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Rathausverbot (Kurzlösung)

 

A) Zulässigkeit

 

I. Verwaltungsrechtsweg (§ 40 VwGO)

Hausverbot auf öffentlich-rechtlicher Grundlage?

(-), sofern es Ausfluss der Eigentümerstellung der Stadt gemäß §§ 859 ff., § 903, § 1004 BGB wäre

Zur Unterscheidung ließe sich auf Zweck des Besuches abstellen; allerdings sind Ziel des Hausverbots und Zweck des Besuches unterschiedlich

Hausverbot ist vielmehr als Annex der zu schützenden Funktionen dann öffentlich-rechtlich, wenn und weil es der Sicherung der Erfüllung der öffentlichen Aufgaben im Verwaltungsgebäude dient

Hier sogar nach beiden Ansichten (+)

 

II. Statthafte Klageart

 

1. Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO)

Problem: Außenwirkung?

Hausverbot richtet sich gegen Dr. Kunstinnig als Bezirksverordneten richtet und soll ersichtlich allein der effektiven Durchsetzung der nach § 51 GO BVV Steglitz-Zehlendorf getroffenen Maßnahme dienen

Der Sitzungsausschluss – der vom Bezirksverordnetenvorsteher, nicht vom Bezirksbürgermeister angeordnet wurde –  selbst hat keine Außenwirkung

Das Hausverbot soll Dr. Kunstinnig nicht nur in seiner Funktion als Bezirksverordneten treffen, sondern auch in seiner Stellung als Bürger; denn ihm wird auch das Aufsuchen des Bezirksamts Steglitz-Zehlendorf zeitweilig untersagt

Dieser Durchgriff auf die Person des Bezirksverordneten ist daher nicht ein bloßes Verwaltungsinternum, sondern eine Regelung mit Außenwirkung

 

2. Fortsetzungsfeststellungsklage, § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO

VA ist durch Zeitablauf vor Klageerhebung erledigt, AK und eine direkte Anwendung der FFK sind nicht möglich

 

3.  Fortsetzungsfeststellungsklage, § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO analog

(+)

 

III. Fortsetzungsfeststellungsinteresse (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO)

Rehabilitationsinteresse (+), weil er als Bürger in seiner Ehre verletzt sein kann und zudem alle Bediensteten Kenntnis von der Maßnahme hatten

 

IV. Klagebefugnis (§ 42 Abs. 2 VwGO)

aus Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG (-), da diese Norm dem Bürger gegenüber dem Staat keinen Anspruch darauf gibt, an einem bestimmten Ort – etwa einem Rathaus - seine Meinung äußern zu dürfen

aber: Art. 2 Abs. 1 GG, sofern er sich auf Grundrechte berufen kann

(+), da er als Bürger betroffen ist

 

V. Vorverfahren (§§ 68 ff. VwGO)

(+)

 

VI. Passive Prozessführungsbefugnis (§ 78 VwGO)

Land Berlin

 

VII. Beteiligten- und Prozessfähigkeit (§§ 61, 62 VwGO)

Dr. Kunstinnig:§ 61 Nr. 1 Alt. 1 und § 62 Abs. 1 Nr. 1 VwGO.

Land Berlin: § 61 Nr. 1 Alt. 2 und § 62 Abs. 3 VwGO

 

VIII. Ergebnis zu A

Die Klage ist auch form- und fristgerecht (§ 74 VwGO) erhoben worden,

--> insgesamt zulässig

 

B) Begründetheit

 

I. Ermächtigungsgrundlage für den Erlass des Hausverbots

§ 51 GO BVV Steglitz-Zehlendorf ist nicht einschlägig, u.a. da diese nur den Bezirksverordnetenvorsteher ermächtigt und sich dessen Hausrecht nur auf den Sitzungssaal und nicht auf das gesamte Bezirksamt Steglitz-Zehlendorf erstreckt

An einer ausdrücklichen Rechtsgrundlage fehlt es

dennoch dürfte das Hausverbot nicht bereits wegen fehlender Ermächtigungsgrundlage unzulässig sein; in der Zuweisung einer Verwaltungsaufgabe ist zugleich auch die Ermächtigung enthalten, für einen störungsfreien Dienstbetrieb in diesem Zusammenhang zu sorgen und - soweit dies zur Aufrechterhaltung des Dienstbetriebes notwendig ist - auch einzelnen Personen den Zutritt zu den dienstlich genutzten Räumen zu untersagen. Hier weitergehende gesetzliche Ermächtigungsgrundlagen zu fordern, hieße die Anforderungen des Gesetzesvorbehalts zu überspannen.

Dieses Recht müsste auch dem Bezirksbürgermeister zustehen: in Berlin ist er nicht Behördenleiter, vielmehr leitet jeder Bezirksstadtrat seinen eigenen Geschäftsbereich, § 38 BezVG

Zuständig für ein Hausverbot ist der für die Hausverwaltung zuständige Bezirksstadtrat oder die Verwaltungsgliederung, die die Räume dauerhaft nutzt. Da nach dem Sachverhalt der Bezirksbürgermeister zuständig ist für die Hausverwaltung, durfte er für einen störungsfreien Dienstbetrieb im Bezirksamt sorgen, ggf. auch durch den Ausspruch von Hausverboten.

 

II. Ausschluss der "Hausverbotsbefugnis" gegenüber Bezirksverordneten?

könnte bestehen, da Bezirksverordnete das Recht haben, an den Bezirksverordnetenversammlungssitzungen teilzunehmen

wenn aber ein Sitzungsausschluss nach § 51 GO BVV Steglitz-Zehlendorf gerechtfertigt ist, muss es möglich sein, beispielsweise einen auf den Gängen des Bezirksamts weiter störenden und damit die Tätigkeit der städtischen Bediensteten beeinträchtigenden Bezirksverordneten nicht nur aus dem Sitzungssaal, sondern kraft des Hausverbots generell aus dem Bezirksamt zu verweisen

 

III. Materielle Voraussetzungen des Hausverbots

 

1. Rechtmäßigkeit des Sitzungsausschlusses

Nur bei einer Rechtmäßigkeit des Sitzungsausschlusses kann das implizite Recht von Dr. Kunstinnig nach § 11 Abs. 1 BezVG entfallen sein, an den Bezirksverordnetenversammlungssitzungen teilzunehmen, und damit auch die Pflicht des Bezirks, Dr. Kunstinnig den Zutritt zu den Bezirksverordnetenversammlungssitzungen zu gewähren.

Tatbestandsvoraussetzungen des § 51 GO BVV Steglitz-Zehlendorf (+)

--> Dr. Kunstinnig hat die Sitzung laut Sachverhalt ununterbrochen gestört. er wurde des Öfteren vergeblich zur Ordnung gerufen, schließlich wurde ihm auch das Wort entzogen. Damit hat sich den Anordnungen des Bezirksverordnetenvorstehers nicht gefügt, so dass er die Ordnung in grober Weise missachtet hat.

Da er sich darüberhinaus geweigert hat, den Saal zu verlassen, ist der Ausschluss bis zum Ende der übernächsten Sitzung auch rechtmäßig.

 

2. Rechtmäßigkeit eines "ergänzenden Hausverbots"

Das Hausverbot  muss ermessensfehlerfrei erlassen worden sein

Es ist fraglich, ob der hier angegebene Zweck, der Schutz der BVV, umfasst ist, da ja an sich Bezirksverordnetenvorsteher zuständig ist. Da aber diesem keine Zuständigkeit für ein Hausverbot das gesamte Bezirksamt umfassend zukommen kann, wird man anerkennen müssen, dass der Zweck von dem Hausrecht des Bezirksbürgermeisters gedeckt ist.

Fraglich außerdem, ob verhältnismäßig:

(-), da nicht erforderlich: es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass Dr. Kunstinnig gegen den Sitzungsausschluss verstoßen würde. Selbst wenn, wäre das Hausverbot nur auf die Räume der BVV zu erstrecken gewesen. Dies wäre allerdings dann Aufgabe des Bezirksverordnetenvorstehers. Die Einschränkung des Grundrechts des Klägers aus Art. 2 Abs. 1 GG ist deshalb zum Schutze der BVV-Sitzung in dem ausgesprochenen - das gesamte Bezirksamt Steglitz-Zehlendorf erfassenden - Umfang nicht erforderlich und verstößt damit gegen das Übermaßverbot.

 

3. Ergebnis zu III

--> Hausverbot rechtswidrig.

 

IV. Ergebnis zu B

Da das Hausverbot rechtswidrig war, verletzte es Dr. Kunstinnig auch in seinen Rechten, so dass die Fortsetzungsfeststellungsklage begründet ist.

 

C) Gesamtergebnis

Die Klage Dr. Kunstinnigs ist somit zulässig und begründet und hat daher Aussicht auf Erfolg.


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