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Ausgehöhlt! (Kurzlösung)

 

Hinweis: In Berlin gibt es tatsächlich viele historische, unterirdische Bauwerke Die von ihnen ausgehende Gefahr wurde aber für die Klausur stark übertrieben. Soweit bekannt, kam es bisher nicht zu Todesfällen. Für eine seriöse Betrachtung lohnt ein Besuch bei dem Verein Berliner Unterwelten e.V.

 

Die Klage Mikaelsens hat Erfolg, wenn sie zulässig und begründet ist.

 

A. Zulässigkeit

I. Verwaltungsrechtsweg (§ 40 VwGO)

- (+) für Streitentscheidung maßgebliche Normen des Polizeirechts gehören dem öffentlichen Recht an; nichtverfassungsrechtliche Streitigkeit

 

II. Statthafte Klageart

- Klagegegenstand ist eine „Verfügung“, keine Polizeiverordnung i.S.d. §§ 55 ff. ASOG; Verfügung müsste VA i.S.d. § 42 Abs. 1 S. 1 VwGO bzw. § 35 VwVfG sein

- str., nach welchen Maßstäben zu beurteilen

e.A. Begriff des VAs in beiden Vorschriften deckungsgleich

a.A. Begriff ist in § 42 Abs. 1 S. 1 VwGO weiter, erfässt auch Maßnahmen, die nach äußerer Form einen VA darstellen

- kann hier dahinstehen, weil „Verfügung“ zumindest eine Allgemeinverfügung i.S.d. § 35 S. 2 Alt. 3 VwVfG weil es die Benutzung der Sache „unterirdische Bauten“ regelt; daher Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 VwGO

 

III. Klagebefugnis (§ 42 Abs. 2 VwGO)

- belastenden Verwaltungsakt, Verletzung von Art. 2 Abs. 1 GG möglich

 

IV. Vorverfahren (§ 68 VwGO)

- nach §§ 68 ff. VwGO notwendige Vorverfahren wurde durchgeführt; Widerspruch verfristet?

 

1. Versäumung der Widerspruchsfrist?

- Frist beginnt nach § 70 Abs. 1 S. 1 VwGO i.V.m. § 79, § 31 VwVfG  und § 187 BGB an dem Tag, der dem Tag folgt, an dem die Verfügung bekanntgegeben worden ist und endet nach § 70 Abs. 1 VwGO, § 79, § 31 VwVfG  und § 188 Abs. 2 Alt. 1 BGB mit Ablauf des Tages des auf die Bekanntgabe folgenden Monats, der durch seine Zahl dem Tag des Fristbeginns entspricht

-  wegen ordnungsgemäßer öffentlicher Bekanntgabe gilt die Allgemeinverfügung nach § 41 Abs. 4  S. 3, 4 VwVfG mit dem auf die Bekanntmachung folgenden Tag als bekanntgegeben; tatsächliche Kenntnis irrelvant; Widerspruch Mikaelsens verfristet

 

2. Beachtlichkeit der Versäumung der Widerspruchsfrist?

- Widerspruchsbehörde hat den Rechtsbehelf nämlich als unbegründet zurückgewiesen; str., ob damit ordnungsgemäße Durchführung des Vorverfahrens

e.A. nein, (+) formelle Bestandskraft von Verwaltungsakten unterliegt nicht der Dispositionsbefugnis der Behörde

h.M. (BVerwG) ja, bei einseitig belastenden Verwaltungsakten (+) Behörde ist „Herrin des Verfahrens“; (+) Fristvorschrift schützt Ausgangs- und Widerspruchsbehörde

 

3. Ergebnis zu IV.

- Vorverfahren ordnungsgemäß

 

V. Passive Prozessführungsbefugnis (§ 78 VwGO)

- § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO Land Berlin.

 

VI. Beteiligten- und Prozessfähigkeit (§§ 61, 62 VwGO)

- Mikaelsen § 61 Nr. 1 Alt. 1, § 62 Abs. 1 Nr. 1 VwGO; Land Berlin § 61 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2, § 62 Abs. 3 VwGO.

 

VII. Ergebnis zu A.

- zulässig.

 

B. Begründetheit

- Anfechtungsklage nach § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO begründet, wenn das Verbot des Betretens der Gewölbe rechtswidrig ist und Mikaelsen in seinen Rechten verletzt; wenn VA rechtswidrig, dann jedenfalls Verletzung von Art. 2 Abs. 1 GG

 

I. Ermächtigungsgrundlage

- (-) § 29 Abs. 1 ASOG nur ein vorübergehendes, d. h. zeitlich jedenfalls begrenztes Verbot zum Betreten eines Ortes; (-) § 29 Abs. 2 ASOG (Aufenthaltsverbot), Voraussetzungen liegen nicht vor

- § 17 Abs. 1 ASOG wird nicht verdrängt, weil bei § 29 Abs. 2 ASOG die Gefahr von der Person, nicht von dem Ort ausgeht

 

II. Formelle Rechtmäßigkeit

1. Zuständigkeit

- Bezirksamt Mitte, § 4 Abs. 2 S. 1 AZG, § 2 Abs. 4 S. 1 ASOG, Nr. 37 Abs. 2 ZustKat ASOG (sachlich); § 3 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG (örtlich)

 

2. Bestimmtheit (§ 37 Abs. 1 VwVfG)

- hinreichend bestimmt, weil alle Personen erfasst werden, die den Kellereingang betreten wollen.

 

3. Verfahren

- Anhörung und Begründung der Anordnung selbst nicht notwendig, § 28 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG, § 39 Abs. 2 Nr. 5 VwVfG; Bekanntgabe ordnungsgemäß (s.o. A. IV.)

 

4. Ergebnis zu II.

- formell rechtmäßig.

 

III. Materielle Rechtmäßigkeit

1. Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen einer Gefahrenabwehrverfügung

- § 17 Abs. 1 ASOG Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung

- unter die „öffentliche Sicherheit“ fallen sowohl der Schutz individueller Rechtsgüter (nämlich Leben, Gesundheit, Freiheit, Ehre und Vermögen des einzelnen) als auch der des Staates und seiner Einrichtungen sowie der gesamten Rechtsordnung

- eine Gefahr liegt dann vor, wenn ein Verhalten bei ungehindertem Verlauf des objektiv zu erwartenden Geschehens mit hinreichender Sicherheit ein Schutzgut der öffentlichen Sicherheit oder der öffentlichen Ordnung schädigen wird

 

a) Vorliegen einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit

- aus Unglücksfällen ersichtlich, dass Leben und Gesundheit konkret gefährdet; andere Beurteilung wg. Selbstgefährdung

- Befugnis des Staates, den Einzelnen an ausschließlich ihn selbst gefährdenden Unternehmungen zu hindern, weithin abgelehnt; Handlungsfreiheit aber eingeschränkt durch Auftrag des Staates in Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG Leben und körperliche Unversehrtheit der Menschen zu schützen.

- Streit kann dahinstehen, da regelmäßig Begleiter und Retter gefährdet und außerdem Unkundige auch die Höhlen betreten können

 

b) Inanspruchnahme der richtigen Adressaten?

- Allgemeinverfügung an jeden gerichtet, der durch Betreten der Höhlen in Leib- oder Lebensgefahr geraten kann, d.h. den aktuellen Verhaltensstörer i.S.d. § 13 Abs. 1 ASOG

 

c) Ergebnis zu 1.

- Tatbestandsvoraussetzungen lagen somit vor

 

2. Ordnungsgemäße Ermessensausübung (§ 40 VwVfG i. V. m. §§ 11, 12 ASOG)

- Entschließungsermessen und Auswahlermessen gebraucht, da die für und gegen ein Einschreiten sprechenden Gründe abgewogen wurden

- Verhältnismäßigkeit: a) Betretungsverbot ist zur Gefahrenabwehr geeignet; b) erforderlich, weil kein milderes Mittel ersichtlich; c) angemessen, weil gewichtige Rechtsgüter in Gefahr (Leben, Gesundheit) und Ausnahmegenehmigung möglich

 

3. Ergebnis zu III.

- Allgemeinverfügung materiell rechtmäßig.

 

IV. Ergebnis zu B.

- Allgemeinverfügung rechtmäßig ist, womit eine Rechtsverletzung ausscheidet

 

C. Gesamtergebnis

- zulässig, aber unbegründet, damit keine Aussicht auf Erfolg


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© Klaus Grupp (Universität des Saarlandes) und Ulrich Stelkens (Deutsche Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer)

Bearbeitung für Hauptstadtfälle: Georg Hellmich
Stand der Bearbeitung: Januar 2014