Konkurrentenstreit (Sachverhalt)
Im Januar 2017 trat ein Kulturabkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Spanien zur zweijährigen Bildungszusammenarbeit in Kraft. Die Umsetzung dieses Abkommens obliegt den Ländern. Daher war bereits im Jahr 2016 in der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft (im Folgenden: Senatsverwaltung) eine Beamtenstelle in der Laufbahngruppe II (2. Einstiegsamt) ausgeschrieben worden, die es nun – nach Eingang der Bewerbungen – zu besetzen gilt. Das Beamtenverhältnis soll zunächst auf Probe bestehen und nach Ableistung der Probezeit zur späteren Verwendung auf Lebenszeit dienen. Die Ausschreibung war ordnungsgemäß erfolgt. Außerdem sind die haushaltsrechtlichen Voraussetzungen für die Besetzung erfüllt. Zu den Aufgaben im Rahmen dieser Stelle gehören der enge Kontakt zum spanischen Bildungsministerium, die Koordinierung mit Partnerschulen, aber auch Personalplanung und -betreuung in der Senatsverwaltung. Darüber hinaus soll der Stelleninhaber der Senatorin für den Abschluss eines für 2020 geplanten weiteren Kulturabkommens beratend zur Seite stehen und Empfehlungen aufgrund der bisherigen Erfahrungen bei der Umsetzung des Kulturabkommens für Beratungen in der Kultusministerkonferenz abgeben. Gefordert werden daher neben ausgezeichneten Spanischkenntnissen ein tiefgründiges Verständnis des deutschen und spanischen Schul- und Bildungssystems und Fähigkeiten bei der Führung von Mitarbeitern.
Lediglich zwei Spanischlehrer an Berliner Schulen – Suelita Gasolina Romero (eine entfernte Cousine der Gasolinas) und Norbert Nürnberg –, die beide nicht verbeamtet sind, haben sich auf die ausgeschriebene Stelle beworben. Aus den Personalakten der beiden Bewerber ergibt sich, dass ihre pädagogischen und fachlichen Fähigkeiten auf hohem Niveau weitestgehend gleich sind. Der Unterrichtsstoff, der neben der spanischen Sprache auch Kenntnisse der spanischen und lateinamerikanischen Kultur und Geschichte vermitteln soll, wurde von beiden Bewerbern zufriedenstellend abgearbeitet. Es liegen außerdem keinerlei Auffälligkeiten hinsichtlich des Umgangs mit Vorgesetzten, Kollegen und Schülern vor. Sowohl Suelita Gasolina Romero (S) als auch Norbert Nürnberg (N) haben ihr Lehramtsstudium an der FU Berlin mit einem Masterabschluss absolviert. In seiner Bachelorarbeit hat N – von Deutschland aus – das spanische mit dem deutschen Bildungssystem verglichen Die Spanierin S hat noch vor ihrem Lehramtstudium ein dreijähriges Bachelorstudium in den Fächern Personalmanagement und Kulturwissenschaften abgeschlossen. Im Rahmen dieses Studiums war sie sechs Monate als Praktikantin im spanischen Bildungsministerium beschäftigt. Allerdings wurde bei ihr vor einigen Jahren die Krankheit Multiple Sklerose festgestellt. Derzeit ist S zwar beschwerde- und symptomfrei, aber aufgrund hinreichend fundierter statistischer Erkenntnisse sind betroffene Personen häufig vor Eintritt der gesetzlichen Altersgrenze dienstunfähig. Daher wird der sachkundige und unparteiische Amtsarzt A zur Untersuchung der S hinzugezogen. Er hält Rücksprache mit allen die S behandelnden (Fach-)Ärzten, nutzt deren Erkenntnisse und führt selbst ausführliche und ausschöpfende Untersuchungen durch. Daraufhin kommt er zu dem Ergebnis, der individuelle Krankheitsverlauf der S sei für Multiple Sklerose unüblich. Vorzeitige Dienstunfähigkeit und krankheitsbedingte erhebliche Ausfallzeiten können weder festgestellt noch ausgeschlossen werden. N wird vom Amtsarzt hingegen beste Gesundheit attestiert. Allerdings wurde bekannt, dass er vor mehreren Monaten auf dem Alexanderplatz Flugblätter der NPD mit der Aufschrift „D-Mark statt Euro-Pleite“ verteilt hat. Auf Nachfrage der Ernennungsbehörde teilte N mit, er sei bis vor kurzem mit einem aktiven Mitglied der NPD verlobt gewesen. Nur seiner Verlobten Veronika (V) zuliebe habe er an Flugblattaktionen teilgenommen. Mitglied der NPD sei er selbst nie gewesen. Außerdem habe er stets Kritik an den ausländer- und menschenfeindlichen Ansichten der V geübt, weshalb die Beziehung letztendlich gescheitert sei. Er habe nun keinen Anlass mehr, Flugblätter zu verteilen. Dennoch setze er sich nach wie vor mit den Ansichten der NPD auseinander und besitze hierzu rechtsextreme Schriften. Der Senat geht aufgrund der Aussagen des N davon aus, ihm fehle die Verfassungstreue nicht.
Nachdem die erforderliche Beteiligung aller anderen Stellen erfolgt ist, ernennt der Senat die S durch Aushändigung der formgerechten Ernennungsurkunde zur Beamtin. N wird weder hierüber noch über sein Unterliegen informiert, aber erfährt von einem ehemaligen Kollegen der S, dass diese die Schule verlassen hat, um die Stelle als Beamtin in der Senatsverwaltung anzutreten.
N ist empört und legt noch am selben Tag Widerspruch bei der Senatsverwaltung gegen die Ernennung der S ein. Er wendet ein, die Ernennung der S sei aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit nichtig. Jedenfalls sei sie aufgrund ihrer gesundheitlichen Probleme nicht zur Wahrnehmung des Amtes geeignet.
Der Senat nimmt sich der Sache an und zieht S zum Widerspruchsverfahren zu. S ist besorgt um ihre Ernennung und entscheidet sich daher, sich von Rechtsanwalt Sebastian Sartorius vertreten zu lassen, der über die Durchführung des Vorverfahrens verwundert ist. Der Senat lässt für S eine Ausnahme vom Erfordernis der deutschen Staatsangehörigkeit zu, da man auf ihre Qualifikationen, die sie im Rahmen des Bachelorstudiums und des Praktikums im spanischen Bildungsministerium erworben hat, angewiesen sei und es keinen deutschen Bewerber gebe, der den Stellenanforderungen entspreche. Daraufhin wird der Widerspruch des N als unbegründet zurückgewiesen. Der Bescheid, der eine ordnungsgemäße Rechtsbehelfsbelehrung enthält, wird N am 06.02.2017 zugestellt.
N entscheidet sich, am 06.04.2017 im Wege der Anfechtungsklage weiter gegen die Ernennung der S vorzugehen. Wird er damit Erfolg haben?
Dokumente
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© Heike Krieger und Markus Heintzen (Freie Universität Berlin)
Bearbeitung für Hauptstadtfälle: Anna Sophie Poschenrieder, Jannik Bach
Stand der Bearbeitung: März 2017