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DFG fördert interdisziplinäres Projekt mit über 600.000 €

Das interdisziplinäre, von Prof. Czeguhn und Prof. Tschilschke (Universität Münster) geleitete Projekt beschäftigt sich mit der Interferenz von Literatur und Recht in der Epoche der spanischen Aufklärung.

News vom 20.11.2024

Es geht von der Feststellung aus, dass die bedeutendsten Repräsentanten der spanischen Aufklärungsbewegung, darunter auffällig viele Juristen und Schriftsteller in Personalunion, davon überzeugt waren, dass die Reform der spanischen Gesellschaft bei einer grundlegenden Revision ihres Rechtssystems ansetzen müsse. Diese Überzeugung, die sich auf die Rationalität des Rechts und die Idee des Fortschritts berief und daher unvermeidlich in ein Spannungsverhältnis zum Machtanspruch der absolutistischen Monarchie geriet, durchzieht sowohl die schöpferische Literatur und die an ein breiteres Publikum gerichtete Gebrauchsliteratur als auch den sich unter Rechtsgelehrten entwickelnden juristischen Fachdiskurs.

Das Projekt konzentriert sich dabei auf zwei besonders aussagekräftige Konstellationen, die aufgrund ihrer zeitlichen und inhaltlichen Verzahnung in enger Beziehung zueinander stehen. In theoretisch-methodischer Hinsicht stützt sich das Projekt auf die Grundannahmen und die sich gegenseitig ergänzenden Verfahren der soziologischen Systemtheorie, der Historischen Diskursanalyse und der Poetologie des Wissens. Das erste Arbeitsfeld deckt die Periode des Despotismo ilustrado unter Karl III. (1759–1788) ab und richtet sich auf das wichtigste Reformvorhaben im 18. Jahrhundert überhaupt: die Theorie und Praxis der Agrarreform. Analysiert wird hier der vielschichtige, bisher kaum untersuchte Zusammenhang zwischen der schöpferischen Literatur, dem theoretischen Schrifttum zur Agrarfrage und einschlägigen politisch-praktischen Maßnahmen: Gesetzgebung, Gerichtsverfahren, Siedlungsprojekte, Eigentums- und besitzrechtliche Fragen. Das zweite Arbeitsfeld, die Verfassungskultur und ihr Diskurs, bezieht sich auf die in einer Vielzahl von Textsorten geführte Diskussion um die erste demokratische spanische Verfassung von Cádiz (1812) vor dem Hintergrund der Besatzung durch die Franzosen und des Unabhängigkeitskriegs von 1808–1814. Hier sollen die Rechte der Frau als gleichberechtigte Akteurin in rechtspolitischen Fragen sowie das Problem der sozialen und politischen Un-/Gleichheit im Mittelpunkt stehen.

Mit Blick auf das gesamte Forschungsvorhaben soll die übergeordnete These überprüft werden, dass sich unter dem Einfluss naturrechtlicher Vorstellungen, der Zurückdrängung bzw. Fortdauer christlich-theologischer Begründungen, der Ausbreitung kulturrelativistischen Denkens, aber auch der sich abzeichnenden Krise der Ständegesellschaft und der absolutistischen Staatsform das Verhältnis von Gleichheit und Ungleichheit zu einer Leitdifferenz bei der Beurteilung gesellschaftlicher Fragen entwickelt. Durch den Fokus auf die Schnittstelle von Literatur und Recht verspricht das Projekt, eine neue Sicht auf den zentralen Ansatz des aufklärerischen Reformstrebens in Spanien zu eröffnen.

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