzen
Zur Tat müsste A bereits unmittelbar angesetzt haben.
Dies ist dann der Fall, wenn der Täter eine Handlung vorgenommen hat, die bei
ungehindertem Geschehensablauf unmittelbar in die Tatbestandsverwirklichung
einmündet. Aufgrund der bloßen Regelbeispielanordnung des § 243 I 2 StGB genügt
ein unmittelbares Ansetzen zum Aufbrechen des Geschäfts nicht, sondern es muss
zur Wegnahme unmittelbar angesetzt werden (vgl. Tröndle/Fischer, StGB, §
46 Rn. 97 ff.). Dazu, dass A sich bereits im Laden befand, sagt der Sachverhalt
nichts. Insoweit aber bei lebensnaher Sachverhaltsauslegung davon auszugehen
ist, dass sich hinter den Schaufenstern die Telefone befanden und sich die
Wegnahme somit unmittelbar an das Aufbrechen des Geschäfts anschließen würde,
hat A bereits die Schwelle zum Jetzt gehts los überschritten und es liegt
ein unmittelbares Ansetzen vor (Ein anderes Ergebnis ist selbstverständlich
vertretbar, aufgrund der sich noch im Fall befindlichen Rücktrittsproblematik
aber nicht klausurtaktisch !)
3. Rechtswidrigkeit und Schuld
Mangels Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgründen geschah die Tat rechtswidrig und schuldhaft.
4. Rücktritt
A könnte jedoch von der Tat strafbefreiend zurückgetreten sein.
a. Das setzt zunächst voraus, dass der Versuch noch nicht fehlgeschlagen ist. Ein Versuch ist fehlgeschlagen, wenn der Täter nach seiner Vorstellung keine Möglichkeiten mehr hat, die Tat zur Vollendung zu bringen, insoweit er dann keine Wahlmöglichkeit mehr hat (Lackner/Kühl, StGB, § 24 Rn. 10). A ging jedoch davon aus, die Tat noch vollenden zu können, er nahm lediglich wegen der Entdeckungsgefahr Abstand.
b. Da A nach seiner Vorstellung noch nicht alles getan hatte, um die Tat zur Vollendung zu bringen, lag ein unbeendeter Versuch vor, sodass er nach § 24 I 1 Var.1 StGB die Tat nur aufzugeben brauchte, was er durch das Weggehen ohne Beute tat.
c. Dies müsste er aber auch freiwillig getan haben. Freiwillig handelt, wer aus autonomen Motiven handelt, also wenn er noch Herr seiner Entschlüsse ist (BGHSt 7, 296 (299); 35, 184 (187)). Die bloße Angst vor einer Bestrafung macht eine Tat nicht unfreiwillig (BGH, MDR 1951, 359), wohl aber, wenn sich die Sachlage so verändert, dass das Entdeckungsrisiko ansteigt (BGH, NStZ 1993, 76). A hatte bereits einen erheblichen Sachschaden angerichtet und so eine lange Zeit mit dem Öffnen des Geschäfts verbracht. Hierdurch wurde das Entdeckungsrisiko erhöht, dem er schließlich nachgab. Der Rücktritt erfolgte somit aufgrund äußerer Umstände und damit unfreiwillig.
d. A ist folglich nicht strafbefreiend zurückgetreten.
5. § 243 I 2 Nr.1 StGB
Straferhöhend könnte zudem die Verwirklichung eines Regelbeispiels wirken. Aufgrund ihres abweichenden Charakters von Tatbestandsmerkmalen können sie ihre straferhöhende Wirkung jedoch nur bei einer Vollendung entfalten (Sch/Schr/Eser, StGB, § 243 Rn.44; Tröndle/Fischer, StGB, § 46 Rn. 101; aA BGHSt 33, 370 ff.). Hiergegen spricht auch nicht, dass nach § 23 II StGB der Versuch nur milder bestraft werden kann, seine Bestrafung sich also grundsätzlich von jener des vollendeten Delikts nicht unterscheiden soll. § 243 StGB erhöht die Strafe und muss daher verwirklicht sein, um diese Wirkung auszusprechen.
6. Ergebnis
A hat sich damit nach §§ 242 I, 22 StGB strafbar gemacht.
II. § 303 I StGB
A hat die äußere Fassade des Geschäfts und damit fremdes Eigentum beschädigt. Dies tat er vorsätzlich, rechtswidrig und schuldhaft und hat sich so nach § 303 I StGB strafbar gemacht.
III. § 123 I StGB
Da A das Geschäft noch nicht betreten hatte, scheidet eine Strafbarkeit nach § 123 I StGB aus.
IV. Konkurrenzen
Aufgrund der fehlenden Regelbeispielswirkung ist hier erst recht von einer Tateinheit entsprechend obiger Argumentation auszugehen.
[Hier zeigt sich, dass wenn man der bisher
überwiegenden Ansicht gefolgt hätte, im ersten Teil des Falles eine
Verurteilung nach § 242 I (243 I 2 Nr.2) StGB erfolgt wäre, im zweiten Teil
nach §§ 242 I, II, 22; 303 I; 52 I StGB, obwohl jeweils das gleiche Unrecht verursacht
wurde im Hinblick auf die Sachbeschädigung !]
C. Gesamtergebnis
A hat sich somit nach §§ (242 I, 243 I 2 Nr.2; 303 I; 52 I); 242 I, II, 22; 303 I; 53 I StGB strafbar gemacht.