Seminar zur Privatrechtsgeschichte des 19. Jahrhunderts im Wintersemester 2021/22
News vom 05.07.2021
Univ.-Prof. Dr. Cosima Möller
Modul Thematische Vertiefung: Seminar zur Privatrechtsgeschichte des 19. Jahrhunderts im Wintersemester 2021/22
Rudolf von Jhering – Jurist im 19. Jh.:
„Durch das römische Recht, aber über dasselbe hinaus“
In diesem Seminar soll der berühmte Jurist Rudolf Jhering (1818-1892), der nach seiner Zeit als Professor in Wien vom österreichischen Kaiser 1872 in den Adelsstand erhoben wurde, zum Ausgangspunkt einer Zeitreise in das 19. Jh. gemacht werden. Dazu bedarf es einer Vergewisserung über Grundgedanken der historischen Rechtsschule als der dominierenden Richtung in der Rechtswissenschaft der ersten Hälfte des 19. Jhs. Vor diesem Hintergrund soll ein Blick auf Jherings Leben und Werk geworfen werden, in dem Wissenschaft und Praxis in enger Verbindung eine Rolle spielten. Die zwei Hauptthemenblöcke sind der Methodik von Jhering einerseits und seinen dogmatischen Herleitungen zivilrechtlicher Neuerungen oder Präzisierungen aus dem römischen Recht andererseits gewidmet. Die methodischen Themen sind nicht nur wegen des oft beschriebenen und interpretierten Wandels vom Begriffsjuristen zum Interessen- oder Zweckjuristen interessant, sondern können als Annäherungen an Grundelemente einer verantwortlichen Rechtswissenschaft studiert werden. Das reicht vom Nachdenken über allgemeingültige Gedankenoperationen bei der Lösung von Rechtsfällen und der Erschließung und Weiterentwicklung von Dogmatik über den Versuch, die Rolle des Rechtsgefühls zu beschreiben, den wissenschaftlichen Charakter der Jurisprudenz nachzuweisen und die Rolle der praktischen Bewährung des Rechts im Kampf des einzelnen um sein Recht nachzuzeichnen bis zu der selbstkritischen und humorvollen Auseinandersetzung mit dogmatischen Übertreibungen. Der Anteil Jherings an der Untersuchung der empirischen Grundlagen des Rechts in Gestalt einer Rechtssoziologie ist ebenfalls diesem Themenkomplex zugeordnet. Die dogmatischen Herleitungen aus dem römischen Recht sind schon den Themen nach als Beiträge zu unserem Bürgerlichen Recht erkennbar und aus den ersten vier Semestern des Studiums bekannt. Die Aufmerksamkeit soll hier auf die Ursprünge im römischen Recht gelenkt und auf die Gewinnung eines zeitgemäßen Rechts in Jherings Perspektive gerichtet werden.
Eine Vorbesprechung mit Themenvergabe wird am Donnerstag, den 15. Juli 2021 um 14.15 Uhr in Gestalt einer Videokonferenz via WebEx stattfinden. Interessierte melden sich bitte bei meinem wissenschaftlichen Mitarbeiter, Herrn Morguet (mmorguet@zedat.fu-berlin.de), oder bei meiner Sekretärin, Frau Oelstrom (roemre@zedat.fu-berlin.de). Sie erhalten dann die Zugangsdaten.
Bei der Ausarbeitung der Referate werden Sie durch Hinweise zur Sekundärliteratur und zu den Quellen sowie durch die Vorbesprechung eines Entwurfs unterstützt. Ein Leitfaden zur Anfertigung einer Seminararbeit wird ebenfalls zur Verfügung gestellt. Die Abgabe der schriftlichen Fassung des Referats erfolgt 14 Tage vor dem Termin.
Das Seminar wird in zwei Blockveranstaltungen angeboten, und zwar am Donnerstag, den 16.12.2021 von 14-19 Uhr und am Freitag, den 17.12.2021 vormittags sowie am Donnerstag, den 27.1.2022 von 14- 19 Uhr und am Freitag, den 28.1.2022.
Das Seminar wird nach Möglichkeit als Präsenzveranstaltung stattfinden.
Themenliste:
A. Grundlegendes: Jhering im Kontext der historischen Rechtsschule:
1. Savignys Plädoyer für die Wissenschaft – Zeit für eine neue dogmatische Durchdringung der Überlieferung des römischen Rechts
2. Puchtas Lehre vom Gewohnheitsrecht: Das Verhältnis von Volksrecht, Juristenrecht und Gesetzgebung
B. Biographie Jherings:
3. Professor, Zeitschriftengründer, Redner, Gutachter: Rudolf von Jhering als Akteur in Wissenschaft und Praxis
C. Jherings Rechtsmethodik:
4. Jherings „naturhistorische Methode“ – Gibt es eine Universalgrammatik des Rechts? (vergeben)
5. Jherings Gedanken zur Entstehung des Rechtsgefühls – ein Evolutionsmodell des Rechts (vergeben)
6. „Ist die Jurisprudenz eine Wissenschaft?“ – Jherings Wiener Antrittsvorlesung als kritische Selbstreflexion der Jurisprudenz (vergeben)
7. Jherings „Kampf ums Recht“ – die Rolle des Einzelnen für die Rechtsordnung
8. „Scherz und Ernst in der Jurisprudenz“ – Jhering als bissig-humorvoller Fachschriftsteller
9. Jhering als Begründer der Rechtssoziologie (vergeben)
D. Dogmatische Herleitungen Jherings aus dem römischen Recht:
10. Die Zession des Vindikationsanspruchs – Jherings Vorarbeiten zu § 931 BGB (vergeben)
11. Differenzierung zwischen Rechtswidrigkeit und Verschulden (nicht zu vergeben)
12. Culpa in contrahendo – das Rechtsgefühl und die Quellen (vergeben)
13. Zur Theorie der Stellvertretung – Offenkundigkeit als Voraussetzung
14. Der Doppelverkauf von Schiffsanteilen - Gefahrübergang und Pflicht zur doppelten Kaufpreiszahlung? (vergeben)
15. Ansprüche gegen den redlichen Besitzer im EBV – Schutz des guten Glaubens (vergeben)
16. Sozialbindung des Eigentums – Jherings „Vorarbeit“ für § 906 BGB
17. Die Theorie vom Besitz – Besitz als „Vorwerk“ für das Eigentum