06.07.2022 - Kilian Schaefer: Beweisantrag und Verwertungsverbote
18.07.2022
Thema der Vorlesung (gehalten von Kilian Schaefer)
Beweisantrag und Verwertungsverbote
1. Was heißt Beweisaufnahme? / Welche Beweismittel gibt es?
In Deutschland gilt innerhalb der Hauptverhandlung das Strengbeweisverfahren. Da heißt es sind zur Beweisaufnahme nur die in der StPO aufgeführten Beweismittel zugelassen. Diese sind die Einlassung des Angeklagten, Zeugen, Sachverständige, die Augenscheinnahme und Urkunden. Die Einlassung des Angeklagten ist kein Beweismittel im engeren Sinne, da die Vernehmung des Angeklagten jedoch zu Beginn des Hauptverfahrens steht und vom Gericht zu würdigen ist, sollte diese auch im Rahmen der Beweismittel zunächst berücksichtigt werden.
Als zweites gibt es die Zeugen. Hier kommt erst einmal jeder, der nicht Beschuldigter im selben Verfahren ist in Betracht. Als Zeuge ist man verpflichtet nach der Vorladung in der Hauptverhandlung bei Gericht zu erscheinen und auszusagen. Wichtig zu beachten ist hier, dass bestimmte Berufsgruppen oder Ehepartner des/der Beschuldigten sich von dieser Pflicht befreien können. Dann besteht ein sogenanntes Zeugenverweigerungsrecht, geregelt sind diese in §§ 52 ff. StPO. Daneben besteht für jeden Zeugen das Auskunftsverweigerungsrecht, sofern die Aussage ihn selbst oder Angehörige belasten würde. Laut der Mosaiktheorie kann in Sonderkonstellationen sofern jegliche Aussage eine solche Belastung zur Folge hätte, dazu berechtigen die Aussage in vollen Umfang zu verweigern.
Ziel der Befragung von Zeugen ist es Tatsachen zu ermitteln, daher gilt es sich darauf zu konzentrieren was Zeugen tatsächlich gesehen oder gehört haben, nicht aber auf was sie meinen über den Beschuldigten zu wissen etc. Wichtig ist zudem dass der Unmittelbarkeitsgrundsatz vom Gericht gewahrt wird und Zeugen direkt in der Beweisaufnahme im Hauptverfahren vor Gericht gehört werden, anstatt ein Protokoll aus einer Zeugenbefragung im Ermittlungsverfahren zu verlesen.
Als nächstes Beweismittel sind die Sachverständigen zu nennen. Sie werden vom Gericht bestellt und haben in Einzelfällen gem. § 76 StPO wie Zeugen es auch haben können,Gutachtenverweigerungsrechte. Grundsätzlich gilt zudem, dass ausgenommen es handelt sich um ausländisches Recht, grundsätzlich keine Sachverständigen im Rechtsbereich benötigt werden. Als nächstes Beweismittel gibt es die Augenscheinnahme. Geregelt ist diese in §§ 86 ff. StPO. Dazu zählen alle direkten sinnlichen Wahrnehmungen wie z.B. der Besuch an Tatorten um diese anzusehen, das Ansehen von Tatobjekten und Waffen und häufig heutzutage oft Video und/ oder Tonaufnahmen insbesondere in Form von Telekommunikationsüberwachung. Gerade bei längerem Abhören der Geschehnisse durch das Telefon des Beschuldigten tun sich für die Verteidigung Grenzen auf. Aber auch hier ist es wichtig als Verteidiger genau hinzuschauen, denn in Fällen mit teilweise 2,5 Terrabyte Überwachung auf MP3 kann es aus zeitsparenden Gründen vorkommen, dass dem Gericht nicht alle entlastenden Beweise bekannt sind, da die Richter sich nicht alles vor dem Hauptverfahren sich vorher anhören können.
Als letztes gibt es noch Urkunden. Diese müssen vor Gericht grundsätzlich verlesen werden. Teilweise kann es schwierig sein diese klar vom Augenscheinbeweis abzugrenzen, beispielsweise wenn eine Email mit Foto vorliegt, wird der Mailtext erst verlesen und im Anschluss das Foto dann in Augenschein genommen. Um den Prozess voranzubringen kann vom Gericht hier aber auch entgegen des Mündlichkeitsprinzips ein Selbstleseverfahren angeordnet werden. Jeder Hauptverfahrensbeteiligte hat dann zumindest die Möglichkeit Kenntnis davon zu nehmen. Dies kann in Fällen des Wirtschaftsstrafrechts bei urkunden mit vielen Zahlen z.B. von Vorteil sein, da es sonst ewig dauern würde diese alle zu verlesen. Oder auch bei Schöffengerichten, wo die Schöffen die Einzelheiten des Falles vor Verfahrensbeginn nicht kennen und es schwer sein kann sich alle Details zu merken, die nur verlesen werden. Diesen positiven Aspekten, die vor allem die Funktionalität des Gerichts unterstützen, steht entgegen, dass so der Öffentlichkeitsgrundsatz beeinträchtigt wird, da die Öffentlichkeit keinen Zugang zu diesen Informationen hat.
Das oben bereits genannte Strengbeweisverfahren hat zur Folge, dass alles was nicht mit den oben aufgeführten Beweismitteln bewiesen werden kann, zu einem Freispruch führt und der Beschuldigte unschuldig i.S.d. Gesetzes ist.
2. Beweisantragsrecht
2.1 Allgemeines
Beweisanträge können von allen Prozessbeteiligten gestellt werden. Das heißt sowohl Staatsanwaltschaft, Angeklagtem, Verteidigung, Nebenklägern als auch Privatklägern besteht die Möglichkeit einen Beweisantrag einzureichen. Auch wenn das Gericht § 244 StPO vom Amts wegen dazu verpflichtet ist, alles Relevante zum Gegenstand der Beweisaufnahme zu machen kann es beispielsweise sinnvoll sein als Verfahrensbeteiligter ein Beweisantragsrecht zu haben.
Beispielsweise spricht dafür, dass einem als Verteidigung vom Mandanten Sonderwissen vermittelt werden kann, von dem das Gericht schlichtweg nichts weiß.
2.2 Was ist ein Beweisantrag und welche Voraussetzungen gibt es?
Gem. § 244 Abs. 3 StPO hat ein Beweisantrag vier Voraussetzungen. Zum einen muss der Antragsteller ein ernsthaftes Verlangen vorbringen. Darüber hinaus muss die Beweistatsache genau genannt werden, im Antrag muss also genau ausgeführt sein, über welche konkrete Tatsache der Beweis erhoben werden soll. Dann muss auch das Beweismittel bereits genau bezeichnet sein. Es muss sich also um eines der oben genannten von der StPO zugelassenen Beweismittel handeln, welches auch im Antrag genau bezeichnet sein muss. Als letztes muss das Merkmal der Konnexität erfüllt sein. Hierfür muss aus dem Antrag erkennbar hervorgehen, warum das dort bezeichnete Beweismittel Auskunft über die zu beweisen erstrebte Tatsache geben kann. Problematisch ist vor allem aus der Position des Verteidigers in einen Beweisantrag über einen Negativbeweis das zweite Merkmal zu erfüllen, da es sich bei Negativsachen gerade nicht um Tatsachen sondern um nicht stattgefundene Ereignisse handelt. Wenn also der Beweisantrag nicht alle formellen Voraussetzungen erfüllt, besteht dem Antragsteller alternativ die Möglichkeit in einem Beweisermittlungsantrag das Gericht zur Beweisermittlung aufzufordern, wenn beispielsweise das Beweismittel nicht genau beschreibbar ist, da es sich um einen Zeugen mit unbekanntem Wohnsitz etc. handelt. Eine weitere Alternative gerade um das Verfahren zu vereinfachen kann eine einfache Beweisanregung sein, in der das Gericht aufgefordert wird in eine bestimmte Richtung zu ermitteln. Sollte dieser nicht nachgegangen werden, kann im Nachhinein immer noch ein förmlicher Beweisantrag folgen.
Sobald der Beweisantrag einmal gestellt ist muss von Gericht darüber entschieden werden, ob diesem stattgegeben wird oder ob ein Ablehnungsbeschluss ergeht. Ein solcher Ablehnungsbeschluss muss zeitlich vor Ende der Beweisaufnahme ergehen, abgesehen davon gibt es keine Frist in der das Gericht diesen bearbeiten muss und in der Praxis kann dies durchaus dauern.
Das Gericht darf einen Beweisantrag nur aus einen im Gesetz genannten Ablehnungsgrund ablehnen, andernfalls würde eine Ablehnung einen Revisionsgrund bedeuten. Die im Gesetz abschließend aufgezählten Ablehnungsgründe sind:
- absolute Unzulässigkeit wegen eines gesetzlichen Verbots der Form der Beweiserhebung
- .berflüssigkeit der Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit oder Erwiesenheit (jedoch Verbot der Beweisantizipation zulasten des Angeklagten)
- .berflüssigkeit der Beweiserhebung wegen Bedeutungslosigkeit
- völlige Ungeeignetheit des Beweismittels
- Unerreichbarkeit des Beweismittels (darf nicht ohne weiteres angenommen werden wenn Zeuge nicht erscheint, gilt zunächst die Zwangsdurchsetzung der Zeugenerscheinungspflicht)
- Verschleppungsabsicht
- Wahrunterstellung
3. Beweiserhebungs- & Verwertungsverbote:
Beweiserhebungs- und Verwertungsverbote unterscheiden sich insofern, dass bei einem Beweiserhebungsverbot, der Beweis gar nicht erst erhoben werden darf, weil beispielsweise über einen bestimmten Sachverhalt zu ermitteln gesetzlich nicht gestattet ist (beispielsweise bereits getilgte Vorstrafen) oder eine Methode um den Beweis zu erlangen gesetzlich verboten ist. Hierfür lassen sich beispielsweise die in § 136a StPO genannten verbotenen Vernehmungsmethoden wie Folter anführen.
Beweisverwertungsverbote hingegen verbieten nicht die Erhebung des Beweises sondern die anschließende Verwendung im Prozess. Diese sind unterteilt in die selbstständigen und unselbstständigen Verwertungsverbote.
Unselbstständige Beweisverwertungsverbote entstehen durch die zuvor rechtswidrig ergangene Beweiserhebung. Teilweise sind diese ausdrücklich im Gesetz geregelt. An Stellen wo nicht ausdrücklich geregelt ist ob aus einem Beweiserhebungsverbot auch ein Verwertungsverbot resultiert, muss dies durch Auslegung ermittelt werden. Grundsätzlich gilt hier nicht wie Beispielsweise in Amerika, dass so genannte „fruit of the poisonous tree“ - Prinzip, dass die Verwertung eines rechtswidrig erlangten Beweises grundsätzlich verbietet. In bestimmten Fällen kann unter Abwägung die Verwertbarkeit dann doch rechtmäßig sein.
Selbstständige Beweisverwertungsverbote hingegen ergeben sich nicht aus der unrechtmäßigen Erhebung des Beweises es gibt also kein voriges Beweiserhebungsverbot. Das Beweisverwertungsverbot beruht hier vielmehr auf einem Verstoß gegen das Grundgesetz im Falle eines zu intensiven nicht mit dem GG vereinbaren Eingriffs oder auf einem Verstoß gegen den Grundsatz, dass ein Beschuldigter das Recht zu Schweigen hat und sich nicht selbst belasten muss. Als Verteidiger ist es wichtig, dass einem Verstoß gegen ein Verbot der Beweisverwertung unmittelbar widersprochen wird. Dies sollte so früh wie möglich und spätestens nach der Beweiserhebung passieren. Wird trotz des Widerspruchs der Beweis erhoben muss der Verteidiger einen für die Revision erforderlichen Gerichtsbeschluss beatragen. Vergisst der Verteidiger rechtzeitig den Widerspruch einzulegen, kann dies nicht mehr nachgeholt werden.