Glashaus (Lösungsvorschlag)
Ritter möchte wissen, ob er einen Anspruch auf Erteilung einer Baugenehmigung hat. Dieser könnte sich aus § 71 Abs. 1 S. 1 BauO Bln ergeben, kommt aber grundsätzlich nur in Betracht, wenn sein Vorhaben einer Baugenehmigung überhaupt einer Baugenehmigung bedarf. Weiterhin müssten die Voraussetzungen für die Erteilung einer Baugenehmigung vorliegen.
I. Genehmigungsbedürftigkeit des Vorhabens
Voraussetzung für die Erteilung einer Baugenehmigung nach § 71 Abs. 1 S. 1 BauO Bln ist zunächst, dass das Vorhaben nach § 59 Abs. 1 BauO Bln überhaupt einer Baugenehmigung bedarf, andernfalls könnte kein Anspruch auf Erteilung einer Baugenehmigung bestehen.
Dafür müsste es sich bei dem Gewächshaus um eine Anlage handeln. Anlagen i. S. d. BauO Bln sind bauliche Anlagen oder sonstige Anlagen oder Einrichtungen. Der Begriff der baulichen Anlage ist in § 2 Abs. 1 S. 2 u. S. 3 BauO Bln legaldefiniert. Hiernach sind bauliche Anlagen mit dem Erdboden verbundene, aus Bauprodukten hergestellte Anlagen. Bauprodukte sind nach § 2 Abs. 10 Nr. 1 BauO Bln vor allem Baustoffe, Bauteile und Anlagen, die hergestellt werden, um dauerhaft in bauliche Anlagen eingebaut zu werden. Ritter will auf seinem Grundstück zwischen der Garage und dem Wohnhaus ein Gewächshaus aus Glas errichten, so dass das Vorhaben als bauliche Anlage in diesem Sinne, mithin als Anlage klassifiziert werden kann. Er will diese Anlage auch i. S. d. § 59 Abs. 1 BauOBln „errichten“.
Ferner darf das Vorhaben nicht nach § 61 BauO Bln genehmigungsfrei sein. Hier käme eine Genehmigungsfreiheit nach § 61 Abs. 1 Nr. 1 lit. d BauO Bln in Betracht, jedoch liegt die Firsthöhe des von Ritter geplanten Gewächshauses über der dort angegebenen Höchstgrenze von 5 m. Demnach fällt das Gewächshaus nicht mehr unter den Befreiungstatbestand. Weitere Möglichkeiten, wonach das Gewächshaus als verfahrensfrei eingestuft werden könnte, sind nicht ersichtlich.
Ebenfalls handelt es sich bei dem Vorhaben nicht um eine Gartenlaube mit höchstens 24 Quadratmetern Grundfläche in einer Kleingartenanlage, sodass auch nach § 61 Abs. 1 Nr. 1 lit. h BauO Bln keine Verfahrensfreiheit besteht.
Das Gewächshaus ist zudem selbstständig benutzbar, überdeckt und kann von Menschen betreten werden. Weiterhin ist es dazu geeignet Menschen und sogar bestimmt, Pflanzen Schutz zu bieten. Daher handelt es sich um ein Gebäude nach § 2 Abs. 2 BauO Bln. Daher ist auch keine Verfahrensfreiheit als der Gartennutzung dienende Anlage nach § 61 Abs. 1 Nr. 10 lit. e BauO Bln gegeben.
Ritter benötigt damit für sein Vorhaben eine Baugenehmigung.
II. Genehmigungsfähigkeit des Vorhabens
Nach § 71 Abs. 1 S. 1 BauO Bln ist ein nach § 59 BauO Bln genehmigungsbedürftiges Bauvorhaben zu genehmigen, wenn es den öffentlich-rechtlichen Vorschriften entspricht, die im bauaufsichtsrechtlichen Verfahren zu prüfen sind. Der Prüfungsumfang hängt entscheidend davon ab, ob das vereinfachte Baugenehmigungsverfahren (§ 63 S. 1 BauO Bln) Anwendung findet oder nicht. Vorliegend könnte das vereinfachte Baugenehmigungsverfahren einschlägig sein und damit den Prüfungsumfang für die Genehmigungsfähigkeit eines Vorhabens vorgeben.
Dafür dürfte das verglaste Gewächshaus keinen Sonderbau i. S. d. § 2 Abs. 4 BauO Bln darstellen. Da das Gewächshaus keinen der in § 2 Abs. 4 BauO Bln genannten Tatbestände erfüllt und von ihm auch keine vergleichbare Gefahr i. S. d. § 2 Abs. 4 Nr. 20 BauO Bln ausgeht, stellt es keinen Sonderbau dar.
Folglich war vorliegend das vereinfachte Baugenehmigungsverfahren durchzuführen. In diesem sind nach § 63 S. 1 BauO Bln die Übereinstimmung des Vorhabens mit den Vorschriften der §§ 29 bis 38 BauGB, die beantragte Zulassung von Abweichungen i. S. d. § 67 Abs. 1 u. Abs. 2 S. 2 BauO Bln sowie die Einhaltung anderer öffentlich-rechtlicher Anforderungen, soweit wegen der Baugenehmigung eine Entscheidung nach anderen öffentlich-rechtlichen Vorschriften entfällt oder ersetzt wird, zu prüfen.
Anmerkung: Beim vereinfachten Baugenehmigungsverfahren wird die Zulässigkeit des Bauvorhabens nicht mehr umfassend, sondern nur am Maßstab der abschließend aufgezählten Vorschriften geprüft. Daher ist eine solche Baugenehmigung nicht rechtswidrig (und kann deshalb auch nicht nach § 48 VwVfG zurückgenommen werden), wenn das Bauvorhaben mit Vorschriften unvereinbar ist, die im vereinfachten Verfahren nicht zu prüfen sind.[1] Wenn das Bauvorhaben gegen baurechtliche Regelungen verstößt, die im vereinfachten Verfahren nicht zu prüfen sind, kann dementsprechend eine erteilte Baugenehmigung etwaigen Abrissverfügungen und sonstigen bauordnungsrechtlichen Maßnahmen aber auch nicht entgegengehalten werden.[2] Die durch die Genehmigung vermittelte Legalisierungswirkung ist auf den Umfang des gesetzlichen Prüfprogramms beschränkt. § 59 Abs. 2 BauO Bln formuliert dies letztlich unmissverständlich: „Die [...] Beschränkung der bauaufsichtlichen Prüfung nach [...] § 63 […] entbinde[t] nicht von der Verpflichtung zur Einhaltung der Anforderungen, die durch öffentlich-rechtliche Vorschriften an Anlagen gestellt werden, und [lässt] die bauaufsichtlichen Eingriffsbefugnisse unberührt.“ |
1. Vereinbarkeit mit den §§ 29 ff. BauGB
Das Vorhaben müsste daher zunächst den bauplanungsrechtlichen Vorgaben der §§ 29 ff. BauGB entsprechen.
a) Anwendbarkeit der §§ 29 ff. BauGB
Fraglich ist, ob die §§ 29 ff. BauGB überhaupt anwendbar sind. Dann müsste es sich bei dem Vorhaben von Ritter um die Errichtung, Änderung oder Nutzungsänderung einer baulichen Anlage i. S. d. § 29 Abs. 1 BauGB handeln, d. h. um ein Vorhaben, das unabhängig davon, ob die Voraussetzungen des § 2 BauO Bln erfüllt sind, eine gewisse „bodenrechtliche“ bzw. „städtebauliche“ Relevanz aufweist, also die in § 1 Abs. 6 BauGB genannten Belange in einer Weise berühren kann, die geeignet ist, das Bedürfnis nach einer seine Zulässigkeit regelnden verbindlichen Bauleitplanung hervorzurufen.[3] Dies ist bei der Einrichtung eines Gewächshauses von 112 qm Brutto-Grundfläche zu bejahen.
Anmerkung: Keine bauliche Anlage i. S. d. § 29 BauGB, wohl aber i. S. d. Bauordnungsrechts, soll nach OVG Hamburg[4] etwa eine „klassische“ Litfaßsäule auf einem öffentlichen Weg sein. |
b) Vereinbarkeit mit § 30 BauGB
Das Grundstück von Ritter, auf dem das Vorhaben durchgeführt werden soll, befindet sich im Geltungsbereich eines Bebauungsplans. Daher ist § 30 BauGB zu beachten. Da der Bebauungsplan jedoch keine Festsetzungen über die Art der baulichen Nutzung enthält, handelt es sich nicht um einen sog. qualifizierten Bebauungsplan, innerhalb dessen Geltungsbereich sich die Zulässigkeit eines Vorhabens ausschließlich nach § 30 Abs. 1 BauGB richtet. Vielmehr handelt es sich um einen einfachen Bebauungsplan, bei dem sich nach § 30 Abs. 3 BauGB die Zulässigkeit des Vorhabens „im Übrigen“ nach § 34 bzw. § 35 BauGB richtet. Der einfache Bebauungsplan wird damit - soweit er keine Regelungen enthält - durch § 34 oder § 35 BauGB ergänzt.
Das Maß der baulichen Nutzung wurde eingehalten, das Vorhaben entspricht also den §§ 16 ff. BauNVO und auch die §§ 22 f. BauNVO sind gewahrt. Da der Bebauungsplan jedoch keine Vorschriften über die Art der baulichen Nutzung enthält, sind insoweit nach § 30 Abs. 3 BauGB die Regelungen der § 34 und § 35 BauGB ergänzend heranzuziehen.
c) Vereinbarkeit mit § 34 BauGB
Fraglich ist daher weiter, ob sich die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens nach § 34 BauGB richtet. Dann müsste sich das Grundstück von Ritter innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteiles befinden. Der Innenbereich endet grundsätzlich unmittelbar hinter dem letzten Haus des im Zusammenhang bebauten Ortsteils.[5] Das fragliche Grundstück liegt am Rande des bebauten Ortsteils. Ritter will sein Gewächshaus aber genau zwischen der an der Grundstücksgrenze liegenden Garage und dem Wohnhaus errichten, so dass das Vorhaben nicht im Außen-, sondern im Innenbereich liegt, mit der Folge, dass sich die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens nach § 34 BauGB richtet.
Entspricht die nähere Umgebung des geplanten Vorhabens einem der in § 2 bis § 11 BauNVO aufgeführten Baugebiete, richtet sich die Zulässigkeit des Vorhabens gemäß § 34 Abs. 2 BauGB hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung allein danach, ob das Vorhaben nach der BauNVO in diesem Baugebiet zulässig wäre. Daher ist § 34 Abs. 2 BauGB hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung lex specialis zu § 34 Abs. 1 BauGB. Somit ist zu fragen, ob die nähere Umgebung einem der in § 2 bis § 11 BauNVO aufgeführten Baugebiete entspricht. Ob dies der Fall ist, entscheidet sich grundsätzlich allein nach dem faktischen und sichtbaren Zustand des Gebietes.[6] Zunächst ist daher zu untersuchen, welchen Gebietscharakter die nähere Umgebung des Grundstücks von Ritter aufweist und ob in diesem Gebiet die Verwirklichung des geplanten Vorhabens zulässig wäre.
Kommt es für die Beurteilung des Gebiets grundsätzlich auf den faktischen Zustand an, folgt hieraus, dass bei der Gebietsbeurteilung das nicht realisierte Vorhaben des Gewächshauses nicht zu berücksichtigen ist, da dieses Vorhaben eben nicht verwirklicht worden ist.
Eine bestimmte Charakterisierung als typisiertes Baugebiet i.S.d. § 1 Abs. 2 BauNVO ist anzunehmen, wenn alle tatsächlichen Nutzungsarten der näheren Umgebung den im Gebiet zulässigen Nutzungsarten entsprächen. In Betracht kommt eine Charakterisierung des Gebietes als Dorfgebiet nach § 5 BauNVO.
Die Bauernhäuser wären gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO, die Ställe und Scheunen aufgrund von § 5 Abs. 2 Nr. 4 BauNVO,
die verschiedenen Läden und die Gaststätte nach § 5 Abs. 2 Nr. 5 BauNVO, die Änderungsschneiderei als sonstiger Gewerbebetrieb i. S. von § 5 Abs. 2 Nr. 6 BauNVO,
die Baumschule gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 8 BauNVO und die Tankstelle aufgrund von § 5 Abs. 2 Nr. 9 BauNVO zulässig.
Somit bestimmt sich die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit von Ritters Vorhaben bezüglich der Art der baulichen Nutzung danach, ob es gemäß § 34 Abs. 2 BauGB i. V. m. § 5 Abs. 2 BauNVO allgemein zulässig wäre. In Betracht kommt hier eine Zulässigkeit des Gewächshauses als Gartenbaubetrieb nach § 5 Abs. 2 Nr. 8 BauNVO. Ritter möchte das Gewächshaus dazu nutzen, Blumen anzubauen, um mit dem Verkauf derselben seine Altersversorgung aufzubessern. Daher ist das Vorhaben Ritters nach § 34 Abs. 2 BauGB i. V. m. § 5 Abs. 2 Nr. 8 BauNVO bauplanungsrechtlich zulässig.
Nach alledem kann festgestellt werden, dass das Gewächshaus bauplanungsrechtlich zulässig ist.
2. Vereinbarkeit mit anderen öffentlich-rechtlichen Vorschriften
Jedoch geht das Bezirksamt davon aus, dass Ritter die Baugenehmigung für das Gewächshaus nicht erteilt werden kann, weil zu befürchten sei, dass Sonnenspiegelungen des verglasten Gebäudes die Autofahrer auf der am Grundstück entlangführenden Straße blenden und so zu Verkehrsunfällen führen könnten. Verstöße gegen nicht-baurechtliche Vorschriften könnten der Erteilung einer Baugenehmigung nach § 71 Abs. 1 S. 1 BauO Bln jedoch nur entgegenstehen, wenn sie im vereinfachten Verfahren nach § 63 BauO Bln zu prüfen wären.
Dies ist nach § 63 S. 1 Nr. 3 BauO Bln der Fall, soweit die Baugenehmigung eine Entscheidung nach anderen öffentlich-rechtlichen Vorschriften ersetzt. Die hier entscheidenden Vorschriften der §§ 32, 33 StVO regeln zwar Verbote von Verkehrshindernissen bzw. Verkehrsbeeinträchtigungen, beinhalten aber kein auf den vorliegenden Fall passendes allgemeines Verbot der von Grundstücken ausgehenden Gefährdung des innerörtlichen Verkehrs, worunter man die befürchteten Spiegelungen der Glaswände subsumieren könnte. Zudem ist bauplanungsrechtlich zu bedenken, dass Gewächshäuser im Dorfgebiet nach § 5 Abs. 2 Nr. 8 BauNVO ausdrücklich zulässig sind. Da aber die StVO nicht festlegt, dass eine Baugenehmigung eine straßenrechtliche Genehmigung umfasst, sind §§ 32, 33 StVO nicht Teil des Prüfungsumfangs. Es kann daher letztlich dahinstehen, ob überhaupt ein Verstoß vorläge.
Folglich durfte sich die Baubehörde nicht auf die StVO berufen, um Ritter die beantragte Baugenehmigung zu verweigern.[7]
Das Vorhaben Ritters entspricht somit den im vereinfachten Verfahren nach § 63 BauGB zu prüfenden öffentlich-rechtlichen Vorschriften und ist daher genehmigungsfähig.
III. Möglichkeit der Ablehnung nach § 71 Abs. 1 S. 3 BauO Bln
Die Baubehörde hätte aber dennoch die Baugenehmigung zu Recht abgelehnt, wenn Ritters Antrag auf Erteilung einer Baugenehmigung (im vereinfachten Verfahren) nach § 71 Abs. 1 S. 3 BauO Bln hätte abgelehnt werden können.
Die Norm soll nach dem Willen des Berliner Gesetzgebers den Fall fehlenden Sachbescheidungsinteresses explizit regeln.[8] Nach allgemein anerkannten Grundsätzen muss der Bürger nämlich ein rechtliches oder wirtschaftliches Interesse an der Entscheidung der Behörde über einen von ihm gestellten Antrag haben; ein Sachbescheidungsinteresse fehlt etwa, wenn der Betroffene eine beantragte Genehmigung aus Gründen, die im Genehmigungsverfahren zwar eigentlich nicht zu prüfen sind, wegen schlechthin nicht zu überwindender Hindernisse nicht ausnutzen kann.[9]
Aus diesen allgemeinen Grundsätzen ist verschiedentlich geschlossen worden, dass eine Behörde eine Baugenehmigung, die im vereinfachten Verfahren nach § 63 BauO Bln zu erteilen ist, bei (zufällig) festgestellten, sich als unüberwindbar darstellenden Verstößen gegen das in diesem Verfahren an sich nicht zum Prüfprogramm gehörende Bauordnungsrecht (nur) wegen fehlendem Sachbescheidungsinteresse ablehnen kann.[10]
Anmerkung: Ob einem derartigen Rückgriff auf ungeschriebene allgemeine Grundsätze angesichts des für das vereinfachte Baugenehmigungsverfahren gesetzlich eindeutig eingeschränkten Prüfungsumfangs allgemein zugestimmt werden kann, ist sehr zweifelhaft.[11] Durch die explizite Ermächtigung in § 71 Abs. 1 S. 3 BauO Bln dürfte sich diese Frage jedoch erledigt haben. Der Behörde steht nunmehr ein erhöhter Prüfungsrahmen zur Verfügung. Wichtig ist, dass – insbesondere um Kompetenzprobleme zu vermeiden – die Auslegung des § 71 Abs. 1 S. 3 BauO Bln einer teleologischen Reduktion bedarf. So kann es grundsätzlich nur um Verstöße gegen diejenigen öffentlich-rechtlichen Vorschriften gehen, deren Einhaltung die Bauaufsichtsbehörde im Anschluss an die Baugenehmigung überwacht; also insbesondere um Bauordnungsrecht. |
Eine solche Ablehnung ist allerdings nur dann möglich, wenn das Bauvorhaben gegen unter die Norm fallende öffentlich-rechtliche Vorschriften verstößt. Man könnte allenfalls daran denken, dass das Vorhaben gegen die allgemeine Sicherheit und Ordnung verstößt, was § 3 BauO Bln verletzen würde. Die von der Baubehörde erwähnten Spiegelungen sind allerdings höchst unwahrscheinlich, weil bei einem Gewächshaus die Sonnenstrahlen nicht auf Straßenniveau reflektiert werden. Eine Verkehrsgefährdung durch das Gewächshaus ist damit nicht erkennbar. Es fehlt daher an einem Verstoß.
Anmerkung: Auch das Erfordernis eines offensichtlichen Verstoßes, der für das fehlende Sachbescheidungsinteresse gefordert wird, hat im Wortlaut des § 71 Abs. 1 S. 3 BauO Bln keinen Niederschlag gefunden. Erneut legt aber die Gesetzesbegründung (s. zuvor) den Schluss nahe, dass eine weitere teleologische Reduktion der Norm auf offensichtliche Verstöße vorzunehmen ist. Dies würde voraussetzen, dass ein Verstoß gegen bauordnungsrechtliche Vorschriften auf eindeutigen, nicht bestrittenen und nicht bestreitbaren Grundlagen beruht und ohne eine ins Einzelne gehende Prüfung erkennbar ist. Nach der hier vertretenen Lösung kam es auf diese Unterscheidung nicht an, im Allgemeinen ist die teleologische Reduktion jedoch vorzugswürdig, angesichts der misslichen Formulierung des Gesetzes jedoch keineswegs zwingend. Möglich wäre natürlich auch, sich darauf festzulegen, dass ein offensichtlicher Verstoß vonnöten ist, diesen abzulehnen und es dahinstehen zu lassen, ob überhaupt ein Verstoß vorliegt. Dann kann man jedoch nicht später konstatieren, dass das Vorhaben zulässig ist, sondern nur, dass es nach den zu prüfenden Vorschriften zulässig ist. |
Eine Ablehnung nach § 71 Abs. 1 S. 3 BauO Bln scheidet somit aus.
Das von Ritter geplante Gewächshaus ist baurechtlich zulässig. Ritter hat somit einen Anspruch auf Erteilung einer („vereinfachten“) Baugenehmigung nach § 63 S. 1 BauO Bln für sein Vorhaben aus § 71 Abs. 1 S. 1 BauO Bln.
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Fußnoten
[1] OVG Hamburg, 2 Bf 405/05 v. 30.3.2011, Abs. 39 ff. = NordÖR 2011, 338 ff.
[2] Deutlich OVG Berlin-Brandenburg, OVG S 99.09 v. 23.6.2010, Abs. 4 = NVwZ-RR 2010, 794, 795.
[3] Vgl. Muckel/Ogorek, Öffentl. BauR, 2. Aufl. 2014, § 7 Rn. 14 ff.; ausführlich Scheidler, ZfBR 2016, 116, 117 ff.
[4] OVG Hamburg, Bf II 13/96 v. 20.2.1997 = NVwZ-RR 1998, 616 ff.
[5] BVerwG, 4 C 7/10 v. 16.9.2010, Abs. 12 = NVwZ 2011, 436, Abs. 12 m.w.N.
[6] BVerwG, 4 B 209/92 v. 11.12.2012, Abs. 4 = NVwZ 1993, 1100; BVerwG 4 B 13/12 v. 12.7.2012, Abs. 4 = NVwZ 2012, 1565, Abs. 4.
[7] So für vergleichbare Rechtslage in Bayern: VGH München BayVBl. 2006, 537, 538.
[8] Vgl. die Gesetzesbegründung, AH-Drs. 17/2713, S. 78. Für das Saarländer Pendant vgl. die Ausführungen im nach saarländischem Recht gelösten Schwesterfall: http://www.saarheim.de/Faelle/glashaus-loesung.htm, zuletzt abgerufen am 13.12.2016.
[9] Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 9 Rn. 153 ff.
[10] Vgl. z. B. VGH Kassel, 4 A 1907/10.Z v. 1.10.2010, Abs. 12 = LKRZ 2011, 66, 67; OVG Hamburg, 2 Bf 374/06 v. 30.3. 2011, Abs. 54 = NVwZ-RR 2011, 591, 593; OVG Koblenz, 8 A 10942/08 v. 22. 10. 2009 = BauR 2009, 799, 800 f.; ausführlich Sauthoff, BauR 2013, 415, 416 ff.
[11] Ablehnend für frühere Rechtslage in Bayern: VGH München, 2 BV 08.2567 v. 19. 1. 2009 = BayVBl 2009, 507 f.; VGH München, 2 BV 08.2465 v. 1. 7. 2009 = BayVBl 2009, 727, 728; Fischer, BayVBl 2005, 299; Schröder, BayVBl 2009, 495 ff.; Shirvani, BayVBl 2010, 709, 710 ff.
© Klaus Grupp (Universität des Saarlandes) und Ulrich Stelkens (Deutsche Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer)
Bearbeitung für Hauptstadtfälle: Georg Hellmich, Jannik Bach
Stand der Bearbeitung: Dezember 2016