Die Piätsch-Affäre (Kurzlösung)
Verfassungsbeschwerde gegen Äußerung Plappermanns und BVerwG-Entscheidung Aussicht auf Erfolg, wenn zulässig und begründet
A) Zulässigkeit
I. Beteiligtenfähigkeit (Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG, § 90 Abs. 1 BVerfGG: "jedermann")
(+), Piätsch ist Grundrechtsträger
II. Beschwerdegegenstand (Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG, § 90 Abs. 1 BVerfGG: "Akt der öffentlichen Gewalt")
"Akt öffentlicher Gewalt" = alle Maßnahmen von vollziehender, gesetzgeberischer und rechtsprechender Gewalt, hier: Angriff gegen Äußerungen Plappermanns und BVerwG-Urteil
BVerwG-Urteil (+)
(P) Äußerungen Plappermanns à Regierungsakt = justizfreier Hoheitsakt?
1. Antwort auf Parlamentarische Anfrage als Regierungsakt?
Regierungsakt = staatsleitende Akte oberster Staatsorgane mit Bezug zum Verfassungsrechtskreis und gubernativer Gestaltungsfreiheit
- Anfragenbeantwortung ist Regierungsakt, da mit parlamentarischem Kontrollrecht (Art. 43 Abs. 1 GG) in engstem Zusammenhang
2. "Justizfreiheit" von "Regierungsakten?
e.A.: Gerichtliche Überprüfbarkeit (-) wg. Gewaltenteilungsprinzip und „politischem“ Charakter
Gegenargumente: BReg-Maßnahmen grds. nicht der Gerichtskontrolle entzogen (vgl. Organstreit), nur inhaltliche Kontrollbegrenzung; politisches Moment kein Spezifikum von Regierungsakten; ausdrückliche Regelung des Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 a GG (und des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG) à Kontrolle aller Maßnahmen der öffentlichen Gewalt
- Kein Ausschluss gerichtlicher Kontrolle, lediglich inhaltliche Beschränkung
3. Ausschluss der Verfassungsbeschwerde durch Art. 46 Abs. 1 GG?
Aussage als Abgeordneter im Bundestag?
Abgeordneter (+), Parlamentarischer Staatssekretär notwendigerweise Abgeordneter
Äußerung auch im Bundestag (+)
(P) Äußerung nicht als Abgeordneter, sondern Parlamentarischer Staatssekretär à Äußerung als Angehöriger der Exekutive (vgl. § 14 Abs. 2 Satz 1 GeschBR)
Zudem: VB keine kontradiktorisches Verfahren à Plappermann kein Verfahrensbeteiligter
- Unmittelbare Anwendbarkeit Art. 46 Abs. 1 GG (-)
Lit: analoge Anwendung auf sämtliche Reden im Parlament
Arg.: Vorschrift dient generellem Schutz der parlamentarischen Redefreiheit à nur gewährleistet, sofern alle an parlamentarischer Erörterung Beteiligten geschützt
Gegenargument: eindeutiger Wortlaut à erweitere Auslegung wäre contra legem
Zudem: nur persönliches Privileg statuiert à VB kein kontradiktorisches Verfahren
- Art. 46 Abs. 1 GG (-)
4. Ergebnis zu II
BVerwG-Entscheidung sowie Antwort der BReg = „Akt der öffentlichen Gewalt“
- tauglicher Beschwerdegegenstand (+)
III. Beschwerdebefugnis (Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 a GG, § 90 Abs. 1 BVerfGG: "Behauptung, in einem seiner Grundrechte verletzt zu sein")
1. Möglichkeit einer Grundrechtsverletzung durch die Äußerung Plappermanns
Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG?
(P) Rechtswirkung gegenüber Piätsch
Rein parlamentsinterner Vorgang ohne rechtliche Außenwirkung?
(-), umfassende Grundrechtsbindung durch Art. 1 Abs. 3 GG, zudem auch faktische Außenwirkung bei Rüge der Verletzung des allg. Persönlichkeitsrechts
Gegenwärtige, unmittelbare Selbstbetroffenheit (+)
2. Möglichkeit einer Grundrechtsverletzung durch die Entscheidung des BVerwG
Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG (-), keine Stellungnahme zur Behauptung Plappermanns à Verletzung des allg. Persönlichkeitsrechts durch Äußerung nicht zu eigen gemacht
Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG (+), Rechtsweg schlechthin nicht für eröffnet gehalten
3. Ergebnis zu 3
Beschwerdebefugnis (+)
IV. Erschöpfung des Rechtswegs (§ 90 Abs. 2 BVerfGG)
(+)
V. Form und Frist (§§ 23, 92, 93 BVerfGG)
(+), Frist beginnt mit letztinstanzlicher Entscheidung
VI. Ergebnis zu A
Zulässigkeit (+)
B) Begründetheit
(+), wenn die Äußerung Plappermanns und die Entscheidung des BVerwG Grundrechte Piätschs verletzen.
I. Grundrechtsverletzung durch die Äußerung Plappermanns
Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG?
Schutzbereichseingriff?
(+), Eingriff in Ehrrecht Piätschs durch wahrheitswidrige Äußerung Plappermanns
Gesetzliche Rechtfertigung?
(-), Bindung Regierung bei Beantwortung parlamentarischer Anfragen an Gesetz (Art. 20 Abs. 3 GG) und Grundrechte (Art. 1 Abs. 3 GG) à Pflicht zur wahrheitsgemäßen Beantwortung, Überzeugung von Richtigkeit irrelevant
Wahrnehmung berechtigter Interessen (vgl. § 193 StGB) (-), Tatsachenbehauptungen, keine Werturteile à müssen erweislich wahr sein (vgl. § 187 StGB)
- VB gegen Äußerung Plappermanns begründet
II. Grundrechtsverletzung durch die Entscheidung des BVerwG
Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG à Verstoß durch Verwehrung jeglichen Rechtsschutzes durch Annahme, Maßnahme sei jeglicher gerichtlicher Überprüfung entzogen?
Schutzbereichseingriff?
Äußerung Plappermanns = Maßnahme der öffentlichen Gewalt i.S. der Vorschrift?
(+), VA zwar (-), aber Maßnahme schlicht-hoheitlicher Natur, Plappermann = Organwalter für Bundesrepublik Deutschland, Ausnahme für Regierungsakte? (-), siehe oben A II 2
Eingriff aufgrund Rechtsschutzverweigerung (+)
Rechtfertigung?
(-), Art. 46 Abs. 1 GG nicht einschlägig
- Verstoß Art. 19 Abs. 4 GG (+)
III. Ergebnis zu B
Grundrechtsverletzung durch Äußerung Plappermanns und BVerwG-Entscheidung
C) Ergebnis
VB gegen Äußerung Plappermanns und BVerwG-Urteil zulässig und begründet - Aussicht auf Erfolg
Nur Aufhebung der BVerwG-Entscheidung durch BVerfG, keine sinnvolle „Aufhebung“ der Äußerung Plappermanns als bloßer Realakt à Zurückverweisung zur erneuten Entscheidung nach § 95 Abs. 2 BVerfGG an BVerwGDokumente
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