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Nächtliche Schlagfertigkeit (Lösungsvorschlag)

Die Klage Schlags hat Aussicht auf Erfolg, wenn sie zulässig und begründet ist. Schlag will festgestellt wissen, dass seine Mitnahme durch die Polizeibeamten zur Wache rechtswidrig gewesen ist. Der Begründung seiner Klage ist zu entnehmen, dass er sich sowohl gegen die Ingewahrsamnahme als solche als auch gegen ihre konkrete Durchsetzung (Abführen in Handschellen und Bademantel) wehrt. Es handelt sich damit in Wirklichkeit um zwei unterschiedliche Klagebegehren und damit um zwei Klageanträge. Zum einen geht es um die Rechtswidrigkeit der Ingewahrsamnahme als solcher, zum anderen um die Rechtswidrigkeit ihres Vollzugs im Wege des Verwaltungszwangs. Im Folgenden muss also deutlich zwischen Zulässigkeit und Begründetheit beider Klagen unterschieden werden. Dagegen wendet sich Schlag nicht gegen den Kostenbescheid vom 2. Februar, der ihm gegenüber zudem auch nach §§ 70, 74 VwGO formell bestandskräftig geworden ist, sodass eine hiergegen gerichtete Klage ohnehin unzulässig wäre.

Anmerkung: Siehe zum Aufbau des Gutachtens bei Klagehäufung im Verwaltungsprozess diesen Hinweis bei den Saarheimer Fällen.


Erster Teil: Klage gegen die Ingewahrsamnahme als solche

Die Klage gegen die Ingewahrsamnahme als solche hat Aussicht auf Erfolg, wenn sie zulässig und begründet ist.


A.  Zulässigkeit

Die Klage ist zulässig, wenn die Sachentscheidungsvoraussetzungen der §§ 40 ff. VwGO gegeben sind.

Anmerkung: Für die Prüfung der Sachentscheidungsvoraussetzungen im Verwaltungsprozess siehe diesen Hinweis bei den Saarheimer Fällen.


I. Verwaltungsrechtsweg (§ 40 VwGO)

Die für die Streitentscheidung maßgebliche Norm des § 30 ASOG ist eine Vorschrift des öffentlichen Rechts, sodass eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit vorliegt und der Verwaltungsrechtsweg nach § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO eröffnet ist. Eine Sonderzuweisung an die ordentlichen Gerichte gemäß § 23 Abs. 1 S. 1 EGGVG kommt hier nicht in Betracht, da die Polizeibeamten nicht repressiv, sondern allein präventiv tätig wurden.

Anmerkung: Zur Abgrenzung zwischen repressivem und präventivem Handeln s. z. B. BGH, Urteil v. 26. April 2017 – 2 StR 247/16, Abs. 19 ff. = NJW 2017, 3173, Abs. 19 ff.; Schenke, NJW 2011, 2838, 2842 ff.; Schoch, Jura 2013, 1115 ff.

 

II. Statthafte Klageart

Die statthafte Klageart richtet sich nach dem Begehren des Klägers, wie es sich nach verständiger Würdigung der Sach- und Rechtslage darstellt (vgl. § 88 VwGO). Es ist also das Rechtsschutzziel des Klägers zu ermitteln.[1]


1. Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO)

Zur Klärung der Rechtswidrigkeit der Ingewahrsamnahme als solcher könnte zunächst eine Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO statthaft sein. Insoweit müsste es sich bei der Anordnung der Ingewahrsamnahme nach § 30 ASOG um einen Verwaltungsakt i. S. d. Legaldefinition des § 35 VwVfG handeln.

Dies ist fraglich, da man in der schlichten Ingewahrsamnahme einer Person auch nur einen Realakt sehen könnte. Tatsächlich könnte man die hier in Betracht kommende Ermächtigungsgrundlage des § 30 Abs. 1 ASOG, nach der die „Polizei […] eine Person in Gewahrsam nehmen [kann]“, so verstehen, dass diese Vorschrift die Polizei unmittelbar zur Vornahme eines Realakts, d. h. zur tatsächlichen Ingewahrsamnahme, ermächtigt. Dem allgemeinen System des Polizeirechts entsprechend, ist die tatsächliche Ingewahrsamnahme letztlich als Vollzug der behördlichen Anordnung derselben anzusehen (dem „Grundtypus“ des gestreckten Verfahrens entsprechend). Demnach ermächtigt § 30 ASOG zum Erlass eines entsprechenden Grundverwaltungsaktes, der dann mit Mitteln des Verwaltungszwangs vollzogen werden kann.[2] In der Aufforderung der Vollzugspolizisten an Schlag, sich anzuziehen, zum Polizeiposten mitzukommen und dort „abzukühlen“, ist demnach eine (jedenfalls konkludente) Regelung zu sehen, mit der Schlag verpflichtet werden soll, den Polizeibeamten zur Wache zu folgen und dort eine gewisse Zeit zu verbleiben. Diese Verpflichtung stellt als hoheitliche, behördliche Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts, die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist, einen Verwaltungsakt i. S. d. § 35 S. 1 VwVfG und somit letztlich auch i. S. d. § 42 Abs. 1 VwGO dar.

Gegen einen derartigen Verwaltungsakt ist die Anfechtungsklage gem. § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO statthaft.

Anmerkung: Siehe zum Problem der Verwaltungsaktqualität von Standardmaßnahmen auch den Fall „Fahrrad Weg!“.

 

Jedoch könnte sich dieser Verwaltungsakt durch Vollzug erledigt haben, sodass eine „Aufhebung“ nach § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO nicht mehr in Betracht käme und somit die Anfechtungsklage nicht (mehr) statthaft wäre. Dem könnte entgegenstehen, dass auf Grundlage der Ingewahrsamnahme ein Kostenfestsetzungsbescheid erging und der den Gewahrsam anordnende Verwaltungsakt sich dadurch nicht erledigt haben könnte.

 

Anmerkung: Ausführliche Ausführungen zu dieser Frage finden sich im Fall „Sammy in der Krummen Lanke“.

 

Der mittlerweile gegenüber Schlag ergangene Kostenbescheid ist nach § 70, § 74 VwGO wegen Ablauf der Widerspruchsfrist Anfang März formell bestandskräftig geworden und steht einer Erledigung nicht entgegen. Damit können sich aus der Anordnung der Ingewahrsamnahme endgültig keine Rechtsfolgen mehr ergeben, sodass sie erledigt, die Anfechtungsklage also ausgeschlossen ist.


2. Fortsetzungsfeststellungsklage

Statthafte Klageart könnte daher die Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO sein. Im Hinblick auf den Umstand, dass sich der Verwaltungsakt schon vor Klageerhebung erledigt hat, ist eine unmittelbare Anwendung der Norm ausgeschlossen.

Fraglich ist, ob § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO in diesem Fall analog angewandt werden kann. Die analoge Anwendung einer Norm setzt das Bestehen einer planwidrigen Regelungslücke und eine gleichgerichtete Interessenlage zwischen dem geregelten und dem nicht geregelten Fall voraus.

Nach einer Auffassung fehlt es an einer planwidrigen Regelungslücke, da für die Fälle vorprozessualer Erledigung von Verwaltungsakten die Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 Alt. 1 VwGO einschlägig sein soll.[3]

Dagegen spricht jedoch zum einen, dass nach § 43 Abs. 1 Alt. 2 VwGO ausdrücklich nur die Feststellung der Nichtigkeit von Verwaltungsakten zulässig ist. Zum anderen wären vor Klageerhebung erledigte Verwaltungsakte unter anderen Zulässigkeitsvoraussetzungen angreifbar als nach Klageerhebung erledigte. Eine unterschiedliche Behandlung dieser Fälle angesichts des vielfach von Zufälligkeiten abhängigen Zeitpunkts der Erledigung ist unangemessen,[4] weshalb nicht auf die allgemeine Feststellungsklage zurückgegriffen werden kann.

Eine Regelungslücke liegt damit vor. Da Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG eine umfassende gerichtliche Prüfungsmöglichkeit garantiert, ist diese auch planwidrig.

Da § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO nur hinsichtlich des Erledigungszeitpunktes unvollkommen und auf einen erledigten Verwaltungsakt als Klagegegenstand zugeschnitten ist, liegt bei vorheriger Erledigung eine vergleichbare Interessenlage vor.

Anmerkung: Ob § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO gesetzlich das Bestehen eines Rechtsverhältnisses festlegt oder ob ein solches für eine Fortsetzungsfeststellungsklage gar nicht erforderlich ist, kann letztlich dahinstehen. Darüber hinaus macht die Vorschrift eine Klageänderung (und damit die Zustimmung der anderen Beteiligten oder die Annahme der Sachdienlichkeit durch das Gericht gemäß § 91 Abs. 1 VwGO) entbehrlich und lässt auch – anders als § 43 Abs. 1 VwGO – nicht nur die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts zu, sondern auch die der „schlichten“ Rechtswidrigkeit desselben.

Zur Frage, ob und in welchem Umfang die analoge Anwendbarkeit des § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO bei Erledigung eines Verwaltungsakts vor Klageerhebung in einer Klausur oder Hausarbeit begründet werden muss, siehe diesen Hinweis bei den Saarheimer Fällen.

 

3. Ergebnis zu II.

Dementsprechend ist hier die Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO analog die statthafte Klageart.


III. Klagebefugnis (§ 42 Abs. 2 VwGO analog)

Bezüglich der Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO ist anerkannt, dass der Kläger zumindest vor Erledigung des Verwaltungsaktes gemäß § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt gewesen sein muss, weil die Fortsetzungsfeststellungsklage nur eine Fortsetzung der vorangegangenen Anfechtungsklage darstellt und nicht dazu führen soll, deren Voraussetzungen zu umgehen. Zum Ausschluss von Popularklagen muss diese Voraussetzung auch bei analoger Anwendung der Klageform erfüllt sein. Schlag müsste also geltend machen und geltend machen können, durch den Verwaltungsakt in seinen Rechten verletzt zu sein, wobei die Möglichkeit einer Rechtsverletzung hierzu ausreicht. Da die Anordnung der Ingewahrsamnahme für Schlag einen diesen belastenden Verwaltungsakt darstellt, ist hier zumindest eine Verletzung des Grundrechts aus Art. 2 Abs. 1 GG, wenn nicht gar Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG möglich, wenn dieser Verwaltungsakt rechtswidrig ist.

Anmerkung: Zu dieser Adressatentheorie siehe diesen Hinweis bei den Saarheimer Fällen.

Somit ist Schlag auch klagebefugt.


IV. Vorverfahren (§ 68 VwGO)

Ob bei vorprozessualer Erledigung eines Verwaltungsakts ein Widerspruchsverfahren durchgeführt werden muss, ist teilweise umstritten. Einig ist man sich, dass, wenn sich der Verwaltungsakt nach Eintritt der Bestandskraft (§ 70 VwGO) erledigt hat, ein Widerspruch eingelegt gewesen sein musste, da andernfalls auch eine Anfechtungsklage zum Erledigungszeitpunkt unzulässig gewesen wäre.

Bei Erledigung vor Eintritt der Bestandskraft wird von Einigen ebenfalls die Durchführung eines Widerspruchsverfahrens gefordert. Hierfür spreche der Zweck des Vorverfahrens, das u. a. der Selbstkontrolle der Verwaltung und der Entlastung der Gerichte diene. Ebenso sei die Fortsetzungsfeststellungsklage aufgrund ihrer systematischen Stellung als Anfechtungsklage zu begreifen.[5]

Dem ist aber entgegenzuhalten, dass das Widerspruchsverfahren seine wesentlichen Funktionen, die der Aufhebung des Verwaltungsaktes (vgl. § 72 VwGO) und der aufschiebenden Wirkung (vgl. § 80 VwGO), nicht mehr erfüllen kann. Zudem kann nur ein Gerichtsurteil eine verbindliche Klärung – jedenfalls im Umfang des § 121 VwGO – schaffen. Die Einführung eines „Fortsetzungsfeststellungswiderspruchs“ ist, wie die Parallele zu § 44 Abs. 5 VwVfG zeigt, Sache des Gesetzgebers.[6]

Demnach ist die Durchführung eines Vorverfahrens bei Erledigung vor Ablauf der Widerspruchsfrist keine Zulässigkeitsvoraussetzung der Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO analog.

Da der (mündlich) angeordneten Ingewahrsamnahme keine schriftliche Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt war (§ 58 Abs. 1 VwGO) und sich die dem Kostenbescheid vom 2. Februar beigefügte ordnungsgemäße Rechtsbehelfsbelehrung nur eben auf den Kostenbescheid und nicht auf den „Grundverwaltungsakt“ bezog, galt für die gegen die Anordnung der Ingewahrsamnahme gerichteten Klage die Jahresfrist des § 58 Abs. 2 VwGO, die vor Eintritt ihrer Erledigung durch das Bestandskräftigwerden des Kostenbescheids Anfang März noch nicht abgelaufen war.

Daher war vorliegend die Durchführung eines Vorverfahrens entbehrlich.

Anmerkung: In der Praxis verliert der Streit derzeit durch die fortschreitende Abschaffung des Vorverfahrens zunehmend an Relevanz.


V. Frist (§ 74 VwGO)

Ebenso ist bei vorprozessualer Erledigung eines Verwaltungsakts die Erforderlichkeit der Einhaltung der Klagefrist umstritten.[7] Der unstrittige Fall der Erledigung nach verfristeter Klageerhebung, bei dem auch die Anfechtungsklage unzulässig wäre, liegt hier nicht vor. Durch die Nichtbelehrung entsprechend § 58 Abs. 1 VwGO trat die Erledigung während des Zeitraums ein, in dem die Anfechtungsklage noch nicht verfristet gewesen wäre (s. IV).

Es besteht zwar die Gefahr, dass so die Rechtsschutzfunktion des Widerspruchverfahrens leer laufen und zudem aus dem oftmals zufälligen Zeitpunkt der Erledigung auch eine zufällige Unterscheidung hinsichtlich der Zulässigkeit resultieren könnte.[8] Entscheidend ist jedoch, dass § 74 VwGO den Zweck verfolgt, die Bestandskraft des Verwaltungsakt zu sichern, und bei einem erledigten Verwaltungsakt ohnehin nicht mehr zum Tragen kommt.[9] Daher ist die Anwendbarkeit des § 74 VwGO auf die Fortsetzungsfeststellungsklage abzulehnen, es genügt der Rückgriff auf das Institut der Verwirkung, um der Klagemöglichkeit zeitliche Grenzen zu setzen.[10]

 

VI. Feststellungsinteresse (§ 113 Abs. 1 S. 4 VwGO analog)

Nach § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO analog müsste Schlag ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Anordnung der Ingewahrsamnahme haben.

Ein solches Fortsetzungsfeststellungsinteresse kann rechtlicher, wirtschaftlicher oder auch ideeller Natur sein. Entscheidend ist, dass die gerichtliche Entscheidung geeignet ist, die Position des Klägers in den genannten Bereichen zu verbessern.[11]

Anmerkung: In langjähriger Rechtsprechung anerkannte Fallgruppen in diesem Zusammenhang sind insbesondere die Wiederholungsgefahr, die Präjudizialität für Schadensersatz- oder Entschädigungsansprüche sowie ein Genugtuungs- oder Rehabilitationsinteresse. Teilweise als eigene Fallgruppe angesehen, jedoch auch oft als Teil des Rehabilitationsinteresses betrachtet, ist ferner die der tiefgreifenden Grundrechtsverletzung.

Für das Vorliegen einer Wiederholungsgefahr reicht die abstrakte Möglichkeit eines erneuten, ähnlich gelagerten Sachverhalts nicht aus. Erforderlich ist vielmehr die konkrete Gefahr, dass künftig zwischen denselben Beteiligten ein vergleichbarer Verwaltungsakt erlassen wird und die für die Beurteilung maßgeblichen rechtlichen und tatsächlichen Umstände im Wesentlichen unverändert sind.[12]

Weiterführende Schadensersatz- oder Entschädigungsansprüche können regelmäßig nur dann ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse rechtfertigen, wenn die Erledigung während des Prozesses und insbesondere nach vorangegangenen Beweiserhebungen erfolgte, da ansonsten kein Grund besteht, die relevanten Tatsachen nicht allein im Folgeprozess zu klären; insbesondere wird niemand um die „Früchte des Prozesses“ gebracht. Im Fall des Rehabilitationsinteresses bzw. der tiefgreifenden Grundrechtsverletzung ist oftmals relevant, dass sich die zu überprüfende staatliche Handlung innerhalb eines Zeitraums erledigt, in dem der Betroffene keine gerichtliche Hilfe aufgesucht haben konnte. Hier gebietet es die Effektivität des gerichtlichen Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG), einen weitreichenden Zugang zur gerichtlichen Überprüfung zu ermöglichen.

 

1. Feststellungsinteresse wegen anhängigen Disziplinarverfahrens

Dieses Interesse könnte schon wegen des anhängigen Disziplinarverfahrens bestehen.

Dies kann jedoch nur der Fall sein, wenn eine Entscheidung im vorliegenden Fall Auswirkungen auf das Disziplinarverfahren haben könnte. Wie sich aus § 34 Abs. 1 WDO ergibt, werden von der Bindungswirkung jedoch lediglich Tatsachenfeststellungen erfasst, also solche Aspekte des Sachverhalts, die einem Beweis zugänglich sind. Bei der Frage, ob die Polizeibeamten rechtmäßig vorgegangen sind, geht es dagegen um eine rechtliche Beurteilung. Eine Bindung des Truppendienstgerichts tritt deshalb weder durch die im Rahmen der strafrichterlichen Entscheidung getroffene Feststellung ein, die Polizeibeamten hätten rechtmäßig gehandelt – was Voraussetzung für die Bestrafung nach § 113 StGB ist (s. § 113 Abs. 3 StGB) –, noch könnte eine dahingehende verwaltungsgerichtliche Entscheidung eine Bindungswirkung entfalten. Ein berechtigtes Interesse Schlags lässt sich auch (entgegen seinem Vortrag) nicht daraus ableiten, dass die begehrte Feststellung seine (verfahrens-) rechtliche Position im Disziplinarverfahren verbessern könnte. Für dieses Verfahren ist allein der spezifische strafrechtliche Rechtswidrigkeitsbegriff in § 113 StGB ausschlaggebend, der zu einer von der verwaltungsrechtlichen Entscheidung abweichenden Beurteilung führen kann.

 

2. Rehabilitationsinteresse

Ein berechtigtes Interesse Schlags könnte sich jedoch aus dem Interesse an seiner Rehabilitierung ergeben. Das Verlangen nach Rehabilitierung begründet ein Feststellungsinteresse, wenn es nach der Sachlage als schutzwürdig anzuerkennen ist.[13] Ein schutzwürdiges ideelles Interesse an einer Rehabilitierung besteht allerdings nur dann, wenn sich aus der angegriffenen Maßnahme eine Stigmatisierung des Betroffenen ergibt, die geeignet ist, sein Ansehen in der Öffentlichkeit oder im sozialen Umfeld herabzusetzen und wenn diese Wirkung in der Gegenwart noch andauert.[14] Dafür reicht weder ein bloßes Interesse des Betroffenen an der Klärung der Rechtmäßigkeit noch dass der Betroffene die von ihm beanstandete Maßnahme als diskriminierend empfunden hat. Maßgeblich ist vielmehr, ob bei objektiver und vernünftiger Betrachtungsweise abträgliche Nachwirkungen der Maßnahme fortbestehen, denen durch eine gerichtliche Feststellung der Rechtswidrigkeit des Verwaltungshandelns wirksam begegnet werden könnte.[15]

Hierfür dürfte allerdings allein die Tatsache der gegen Schlag angestrengten Straf- und Disziplinarverfahren nicht genügen, nicht zuletzt, weil diesen nur eine begrenzte Außenwirkung zukommt und in den jeweiligen Verfahren eine eigenständige Beurteilung der Rechtmäßigkeit stattfindet.

Mit der polizeilichen Ingewahrsamnahme und ihrer Vollziehung geht jedoch in den Augen eines typischen Betrachters eine Stigmatisierung einher; wer vor den Augen seiner Nachbarn in Handschellen abgeführt wird, muss um seinen Ruf fürchten. Wie sich aus dem Vorbringen Schlags, sowohl Nachbarn als auch Passanten hätten seine Abführung durch die Polizei beobachtet, ergibt, lag genau diese Situation vor. Damit war die Maßnahme geeignet, das Ansehen des von ihr Betroffenen in der Öffentlichkeit herabzusetzen.

Das Interesse des Klägers an einer Rehabilitierung besteht.

 

3. Feststellungsinteresse wegen Vorliegens eines tiefgreifenden Grundrechtseingriffs

Allerdings kann auch die Art des durch die Maßnahme bewirkten Eingriffs, insbesondere im grundrechtlichen Bereich, verbunden mit dem verfassungsrechtlich garantierten Anspruch auf effektiven Rechtsschutz nach Art. 19 Abs. 4 GG, das Feststellungsinteresses für einen Antrag nach § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO begründen.[16] Insoweit ist insbesondere dann von einem Feststellungsinteresse auszugehen, wenn ohne die Eröffnung der Prüfungsmöglichkeit durch die Fortsetzungsfeststellungsklage kein anderweitiger Rechtsschutz gegen den mit der Maßnahme verbundenen Grundrechtseingriff zu erlangen wäre, insbesondere weil sich die Wirkungen der Maßnahme typischerweise in einem Zeitraum erledigen, in dem dieser Rechtsschutz nicht zu erlangen ist.[17]

Der kurzfristige polizeiliche Gewahrsam ist ein typischer Sachverhalt, in der gerichtlicher Rechtsschutz nicht immer rechtzeitig zu erreichen ist. Zwar hat der Gesetzgeber dieser Situation entgegenzusteuern versucht, und in § 31 Abs. 1 S. 1 ASOG die Pflicht zur unverzüglichen richterlichen Entscheidung statuiert. Gleichwohl zeigt bereits § 31 Abs. 1 S. 2 ASOG, dass diese rechtzeitige Herbeiführung nicht immer möglich ist. Gerade im Hinblick auf die Schwere des Eingriffs einer Freiheitsentziehung (die Freiheitsentziehung und der damit verbundene Eingriff in Art. 2 Abs. 2 GG gehören zu dem Eingriffstiefsten, was dem Staat an hoheitlichen Maßnahmen zusteht) muss daher in diesen Fällen auch eine nachträgliche Überprüfung der Maßnahme eröffnet sein.

Da die Polizeibeamten Schlag „nur“ bis zum nächsten Morgen auf der Wache festhielten und nicht einmal die Möglichkeit bestand, eine richterliche Entscheidung zu erhalten, handelt es sich um einen dieser Fälle, in denen Art. 19 Abs. 4 GG die nachträgliche Überprüfung gebietet.


4. Ergebnis zu VI.

Somit hat Schlag ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der angegriffenen Maßnahmen in verschiedener Hinsicht.


VII. Passive Prozessführungsbefugnis (§ 78 VwGO)

Die Klage ist nach § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO gegen das Land Berlin als Behördenträger zu richten.


VIII. Beteiligtenfähigkeit (§ 61 VwGO)

Der Kläger ist als natürliche Person nach § 61 Nr. 1 Var. 1 VwGO beteiligtenfähig. Die Beteiligtenfähigkeit des Landes Berlin ergibt sich aus § 61 Nr. 1 Var. 2 VwGO.


IX. Prozessfähigkeit (§ 62 VwGO)

Schlag ist gemäß § 62 Abs. 1 Nr. 1 VwGO prozessfähig. Für das Land Berlin handelt gemäß § 62 Abs. 3 VwGO der gesetzliche Vertreter.


X. Ergebnis zu A.

Die Klage ist somit zulässig.


B. Begründetheit

Die Fortsetzungsfeststellungsklage ist nach § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO analog begründet, wenn die Anordnung der Ingewahrsamnahme rechtswidrig war und Schlag in seinen Rechten verletzte. Da Schlag sich gegen einen an ihn gerichteten, ihn belastenden Verwaltungsakt wendet, ergibt sich eine Verletzung seiner Rechte schon aus einem rechtswidrigen Eingriff in Art. 2 Abs. 1 GG, sollte der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen sein.

Anmerkung: Allgemein zur Prüfung der Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsakts siehe diesen Hinweis bei den Saarheimer Fällen, zur Prüfung der Rechtmäßigkeit von Maßnahmen nach der polizeilichen Generalklausel dieses Schema der Hauptstadtfälle.

 

I. Rechtsgrundlage der Ingewahrsamnahme

Als Rechtsgrundlage für die Ingewahrsamnahme kommt hier nur § 30 Abs. 1 Nr. 2 ASOG in Betracht. Diese Ermächtigung wird vorliegend insbesondere auch nicht durch § 29a ASOG verdrängt. Dieser soll nicht abschließend die Befugnisse der Polizei bei häuslicher Gewalt regeln, sondern nur den durch das Gewaltschutzgesetz[18]vermittelten Schutz ergänzen, indem der Polizei entsprechend § 1 Abs. 4 ASOG eine Wohnungsverweisung des „Gewalttäters“ für den Zeitraum ermöglicht wird, der bis zum Erlass diesbezüglicher Maßnahmen durch den Zivilrichter nach dem Gewaltschutzgesetz vergeht.[19] Diese opferschützende Intention der Regelung zeigt aber deutlich, dass § 29a ASOG  nicht dem Schutz des „Gewalttäters“ vor Maßnahmen der Polizei dient, die – wie eine Ingewahrsamnahme nach § 30 Abs. 1 Nr. 2 ASOG – über die Wohnungsverweisung hinausgehen.


II. Formelle Rechtmäßigkeit

Die Polizei, also die Polizeipräsidentin in Berlin (§ 5 Abs. 1 ASOG), war für die Ingewahrsamnahme nach § 4 Abs. 2 AZG, § 2 Abs. 3 ASOG, § 4 Abs. 1 S. 1 ASOG, § 30 Abs. 1 ASOG sachlich und nach § 6 ASOG örtlich zuständig. Die Polizeibeamten als der Polizeipräsidentin in Berlin zugehörige Dienstkräfte waren demnach zuständig dafür, Schlag in Gewahrsam zu nehmen.

In der Diskussion mit den Beamten hatte Schlag auch Gelegenheit, sich zur Aufforderung zu äußern. Demnach wurde eine Anhörung, wenn sie nicht ohnehin nach § 28 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG i. V. m. § 1 Abs. 1 VwVfG Bln[20] entbehrlich war, jedenfalls bis zum letztmöglichen Zeitpunkt des § 45 Abs. 2 VwVfG gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG nachgeholt.

Jedoch muss bei der polizeilichen Ingewahrsamnahme nach § 30 Abs. 1 ASOG über die Zulässigkeit und Dauer der Freiheitsentziehung gemäß § 31 Abs. 1 S. 1 ASOG grundsätzlich ein Richter entscheiden. Diese richterliche Entscheidung muss unverzüglich, d. h. ohne sachlich begründete Verzögerung erfolgen. Dies ist nach § 31 Abs. 1 S. 2 ASOG jedoch dann nicht notwendig, wenn anzunehmen ist, dass die Entscheidung des Richters erst nach Wegfall des Grundes der polizeilichen Maßnahmen ergehen würde. Zuständig für eine Entscheidung nach § 31 Abs. 1 S. 2 ASOG ist gemäß § 31 Abs. 3 S. 1 ASOGdas Amtsgericht Tiergarten. Da an dem besagten Abend der nächtliche Notdienst des Amtsgerichts Tiergarten in nicht zu beanstandender Weise nicht besetzt war, hätte eine richterliche Entscheidung frühestens am nächsten Morgen nach Beendigung der Freiheitsentziehung ergehen können, mithin nach Wegfall des Grundes, und war deshalb entbehrlich.

Anmerkung: Jedoch darf nicht verkannt werden, dass § 31 Abs. 1 S. 1 ASOG dem Verfassungsauftrag des Art. 104 Abs. 2 S. 4 GG Genüge tun soll. Der Richtervorbehalt hat als Sicherung gegen unberechtigte Freiheitsentziehungen hohe Bedeutung. Er erfordert deshalb besondere Bemühungen und Vorkehrungen auch im Hinblick auf die Gerichtsorganisation. Denn alle staatlichen Organe sind verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass der Richtervorbehalt als Grundrechtssicherung praktisch wirksam wird. Insoweit folgt aus der Regelzuständigkeit des Richters gem. Art. 104 Abs. 2 S. 1 und 2 GG die verfassungsrechtliche Verpflichtung, die Erreichbarkeit eines Haftrichters gegebenenfalls auch durch die Einrichtung eines Eil- oder Notdienstes zu sichern. Fehlt es an einem solchen verfassungsrechtlichen Eil- oder Notdienst, kann eine Ingewahrsamnahme durch die Polizei nicht formell rechtmäßig sein, selbst wenn für die konkret handelnden Polizisten im gegebenen Moment – eben wegen Versäumnissen der für die Gerichtsorganisation zuständigen Stellen – tatsächlich keine Möglichkeit besteht, unverzüglich eine gerichtliche Entscheidung herbeizuführen.[21]

Andererseits folgt nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts hieraus nicht, dass deshalb bundesweit und jeden Tag bei jedem Gericht, das mit Entscheidungen nach Art. 104 Abs. 2 GG betraut ist, ein richterlicher Nachtdienst eingerichtet werden müsste. Dies erscheint als nicht notwendig, soweit hierfür kein praktischer Bedarf besteht. An einem solchen Bedarf fehlt es, wenn nächtliche Freiheitsentziehungen in dem betreffenden Gerichtsbezirk allgemein nur ganz ausnahmsweise vorkommen und nicht auf Grund besonderer Umstände anzunehmen ist, dass an einem bestimmten Tag – z. B. bei einem Großereignis mit „Krawallpotential“ – ausnahmsweise mit zahlreicher Freiheitsentziehungen zur Nachtzeit zu rechnen ist.

Bei einer Großstadt wie Berlin und nur einem einzigen zuständigen Amtsgericht ist jedoch prinzipiell in jeder Nacht von einer solchen Notwendigkeit auszugehen. Daher würde die Nichtbesetzung aufgrund des Verstoßes gegen Art. 104 Abs. 2 GG wohl zu einem Verfahrensfehler und zur Rechtswidrigkeit der Maßnahme führen. Gleichwohl ist die Nichtbesetzung nach dem Bearbeitervermerk nicht zu beanstanden.

 

III. Materielle Rechtmäßigkeit

Um materiell rechtmäßig zu sein, müsste nach § 30 Abs. 1 Nr. 2 ASOG die Anordnung der Ingewahrsamnahme unerlässlich gewesen sein, um die unmittelbar bevorstehende Begehung oder Fortsetzung einer Ordnungswidrigkeit von erheblicher Bedeutung für die Allgemeinheit oder einer Straftat zu verhindern.

 

1. Tatbestandsvoraussetzungen

Da die Situation einer bereits begonnenen Verfehlung nicht bestand und keine Ordnungswidrigkeit von erheblicher Bedeutung in Betracht kommt, war in tatsächlicher Hinsicht demnach erforderlich, dass die Begehung einer Straftat unmittelbar bevorstand.

Als Straftat kommt eine Körperverletzung gemäß § 223 Abs. 1 StGB in Betracht.

Wäre Schlag gegenüber seiner Ehefrau körperlich ausfällig geworden, so läge nahe, dass dabei die Erheblichkeitsgrenze überschritten und Frau Groß-Schlag in ihrer Gesundheit geschädigt worden wäre. Dem könnte jedoch bereits widersprechen, dass Schlag möglicherweise gar nicht handgreiflich geworden wäre. So trägt er selbst vor, er habe seine Frau gar nicht schlagen wollen. Da der hypothetische Geschehensablauf sich fast jeglicher Feststellung entzieht und nur schwer Rückschlüsse auf die innere Haltung des Schlag zu treffen sind, kommt tatsächlich eine solche Annahme in Betracht.

Dies könnte jedoch unerheblich sein. Denn gerade in Anbetracht des Umstandes, dass in der konkreten Situation vor Ort nur schwer umfassende Ausforschungen angestellt werden können, kann die Schwelle für polizeilich-präventive Maßnahmen nicht derart hoch gelegt werden, dass diese nur dann zulässig sind, wenn tatsächlich die Gefahrenlage vorlag. Zur Effektivität der Gefahrenabwehr müssen die Gefahrenabwehrbehörden vielmehr auch dann handeln können, wenn eine solche Lage „nur“ anzunehmen ist. Es kommt demnach entscheidend auf die Betrachtung der Beamten vor Ort an und die Rückschlüsse, die ein vernünftiger Polizeibeamter aufgrund dieser und weiterer ihm zur Verfügung stehenden Kenntnisse zum Zeitpunkt der Anordnung der Maßnahme, also ex ante, hätte ziehen müssen.

Wie die Polizeibeamten aufgrund der Schilderung der Groß-Schlag hinsichtlich der Ereignisse des Vortages, deren Wahrheitsgehalt nicht ernstlich in Frage stand, annehmen durften, lag es nahe, dass der ersichtlich unter Alkoholeinfluss stehende Ehemann erneut gegenüber seiner Frau aggressiv werden und diese an ihrer Gesundheit schädigen würde . Dafür spricht auch, dass er ausdrücklich erklärte, er könne mit seiner Frau machen, was er wolle und mehrmals die Faust in ihre Richtung erhob, was als Drohung anzusehen war. Angesichts dessen konnten die Polizisten nur davon ausgehen, dass Schlag jedenfalls den Tatbestand der Körperverletzung gemäß § 223 Abs. 1 StGB gegenüber seiner Ehefrau verwirklichen würde.

Anmerkung: Es erscheint auch möglich, an dieser Stelle mit dem polizeilichen Gefahrenbegriff zu arbeiten. Da jedoch § 30 Abs. 1 Nr. 2 ASOG explizite Voraussetzungen benennt, ohne dabei auf den Gefahrenbegriff zurückzugreifen, ist die Verwendung der in der Norm genannten Begriffe ohne Rückgriff auf die allgemeine „öffentliche Sicherheit oder Ordnung“ vorzuziehen. Selbst wenn man jedoch mit den Begriffen arbeiten sollte, wäre es unerlässlich, diese für § 30 Abs. 1 Nr. 2 ASOG dahingehend auszuschärfen, dass nur die darin genannten Tatbestände auch in diesem Rahmen relevante Verstöße gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellen, die alleinige Definition des bekannten Begriffspaares reicht jedenfalls keinesfalls aus. Insoweit sind die durch Schlag vorgebrachten Argumente, es habe keine Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung bestanden, eine terminologische Finte, die es bei der Bearbeitung zu beachten gilt.

Die Begehung der Straftat müsste jedoch – ebenfalls in der Sicht ex ante, unmittelbar bevorgestanden haben.

Unmittelbar bevorstehend ist die Begehung einer Straftat – in Anlehnung an den Begriff der „unmittelbaren“ Gefahr – dann, wenn mit ihrer Verwirklichung sofort oder in zeitlich großer Nähe zu rechnen ist.[22] Aus objektiver Sicht war anzunehmen, dass Schlag seine Ehefrau, die die Polizei alarmiert hatte, nach der Abfahrt der Beamten, wie von ihm durch seine Geste angedroht, angegriffen hätte.

 

2. Ordnungsgemäße Ermessensausübung

Nach § 30 Abs. 1 ASOG ist der Polizei grundsätzlich ein Ermessen zur Ingewahrsamnahme eröffnet („kann“). Dieses hat sie entsprechend § 12, 11 ASOG anzuwenden, wobei die zu § 40 VwVfG entwickelten Grundsätze gelten.

Ermessenswidrig handelt insbesondere, wer gar keine Ermessenserwägungen anstellt. Diese Pflicht ist jedoch dann logischerweise ausgeschlossen, wenn durch eine Ermessensreduzierung „auf Null“ eine Pflicht zum Handeln bestand. Eine solche liegt dann vor, wenn der Behörde nur eine rechtmäßige Handlungsmöglichkeit verbleibt.

In diesem Zusammenhang ist zum einen beachtlich, dass bereits § 30 Abs. 1 Nr. 2 ASOG statuiert, dass die Ingewahrsamnahme unerlässlich sein muss, was nichts anderes heißt, als dass kein anderes gleich wirksames, aber milderes Mittel zur Verfügung stehen darf.

Möglich erscheint in dieser Hinsicht zum einen, eine anderweitige Unterbringung der Ehefrau des Schlag anzuordnen, da so ein Aufeinandertreffen in der Nacht hätte verhindert werden können. Jedoch wäre dies zwar für den Störer eine mildere Maßnahme gewesen, hätte jedoch erheblich in die Rechte der Groß-Schlag eingegriffen, die die Nacht in ihrem eigenen Heim verbringen mochte, und stellte letztlich kein milderes Mittel dar. Ein eigenes Verbleiben der Beamten in der Wohnung mag zwar auch zum Schutz der Frau geführt haben können, gleichwohl ist nicht nur fraglich, ob es in Anbetracht des Eindringens in die Privatsphäre der Eheleute ein milderes Mittel gewesen wäre, sondern es ist dem Staat auch nicht zuzumuten, übergebührliche Anstrengungen zu unternehmen und Polizeikräfte über mehrere Stunden zu binden, um einen Störer zu entlasten. Auch die Wirksamkeit einer Wohnungsverweisung nach § 29a ASOG war, da hierdurch noch nicht sichergestellt gewesen wäre, dass Schlag auch tatsächlich der Wohnung fernbleibt, höchst fraglich und stellte kein gleich wirksames, milderes Mittel dar.

Die Unerlässlichkeit war demnach gegeben.

Anmerkung: Es erscheint auch möglich, die Unerlässlichkeit als Tatbestandsvoraussetzung zu sehen. Jedoch spricht der Umstand, dass es sich letztlich nur um eine besondere Normierung des dem Ermessen zuzurechnenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes handelt, dafür, den Punkt eher auf der Rechtsfolgenebene anzusprechen und als Argumentationsstütze für die Ermessensreduzierung „auf Null“ zu nutzen.

Schließlich steht die Ingewahrsamnahme nicht außer Verhältnis zum verfolgten Ziel des Schutzes der Gesundheit der Ehefrau des Schlag.

Anmerkung: Anders wäre die Lage möglicherweise zu beurteilen, wenn nur eine geringfügige Sachbeschädigung durch Zerbrechen eines Kugelschreibers (§ 303 StGB) drohte. Hier wäre es wohl unverhältnismäßig (alle anderen Voraussetzungen gegeben, also ceteris paribus), Gewahrsam anzuordnen, und geboten, weniger wirksame, aber weniger einschneidende Maßnahmen anzuordnen – jedenfalls soweit nicht besondere Umstände hinzutreten.

Weiterhin ist zu beachten, dass durch die Maßnahme sowohl private Rechte, die Gesundheit der Ehefrau, geschützt, als auch bevorstehende Straftaten verhindert werden sollen. Gerade dies ist aber Aufgabe der Polizei nach § 1 Abs. 1 S. 1, Abs. 3, Abs. 4 ASOG. Es wäre nicht hinzunehmen, wenn die Polizei sehenden Auges – jedenfalls erhebliche – Straftaten hinnähme.

Das Nichthandeln im konkreten Fall wäre vielmehr ermessenswidrig gewesen, weshalb allein die Anordnung ermessenskonform war, also eine Reduzierung des Ermessens „auf Null“ vorlag.

 

IV. Ergebnis zu B.

Die Anordnung der Ingewahrsamnahme war insgesamt rechtmäßig und verletzte Schlag daher nicht in seinen Rechten. Die Klage ist somit unbegründet.

 

C. Ergebnis des ersten Teils

Die Fortsetzungsfeststellungsklage ist demnach zwar zulässig, jedoch unbegründet und hat damit keine Aussicht auf Erfolg.

 

Zweiter Teil: Klage gegen die Durchsetzung der Ingewahrsamnahme

Die Klage gegen die Art und Weise der Durchsetzung der Ingewahrsamnahme hat Aussicht auf Erfolg, wenn sie zulässig und begründet ist.

 

A.  Zulässigkeit

Die Klage ist zulässig, wenn die Sachentscheidungsvoraussetzungen der §§ 40 ff. VwGO gegeben sind.

 

I. Verwaltungsrechtsweg (§ 40 VwGO)

Die für die Streitentscheidung maßgeblichen Normen über die Zulässigkeit und die Art und Weise der Anwendung unmittelbaren Zwangs der §§ 6, 9, 12 ff. VwVG i. V. m. §§ 1 Abs. 1, 4 UZwG Bln, i. V. m. § 8 Abs. 1 S. 1 VwVfG Bln[23] sind Normen des öffentlichen Rechts, und daher ist der Verwaltungsrechtsweg nach § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO eröffnet.  Eine Sonderzuweisung an die ordentlichen Gerichte gemäß § 23 Abs. 1 S. 1 EGGVG kommt hier nicht in Betracht, da die Polizeibeamten nicht repressiv, sondern allein präventiv tätig wurden.

 

II. Statthafte Klageart

Die statthafte Klageart richtet sich nach dem Begehren des Klägers, wie es sich nach verständiger Würdigung der Sach- und Rechtslage darstellt (vgl. § 88 VwGO), sodass – wie bereits dargestellt – das Rechtsschutzziel des Klägers zu ermitteln ist. Fraglich ist also, welche Klageart statthaft ist, um sich gegen den (angeblich) rechtswidrigen Vollzug der Anordnung der Ingewahrsamnahme durch Anwendung unmittelbaren Zwangs wehren zu können, wobei es hier insbesondere um die Frage geht, ob Schlag in Handschellen und im Bademantel abgeführt werden durfte.

Eine – vor allem in der polizeirechtlichen Literatur – weit verbreitete Meinung geht auch insoweit von der Zulässigkeit der Anfechtungsklage bzw. Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO (analog) aus, indem sie annimmt, die Ausübung unmittelbaren Zwangs enthalte konkludent die Anordnung, die Ausübung dieses Zwangs zu dulden.[24] Diese Annahme ist jedoch höchst konstruiert.[25] Die Anwendung unmittelbaren Zwangs entfaltet vielmehr keine Regelungswirkung, ist deshalb kein Verwaltungsakt, sondern ein Realakt, dessen Rechtswidrigkeit nicht im Wege der Fortsetzungsfeststellungsklage festgestellt werden kann. Spätestens das Beispiel des finalen Todesschusses – auch ein Fall der Anwendung unmittelbaren Zwangs – zeigt, dass eine „Duldungsregelung“ in der Ausübung unmittelbaren Zwangs nicht enthalten ist. Enthält ein solcher Schuss etwa die Anordnung, sofort zu sterben? Kann eine solche Anordnung überhaupt wirksam nach § 41 Abs. 1 S. 1 VwVfG i. V. m. § 1 Abs. 1 VwVfG Bln bekanntgegeben werden, da doch in dem Moment, in dem der Betreffende hiervon erfährt, der Tod, bzw. die Geschäftsunfähigkeit, eintritt? Dogmatisch unhaltbar wäre schließlich, die polizeilichen Maßnahmen als Realakte zu sehen, ihnen aber gleichwohl einen regelnden Inhalt i. S. d. § 35 S. 1 VwVfG beizumessen.[26]

Anmerkung: Auch die Verwaltungsaktqualität der Androhung ist umstritten. In Berlin wird durch den Verweis auf das Verwaltungsvollstreckungsgesetz des Bundes die Verwaltungsaktqualität der Androhung unmittelbaren Zwangs fingiert (s. § 18 Abs. 1 S. 1 VwVG). Sofern man die gesetzliche Anordnung einer solchen Fiktion durch Landesgesetz mit dem geltenden Verwaltungsprozessrecht für vereinbar hält,[27] ist aufgrund dieser Fiktion insoweit dann die Fortsetzungsfeststellungsklage die statthafte Klageart.[28] Im Übrigen nimmt die herrschende Meinung jedoch auch die Verwaltungsaktqualität der Androhung an.[29]

Um die Rechtswidrigkeit dieser Realakte feststellen zu lassen, käme also allein die allgemeine Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO in Betracht. Gemäß § 43 Abs. 1 VwGO kann durch Klage die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden. Danach muss die Feststellungsklage sich auf einen konkreten, gerade den Kläger betreffenden, Sachverhalt beziehen. Unter einem Rechtsverhältnis in diesem Sinne sind die rechtlichen Beziehungen zu verstehen, die sich aus einem konkreten Sachverhalt aufgrund einer öffentlich-rechtlichen Norm für das Verhältnis von natürlichen oder juristischen Personen untereinander oder einer Person zu einer Sache ergeben, kraft derer eine der beteiligten Personen etwas Bestimmtes tun muss, kann oder darf oder nicht zu tun braucht.[30]

Das streitige Rechtsverhältnis wäre hier die Frage, inwieweit die Beamten aufgrund der konkreten Situation berechtigt waren, die konkret angewandten Maßnahmen des unmittelbaren Zwangs zu ergreifen. Dass prinzipiell auch vergangene Rechtsverhältnisse Gegenstand der Feststellungsklage sein können, ist anerkannt. Statthaft für das zweite Klagebegehren des Schlag ist damit die allgemeine Feststellungsklage.

 

III. Feststellungsinteresse (§ 43 Abs. 1 VwGO)

Nach § 43 Abs. 1 VwGO müsste Schlag ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung der Rechtswidrigkeit der in Frage stehenden Maßnahmen haben. In Parallelität zum zur Anordnung der Ingewahrsamnahme Gesagten (Erster Teil A.III), ergibt sich das Feststellungsinteresse sowohl aus Rehabilitierungsgesichtspunkten als auch aus der Intensität des Grundrechtseingriffs. Diese begründen auch den Umstand, dass die Feststellung keinen zeitlichen Aufschub duldet.

 

IV. Klagebefugnis (§ 42 Abs. 2 VwGO analog)

In der Rechtsprechung wird zunehmend die Ansicht vertreten, auch bei der allgemeinen Feststellungsklage nach § 43 VwGO sei § 42 Abs. 2 VwGO (analog) anzuwenden.[31] Das vermag zwar im Hinblick auf das Erfordernis des Feststellungsinteresses nicht zu überzeugen,[32] kann aber aufgrund des Umstandes, dass die Anwendung unmittelbaren Zwangs für Schlag eine belastende Maßnahme darstellt und somit die Möglichkeit der Verletzung seiner Grundrechte besteht (s. bereits oben, erster Teil, A.III), dahinstehen.

Schlag wäre jedenfalls auch klagebefugt.


V. Passive Prozessführungsbefugnis

§ 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO findet im Rahmen der allgemeinen Feststellungsklage keine Anwendung. Jedoch greift das Rechtsträgerprinzip, nach dem die Körperschaft zu verklagen ist, der die handelnde Behörde zuzurechnen ist, weil Behörden als solche keine Rechten und Pflichten haben, sondern unselbstständiger Teil ihres jeweiligen Trägers sind.[33] Dabei ist auch der Rechtsgedanke des § 78 Abs. 1 Nr. 1 Hs. 2 VwGO entsprechend heranzuziehen, sodass die Bezeichnung der handelnden Behörde als Klagegegner genügt.[34]

Anmerkung: Zur Bedeutung des § 78 VwGO siehe diesen Hinweis bei den Saarheimer Fällen.

 

VI. Beteiligtenfähigkeit

Schlag ist als natürliche Person nach § 61 Nr. 1 Var. 1 VwGO, das Land Berlin als juristische Person nach § 61 Nr. 1 Var. 2 VwGO beteiligtenfähig.

 

VII. Ergebnis zu A.

Die Klage ist somit zulässig.

 

B. Begründetheit

Die Feststellungsklage Schlags ist begründet, wenn die Polizeibeamten die Ingewahrsamnahme nicht, oder nicht wie geschehen, hätten durchsetzen dürfen. Hier geht es um Maßnahmen des unmittelbaren Zwangs, denn dazu gehört jede Einwirkung auf Personen durch körperliche Gewalt, durch Hilfsmittel der körperlichen Gewalt und durch Waffen (vgl. § 2 Abs. 1 UZwG Bln). Es geht also um die Frage der Zulässigkeit von Maßnahmen des Verwaltungszwangs bzw. der Verwaltungsvollstreckung.


I. Allgemeine Vollstreckungsvoraussetzungen

Fraglich ist also zunächst, ob im vorliegenden Fall die allgemeinen Voraussetzungen der Verwaltungsvollstreckung vorgelegen haben.

 

Die Anordnung der Ingewahrsamnahme ist ein Verwaltungsakt i. S. d. § 35 S. 1 VwVfG. Dieser Verwaltungsakt ist zumindest auf Duldung der Ingewahrsamnahme gerichtet, aber wohl auch auf eine Handlung, nämlich das Mitkommen zur Wache. Ein Rechtsbehelf gegen die Ingewahrsamnahme hätte nach § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 VwGO keine aufschiebende Wirkung, sodass die Anordnung gemäß § 6 Abs. 1 VwVG vollziehbar ist. Die Polizeibeamten waren nach § 7 Abs. 1 VwVG für den Vollzug ihrer Anordnung zuständig. Die allgemeinen Voraussetzungen der Verwaltungsvollstreckung lagen also vor.

 

II. Besondere Vollstreckungsvoraussetzungen

Daneben müssten auch die besonderen Voraussetzungen gerade für die Anwendung des unmittelbaren Zwangs vorgelegen haben.

Die Anwendung unmittelbaren Zwangs ist grundsätzlich zulässiges Zwangsmittel (§ 9 Abs. 1 lit. c) VwVG).

Die Anwendung anderer Zwangsmittel (Zwangsgeld, Ersatzvornahme) kam nicht in Betracht (§ 12, § 9 Abs. 2 S. 2 VwVG).

Von der vorherigen Androhung des Zwangsmittels (§ 13 Abs. 1 S. 1 VwVG) konnte abgesehen werden, weil die Verwirklichung eines Straftatbestandes drohte (vgl. § 13 Abs. 1 S. 1 i. V. m. § 6 Abs. 2 VwVG).

Die besonderen Voraussetzungen für die Anwendung unmittelbaren Zwangs lagen also ebenfalls vor.

 

III. Rechtmäßigkeit der Art und Weise der Anwendung unmittelbaren Zwangs

Der Behörde stand hinsichtlich der Art und Weise der Anwendung unmittelbaren Zwangs, wie § 15 Abs. 2 S. 1 VwVG zeigt, Ermessen zu. Die Polizeibeamten hatten also auch die Grenzen des Ermessens zu beachten, zu denen insbesondere der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gehört, den auch § 4 UZwG Berlin nochmals für die Anwendung unmittelbaren Zwangs durch die Polizei normiert. Das Handeln musste demnach einem legitimen Ziel dienen und zu dessen Erreichung geeignet gewesen sein. Weiterhin durfte kein weniger einschneidendes, aber gleich wirksames (milderes) Mittel in Betracht kommen, und zuletzt durfte der durch die Maßnahme zu erwartende Schaden nicht erkennbar außer Verhältnis zum beabsichtigten Erfolg stehen (§ 4 Abs. UZwG Bln), es musste also die Angemessenheit (Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne) gewahrt werden.

Anmerkung: Zur Prüfung des Verhältnismäßigkeitsprinzips siehe diesen Hinweis bei den Saarheimer Fällen.

Die Maßnahme der Polizei war geeignet, die unmittelbar bevorstehende Gefahr einer Körperverletzung der Ehefrau abzuwehren, ein legitimes Ziel.

Fraglich ist, ob ein milderes Mittel in Betracht kam. Weil Schlag die Aufforderung der Polizeibeamten, zum Polizeiposten mitzukommen, abgelehnt und sich mit Schlägen gegen die Mitnahme gewehrt hatte, mussten ihm, da anderweitig eine sichere Verbringung nicht gewährleistet werden konnte, Handfesseln angelegt werden. Der Bademantel war zwar ein für das Verlassen des Hauses unübliches Kleidungsstück, und das Abführen in demselben hatte demnach einen den Achtungsanspruch beeinträchtigenden Charakter. Jedoch lehnte es Schlag durchweg ab, sich anzuziehen, und wehrte sich gegen Versuche der Beamten, ihn ordentlich einzukleiden. Den Beamten war es daher nicht zuzumuten, dem Schlag unauffälligere bzw. für das Verlassen des Hauses angemessenere Kleidung anzuziehen. Es ging entscheidend darum, eine zügige und beim gewaltsamen Anziehen den Schlag nicht verletzende Kleidung zu wählen. Anders als geschehen konnte die Ingewahrsamnahme nicht wirksam durchgesetzt werden – ein milderes Mittel war demnach nicht ersichtlich.

Angesichts der drohenden Gefahr einer Körperverletzung bildeten die polizeiliche Verwahrung und die Art ihrer Durchführung keine dazu völlig außer Verhältnis stehenden Grundrechtsbeeinträchtigungen. Insbesondere der Umstand, dass er mehrfach erfolglos aufgefordert worden war, sich anzuziehen, spricht entscheidend gegen einen Verstoß gegen das Übermaßverbot. Die Maßnahme kann daher auch nicht als unverhältnismäßig i. e. S. angesehen werden, obwohl sie in beträchtlichem Maße in das Grundrecht Schlags aus Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG sowie sein allgemeines Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1, 1 Abs.  1 S. 1 GG eingriff.

 

IV. Ergebnis zu B.

Die Anwendung unmittelbaren Zwangs war daher rechtmäßig, so dass auch die Feststellungsklage Schlags unbegründet ist.


C. Ergebnis des zweiten Teils

Auch die Feststellungsklage ist demnach zwar zulässig, jedoch unbegründet und hat keine Aussicht auf Erfolg.

 

Dritter Teil: Gesamtergebnis und Zulässigkeit einer Klagehäufung

Sowohl die gegen die Anordnung der Ingewahrsamnahme gerichtete Fortsetzungsfeststellungsklage als auch die gegen die Art und Weise der Anwendung unmittelbaren Zwangs gerichtete Feststellungsklage Schlags sind unbegründet und haben keine Aussicht auf Erfolg.

Fraglich ist schließlich noch, ob über beide Begehren in einem Verfahren entschieden werden kann, ob hier also eine Klagehäufung zulässig ist, oder ob beide Begehren nur in getrennten Verfahren verfolgt werden können. Über beide Begehren kann das Gericht in einem gemeinsamen Verfahren entscheiden, weil insoweit eine objektive Klagehäufung nach § 44 VwGO zulässig ist.

 

Siehe zur Fortsetzungsfeststellungsklage in der Fallbearbeitung Bühler/Brönnecke, Jura 2017, 34 ff.

 

 

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Fußnoten

[1] BVerfG (K), Beschluss v. 29. Oktober 2015 – 2 BvR 1493/11, Abs. 37 = NVwZ 2016, 238, Abs. 37.

[2] Vgl. U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 35 Rn. 96 ff. m.w.N.

[3] Zur Kritik an der analogen Anwendung und für weitere Nachweise vgl. Riese, in: Schoch/Schneider/Bier, Verwaltungsgerichtsordnung, 33. EL Juni 2017, § 113 Rn. 100.

[4] A.A. BVerwG, Urteil v. 14. Juli 1999 – 6 C 7/98, Abs. 21 = BVerwGE 109, 203, 208 f. m.w.N.

[5] Kopp/Schenke, § 113 Rn. 127.

[6] Hufen, § 18 Rn. 83 f.

[7] Das Bundesverfassungsgericht geht jedenfalls von keinem Fristerfordernis aus: BVerwG, Urteil v. 14. Juli 1999 – 6 C 7/98, Abs. 21 f. = BVerwGE 109, 203, 206 ff.

[8] Schenke, NVwZ 2000, 1255, 1256 f. m. eingehender Argumentation.

[9] Brink, in: BeckOK VwGO, 45. Edition 2018, § 74 Rn. 3.

[10] So auch BVerwG, Urteil v. 14. Juli 1999 – 6 C 7/98, Abs. 21 = NVwZ 2000, 63, 64.

[11] St. Rspr., vgl. etwa BVerwG, Urteil v. 16. Mai 2013 – 8 C 14/12, Abs. 20 = BVerwGE 146, 303, Abs. 20 m.w.N.; BVerwG, Urteil v. 21. März 2013 – 3 C 6/12, Abs. 11 = NVwZ 2013, 1550, Abs. 11.; vgl. auch Huber, NVwZ 2013, 1488 ff.; Lange, NdsVBl. 2014, 120 ff.; Lindner, NVwZ 2014, 180 ff.; Thiele, DVBl. 2015, 954 ff.

[12] BVerwG, Urteil v. 16. Mai 2013 – 8 C 14/12, Abs. 21 = BVerwGE 146, 303, Abs. 20 m.w.N.; BVerwG, Urteil v. 21. März 2013 – 3 C 6/12, Abs. 13 = NVwZ 2013, 1550, Abs. 11.

[13] BVerwG, Urteil v. 21. November 1980 – 7 C 18/79, Abs. 13 = BVerwGE 61, 164.

[14] BVerwG, Urteil v. 16. Mai 2013 – 8 C 14/12, Abs. 25 = BVerwGE 146, 303, Abs. 25; BVerwG, Urteil v. 20. Juni 2013 – 8 C 46/12, Abs. 17 = BVerwGE 147, 81, Abs. 17; BVerwG, Urteil v. 17. November 2016 – 2 C 27/15, Abs. 21 = BVerwGE 156, 272, Abs. 21.

[15] BVerwG, Urteil v. 21. März 2013 – 3 C 6/12, Abs. 15 = NVwZ 2013, 1550, Abs. 15.

[16] BVerwG, Urteil v. 23. März 1999 – 1 C 12/97, Abs. 11 = NVwZ 1999, 991,

[17] BVerwG, Urteil v. 16. Mai 2013 – 8 C 14/12, Abs. 32 m.w.N. = BVerwGE 146, 303, Abs. 32.

[18] Gesetz zum zivilrechtlichen Schutz vor Gewalttaten und Nachstellungen (GewSchG) vom 11. Dezember 2001 (BGBl. I, 3513).

[19] Vgl. hierzu VG Stuttgart, Beschluss v. 17. Mai 2001 – 5 K 1912/01 = VBlBW. 2002, 43 ff.; Hermann, NJW 2002, 3062 ff.; Ruder, VBlBW. 2002, 11 ff.

[20] Im Folgenden wird auf die Nennung des § 1 Abs. 1 VwVfG Bln verzichtet.

[21] BVerfG (K), Beschluss v. 13. Dezember 2005 – 2 BvR 447/05, Abs. 47 = NVwZ 2006, 579; BVerfG, Beschluss v. 10. Dezember 2003 – 2 BvR 1481/02, Abs. 13 = NJW 2004, 1442.

[22] Götz/Geis, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 16. Aufl. 2017, § 8 Rn. 38.

[23] Im Folgenden wird auf die Nennung des § 8 Abs. 1 S. 1 VwVfG Bln verzichtet.

[24] In diese Richtung etwa BVerwG, Urteil v. 9. Februar 1967 – I C 49/64 = BVerwGE 26, 161, 164 – „Schwabinger Krawalle“.

[25] U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 35 Rn. 95.

[26] So aber VGH München, Urteil v. 17. Juni 1996 – 24 B 94.4095, Rn. 15 (juris) = BayVBl. 1997, 634.

[27] U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 42a Rn. 26.

[28] Siehe zu den angesprochenen Problemen die sehr lesenswerten Aufsätze von Pietzner, Unmittelbare Ausführung als fiktiver Verwaltungsakt?, VerwArch. 82 (1991), S. 291 ff.; ders., Rechtsschutz in der Verwaltungsvollstreckung, VerwArch. 84 (1993), S. 261 ff.

[29] Deusch/Burr, in: BeckOK VwVfG, 40. Ed. Januar 2018, § 13 VwVG Rn. 2 m.w.N.

[30] BVerwG, Urteil v. 20. November 2014 – 3 C 26/13, Abs. 12 = NVwZ-RR 2015, 420, Abs. 12; ferner: BVerwG, Urteil v. 28. Mai 2014 – 6 A 1/13, Abs. 20 = BVerwGE 149, 359, Abs. 20; BVerwG, Urteil v. 14. Dezember 2016 – 6 A 9/14, Abs. 12 = NVwZ 2017, 1546, Abs. 12; Hufen, Verwaltungsprozessrecht, 10. Aufl. 2016, § 18 Rn. 4.

[31] Vgl. BVerwG, Urteil v. 30. Juli 1990 – 7 B 71/90, Abs. 5 = NVwZ 1991, 470, 471; BVerwG, Urteil v. 2. Dezember 2015 – 10 C 18/14, Abs. 17 = NVwZ-RR 2016, 334 Abs. 17.

[32] S. auch Hufen, Verwaltungsprozessrecht, 10. Aufl. 2016, § 18 Rn. 17.

[33] Hufen, Verwaltungsprozessrecht, 10. Aufl. 2016, § 12 Rn. 22.

[34] Meissner, in: Schoch/Schneider/Bier, Verwaltungsgerichtsordnung, 33. EL Juni 2017, § 78 Rn. 57.


© Klaus Grupp (Universität des Saarlandes) und Ulrich Stelkens (Deutsche Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer)

Bearbeitung für Hauptstadtfälle: Dominik Steiger, Jannik Bach
Stand der Bearbeitung: Juni 2018