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Paper134: Christian Calliess - Grundrechtsschutz zwischen Bundesverfassungsgericht (BVerfG) und Gerichtshof der EU (EuGH): Von Solange I bis zum Recht auf Vergessen II.

06.09.2021

Mit seinen Beschlüssen zum „Recht auf Vergessen“ vom 6. November 2019 hat der Erste Senat des BVerfG eine Trendwende im Hinblick auf das Verhältnis von nationalen zu europäischen Grundrechten eingeleitet: Die Charta der Grundrechte der Europäischen Union wird in Abweichung von der bisherigen Rechtsprechung, die von einer strikten Trennung der Prüf- und Zuständigkeitssphären ausging, nunmehr zum unmittelbaren Prüfungsmaßstab für das BVerfG. Ferner wird für Bereiche, in denen das Unionsrecht den Mitgliedstaaten Spielräume lässt, eine widerlegbare Vermutung dafür ausgesprochen, dass die deutschen Grundrechte die Garantie der Unionsgrundrechte in aller Regel mitgewährleisten. Zugleich wird der Weg für eine parallele Anwendung von nationalen und europäischen Grundrechten geebnet. Dem föderalen Verbunddenken entsprechend betont das BVerfG die Kooperation mit dem Gerichtshof der Europäischen Union, gleichwohl wird die Frage aufgeworfen, ob es sich damit zur zentralen Kontrollinstanz für die Einhaltung deutscher und europäischer Grundrechte in Deutschland macht.