30.06.2021 - Dr. Ali B. Norouzi: Nach dem Urteil
Jul 09, 2021
30.06.2021- Dr. Ali B. Norouzi- Nach dem Urteil
Die wichtigste Aufgabe eines Strafverteidigers liegt darin, als Gegenspieler der Staatsanwaltschaft für ein gerechtes Verfahren zu sorgen. Ein Strafverteidiger kann in bestimmten Fällen seine Rolle als Vertreter des Angeklagten nach dem Urteil im Rahmen des Revisionsverfahrens weiter nachgehen. Denn ein scheinbar unbedeutender Verfahrensfehler kann im Nachhinein sogar zur einer gänzlich anderen Entscheidung führen.
Herr Dr. Ali B. Norouzi, Rechtsanwalt und Strafverteidiger seit 2008, führte uns hierbei in die Thematik der Revision ein. Er ist Mitglied im Strafrechtsauschuss des Deutschen Anwaltsvereins und Lehrbeauftragter an der Humboldt-Universität zu Berlin. Seit 2014 hält Herr Dr. Norouzi Präsentationen über den weiteren Verlauf nach einem Urteil im Rahmen der Law Clinic.
Herr Dr. Norouzi gliederte seinen Gastvortrag in zwei Teile. Im ersten Teil wurden wir in die Theorie der Revision eingeführt, wobei wir über das Verfahren an sich belehrt wurden als auch darüber, wie man im Regelfall an einen solchen Fall herangeht. Im zweiten Teil des Vortrages wurde uns der praktische Ablauf anhand eines Fall geschildert.
1. Was ist eine Revision?
Zuerst wurde uns nähergebracht, was eine Revision ist. Bei der Revision handelt es sich um ein Rechtsmittel, das gegen Urteile eines Tatgerichts möglich erhoben wird. Dabei wurde darauf aufmerksam gemacht, dass die Revision auf eine reine rechtliche Kontrolle beschränkt ist (vgl. § 337 StPO). Sie kann demnach nur darauf gestützt werden, dass ,,das Urteil auf einer Verletzung des Gesetzes beruhe‘‘.
Mit rechtlicher Kontrolle ist gemeint, dass nicht die tatsächliche Richtigkeit des Urteils geprüft wird, sondern:
- ob die Feststellung prozessual ordnungsgemäß zustande gekommen sind (Verfahrensrüge) und
- ob die Rechtsanwendung im Urteil materiell-rechtlich richtig ist (Sachrüge)
Bei Erfolg der Rüge, wird das Urteil aufgehoben und zur neuen Verhandlung an ein anderes Tatgericht zurückverwiesen.
2. Wer ist das Revisionsgericht?
Ferner wurden wir auch über die Zuständigkeiten der Gerichte aufgeklärt. Der Bundesgerichtshof ist gem. § 135 GVG zuständig für alle Verfahren, für welche die Landgerichte und Oberlandesgerichte (§ 120 GVG) als Tatgerichts erstzuständig sind.
Das Oberlandesgericht ist hingegen gem. § 121 GVG nur zuständig, für Sachen, die vom Landgericht in zweiter Instanz (als Berufungsgericht) oder vom Amtsgericht (im Wege der „Sprungrevision“) kommen.
3. Instanz- und Revisionsverteidiger
Der Verteidiger in der Tatsacheninstanz muss nicht auch der Revisionsverteidiger sein. Es ist laut Herrn Dr. Norouzi manchmal sinnvoll, einen neuen Verteidiger für die Revision einzuschalten, weil dieser eine objektivere Sicht auf den Fall hat und durch retrospektive Herangehensweise (vom Urteil aus) einen anderen Blickwinkel hat.
4. Gang des Revisionsverfahrens
Darüber hinaus erklärte uns Herr Dr. Norouzi den Gang des Revisionsverfahrens. Zusammengefasst lautet diese wie gefolgt:
- am Ende einer Beweisaufnahme: mündliche Urteilsverkündung.
- danach wird der Angeklagte belehrt, dass ihm das Rechtsmittel der Revision zusteht. Die Revisionseinlegungsfrist beträgt eine Woche und ist schriftlich zu beachten.
- Ist die Revision eingelegt, so setzt das Gericht das schriftliche Urteil innerhalb einer bestimmten Frist (vgl. § 275 I StPO) ab.
- Wenn das schriftliche Urteil den Verfahrensbeteiligten zugestellt wurde, läuft die einmonatige Revisionsbegründungsfrist. Zu beachten ist hierbei: Verfahrensrüge muss innerhalb der Frist komplett dargestellt werden; für die die Sachrüge genügt zur Begründung ein Satz
- nach Einreichung der Revisionsbegründung geht die Akte an die Staatsanwaltschaft und dann an den Generalbundesanwalt, der die Revision als begründet oder unbegründet kennzeichnet.
- Es erfolgt eine Erwiderung und schlussendlich eine Entscheidung des Revisionsgerichts.
Dabei sind nach Herrn Dr. Norouzi jedoch Revisionshauptverhandlungen in der Praxis sehr selten. Die meisten Beschlüsse des BGH sind in der Regel Verwerfungsbeschlüsse, in der weit überwiegenden Zahl ohne Begründung.
5. Die Herangehensweise eines Revisionsverteidigers
Herr Dr. Norouzi brachte uns ferner die Herangehensweise eines Revisionsverteidigers an einen Fall näher, wobei er zehn wesentliche Schritte nannte
1. Mandatierung, Honorarabrede, schriftliche Vollmacht
2. Legitimierung und Akteneinsicht
3. Urteilszustellung, Vermerk der Revisionsbegründungsfrist
4. Prüfung der Erfolgsaussichten
5. Fragestellung: Hat sich der Fehler auf das Urteil ausgewirkt? Inwiefern?
6. Fertigung der Revisionsbegründung (innerhalb der Monatsfrist)
7. Honorarabrechnung
8. GBA: Verwerfungsantrag, § 349 II StPO
9. Erwiderung binnen 2 Wochen
10. BGH
Die Prüfung der Erfolgsaussichten eines Falles durften wir im zweiten Teil des Vortrages mit Herrn Dr. Norouzi an einem Fall üben. Dabei prüften wir mögliche Verfahrensfehler. Im Übungsfall fiel auf, dass der Verfahrensfehler beim Verlesen eines Vernehmungsprotokolls geschah. Die entscheidende Rolle spielte hierbei § 251 IV StPO. Das Gericht verlas die Urkunde ohne Beschluss über die Zulässigkeit der Verlesung einer Zeugenaussage. Aufgrund der negativen Beweiskraft des Protokolls war der Fehler bewiesen, sodass die Revision schlussendlich Erfolg hatte. Im neuen Durchgang sprach eine andere Kammer des Landgerichts den Angeklagten frei.
Zusammenfassend können wir sagen, dass der Gastvortrag von Herrn Dr. Norouzi sehr lehrreich war. Er hat uns Studierenden ein komplexes Rechtsgebiet anhand von Fällen und Beispielen aus der Praxis gut nahegebracht.