Mobilmachung (Kurzlösung)
- Anordnung der Beseitigung nach § 80 S. 1 BauO Bln
I. Tatbestandsvoraussetzungen des § 80 S. 1 BauO Bln
- Anlagen i.S.d. § 80 S. 1 BauO Bln nach § 2 Abs. 1 S. 1 BauO Bln bauliche Anlagen und sonstige Anlagen
- bauliche Anlage in § 2 Abs. 1 S. 2 und 3 BauO Bln legal definiert: mit dem Erdboden verbundene, aus Bauprodukten hergestellte Anlagen
- Bauprodukte in § 2 Abs. 10 Nr. 1 BauO Bln definiert
- entscheidend: feste Verbindung mit dem Erdboden; nach § 2 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 BauO Bln feste Erdbodenverbindung auch dann, wenn die Anlage durch eigene Schwere auf dem Boden ruht oder wenn sie dazu bestimmt ist, überwiegend ortsfest benutzt zu werden
- im konkreten Fall (-), weil Campingwagen nicht mit Absicht abgestellt werden, wohnungsgleich genutzt zu werden, sondern um verkauft zu werden
- Campingwagen keine Anlage i.S.d. § 80 S. 1 BauO Bln, insb. auch keine Relevanz des bauplanungsrechtlichen Anlagenbegriffs
B. Nutzungsuntersagung hinsichtlich des Grundstücks
- Nutzungsuntersagung nach § 80 S. 2 BauO Bln, wg. Änderung der Nutzung durch Aufschüttung des Gartens mit Schotter zum Abstellen der Campingwagen
I. Tatbestandsvoraussetzungen des § 80 S. 2 BauO Bln
- Grundstück selbst ist keine Anlage i.S.d. § 80 S. 2, § 2 BauO Bln; nach § 2 Abs. 1 S. 3 Nr. 2 BauO Bln sind aber Lagerplätze, Abstellplätze und Ausstellungsplätze auch bauliche Anlagen i.S.d. BauO Bln; durch Aufschüttung des Schotters Errichtung einer baulichen Anlage
2. Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften
- liegt vor, wenn die Nutzung seit ihrer Aufnahme in Widerspruch zum materiellen Baurecht steht und nicht durch eine Baugenehmigung gedeckt ist, also materiell und formell illegal ist
- wenn Nutzung nicht durch eine bereits erlassene Baugenehmigung gedeckt ist und eine Baugenehmigung nach §§ 59 ff. BauO Bln überhaupt notwendig war; lt. Sachverhalt lag keine Baugenehmigung vor
- Genehmigungsbedürftigkeit nach § 59 Abs. 1 BauO Bln: Errichtung, Änderung oder Nutzungsänderung von Anlagen
- hier durch Aufbringen des Schotters erstmals eine bauordnungsrechtliche Anlage, somit keine Nutzungsänderung; dafür aber Errichtung
- nicht nach § 76 oder § 62 Abs. 1, Abs. 2 BauO Bln genehmigungsfrei;
- auch nicht nach § 61 Abs. 1 Nr. 9 BauO Bln, Fläche des Vorhabens jedenfalls größer als 300 qm
- Errichtung somit nicht genehmigungsfrei
- Baugenehmigung lag nicht vor
- Errichtung und spätere widmungsgemäße Nutzung des Vorhabens somit formell illegal
- hier sind nur die §§ 29 ff. BauGB fraglich
aa) Anwendbarkeit der §§ 29 ff. BauGB
- mit Schotter abgedeckte Fläche müsste bauliche Anlage i.S.d. §§ 29 ff. BauGB sein
- Begriff nicht identisch mit § 2 Abs. 1 BauO Bln; Vorhaben muss eine gewisse „bodenrechtliche“ bzw. „städtebauliche“ Relevanz aufweisen, also die in § 1 Abs. 6 BauGB genannten Belange in einer Weise berühren, die geeignet ist, das Bedürfnis nach einer seine Zulässigkeit regelnden verbindlichen Bauleitplanung hervorzurufen
- hier (+), nicht unerhebliche Verkaufsfläche von 350 qm, Abdeckung mit Schotter, Aufstellen von Campingwagen
bb) Vereinbarkeit mit § 30 BauGB
- kein qualifizierter Bebauungsplan, also §§ 34, 35 BauGB
cc) Vereinbarkeit mit § 34 BauGB
- Vorhaben müsste sich innerhalb des im Zusammenhang bebauten Ortsteils befinden
- Gebäude auf dem Grundstück ist das letzte Gebäude eines in Zusammenhang bebauten Ortsteils; Innenbereich endet grds. unmittelbar hinter dem letzten Haus des im Zusammenhang bebauten Ortsteils
- Fläche zählt hier damit bereits zum Außenbereich
dd) Vereinbarkeit mit § 35 BauGB
- Vorhaben zulässig nach § 35 Abs. 1 BauGB (sog. privilegiertes Vorhaben), wenn öffentliche Belange nach § 35 Abs. 3 BauGB nicht entgegenstehen, Vorhaben nach § 35 Abs. 2 BauGB schon dann unzulässig, wenn es öffentliche Belange i.S.d. § 35 BauGB beeinträchtigt
(1) Zulässigkeit als privilegiertes Vorhabens nach § 35 Abs. 1 BauGB
- § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB, Ausstellungsfläche müsste wegen ihrer besonderen Anforderungen an die Umgebung oder wegen ihrer besonderen Zweckbestimmung nur im Außenbereich ausgeführt werden können
- Vorhaben i.S.d. § 35 Abs. Nr. 4 BauGB muss aber notwendigerweise und nicht nur zweckmäßigerweise im Außenbereich ausgeführt werden können; hier (-)
(2) Zulässigkeit als „sonstiges Vorhaben“ nach § 35 Abs. 2 BauGB
- nach Rspr. räumt § 35 Abs. 2 BauGB kein Ermessen ein, Vorhaben muss genehmigt werden, wenn es keine öffentlichen Belange beeinträchtigt
- öffentliche Belange beispielhaft in § 35 Abs. 3 BauGB aufgeführt;
- hier Störung der natürlichen Eigenart der Landschaft nach § 35 Abs. 3 Nr. 5 BauGB, bei der das Orts- und Landschaftsbild nicht unwesentlich verunstaltet wird
- da öffentlicher Belang beeinträchtigt, Vorhaben nach § 35 Abs. 2 BauGB unzulässig
(3) Ergebnis zu dd)
- Vorhaben widerspricht § 35 BauGB
- Aufschüttung des Grundstücks zur Nutzung als Abstellplatz auch materiell illegal
- Grundstück wird in Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften genutzt
3. Rüstig als richtiger Adressat der Nutzungsuntersagung?
- entsprechend § 17 Abs. 2 S. 2 ASOG sind die allgemeinen Vorschriften der §§ 13 ff. ASOG heranzuziehen; Rüstig ist Verhaltensstörer (§ 13 Abs. 1 ASOG) und darüber hinaus als Eigentümer des Grundstücks für die dort veranstaltete Nutzung nach § 14 Abs. 3 S.1 ASOG verantwortlich
II. Ordnungsgemäße Ermessensausübung (§ 40 VwVfG i.V.m. § 1 Abs. 1 VwVfG)
- hinsichtlich des „Ob“ des Tätigwerdens (Entschließungsermessen) keine Bedenken; hinsichtlich des „Wie“ des Tätigwerdens (Auswahlermessen) keine Bedenken, weil Verhältnismäßigkeitsprinzip beachtet: kein milderes Mittel um baurechtsgemäße Zustände (legitimes Ziel) wiederherzustellen, Angemessenheit gewahrt
- hinsichtlich der Störerauswahl keine Bedenken, weil Verhaltensstörer ausgewählt und kein anderer Adressat in Frage kommt
- Nutzungsänderung formell und materiell illegal, Tatbestand erfüllt; Rechtsfolge ermessensgerecht; Nutzungsuntersagung kann ausgesprochen werden
- keine Beseitigung der Wohnwagen nach § 80 S. 1 BauO Bln; aber Nutzungsuntersagung nach § 80 S. 2 BauO Bln möglich, die i.E. ebenfalls die Beseitigung der Wohnwagen bedeutet
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© Klaus Grupp (Universität des Saarlandes) und Ulrich Stelkens (Deutsche Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer)
Bearbeitung für Hauptstadtfälle: Georg Hellmich, Jannik Bach
Stand der Bearbeitung: Dezember 2016 (Änderungen des Dritten Gesetzes zur Änderung der BauO von Berlin sind bereits eingearbeitet)