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Straßenfeste (Kurzlösung)

Teil 1, Aufgabe 1: Rechtmäßigkeit des Senatsbeschlusses

I. Rechtsgrundlage:§ 9 i.V.m. § 11 S. 1 AZG

Anwendbarkeit auch auf Vorfeldmaßnahmen des Senats gegenüber dem Bezirk?

II. Formelle Rechtmäßigkeit:(+)

III. Materielle Rechtmäßigkeit:

1. Tatbestandsvoraussetzungen

Gemäß § 11 S.1 AZG schon (+) bei Verstoß gegen Verwaltungsvorschriften. Fraglich, ob Verstoß gegen VwV Sondernutzungen vorliegt.

a) Vorliegen einer Veranstaltung i.S.d. Nr. 1 VwV Sondernutzungen

Genehmigungspflichtigkeit nach dem BerlStrG (+), da straßenrechtliche Sondernutzung gemäß §§ 11 Abs. 1, 10 Abs. 2 S. 1 BerlStrG. Mehrzahl von Angeboten und Aufbauten sowie größerer Personenkreis (einige hundert Personen) als Besucher (+)

=> Veranstaltung i.S.d. VwV Sondernutzungen

b) Vorliegen der Ausschlusskriterien i.S.d. Nr. 2 VwV Sondernutzungen

Grundsätzlich fehlende Genehmigungsfähigkeit nach Nr. 2.1 und Nr. 2.2 VwV Sondernutzungen (+)

c) Rechtsfolge (Korrekte Ermessensausübung)

Ermessen: kein Ermessensausfall, aber kein dem Sinn und Zweck der Erlaubnismöglichkeit der VwV Sondernutzungen entsprechender Grund für besondere Genehmigungsfähigkeit; Genehmigungserteilung wäre daher Ermessensfehlgebrauch.

Somit: Verstoß gegen VwV Sondernutzungen (+).

d) Zwischenergebnis

Erteilung der Sondernutzungserlaubnis würde gegen VwV Sondernutzungen verstoßen und Tatbestand des § 11 S. 1 AZG erfüllen

2. Anwendung der Norm

Möglichkeit des Senats, bereits im Vorfeld zu agieren?

e.A.: (-) da wegen Wortlaut restriktive Auslegung.

wohl aber.: (+) da § 11 AZG dazu dient, die Rechtmäßigkeit der bezirklichen Entscheidungen umfassend sicher zu stellen

=> kein Ermessensfehlgebrauch (keine Ermessensüberschreitung)

3. Ergebnis zu III.

Anweisung an Bezirk, Sondernutzungserlaubnis zu verweigern ist somit rechtmäßig

IV. Ergebnis: Rechtmäßigkeit des Senatsbeschlusses (+)

 

Teil 1, Aufgabe 2: Zulässigkeit eines verwaltungsgerichtlichen Rechtsbehelfs

I. Verwaltungsrechtsweg (§ 40 VwGO):

Streit um Senatsbeschluss als verwaltungsinterne Maßnahme ggü dem Bezirk.

1. Eröffnung eines Rechtswegs

(-) nach Impermeabilitätstheorie. Aber: Verwaltungsinterne Rechtsbeziehungen bestehen dort, wo sich verschiedene Organe mit eigenen Rechten gegenüberstehen.

a) Selbstverwaltungsrecht des Bezirks aus Art. 28 Abs. 2 GG?

Nach Berliner VerfGH (-), Arg.: Grundsatz der Einheitsgemeinde.

Nach Literatur z.T. (+), Arg.: Wortlaut Art. 66 Abs. 2 S. 1, 72 VvB.

b) Der Bezirk als „Kontrastorgan“ im Falle eines Eingriffs

Voraussetzung: Die jeweilige Rechtsposition des Bezirks muss der innerkörperschaftlichen Machtbalance dienen (nicht nur der Arbeitsteilung). Dies folgt hier daraus, dass Kompetenzen der Senatsverwaltung ggü dem Bezirk nach §§ 9 ff. AZG von einschränkenden formellen und materiellen Voraussetzungen abhängen.

=> justitiable Rechtsstreitigkeit i.S.d. § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO liegt somit vor

2. Öffentlich-rechtliche Streitigkeit

(+), da die §§ 9 ff. AZG dem öffentlichen Recht angehören.

3. Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art

(+), da keine doppelte Verfassungsunmittelbarkeit

4. Zwischenergebnis: Verwaltungsrechtsweg eröffnet

II. Statthafte Klageart:

1. Klageart sui generis: Ist abzulehnen, da Grundsatz der Rechtsklarheit den Rückgriff auf die in der VwGO geregelten Klagearten gebietet.

2. Anfechtungsklage: Scheitert am Nichtvorliegen eines VAs, da verwaltungsinterne Maßnahmen keine Außenwirkung haben.

3. Allgemeine Leistungsklage/ Leistungsklage „mit kassatorischem Gehalt“: (-),da die erteilte Weisung im Falle ihrer RWK keine Rechtswirkung entfaltet, so dass es keiner Aufhebung bedarf.

4. Feststellungsklage: Anweisender Senatsbeschluss als Rechtsverhältnis i.S.d. § 43 VwGO? Fraglich, da Bezirk und Senat keine Rechtssubjekte; aber: wegen Besonderheit des In-Sich-Prozesses ist auf Organrechte abzustellen; daher (+).

III. Subsidiarität, § 43 Abs. 2 S. 1 VwGO:

(+), da keine andere Klageart einschlägig ist.

IV. Feststellungsinteresse und Klagebefugnis:

Feststellungsinteresse (+), da berechtigtes Interesse des Bezirks an der Feststellung, ob Anweisung des Senats rechtmäßig war.

Klagebefugnis, § 42 Abs. 2 VwGO analog: Mögliche Verletzung einer wehrfähigen Innenrechtsposition? (+), da Kompetenz des Bezirks zur Entscheidung über die Sondernutzungserlaubnis nicht bloß im Interesse der Arbeitsteilung besteht, sondern der verwaltungsinternen Machtbalance dient.

V. Richtiger Klagegegner:

§ 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO findet bei Feststellungsklage keine Anwendung, passt aber auch auf den Insichprozess nicht, da Bezirk und Senat demselben Rechtsträger (Land Berlin) zuzuordnen sind; Klage ist direkt gegen den Senat zu richten.

VI. Beteiligten- und Prozessfähigkeit:

Bezirk und Senat sind analog § 61 Nr. 2 VwGO beteiligtenfähig und analog § 62 Abs. 3 prozessfähig.

VII. Ergebnis:

Die Feststellungsklage ist zulässig.

 

Teil 2: Erfolgsaussichten eines verwaltungsgerichtlichen Rechtsbehelfs

I. Zulässigkeit:

1. Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs: gemäß § 40 VwGO (+), s.o., Teil 1, Aufgabe 2.

2. Statthafte Klageart:

Anfechtungsklage (-), da die Rücknahme der Sondernutzungserlaubnis durch die Senatorin gegenüber dem Bezirk mangels Außenwirkung keinen VA darstellt.

Allgemeine Leistungsklage (-), da ein etwaiger Eingriff in die Zuständigkeitsrechte des Bezirks nicht mehr rückgängig gemacht werden kann und Vermeidung von wiederholtem Eingriff (vorbeugende Unterlassungsklage) nicht erstrebt wird.

Feststellungsklage (+), Berechtigung der Senatorin ggü. dem Bezirk zur Aufhebung der erteilten Sondernutzungserlaubnis ist feststellungsfähiges Rechtsverhältnis.

3. Subsidiarität, § 43 Abs. 2 S. 1 VwGO:

(+), da keine andere Klageart einschlägig ist.

4. Feststellungsinteresse und Klagebefugnis:

Feststellungsinteresse trotz Erledigung (+), da Wiederholungsgefahr gegeben.

Klagebefugnis, § 42 Abs. 2 VwGO analog: Mögliche Verletzung einer wehrfähigen Innenrechtsposition? (+), da Kompetenz des Bezirks zur Entscheidung über die Sondernutzungserlaubnis nicht bloß im Interesse der Arbeitsteilung besteht, sondern der verwaltungsinternen Machtbalance dient.

5. Richtiger Klagegegner:

Klage ist direkt gegen die Senatorin für Stadtentwicklung zu richten (vgl. Teil 1, Aufgabe 2).

6. Beteiligten- und Prozessfähigkeit (§§ 61 f. VwGO):

Beteiligtenfähigkeit: § 61 Nr. 2 VwGO analog; Prozessfähigkeit: § 62 Abs. 3 VwGO analog (vgl. Teil 1, Aufgabe 2)

7. Ergebnis: Klage zulässig

II. Begründetheit:

(+) wenn die Rücknahme der erteilten Sondernutzungserlaubnis durch die Senatorin rechtswidrig war und das festzustellende Rechtsverhältnis somit nicht besteht.

1. Rechtsgrundlage: § 13a Abs. 1 AZG

2. Formelle Rechtmäßigkeit:

Zuständigkeit der Senatorin für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz für das Straßenrecht laut Sachverhalt (+), vgl. § 13a Abs. 1 S. 1 AZG

Verfahren: Vorherige Information der Senatsverwaltung für Inneres gemäß § 13a Abs. 1 AZG laut Sachverhalt (+); vorherige Einzelweisung der Senatorin gemäß § 13a Abs. 1 i.V.m. § 8 Abs. 3 lit. b AZG laut Sachverhalt (+).

3. Materielle Rechtmäßigkeit:

Gemäß § 13a Abs. 1 AZG (+) wenn die Erlaubniserteilung durch das Bezirksamt Pankow dringende Gesamtinteressen Berlins beeinträchtigte, ohne dass ein Verstoß gegen Rechts- oder Verwaltungsvorschriften vorlag.

a) Rechtmäßigkeit der bezirklichen Erlaubniserteilung:

aa) Verstoß gegen die VwV Sondernutzungen:

schon (-) mangels örtlicher Anwendbarkeit.

bb) Verstoß gegen § 11 Abs. 2 BerlStrG:

Sondernutzung gemäß § 11 Abs. 1 i.V.m. § 10 Abs. 2 S. 1 BerlStrG (+)

Kein Entgegenstehen überwiegender öffentlicher Interessen (+)

Rechtsfolge: Ermessen → Ermessensfehler i.S.d. § 114 VwGO (-)

cc) Zwischenergebnis: Die Entscheidung des Bezirks war rechtmäßig.

b) Entgegenstehen dringender Gesamtinteressen Berlins:

Fallgruppen gemäß § 13a Abs. 1 S. 2 Nr. 1 bis 3 AZG (-). Beeinträchtigung sonstiger dringender Gesamtinteressen Berlins (-) wegen Lage des Pankower Marktplatzes im Außenbezirk, geringer touristischer und wirtschaftlicher Bedeutung und traditioneller Verankerung des geplanten Adventsbasars.

4. Zwischenergebnis:

Maßnahme der Senatorin war gemäß § 13a Abs. 1 AZG rechtswidrig.

III. Ergebnis:

Klage ist zulässig und begründet und wird daher erfolgreich sein.


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© Markus Heintzen (Freie Universität Berlin) und Heike Krieger (Freie Universität Berlin)

Bearbeitung für Hauptstadtfälle: Hilde Neidhardt, Sebastian Schwarz, Jannik Bach
Stand der Bearbeitung: Oktober 2016