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Verwaltungszwang / -vollstreckung

 Gemäß § 8 Abs. 1 S. 1 VwVfG Bln gilt das VwVG des Bundes (diese Prüfungskette ist jedenfalls bei der ersten Zitierung in Prüfungsarbeiten aufzuzeigen und insbesondere sind die Sonderregeln des § 8 VwVfG Bln, des UZwG Bln sowie einige Regelungen im ASOG (vollstreckungsrechtliche Annexmaßnahmen) zu beachten)

 

Maßnahmen aus dem (für das Polizeirecht relevanten) zweiten Abschnitt des VwVG:

 

- Ersatzvornahme (§ 10 VwVG), bei vertretbaren Handlungen – Legaldefinition in § 10 VwVG, unerheblich für Vertretbarkeit ist Anzahl der Personen, denen die Handlung auch möglich ist, eine reicht aus, geringe Anzahl kann jedoch zur „Untunlichkeit“ i.S.v. § 11 Abs. 1 S. 2 VwVG führen, Vollstreckungsschuldner hat Kosten zu tragen („auf Kosten des Pflichtigen“)

- Zwangsgeld (§ 11 VwVG) – bis zu 50.000 € (s. § 8 Abs. 1 S. 2 VwVfG Bln)
§ 11 Abs. 1 S. 1 VwVG: bei unvertretbaren Handlungen soll durch Verhängung des Zwangsgelds Willen des Pflichtigen gebeugt werden

§ 11 Abs. 1 S. 2 VwVG: Verhängung des Zwangsgeldes bei vertretbaren Handlungen, wenn Ersatzvornahme „untunlich“; Merkmal ist eng auszulegen, Ersatzvornahme muss in besonders hohem Maße unangemessen oder unzweckmäßig sein

§ 11 Abs. 2 VwVG: Zwangsgeld bei Verstoß gegen Pflicht zur Duldung oder Unterlassung

Zwangsgeld kann mehrfach verhängt werden, bei Uneinbringlichkeit nach § 16 VwVG Ersatzzwanghaft möglich

- Unmittelbarer Zwang (§ 12 VwVG)

Definition des unmittelbaren Zwangs in § 2 Abs. 1 UZwG Bln: Einwirkung auf Personen und    Sachen durch körperliche Gewalt (vgl. § 2 Abs. 2 UZwG Bln), Hilfsmittel der körperlichen Gewalt (vgl. § 2 Abs. 3 UZwG Bln) und Waffen (vgl. § 2 Abs. 4 UZwG Bln)

Nach § 12 VwVG nur statthaft, wenn die anderen Zwangsmittel nicht zum Ziel führen oder untunlich sind;

aber auch darüber hinaus nach § 4 UZwG Bln strenge Verhältnismäßigkeitsprüfung, insb. auch nach §§ 8 ff. UZwG Bln für Schusswaffengebrauch.

 

„Gestrecktes Vollstreckungsverfahren“:

 

Stufen: Androhung (§ 13 VwVG) => Festsetzung (§ 14 VwVG) => Anwendung (§ 15 VwVG)

 

Androhung hat den Zweck, auf die Folgen der Nichterfüllung der titulierten Pflichten hinzuweisen; da sie eigenständige Regelungswirkung aufweist, ist sie VA

Festsetzung soll verdeutlichen, dass Voraussetzungen der Zwangsmittelanwendung nunmehr vorliegen – „letzte Warnung“, Regelungswirkung dahingehend, dass erklärt wird, die Voraussetzungen für die Anwendung lägen nunmehr vor, daher nach h.M. auch VA

Anwendung dagegen ist Realakt (kann jedoch gegenüber Dritten den Erlass von Duldungsverfügungen erfordern)

 

Gegen jede Stufe kann gesonderter Rechtsschutz erlangt werden

Um in die nachfolgende Stufe „überzugehen“, reicht jeweils die Wirksamkeit (nicht: Rechtmäßigkeit!) der einzelnen Vorstufen aus.

 

Das empfohlene Prüfungsschema auf der jeweiligen Stufe lautet wie folgt:

 

1. Ermächtigungsgrundlage: §§ 6 ff. VwVG

 

2. Formelle Rechtmäßigkeit

a) Zuständigkeit: Behörde, die den Grund-VA erlassen hat (§ 7 Abs. 1 VwVG)

b) Verfahren: Anhörung entbehrlich (§ 28 Abs. 2 Nr. 5 VwVfG)

c) Form: teilw. Schriftform (insb. § 13 Abs. 1 S. 1 VwVG) oder Zustellerfordernisse (§ 13 Abs. 7 VwVG)

 

3. Materielle Rechtmäßigkeit

a) Vollstreckbarer Grund-VA (vgl. § 6 Abs. 1 VwVG)
              - befehlender Inhalt (VA, „der auf die Herausgabe einer Sache oder auf die Vornahme einer Handlung oder auf Duldung oder Unterlassung gerichtet ist“)
              - Wirksamkeit (!) des Verwaltungsakts, nach h.M. nicht Rechtmäßigkeit

              - Bestandskraft oder keine aufschiebende Wirkung (weil dem Rechtsmittel kraft Gesetzes keine zukommt oder weil sofortige Vollziehung angeordnet ist, im Polizeirecht ist besonders § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 VwGO bei unaufschiebbaren Anordnungen von Polizeivollzugsbeamten relevant)

b) Richtiges Zwangsmittel

c) Vollstreckbare Vorstufe(n) – entsprechend lit. a)
- Androhung evtl. nach § 13 Abs. 1 S. 1 VwVG entbehrlich („können“ heißt, dass lediglich Voraussetzungen nach § 6 Abs. 2 VwVG vorliegen müssen; Androhung daher auch in entsprechenden Eilsituationen mit Bekanntgabemöglichkeit entbehrlich); außerdem durch teleologische Reduktion des § 13 VwVG dann entbehrlich, wenn die Umstände sie nicht zulassen

- Entsprechendes gilt nach § 14 S. 2 VwVG für die Festsetzung

d) Ermessen (s. § 6 Abs. 1 VwVG), insb. Verhältnismäßigkeit (wird insbesondere im Rahmen von Nachforschungspflichten bei Abschleppfällen diskutiert), inhaltlich sind die weiteren Stufen an den Vorstufen zu orientieren

e) Spezielle Anforderungen:
- Fristsetzung bei Androhung (§ 13 Abs. 1 S. 2 VwVG)

- Bestimmtheit bei Androhung, Kumulationsverbot (§ 13 Abs. 3 VwVG)

- Angabe von Kosten der Ersatzvornahme bei Androhung (§ 13 Abs. 4 VwVG)

- Nennung des Betrages des angedrohten Zwangsgelds (§ 13 Abs. 5 VwVG)

 

 

Sofortiger Vollzug / unmittelbare Ausführung

 

1. Ermächtigungsgrundlage

 

Gestrecktes Vollstreckungsverfahren nach § 6 Abs. 1 VwVG ist gesetzlicher Regelfall

 

Nach § 8 Abs. 1 S. 1 VwVfG Bln i.V.m. § 6 Abs. 2 VwVG ist ein Eilsituationen sofortiger Vollzug möglich.

Darüber hinaus nach § 15 ASOG im Polizei- und Ordnungsrecht auch die unmittelbare Ausführung.

 

(P) Abgrenzung zwischen den Instituten

e.A.: identische Institute, daher § 15 ASOG im Polizei- und Ordnungsrecht spezieller

a.A.: differenzierende Betrachtung: muss (hypothetischer) Wille des Betroffenen gebrochen werden, dann sofortiger Vollzug; werden Behörden jedoch gemäß (mutmaßlichem) Willen des Betroffenen tätig, dann unmittelbare Ausführung

2. Formelle Rechtmäßigkeit

a) Zuständigkeit (§ 6 Abs. 2 VwVG „innerhalb ihrer gesetzlichen Befugnisse“ / § 15 Abs. 1 S. 1 ASOG)

b) Entbehrlichkeit der Androhung (§ 13 Abs. 1 S. 1 VwVG / § 15 Abs. 1 S. 1 ASOG)

 

3. Materielle Rechtmäßigkeit

a) Eilbedürftigkeit

              (§ 6 Abs. 2 VwVG: „wenn der sofortige Vollzug zur Verhinderung einer rechtswidrigen Tat, die einen Straf- oder Bußgeldtatbestand verwirklicht, oder zur Abwendung einer drohenden Gefahr notwendig ist“)

              (§ 15 Abs. 1 S. 1 ASOG: „wenn der Zweck der Maßnahme durch Inanspruchnahme der nach den §§ 13 oder 14 Verantwortlichen nicht oder nicht rechtzeitig erlangt werden kann“)

b) Rechtmäßigkeit (!) des fiktiven Grund-VA (wegen Art. 19 Abs. 4 GG) - nicht nur Wirksamkeit

              (§ 6 Abs. 2 VwVG: „innerhalb ihrer gesetzlichen Befugnisse“)
              (§ 15 Abs. 1 S. 1 ASOG: „wenn der Zweck der Maßnahme“)

              - Ermächtigungsgrundlage (z.B. § 17 Abs. 1 ASOG)

              - formelle Rechtmäßigkeit

              - materielle Rechtmäßigkeit

c) Ermessen im Hinblick auf durchgeführte Maßnahme, insb. Verhältnismäßigkeit

 

Sowohl unmittelbare Ausführung als (nach wohl h.M.) auch sofortiger Vollzug sind als Realakte zu qualifizieren (mangels Regelungswirkung). Aber Achtung! Nach § 18 Abs. 2 VwVG sind für den Sofortvollzug die gegen Verwaltungsakte statthaften Rechtsbehelfe statthaft, was nach h.M. über die Verweisung des § 8 Abs. 1 S. 1 VwVfG Bln auch für den Sofortvollzug der Berliner Behörden gilt.

 

© Markus Heintzen und Heike Krieger (Freie Universität Berlin)

Bearbeitung für Hauptstadtfälle: Jannik Bach

Stand der Bearbeitung: Februar 2018