Oppositionsrechte Lösungsvorschlag
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) wird den Anträgen der Fraktion der „Rosaroten“ stattgeben und feststellen, dass der Bundestag durch die Nichtannahme der beiden Gesetzesentwürfe das Grundgesetz verletzt hat, wenn diese Anträge zulässig und begründet sind.
I. Zuständigkeit des BVerfG nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG, § 13 Nr. 5 BVerfGG
Die Anträge der Fraktion der „Rosaroten“ zielen auf die Klärung von Rechten und Pflichten von Fraktionen und Bundestag. Streitgegenstand sind verfassungsrechtliche Organbeziehungen.[1] Es wird eine Entscheidung nach § 67 BVerfGG, also im Wege eines Organstreitverfahrens, begehrt. Für das Organstreitverfahren ist das Bundesverfassungsgericht nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG, § 13 Nr. 5 BVerfGG zuständig.
Die Anträge sind zulässig, wenn die Sachentscheidungsvoraussetzungen des Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG und der §§ 13 Nr. 5, 63 ff. BVerfGG vorliegen.
II. Beteiligten-/Parteifähigkeit
Fraktionen sind ein sowohl von der GO-BT als auch von der Verfassung anerkannter Teil des Verfassungsorgans Deutscher Bundestag.[2] Sowohl der Bundestag (Antragsgegner) als auch die Fraktion der „Rosaroten“ (Antragstellerin) sind somit nach § 63 BVerfGG beteiligtenfähig.
Hinweis: Die Beteiligtenfähigkeit ist hier wenig problematisch. Beteiligtenfähig im Organstreit sind oberste Bundesorgane, Teile dieser Organe (§ 63 BVerfGG) und „andere Beteiligte“ die durch das Grundgesetz mit eigenen Rechten ausgestattet sind (Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG).[3] In dieser Bearbeitung zwar nicht von Belang, aber oftmals ein Thema im Organstreitverfahren, ist die Beteiligtenfähigkeit des einzelnen Abgeordneten. Dieser ist kein Organteil, sondern Organmitglied, weshalb er nicht in Prozessstandschaft Rechte des Bundestages im Organstreitverfahren verteidigen kann.[4] Jedenfalls ist er aber ein „anderer Beteiligter“, der mit eigenen Rechten ausgestattet ist. Insoweit ist § 63 BVerfGG aufgrund des weiter gefassten Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass auch einzelne Abgeordnete im Organstreitverfahren beteiligtenfähig sind, soweit sie die Verletzung ihres Status aus Art. 38 Abs. 1 GG geltend machen[5] (die Verletzungsmöglichkeit ist aber wiederum erst im Prüfungspunkt „Antragsbefugnis“ zu thematisieren). |
III. Tauglicher Organstreitgegenstand (Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG, § 64 Abs. 1 BVerfGG)
Statthafte Antragsgegenstände im Organstreitverfahren sind konkrete rechtserhebliche Maßnahmen oder Unterlassungen des Antragsgegners (vgl. § 64 Abs. 1 BVerfGG),[6] also jedes rechtlich relevante Verhalten. Das Organstreitverfahren ist keine objektive Beanstandungsklage, sondern bedarf eines schutzwürdigen Interesses an der Feststellung des Verfassungsverstoßes, eine abstrakte Kontrolle der Verfassungsmäßigkeit des Handelns ist nicht vorgesehen.[7] Die Übergänge zwischen Maßnahme und Unterlassung sind dabei fließend.[8] Eine Abgrenzung kann anhand des Schwerpunkts erfolgen.[9]
Rechtserheblich sind Maßnahmen dann, wenn sie geeignet sind, die Rechtsstellung des Antragstellers zu beeinträchtigen.[10] Unterlassungen sind dagegen rechtserheblich, wenn nicht auszuschließen ist, dass eine verfassungsrechtliche Verpflichtung zur Vornahme der Maßnahme besteht.[11]
Offen gelassen hat das BVerfG bisher, ob und, bejahendenfalls, inwiefern, eine bloße Untätigkeit des Gesetzgebers einen tauglichen Antragsgegenstand im Organstreitverfahren darstellt.[12]
Problematisch ist in diesem Zusammenhang gerade die Konkretheit des beanstandeten Rechtsverhältnisses.
Die Antragstellerin wendet sich gegen die Ablehnung zweier Gesetzentwürfe und gegen die Nichtzuweisung der in diesen Gesetzentwürfen enthaltenen Rechte durch den Antragsgegner (Bundestag).
Das Bundesverfassungsgericht stellt hier darauf ab, dass der Antragsgegner sich mit den abgelehnten Gesetzentwürfen inhaltlich befasst habe und die nach inhaltlicher Befassung erfolgende Ablehnung eine „qualifizierte Unterlassung“ darstelle. Eine solche qualifizierte Unterlassung könne der Maßnahme des Erlasses eines Gesetzes gleichgestellt werden und stelle damit einen konkreten, zulässigen Angriffsgegenstand im Organstreitverfahren dar.[13]
Daher konnte auch in der dem Fall zu Grunde liegenden Entscheidung das BVerfG ausdrücklich die Fragen offenlassen, ob eine bloße Untätigkeit des Gesetzgebers im Rahmen des Organstreits angreifbar ist.[14]
Da die Grenzen zwischen Maßnahme und Unterlassen ohnehin fließend sind, ist diese Entscheidung richtig.
IV. Antragsbefugnis (§ 64 Abs. 1 BVerfGG)
Die Anträge sind jedoch nur zulässig, wenn die Fraktion antragsbefugt ist, also eine Verletzung oder unmittelbare Gefährdung der ihr durch das Grundgesetz übertragenen Rechte durch den Antragsgegner geltend macht (§ 64 Abs. 1 BVerfGG).
Die Fraktion beruft sich vorliegend nicht auf eigene Rechte, sondern macht Rechte des Bundestages geltend.
Es ist fraglich, ob sich die Antragstellerin auf Rechte des Deutschen Bundestages im Wege der Prozessstandschaft berufen kann.
a) Prozessstandschaft der Fraktion für den Bundestag
Die Berechtigung von Fraktionen zur Geltendmachung der Rechte des Deutschen Bundestages im Wege der Prozessstandschaft ist in der ständigen Rechtsprechung des BVerfG seit langem anerkannt.[15] Die Prozessstandschaftsbefugnis dient sowohl der Kontrollfunktion des Parlaments als auch als Instrument des Minderheitenschutzes.[16]
Gerade wegen der weitgehenden Übereinstimmung von Regierung und der sie tragenden Parlamentsmehrheit im parlamentarischen Regierungssystem soll auch Oppositionsfraktionen und damit der parlamentarischen Minderheit als Gegenspieler der Regierungsmehrheit der Rechtsweg zum Bundesverfassungsgericht offenstehen. Erst dadurch wird die tatsächliche Geltendmachung der dem Bundestag im Verfassungsgefüge zustehenden Rechte gewährleistet.[17]
Problematisch könnte allerdings vorliegend sein, dass nicht die Bundesregierung, sondern der Deutsche Bundestag selbst Antragsgegner ist und damit ein „In-sich-Prozess“ vorliegt.
Der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts folgend, steht dies aber der prozessstandschaftlichen Geltendmachung der Rechte des Bundestages nicht entgegen.[18] Sinn und Zweck der Prozessstandschaft erschöpfen sich nicht in der Befugnis zur Geltendmachung der Rechte des Bundestages, wenn dieser seine Rechte, z.B. im Verhältnis zu der von ihm getragenen Bundesregierung, nicht wahrnehmen will (Kontrollfunktion). Vielmehr soll die Prozessstandschaft auch dem Minderheitenschutz dienen und es der Parlamentsminderheit erlauben, Rechte des Bundestags gegen die die Bundesregierung stützende Parlamentsmehrheit geltend zu machen und damit zu verteidigen.[19]
Demnach ist die prozessstandschaftliche Geltendmachung der Rechte des Bundestages durch Fraktionen auch dann möglich, wenn es sich beim Bundestag selbst um den Antragsgegner handelt.[20]
Die Antragstellerin beruft sich auf einen Verstoß gegen die Gebote effektiver Ausübung der Opposition und wirksamer Kontrolle von Regierung und Parlamentsmehrheit. Diese finden ihre Grundlage im Demokratieprinzip (Art. 20 Abs. 1 und 2 GG) und in den Grundsätzen des parlamentarischen Regierungssystems (Art. 45b, 63, 67, 68 und 69 GG).
Aus diesen Grundsätzen ergeben sich Kontrollrechte des Bundestags, die hier prozessstandschaftlich von der Fraktion der „Rosaroten“ geltend gemacht werden.
Weil die geltend gemachten Rechte des Bundestags strukturell abhängig von den faktischen Ausübungsmöglichkeiten durch die parlamentarische Opposition sind und die Effektivität und Intensität der ausgeübten Kontrolle von der Reichweite und Ausgestaltung der parlamentarischen Minderheitenrechte abhängen, erscheint es nicht als von vornherein ausgeschlossen, dass die Antragstellerin durch die Nichtannahme der Gesetzentwürfe und die damit verbundene Vorenthaltung spezifischer Oppositionsrechte in eigenen Rechten verletzt ist.[21]
c) Feststellungsfähiges Verfassungsrechtsverhältnis
Der Antragsgegner macht geltend, es fehle an einem gegenwärtigen feststellungsfähigen Verfassungsrechtsverhältnis, das der Antragsgegner verletzt haben könnte, da die Antragstellerin, indem sie eine Änderung der Verfassung begehre, nicht auf die objektive Bewahrung des Verfassungsrechts, sondern dessen Schaffung ziele. Insofern könnte im Hinblick auf den Antrag zu 1 die Antragsbefugnis mangels Rechtsverletzung entfallen.
Streitentscheidend ist jedoch die Frage, ob und falls ja, welche Rechte das Grundgesetz für die Opposition vorsieht. So ist es möglich, dass die von den Antragstellern vorgeschlagene Änderung des Grundgesetzes inhaltlich dem entspricht, was das Grundgesetz bereits jetzt fordert. Auch wenn dann eine Änderung abzulehnen wäre, weil sie nicht benötigt würde, heißt das nicht, dass nicht trotzdem Rechte des Antragstellers verletzt sind. Das ergibt sich bereits aus dem Umstand, dass vorliegend ein qualifiziertes Unterlassen gerügt wird. Der Antragsgegner hat sich inhaltlich mit dem Vorhaben auseinandergesetzt, bevor er es abgelehnt hat. Wenn aber die inhaltliche Behandlung zum Vorliegen eines zulässigen Antragsgegenstands führt, dann besteht auch ein besonderes Interesse an einer Bestimmung der inhaltlichen Grenzen und Notwendigkeiten oppositioneller Möglichkeiten durch das BVerfG. Die inhaltlich falsch begründete Ablehnung könnte letztlich die Verletzung des Rechts der Antragstellerin begründen.
Demnach beruft sich die Antragstellerin auf ein bestehendes Rechtsverhältnis, das sich aus verfassungsrechtlichen Prinzipien ableiten lässt und aus dem sich konkrete Rechte und Pflichten begründen.[22]
Hinweis: Von Studierenden kann hier nicht mehr verlangt werden, als den Einwand des Antragsgegners kurz anzusprechen und abzulehnen. Auch das BVerfG bleibt an dieser Stelle (zu) knapp und verzichtet gar auf einen Grund für seine Annahme. Dies ist wohl nur damit zu erklären, dass es sich sonst hier bereits intensiv mit der Thematik des „verfassungswidrigen Verfassungsrechts“ hätte auseinandersetzen müssen. Denn in der Tat, wenn die Ablehnung einer Verfassungsänderung verfassungswidrig sein soll, dann kann sie das nur sein, wenn die unveränderte, also die bisherige, Verfassung verfassungswidrig ist.[23] Dies sind letztlich aber Fragen der Begründetheit des Antrags. Sie sollten daher nicht in die Zulässigkeit gezogen werden. |
d) Ergebnis zu VI.2 und somit zu VI
Es ist nicht von vornherein ausgeschlossen, dass der Bundestag, dessen Rechte die Antragstellerin letztlich geltend macht, durch die Ablehnung ihrer Gesetzesentwürfe in seinen Rechten verletzt worden ist.[24]
V. Form (§ 23 BVerfGG) und Frist (§ 64 Abs. 2 und 3 BVerfGG)
Die Anträge sind formgerecht erhoben worden (§ 23 Abs. 1 BVerfGG). Sie sind entsprechend § 64 Abs. 2 BVerfGG begründet und gemäß § 64 Abs. 3 BVerfGG fristgemäß eingereicht worden.
Grundsätzlich. ist auch im Organstreitverfahren das Rechtsschutzbedürfnis Voraussetzung für die Zulässigkeit.[25] Das Rechtsschutzbedürfnis wird bei Vorliegen der anderen Zulässigkeitsvoraussetzungen aber regelmäßig indiziert.[26] Vorliegend könnte es aber ausnahmsweise entfallen.
So könnte das Rechtsschutzbedürfnis in Bezug auf § 126a GO-BT solange fehlen, wie die Mehrheit nicht gegen die getroffenen Regeln verstößt (1). Auch könnten andere gleichwertige parlamentarisch-politische Handlungsmöglichkeiten bestehen, die das Rechtsschutzziel in gleicher oder besserer Weise erfüllen würden (2). Außerdem könnte das Rechtsschutzbedürfnis angesichts der notwendigen Beteiligung des Bundesrates an einer Verfassungsänderung nach Art. 79 Abs. 2 GG nicht bestehen (3). Zudem ist der Zeitpunkt des Rechtsverstoßes problematisch (4).
1. Fehlendes Rechtsschutzbedürfnis mangels konkreten Verstoßes der Mehrheit gegen die in § 126a GO-BT getroffenen Regelungen
Das Rechtsschutzbedürfnis könnte solange entfallen, wie die parlamentarische Mehrheit nicht gegen die in § 126a GO-BT getroffenen Regelungen verstößt.
Gegen das Fehlen des Rechtsschutzbedürfnisses in der vorliegenden Konstellation sprechen aber gewichtige Gründe. So hat die Antragstellerin ein erhebliches Interesse an der verbindlichen Feststellung der sich aus dem Grundgesetz ergebenden Rechtslage. Dieses Interesse wird durch Regelung des § 126a GO-BT in mehrfacher Weise nicht erfüllt. Erstens sind die in der GO-BT getroffenen Regelungen zwar durch § 126a Abs. 2 GO-BT geschützt, letztlich sind sie aber durch einfache Mehrheit im Bundestag weiterhin jederzeit änderbar und stellen so „keine gesicherte Rechtsposition der parlamentarischen Opposition“ dar.[27] Zweitens sind allein in der GO-BT gewährte Rechte nicht verfassungsgerichtlich einklagbar, außer sie ergeben sich auch aus dem Grundgesetz.[28] Zudem entsprechen die Regeln inhaltlich nicht der von der Antragstellerin begehrten Verfassungs- und Gesetzesänderung.
Die Antragstellerin hat demnach trotz des Bestehens des § 126a GO-BT ein erhebliches Interesse an der verbindlichen Feststellung der sich aus dem Grundgesetz ergebenden Rechtslage.[29]
Das Rechtsschutzbedürfnis könnte aber insofern entfallen, als es der Antragstellerin zunächst zuzumuten wäre, einen konkreten Antrag (etwa auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses) zu stellen, um dann gegen die etwaige Ablehnung vorzugehen (Subsidiaritätsgedanke).
Allerdings ist vorliegend die Zumutbarkeit dieses Vorgehens fraglich. Insbesondere ist hier hervorzuheben, dass bereits die abstrakte Möglichkeit der Ausübung von Minderheitenrechten eine gewisse Kontrollwirkung ausübt. Schon die Androhung eines Untersuchungsausschusses kann die Regierung unter Druck setzen und zu einer erhöhten Auskunftsbereitschaft führen.[30] Weiterhin erscheint es jedenfalls möglich, dass bereits die Befähigung der Opposition zur Erhebung der abstrakten Normenkontrolle die Regierung und die sie stützende Parlamentsmehrheit dazu anhalten, Gesetze verfassungskonform zu gestalten.
Angesichts dieser Vorwirkungen, die parlamentarische Minderheitenrechte entfalten, ist es der Antragstellerin nicht zuzumuten, zunächst auf einen Anwendungsfall zu warten, um dann gegen die konkrete Maßnahme vorzugehen.
Das Rechtsschutzbedürfnis könnte weiterhin entfallen, wenn vom Antragsteller etwas Unmögliches verlangt worden wäre. Die vom Antragsteller begehrte Verfassungsänderung bedarf nach Art. 79 Abs. 2 GG zwingend der Mitwirkung des Bundesrates, die der Antragsgegner nicht allein hätte herbeiführen können.
Allerdings richtet sich das konkrete Begehren der Antragstellerin nicht auf eine Verfassungsänderung, sondern nur darauf, dass der Antragsgegner ihren verfassungsändernden Gesetzentwurf hätte beschließen müssen. Insofern begehrt die Antragstellerin nur einen abgrenzbaren Teilakt im Verfahren der Verfassungsänderung.[31] Im Fall der Verweigerung der Zustimmung durch den Bundesrat müsste die Fraktion der „Rosaroten“ dann, im Rahmen eines weiteren Organstreitverfahrens, gegen den Bundesrat vorgehen.[32]
Auch unter diesem Gesichtspunkt entfällt das Rechtsschutzbedürfnis also nicht.
4. Zeitpunkt der Rechtsverletzung
Das Rechtsschutzbedürfnis könnte fehlen, wenn die vom Antragsteller behauptete Rechtsverletzung abgeschlossen in der Vergangenheit liegt, keine Rechtswirkungen mehr entfaltet und es demnach an einem schutzwürdigen Interesse an der Feststellung fehlt.[33] Gegenstand des Organstreits ist die Frage, ob die Handlung zum Zeitpunkt der gerügten Nichtvornahme geboten gewesen wäre. Weil die Klärung der durch den Antrag aufgeworfenen Problemstellung aber auch weiterhin aktuell ist, das Unterlassen quasi fortdauert, braucht nicht entschieden zu werden, ob für die Beanstandung vergangener, abgeschlossener Rechtsverletzungen ein „Fortsetzungsfeststellungsinteresse“ vonnöten ist.
Das Rechtsschutzbedürfnis entfällt damit vorliegend nicht.
Die Anträge sind damit insgesamt zulässig.
Die Anträge sind begründet, wenn das streitgegenständliche Unterlassen verfassungswidrig war und der Antragsteller dadurch in seinen Rechten verletzt ist.
Da der Antragssteller sich vorliegend im Organstreitverfahren gegen ein („qualifiziertes“) Unterlassen wendet, handelt es sich um eine sogenannte „Anspruchssituation“.[34] Die geltend gemachten Unterlassungen wären verfassungswidrig, wenn eine verfassungsrechtliche Handlungspflicht bestünde, deren Voraussetzungen gegeben wären und die verfassungsrechtlichen Einwendungen des Antragsgegners nicht durchschlügen.[35] § 67 BVerfGG ist insofern einschränkend auszulegen, dass das Bundesverfassungsgericht nur den Verstoß gegen eine kompetenzregelnde Vorschrift des Grundgesetzes im Organstreit feststellen kann. Dies ergibt sich aus der Natur des Organstreits, der gerade nicht als abstraktes Beanstandungsverfahren ausgestaltet wurde, sondern einer Beeinträchtigung der Teilhaberechte des rügenden Verfassungsorgans bedarf.[36] Rechte im Sinne des § 64 Abs. 1 BVerfGG sind lediglich solche, die dem Antragsteller zur ausschließlich eigenen Wahrnehmung oder Mitwirkung übertragen oder deren Beachtung es bedarf, um die (rechtsgültige) Wahrnehmung seiner Kompetenzen zu gewährleisten.[37]
Hinweis: § 67 BVerfGG beinhaltet nicht die Voraussetzung, dass der Antragsteller in seinen Rechten verletzt sein muss. Dies würde eigentlich für ein objektives Rechtsschutzverfahren sprechen. Das Organstreitverfahren dient aber maßgeblich der gegenseitigen Abgrenzung der Kompetenzen von Verfassungsorganen oder ihren Teilen und nicht der Kontrolle der objektiven Verfassungsmäßigkeit eines Organhandelns.[38] Letztlich ergeben sich für die Begründetheit daher zwei Möglichkeiten. Erstens, man prüft zunächst eine objektive Verletzung von Verfassungsrecht durch den Antragsgegner und im Anschluss daran, ob dadurch in kompetenzregelnde Vorschriften eingegriffen wurde. Möglich ist aber auch, den Prüfungsumfang von vornherein nur auf die vom Antragsteller zulässigerweise rügbaren (also kompetenzregelnden) Vorschriften zu begrenzen. Soweit ersichtlich, gibt es kein eindeutiges Schema zur Prüfung der Begründetheit im Organstreitverfahren. Ohnehin sind Schemata nur eine Hilfe und kein Selbstzweck. Man kann durch eine Abweichung nicht wirklich gegen sie verstoßen, soweit sie, was äußerst selten ist, nicht durch das Gesetz vorgegeben sind. Das Bundesverfassungsgericht wählt meist einen an den Besonderheiten des Falls orientierten Aufbau. Der Bearbeiter schlägt, in Anlehnung an den für die Grundrechtsprüfung weitgehend anerkannten (wenn auch im Hinblick auf die Reihenfolge der Prüfung von Schutzbereich und Eingriff nicht über alle Zweifel erhabenen) Aufbau vor:
- Im Unterlassungsfall: Aus den Rechten des Antragsstellers entspringende Handlungspflicht des Antragsgegners
Wie gesagt, dieser Aufbau ist kein Selbstzweck. Er soll nur die Bearbeitung unbekannter Sachverhalte erleichtern. Entscheidend ist vielmehr, dass die entscheidungserheblichen Punkte diskutiert werden und insbesondere darauf eingegangen wird, dass der Antragsteller in seinen Teilhaberechten verletzt sein muss. |
Der Antrag wäre begründet, wenn eine verfassungsrechtliche Pflicht des Bundestags bestünde, die von der Antragstellerin begehrten Oppositionsrechte auf Ebene des Grundgesetzes einzuräumen und die verfassungsrechtlichen Einwendungen des Bundestags nicht durchschlügen, die Nichteinräumung also nicht gerechtfertigt werden könnte.
1. Pflicht aus dem Grundsatz effektiver Opposition
Eine Pflicht auf Einfügung der begehrten Oppositionsrechte in das Grundgesetz könnte sich aus dem Grundsatz effektiver Opposition ergeben.
a) Verfassungsrechtliche Grundlagen des Schutzes der Opposition
Zunächst muss dargelegt werden, ob sich ein Grundsatz effektiver Opposition überhaupt aus dem Grundgesetz ableiten lässt. Als verfassungsrechtliche Grundlagen kommen das Demokratieprinzip (Art. 20 Abs. 1, 2 und Art. 28 Abs. 1 S. 1 GG), das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 und Art. 28 Abs. 1 S. 1 GG) und die Freiheit und Gleichheit der Abgeordneten (Art. 38 Abs.1 S. 2 GG) in Betracht.
aa) Ableitung aus dem Demokratieprinzip
Das Bundesverfassungsgericht hat bereits früh einen verfassungsrechtlichen Schutz der Opposition anerkannt.[39] Dieser wurzelt im Demokratieprinzip (Art. 20 Abs. 1, 2 und Art. 28 Abs. 1 S. 1 GG).[40] Zwar erkennt das Grundgesetz das Mehrheitsprinzip an (Art. 42 Abs. 2 GG), dieses wird aber punktuell durch die parlamentarischen Minderheitenrechte (Art. 23 Abs. 1a S. 2, Art. 39 Abs. 3 S. 3, Art. 44 Abs. 1 S. 1, Art. 45 a Abs. 2 S. 2 und Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG) durchbrochen. Daraus folgt zwar ein grundsätzlicher Respekt des Grundgesetzes vor der Sachentscheidung der parlamentarischen Mehrheit, gleichzeitig soll aber auch gewährleistet werden, dass die parlamentarische Minderheit die Chance hat, zur Mehrheit zu werden.[41] Diese „Idee eines – inner- wie außerparlamentarischen – offenen Wettbewerbs der unterschiedlichen politischen Kräfte“ erfordert, dass die Opposition nicht behindert wird, und ist konstitutiv für die freiheitliche demokratische Grundordnung.[42] Hierin verwirklicht sich letztlich auch das Prinzip der Herrschaft auf Zeit.[43]
bb) Ableitung aus dem Rechtsstaatsprinzip
Zusätzlich lässt sich der verfassungsrechtliche Schutz der Opposition aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 und Art. 28 Abs. 1 S. 1 GG) und dem daraus folgenden Grundsatz der Gewaltenteilung ableiten. Der Grundsatz der Gewaltenteilung umfasst die wechselseitige Kontrolle der gesetzgebenden, der vollziehenden und der rechtsprechenden Gewalt und erfordert die parlamentarische Kontrolle von Regierung und Verwaltung. Dieser Grundsatz hat den durch das Grundgesetz und die politische Praxis ausgestalteten Bedingungen des parlamentarischen Regierungssystems Rechnung zu tragen.[44]
Weil die Regierung sich auf die Legitimation durch die Mehrheit des Parlaments stützt (Art. 63, 67, 68 GG), haben die Regierungsfraktionen tendenziell wenig Interesse an einer Kontrolle der Regierung.[45] Deswegen obliegt die Kontrolle der Regierung insbesondere den sie nicht tragenden Abgeordneten und Fraktionen. Die parlamentarische Opposition stellt damit den „natürlichen Gegenspieler von Regierung und regierungstragender Mehrheit dar“ (sog. neuer oder innerparlamentarischer Dualismus).[46]
cc) Individuelles Recht zu opponieren
Ein individuelles Recht auf parlamentarisches Opponieren der einzelnen Abgeordneten lässt sich überdies aus der Freiheit und Gleichheit der Abgeordneten (Art. 38 I 2 GG) ableiten.[47]
Diese Freiheit wird zusätzlich durch Art. 46 und 47 GG geschützt und ist für die Opposition von zentraler Bedeutung.[48]
b) Effektivität des Oppositionsschutzes
Damit das Parlament seine parlamentarische Kontrollfunktion erfüllen kann, müssen die im Grundgesetz vorgesehenen Minderheitenrechte auf Wirksamkeit hin ausgelegt werden.[49] Dies wurde namentlich bereits vor der aktuellen Entscheidung für das Recht auf Einsetzen eines Untersuchungsausschusses anerkannt.[50] Aus dem Grundgesetz lässt sich also der Grundsatz effektiver Opposition ableiten.[51] Danach darf die Opposition bei der Ausübung ihrer Kontrollbefugnisse nicht auf das Wohlwollen der Parlamentsmehrheit angewiesen und muss praktisch dazu in der Lage sein, die parlamentarische Kontrolle auszuüben.[52]
2. Ablehnung des Gesetzentwurfs der Antragstellerin
Die inhaltlich qualifizierte Ablehnung des Gesetzentwurfs der Antragstellerin durch den Bundestag verkürzt jedenfalls die Möglichkeiten der Oppositionsfraktionen, die Regierung unter Druck zu setzen, und stellt durch die Verwehrung einer expliziten Gewährung bestimmter Einflussmöglichkeiten eine Beeinträchtigung ihrer Teilhabe- und Kontrollrechte dar.
3. Verfassungswidrigkeit der Ablehnung / Rechtfertigung
a) Unvereinbarkeit mit dem Grundsatz der Gleichheit der Abgeordneten
Zugunsten der Oppositionsfraktionen eingeführte Rechtspositionen könnten bereits an der Unvereinbarkeit mit Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG scheitern. Insofern ist fraglich, ob die Einführung spezifischer Oppositionsfraktionsrechte nicht gegen den dem Status der Abgeordneten aus Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG entspringenden Grundsatz der Gleichheit der Abgeordneten und ihrer Zusammenschlüsse verstößt.
Hinweis: Das Bundesverfassungsgericht thematisiert diese Problematik erst im Anschluss an die Frage, ob die Einräumung institutioneller Oppositionsrechte überhaupt möglich ist. Der dem Bundesverfassungsgericht folgende Aufbau ist selbstverständlich auch möglich. Im Sachverhalt wurde aber ausdrücklich darauf hingewiesen, dass alle Rechtsfragen angesprochen werden müssen. Dies könnte, wenn man an einer Stelle zum Scheitern der Anträge kommt, dann unter der Überschrift „Hilfsgutachten“ erfolgen, muss es aber nicht. Denn auch das Bundesverfassungsgericht prüft im zu Grunde liegenden Fall den Verstoß gegen Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG, obwohl es bereits die Pflicht zur Einführung konkreter Oppositionsfraktionsrechte abgelehnt hat. Die Prüfungsreihenfolge ist einerseits konsequent, wenn man dem Urteilsstil folgt, andererseits aber wiederum überflüssig, weil die Prüfung streng genommen nicht notwendig ist. Jedenfalls ist es in der gutachtlichen Klausurlösung nicht unüblich, in verfassungsrechtlichen Fragen, insbesondere bei Grundrechtsverstößen, beim Aufgreifen aller aufgeworfenen Problemstellungen nicht auf die hilfsweise Darstellung zurückzugreifen. |
aa) Verstoß gegen Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG
Daraus, dass der Deutsche Bundestag seine Repräsentationsfunktion grundsätzlich in seiner Gesamtheit wahrnimmt (durch die Mitwirkung aller seiner Mitglieder), folgt, dass alle Abgeordneten die gleichen Rechte und Pflichten haben.[53]
Unzweifelhaft führt die Einführung spezifischer Oppositionsfraktionsrechte zu einer Ungleichbehandlung von Abgeordneten der Oppositionsfraktionen und solcher der die Regierung tragenden Fraktionen.
Die Ungleichbehandlung könnte gerechtfertigt sein. Eine Rechtfertigung der Ungleichbehandlung von Abgeordneten und ihren Zusammenschlüssen ist aber nur durch besondere, zwingende Gründe möglich, die selbst von Verfassungsrang und einem der Gleichheit der Abgeordneten vergleichbarem Gewicht sind.[54] Das BVerfG wendet hier die gleichen Maßstäbe an, die es im Rahmen der Rechtfertigung einer Durchbrechung der Wahlrechtsgleichheit anlegt.[55]
Hinweis: Letztlich handelt es sich hier um eine Abwägung der widerstreitenden verfassungsrechtlichen Güter. Insofern muss zunächst ein verfassungsrechtliches Gut identifiziert werden, dessen Schutz eine Ungleichbehandlung rechtfertigen könnte. Sodann müssen die genannten Güter miteinander abgewogen werden. Dabei sind insbesondere die abstrakte und konkrete Wertigkeit der relevanten Güter, die Schwere der Ungleichbehandlung und der Umfang der Zweckerreichung zu berücksichtigen. |
Die Einräumung eines „Oppositionsprivilegs“ könnte durch das Erfordernis der Schaffung eines arbeits- und funktionsfähigen Parlaments gerechtfertigt sein. Insbesondere könnte ohne eine solche Ungleichbehandlung der Bedeutungsverlust oder sogar Ausfall des Instruments der abstrakten Normenkontrolle drohen.[56] Diese Gründe sind von Verfassungsrang und einigem Gewicht.
Dagegen spricht aber, dass auch Abgeordnete, die die Regierung stützen, grundsätzlich eine Kontrollfunktion ausüben können. Gerade weil alle Abgeordneten zur Mitarbeit an der Arbeit des Bundestages berufen sind, ist auch den die Regierung stützenden Abgeordneten „die Möglichkeit eines Opponierens im Einzelfall eröffnet“.[57] Zwar halten sich die die Regierung stützenden Abgeordneten faktisch bei ihren Kontrollmöglichkeiten meistens zurück, allein die Möglichkeit der Kontrolle führt aber dazu, dass die Regierung auch in den eigenen Reihen für ihre politische Position werben muss.[58]
Außerdem stellt sich die Frage, ob das „Kompensationsargument“ der Antragstellerin greift.[59] Angesichts der übergroßen Regierungsmehrheit könnte eine Kompensation dieses Kräfteungleichgewichts von Verfassungs wegen geboten sein. Damit läge dann keine Bevorzugung der oppositionellen Fraktionen, sondern lediglich eine Gleichstellung mit den strukturell bevorzugten regierungstragenden Fraktionen vor.
Das Bundesverfassungsgericht lehnt diese Argumentation allerdings ab. Die Einführung von der Opposition vorbehaltenen Minderheitenrechten führe nicht zu einer Verbesserung der Kontrollfunktion. Vielmehr wäre dies insofern kontraproduktiv, als den übrigen Abgeordneten der situative Gebrauch dieser Rechte vorenthalten wird.[60] Außerdem würde die Einführung exklusiver Oppositionsrechte die Kontrolle der Regierung aus der Mitte des Parlaments zusätzlich schwächen, wenn den die Regierung tragenden Abgeordneten signalisiert würde, „bei der Erfüllung der parlamentarischen Kontrollfunktion von untergeordneter Bedeutung zu sein.“[61] Beide Argumente erscheinen höchst fragwürdig. So bleibt zum einen unklar, warum es kontraproduktiv für die Kontrollfunktion des Parlaments sein soll, wenn dem Parlament zusätzliche, neben die bisherigen tretenden Kontrollmöglichkeiten zur Verfügung gestellt werden sollen. Auch dass die Einführung solcher Rechte eine abträgliche Signalwirkung hätte, erscheint im Hinblick auf die Parlamentswirklichkeit zumindest diskutabel.
Daneben könnte gegen ein Kompensationsbedürfnis die Einfügung des § 126a GO-BT sprechen, der einige Quoren faktisch absenkt. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass § 126a GO-BT das Quorum für die abstrakte Normkontrolle nicht absenkt. Darüber hinaus gewährt die durch § 126a Abs. 2 GO-BT gewährte Unmöglichkeit einer Ad-hoc-Abweichung zwar eine gewisse Sicherheit, letztlich kann die GO-BT aber mit einfacher Mehrheit im Bundestag abgeändert werden (Art. 42 Abs. 2 GG).[62] Auch ist fraglich, inwiefern eine solche Absenkung der ausdrücklich im Grundgesetz vorgesehenen Quoren im Rahmen der GO-BT überhaupt verfassungsrechtlich zulässig ist.[63]
Allerdings wurde die Kontrollfunktion der Opposition, etwa durch die Möglichkeit zur Äußerung von Kritik im Rahmen von Rede und Gegenrede, durch die Anhebung der Redezeiten der Oppositionsfraktionen gestärkt.[64] Auch werden strukturelle Schwächen der Opposition durch eine relative Besserstellung mit der Anhebung des Oppositionszuschlags nach dem Abgeordnetengesetz von 10% auf 15% kompensiert.[65] Daneben sind die Instrumente der Großen und Kleinen Anfrage und das dem einzelnen Abgeordneten zustehende Fragerecht auch wegen ihrer Öffentlichkeitswirkung effektive Kontrollmöglichkeiten.[66]
Das Bundesverfassungsgericht sieht daher die in der Oppositionsspezifizität des begehrten zusätzlichen Fraktionsrechts liegende Ungleichbehandlung der die Bundesregierung tragenden Abgeordneten als verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt an.[67]
Dieses Ergebnis ist aber keineswegs eindeutig. So kann etwa die angeblich abschreckende Signalwirkung gegenüber den die Regierung tragenden Abgeordneten durchaus in Frage gestellt werden. Nicht unmöglich erscheint es zudem, dafür zu argumentieren, dass nur die Oppositionsfraktionen oder nur deren Abgeordnete bevorzugt werden sollten. Insoweit weisen Hillgruber, Lassahn und Starski Hauf offene Flanken in der Argumentation des Bundesverfassungsgerichts hin.[68] Es bestünden Zweifel im Hinblick auf die tatsächliche Gleichheit der Abgeordneten der Oppositionsfraktionen und der die Regierung tragenden Abgeordneten in der Verfassungswirklichkeit sowie auf die fragliche Notwendigkeit eines „zwingenden Grunds“ in Anbetracht des geringen (freiheitsdimensionalen) Gewichts der Ungleichbehandlung. Zudem könnten zusätzliche Kontrollmechanismen des Bundestages dessen Kontrollfunktion stärken und somit eine Rechtfertigung darstellen.[69] An anderer Stelle argumentiert auch das Bundesverfassungsgericht im dem Fall zugrundeliegenden Urteil selbst mit der Verschiedenheit von Oppositionsfraktionen und der die Regierung tragenden Parlamentsmehrheit.[70] Eine in bestimmten Bereichen bevorzugte Behandlung der Opposition, die letztlich nur einen Ausgleich für strukturelle Nachteile darstellt, ist daher nicht per se ausgeschlossen.
Insgesamt ist eine Kompensation der oppositionellen Fraktionen nicht zwingend, nach der hier vertretenen Auffassung aber möglich.
Das Gebot der Ungleichbehandlung steht der Einführung spezifischer Oppositionsfraktionsrechte nicht entgegen.[71]
Hinweis: Der Wandel von der Zweiteilung zwischen Regierung und Gesamtparlament zum Wechselspiel von Regierungsmehrheit und Opposition wird von Starski gut dargestellt.[72] Zudem weist sie auf bisherige Differenzierungen des Bundesverfassungsgerichts zwischen Abgeordneten im Rahmen der Gleichheit „bei Vorliegen besonderer Gründe“ hin.[73] Ein gleich geeignetes, und in Bezug auf die Gleichheit der Abgeordneten milderes Mittel könnte es jedenfalls darstellen, wie in der GO-BT geschehen, Minderheitenrechte einem kleineren Quorum zuzuordnen. Auch wenn dies, insbesondere im Hinblick auf die verfassungsgerichtliche Einklagbarkeit, Probleme aufwerfen könnte. Ebenso könnten Minderheitenrechte allgemein Fraktionen (also nicht nur Oppositionsfraktionen) zugeordnet werden. |
b) Konkrete Pflicht zur Einführung spezifischer Oppositionsfraktionsrechte
Allein aus dem Grundsatz effektiver Opposition lässt sich noch nicht schließen, welche Instrumente im Einzelnen von Verfassungs wegen zu den relevanten Wirkungsmöglichkeiten der Opposition gehören.[74] Fraglich ist hier, ob sich aus dem allgemeinen Grundsatz effektiver Opposition überhaupt einzelne spezifische (institutionelle) Oppositionsrechte begründen lassen bzw. ob sich aus dem Grundgesetz das Gebot der Schaffung solcher Rechte ableiten lässt.
Insofern könnte die Frage aufgeworfen werden, ob die Opposition auf Grund des Grundsatzes effektiver Opposition dazu in der Lage sein muss, unabhängig von ihrer Größe, bestimmte Rechte auszuüben. Etwa, ob es der Opposition immer möglich sein muss, eine abstrakte Normkontrolle einzuleiten oder einen Untersuchungsausschuss einzusetzen.[75] Zudem stellt sich insbesondere im Hinblick auf die abstrakte Normkontrolle und die Subsidiaritätskontrolle die Frage, ob diese Instrumente überhaupt der Sicherung effektiver Opposition dienen.[76] Eine Entscheidung dieser Fragen könnte dahinstehen, wenn solche Rechte jedenfalls nicht einer oder mehreren Fraktionen eingeräumt werden müssten.
Wie das Bundesverfassungsgericht klarstellt, schweigt das Grundgesetz bereits über den Begriff der Opposition und erkennt diese auch nicht als spezifischen Rechtsträger an.[77] Dagegen ordnet das Grundgesetz (Art. 23 Abs. 1a Satz 2, Art. 39 Abs. 3 Satz 3, Art. 44 Abs. 1 Satz 1, Art. 45a Abs. 2 Satz 2 oder Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG) spezifische Rechte parlamentarischen Minderheiten zu, die nach allgemeinen Quoten bestimmt werden. Es findet sich nirgendwo im Grundgesetz die Zuordnung von Rechten zu einer bestimmten Anzahl an Fraktionen.[78] Einzig in Art. 53a GG wird festgelegt, dass die den Bundestag vertretenden Mitglieder des Gemeinsamen Ausschusses entsprechend dem Stärkeverhältnis der Fraktionen zu bestimmen sind. Damit hat sich das Grundgesetz im Grundsatz „dafür entschieden, die parlamentarischen Minderheitenrechte Abgeordneten, die bestimmte Quoren erfüllen, ohne Ansehung ihrer Zusammensetzung zur Verfügung zu stellen“, mithin die „Ausübbarkeit parlamentarischer Minderheitenrechte nicht auf oppositionelle Akteure – wie etwa die Oppositionsfraktionen – zu beschränken“.[79]
Darüber hinaus sind allein die individuell gewählten Abgeordneten und nicht etwa eine Gruppe von Mitgliedern einer bestimmten Partei die Repräsentanten des Volkes, nur ihrem Gewissen unterworfen und dem ganzen Volk als Vertreter verpflichtet.[80] Der verfassungsrechtliche Grundsatz effektiver Opposition beruht somit auf individueller und nicht institutioneller Oppositionsmöglichkeit.[81]
Ein Gebot der Schaffung solcher spezifischen Fraktionsrechte (institutionellen Oppositionsrechte) lässt sich mithin nicht aus dem Grundgesetz entnehmen[82]
c) Effektivität der Opposition und Fünf-Prozent-Sperrklausel[83]
Möglicherweise könnten aber tatsächliche Gegebenheiten eine andere Bewertung bedingen. Eine besondere Problematik im Rahmen der Diskussion um die Effektivität der Opposition ergibt sich aus dem Bestehen der Fünf-Prozent-Sperrklausel.[84] Bei den Wahlen zum 18. Deutschen Bundestag fanden 15,7 % der abgegebenen Zweitstimmen keinen Niederschlag in der Sitzverteilung im 18. Deutschen Bundestag.[85] Die Parteien FDP (4,8%) und AfD (4,7%) scheiterten knapp an der Fünf-Prozent-Sperrklausel. Die Antragstellerin argumentiert, die Fünf-Prozent-Sperrklausel verkürze die Minderheitenrechte und sei dem Gebot der Oppositionseffektivität abträglich. Durch das Stattgeben der Anträge der Antragstellerin könne dieses Problem zumindest neutralisiert werden.
Das Bundesverfassungsgericht weist diese Argumentation allerdings zurück. So führe die Fünf-Prozent-Sperrklausel nicht zu einer Schwächung der parlamentarischen Opposition, weil das Verhältnis der Stimmanteile der im Parlament vertretenen Parteien zueinander grundsätzlich nicht verändert werde und sich die Sperrklausel daher innerparlamentarisch neutral verhalte.[86] Dies ist allerdings eine sehr formale (und auch rechnerisch fragwürdige) Argumentation, die nicht berücksichtigt, dass ohne die Sperrklausel schlicht mehr Abgeordnete kleinerer Parteien eingezogen wären und so grundsätzlich das Verhältnis von Opposition zu Regierungsfraktionen beeinflusst hätte werden können. Letztlich wird jede nicht berücksichtigte Stimme entsprechend der Verteilung der eingezogenen Parteien aufgespalten, fällt also mehrheitlich den die Regierung stützenden Fraktionen zu.
Allerdings ist, wie das Bundesverfassungsgericht zu Recht feststellt, diese Annahme spekulativ, weil sich bei Einzug Abgeordneter weiterer Parteien in den Bundestag, die Bildung einer Regierungskoalition unter anderen Bedingungen vollzogen hätte.[87] So hätten zusätzliche Parteien sogar an der Regierungskoalition beteiligt werden können, was möglicherweise zu einer zusätzlichen Schwächung der Opposition geführt hätte.[88] Damit führt die Fünf-Prozent-Sperrklausel nicht zwingend zu einer kleinen Opposition, die nicht mehr dazu in der Lage ist von Minderheitenrechten Gebrauch zu machen. Zudem würde der politische Wettbewerb verfälscht, wenn das Wahlergebnis darüber „korrigiert“ würde, dass einer Fraktion unabhängig von ihrer Größe spezifische Rechte zuerkannt würden.[89] Die Effektivität der Opposition ist durch die Sperrklausel also nicht (zusätzlich) beeinträchtigt.
Es besteht keine grundgesetzliche Pflicht zur Schaffung spezifischer Oppositionsfraktionsrechte. Die Ablehnung derselben ist somit verfassungskonform.
Hinweis: Wer dies anders sieht, müsste dann aber entscheiden, inwiefern die eingeforderten Instrumente (insbesondere Subsidiaritätsklage und abstrakte Normenkontrolle) zur Ausübung effektiver Opposition erforderlich sind, bzw. ob es sich hier überhaupt um spezifische Oppositionsrechte handelt. Unstrittig ist dies nur für die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses, während es für die Antragsberechtigung im Rahmen der abstrakten Normenkontrolle durchaus umstritten ist.[90] Auch die in der Fallbearbeitung (anders als im zugrundeliegenden Urteil) nicht thematisierte Subsidiaritätsklage (vgl. § 12 IntVG) dient wohl nicht der Sicherung effektiver Opposition, sondern der Sicherung parlamentarischer Kompetenzen gegenüber der Europäischen Union.[91] Anschließend müssten ebenfalls die nun folgenden Rechtsprobleme diskutiert werden. |
4. Verfassungswidriges Verfassungsrecht
Eine andere Beurteilung könnte sich aus der umstrittenen Figur des verfassungswidrigen Verfassungsrechts ergeben. Im Rahmen der Ewigkeitsklausel des Art. 79 Abs. 3 GG ist tatsächlich eine gewisse Rangordnung des Grundgesetzes statuiert, die zur Folge haben könnte, dass gewisse Normen mit Grundentscheidungen der Verfassung im Widerspruch stehen könnten. Es besteht aber die Vermutung eines konsistenten Zusammenhangs der Erstfassung.[92] Das demokratische Prinzip konkretisierende Normen, die der Verfassungsgeber bereits in der Urfassung des Grundgesetzes, verankert hatte, sind grundsätzlich als prinzipienkonform anzusehen.[93] Weil es im Hinblick auf die Minderheitenrechte jedenfalls nicht zu einer Verschärfung der Quoren im Hinblick auf die Urfassung gekommen ist, greift die Rechtsfigur verfassungswidrigen Verfassungsrechts vorliegend nicht.[94]
Allein aus einer veränderten Verfassungswirklichkeit, die den Wortlaut der Verfassung im Widerspruch zur Menschenwürdegarantie des Art. 1 Abs. 1 S. 2 GG bringen würde, könnte sich eine Verfassungswidrigkeit revisionsfester Normen ergeben.[95] Die Menschenwürde wiederum gibt aber kein Organrecht, könnte also im Wege des Organstreits nicht eingefordert werden.[96]
Anmerkung: Die Thematik verfassungswidrigen Verfassungsrechts wirft Hain in seiner lesenswerten Urteilsanmerkung[97] noch deutlicher auf. Auch in Lassahns[98] und Starskis[99] Anmerkungen finden sich knapp gefasste Abschnitte zur Rechtsfigur, wobei sich insbesondere Starski kritischer gegenüber dieser äußert, ohne sie jedoch explizit abzulehnen. Von einem Kandidaten im ersten Examen kann hierzu allerdings keine vertiefte Darstellung erwartet werden. Allein die knappe, urteilsmäßige Auseinandersetzung mit Art. 79 Abs. 3 GG ist bereits positiv hervorzuheben. |
Das Grundgesetz fordert somit keinen Schutz der Institution „Opposition“ dahingehend, dass dieser bestimmte Kontrollrechte des Parlaments zur Ausübung zugewiesen werden.
Der Antrag zu 1 ist damit unbegründet.
Der Antrag zu 2 wäre begründet, wenn eine verfassungsrechtliche Pflicht des Antragsgegners auf Einräumung der von der Antragstellerin begehrten Oppositionsrechte durch einfaches Recht besteht.
1. Zulässigkeit der einfachgesetzlichen Abweichung von grundgesetzlichen Quoren
Hier ist zunächst fraglich, ob eine solche einfachgesetzliche Abweichung von den grundgesetzlich ausdrücklich vorgesehenen Quoren überhaupt verfassungsrechtlich zulässig wäre.
Dies wäre jedenfalls dann der Fall, wenn die entsprechenden Quoren zu Gunsten des Grundsatzes effektiver Opposition und wirksamer parlamentarischer Kontrolle so ausgelegt werden könnten, dass in Zeiten einer „kleinen Opposition“ auch diese die Quoren erfüllt. Dies könnte über eine teleologische Reduktion der Quoren erreicht werden, was im Hinblick auf die praktische Ausübbarkeit in Zeiten derart klarer Mehrheitsverhältnisse geboten sein könnte.[100]
Allerdings steht einer solchen teleologischen Reduktion der ausdrückliche Wortlaut des Grundgesetzes entgegen.[101] Es ist nicht ersichtlich, dass der Verfassungsgeber den Sonderfall einer besonders kleinen Opposition übersehen hätte. Vielmehr hat er die Belange des Minderheitenschutzes auf der einen Seite und die Gefahr des Missbrauchs der Minderheitenrechte auf der anderen Seite bewusst abgewogen und sich für die bestehenden Regelungen im Grundgesetz entschieden.[102] Auch haben die Quoren nicht ihren ursprünglichen Sinn verloren, es bestand seit der ersten Legislaturperiode die Möglichkeit, dass für oppositionelle Fraktionen bestimmte Quoren nicht erfüllbar sind.[103]
Im Fall der abstrakten Normenkontrolle kommt hinzu, dass das statuierte Quorum nicht nur die Funktionsfähigkeit des Parlaments, sondern auch die des Bundesverfassungsgerichts als Verfassungsorgan schützt.[104]
Das Bundesverfassungsgericht sieht sich bereits nicht dazu befugt, diese ausdrückliche Grundentscheidungen des Verfassungsgebers durch eine allgemeine und neutrale Reduzierung der Quoten im Rahmen der Auslegung zu überschreiten.[105] Dies gilt erst recht für die Einräumung von Minderheitenrechten direkt an die oppositionellen Fraktionen.
Anmerkung:Das Bundesverfassungsgericht diskutiert diesen Punkt etwas ausgiebiger und – wie dargestellt – bereits in der Begründetheit des Antrags zu 1.[106] Da er aber im Sachverhalt keinen wirklichen Anklang gefunden hat, kann, wenn überhaupt, nur eine kurze Auseinandersetzung gefordert werden. |
Die Einräumung der begehrten spezifischen Fraktionsrechte durch einfaches Gesetz wäre damit unvereinbar mit dem ausdrücklichen Wortlaut des Grundgesetzes. Die Nichtgewährung der begehrten Rechte durch den Antragsgegner (bzw. die Nichtannahme des GSO Gesetzesentwurfs) verstößt somit nicht gegen das Grundgesetz und verletzt die Antragstellerin nicht in eigenen oder prozessstandschaftlich geltend gemachten Rechten.
2. Verletzung des Grundsatzes der Gleichheit der Abgeordneten und ihrer Zusammenschlüsse
Wie oben gesehen, würde die Einfügung der begehrten spezifischen Oppositionsrechte zudem eine verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigende Beeinträchtigung der Gleichheit der Abgeordneten und ihrer Zusammenschlüsse nach Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG darstellen.[107]
3. Keine verfassungsrechtliche Pflicht zur Einräumung begehrter Oppositionsrechte
Zudem besteht – wie bereits ausgeführt – keine verfassungsrechtliche Pflicht zur Einräumung der begehrten Oppositionsrechte. Dies betrifft auch die Einräumung solcher Rechte durch einfaches Gesetz.
Der Antrag zu 2 ist unbegründet.
Die Anträge der Antragstellerin sind zulässig, aber unbegründet.
Hinweis: Der gewählte Aufbau entspricht nicht der Prüfungsreihenfolge des Bundesverfassungsgerichts. Selbstverständlich kann auch ein anderer Aufbau gewählt werden. Wichtig ist nur, alle aufgeworfenen Rechtsfragen – jedenfalls hilfsgutachtlich – zu thematisieren. |
Weiterführende Literatur: Beckermann/Weidemann, K(l)eine Opposition ohne Rechte? Parlamentarische Minderheitenrechte im Schatten der Fünfprozenthürde, Der Staat 2014, 313. Beckermann/Weidemann, Die Opposition im Deutschen Bundestag – Aktuelles aus studentischer Sicht, Ad Legendum 2015, 243. Cancik, Wirkungsmöglichkeiten parlamentarischer Opposition im Falle einer qualifizierten Großen Koalition, NVwZ 2014, 18. Ennuschat, Große Koalition und Oppositionsrechte, VR 2015, 1. Hain, Anmerkung zu BVerfG 2 BvE 4/14 v. 03.05.2016, JZ 2016, 1172. Hillgruber, Entscheidungsbesprechung zu BVerfG 2 BvE 4/14 v. 03.05.2016, JA 2016, 638. Hölscheidt, Die Rechte der Opposition im 18. Deutschen Bundestag, ZG 2015, 246. Ingold, Das Recht der Oppositionen, Tübingen 2015. Lassahn, Anmerkung zu BVerfG 2 BvE 4/14 v. 03.05.2016, NVwZ 2016, 929. Rossi, Anmerkung zu BVerfG 2 BvE 4/14 v. 03.05.2016, JZ 2016, 1169. Schwarz, Unkontrollierbare Regierung - Die Rechte der Opposition bei der Bildung einer Großen Koalition im Deutschen Bundestag, ZRP 2013, 226. Starski, Die „Große Koalition“ als Problem des Verfassungsrechts – Recht auf effektive Opposition vs. Gleichheit der Abgeordneten –, DÖV 2016, 750. |
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Fußnoten
[1] BVerfG, 2 BvE 4/14 v. 03.05.2016, Rn. 57.
[2] BVerfGE 113, 113 (120); 118, 244 (254 f.); BVerfG, 2 BvE 4/14 v. 03.05.2016, Rn. 58.
[3] Hier kann kurz auf die Wortlautdifferenz zwischen Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG und § 63 BVerfGG eingegangen werden. Im Ergebnis ist dies vorliegend aber irrelevant, weswegen lange Ausführungen dazu nicht angebracht sind.
[4] BverfG, 2 BvE 2/08 v. 30.06.2009 („Lissabon-Urteil”), Rn. 200. Insoweit muss es sich bei dem Satz „im Verfahren des Organstreits [können] Ausschüsse, Fraktionen und einzelne Abgeordnete die Rechte des Parlaments im Wege der Prozessstandschaft geltend machen (stRspr seit BVerfGE 1, 351 <359>)“ in der Entscheidung BVerfG, 2 BvG 1/10 v. 19.08.2011, Rn. 60, um einen Redaktionsfehler handeln, jedenfalls soweit er keine Einschränkungen vornimmt – vgl. Starski, DÖV 2016, 750 (754).
[5] BVerfG in ständiger Rechtsprechung, s. nur 2 BvE 5/11 v. 21.10.2014 („Kriegswaffenexportkontrolle“) Rn. 105; anschaulich dazu das Urteil 2 BvE 4/05 v. 25.08.2005 („Bundestagsauflösung 2005“) Rn. 120 ff.
[6] Siehe nur: Morgenthaler, in: BeckOK-GG, 28. Edition, 2016, Art. 93, Rn. 24.
[7] Burghart in: Leibholz/Rinck, Grundgesetz, 72. Lieferung 08.2016, Art. 93 GG, Rn. 22.
[8] Bethge, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG, 48. EL, 2016, § 64, Rn. 23.
[9] BVerfGE 104, 238 (245); Bethge, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG, 37. EL, 2012, § 64, Rn. 23.
[10] BVerfGE 118, 277 (317) = NJW 2008, 49; aus der Literatur nur: Morgenthaler, in: BeckOK-GG, 28. Edition, 2016, Art. 93, Rn. 24.
[11] BVerfGE 104, 310 (324); BVerfGE 107, 286 (294); Morgenthaler, in: BeckOK-GG, 28. Edition, 2016, Art. 93, Rn. 24.1.
[12] BVerfGE 92, 80 (87); BVerfGE 103, 164 (169); BVerfGE 107, 286 (294); Morgenthaler, in: BeckOK-GG, 28. Edition, 2016, Art. 93, Rn. 24.1.
[13] BVerfG, 2 BvE 4/14 v. 03.05.2016, Rn. 59 f.; unter Verweis auf BVerfGE 120, 82 (98 f.)
[14] BVerfG, 2 BvE 4/14 v. 03.05.2016, Rn. 60.
[15] BVerfGE 2, 143 (165); 45, 1 (28); 67, 100 (125); 131, 152 (190); BVerfG, 2 BvE 7/11 v. 02.06.2015, Rn. 95; aus der Literatur siehe eingehend: Bethge, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG, 37. EL, 2012, § 64, Rn. 81 ff.
[16] BVerfGE 45, 1, (29 f.); 60, 319 (325 f.); 68, 1 (77 f.); 121, 135 (151); 123, 267 (338 f.); 131, 152 (190); BVerfG, 2 BvE 7/11 v. 02.06.2015, Rn. 95; BVerfG, 2 BvE 4/14 v. 03.05.2016, Rn. 59 f.; siehe auch: Bethge, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG, 37. EL, 2012, § 64, Rn. 83.
[17] vgl. BVerfGE 90, 286 (344); 117, 359 (367 f.); 2 BvE 4/14 v. 03.05.2016, Rn. 66 f. unter Hinweis auf die Entstehungsgeschichte und eine gewollte Öffnung des Organstreits für andere Beteiligte und insbesondere die Oppositionsfraktionen durch den Parlamentarischen Rat.
[18] vgl. BVerfGE 123, 267 (338 f.); 132, 195 (247); 134, 366 (397).
[19] 2 BvE 4/14 v. 03.05.2016, Rn. 67, unter Verweis auf BVerfGE 123, 267 (338 f.).
[20] BVerfG, 2 BvE 4/14 v. 03.05.2016, Rn. 67, unter Hinweis auf: BVerfGE 123, 267 (338 f.); 132, 195 (247); 134, 366 (397); siehe auch: Schlaich/Korioth, Das Bundesverfassungsgericht, 10. Auflage, 2015, Rn. 94.
[21] Vgl. BVerfG, 2 BvE 4/14 v. 03.05.2016, Rn. 68 f.
[22] BVerfG, 2 BvE 4/14 v. 03.05.2016, Rn. 70.
[23] So auch Hain, JZ 2016, 1172 (1172).
[24] BVerfG, 2 BvE 4/14 v. 03.05.2016, Rn. 69.
[25] vgl. BVerfGE 62, 1 (33); 67, 100 (127); 68, 1 (77); 119, 302 (307 f.); BVerfG, 2BvE 1/11 v. 22.09.2015, Rn. 80; BVerfG, 2 BvE 4/14 v. 03.05.2016, Rn. 68 f.; Bethge, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG, 37. EL, 2012, § 64, Rn. 94.
[26] Siehe nur: Bethge, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG, 37. EL, 2012, § 64, Rn. 94, m.w.N.
[27] BVerfG, 2 BvE 4/14 v. 03.05.2016, Rn. 78 f.; siehe auch: Cancik, NVwZ 2014, 18 (21 f.).
[28] BVerfG, 2 BvE 4/14 v. 03.05.2016, Rn. 79; unter Verweis auf: Winkelmann/Hadamek, Handbuch für die Parlamentarische Praxis, 30. EL Stand: Dezember 2014, § 126a Erl. 1.
[29] BVerfG, 2 BvE 4/14 v. 03.05.2016, Rn. 77.
[30] BVerfG, 2 BvE 4/14 v. 03.05.2016, Rn. 80; unter Hinweis auf Kelsen, VVDStRL 5 [1929], 30 (81).
[31] BVerfG, 2 BvE 4/14 v. 03.05.2016, Rn. 81.
[32] BVerfG, 2 BvE 4/14 v. 03.05.2016, Rn. 81.
[33] Kurz dazu und zum Rechtsschutzbedürfnis bei abgeschlossenen Rechtsverhältnissen: BVerfG, 2 BvE 4/11 v. 19.06.2012, Rn. 88 m.w.N.
[34] Degenhart, Klausurenkurs im Staatsrecht II, 7. Auflage, 2015, Rn 121.
[35] Siehe zum Aufbau der Begründetheit im Organstreit: Degenhart, Klausurenkurs im Staatsrecht II, 7. Auflage, 2015, Rn. 121.
[36] Zu dieser Thematik äußert sich das BVerfG umfassend im Urteil zum Bundeswehreinsatz im Rahmen des G8-Gipfels in Heiligendamm, 2 BvE 5/07 v. 04.05.2010 = BVerfGE 126, 55 = NVwZ 2010, 1091 ff.
[37] BVerfG, 2 BvE 6/08 v. 17.09.2013, Rn. 175.
[38] BVerfG, 2 BvE 5/07 v. 04.05.2010, Rn. 45, m.w.N.
[39] BVerfGE 2, 1, (12 f.); 44, 308, (321); 70, 324, (363); BVerfG, 2 BvE 4/14 v. 03.05.2016, Rn. 86.
[40] BVerfGE 2, 1, (12 f.); 44, 308, (321); 70, 324, (363); BVerfG, 2 BvE 4/14 v. 03.05.2016, Rn. 86.
[41] BVerfG, 2 BvE 4/14 v. 03.05.2016, Rn. 86 unter Verweis auf BVerfGE 5, 85 (198 f.); 44, 308 (321); 70, 324 (363); 123, 267 (367).
[42] BVerfG, 2 BvE 4/14 v. 03.05.2016, Rn. 86.
[43] Siehe dazu: Dreier, in: Dreier, GG, Band II, 3. Aufl. 2015, Art. 20 (Demokratie), Rn 73, 75.
[44] BVerfG, 2 BvE 4/14 v. 03.05.2016, Rn 87.
[45] Vgl. Cancik, NVwZ 2014, 18 (19); Beckermann/Weidemann, Ad Legendum 2015, 243 (243, 247).
[46] BVerfG, 2 BvE 4/14 v. 03.05.2016, Rn 87 unter Verweis auf BVerfGE 49, 70 (85 f.); 129, 300 (331); 135, 259 (293 f.); vgl. aus der Literatur: Cancik, NVwZ 2014, 18 (19).
[47] BVerfG, 2 BvE 4/14 v. 03.05.2016, Rn. 89; ähnlich: Beckermann/Weidemann, Ad Legendum 2015, 243 (247).
[48] BVerfG, 2 BvE 4/14 v. 03.05.2016, Rn. 89.
[49] Das BVerfG spricht hier von den Kontrollfunktionen der „Opposition“, BVerfGE Rn. 90, unter Verweis auf BVerfGE 67, 100 (130). Es stellt sich somit in gewisser Weise seiner eigentlichen Entscheidung entgegen. Die Kontrollfunktion wird letztlich, jedenfalls nach Ansicht des BVerfG, vom Parlament als Einheit ausgeübt.
[50] BVerfGE 49, 70 (86 f.); siehe auch: Schröder, in: Schneider/Zeh, Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, 1989, § 46 Rn. 4.
[51] BVerfG, 2 BvE 4/14 v. 03.05.2016, Rn. 90.
[52] BVerfG, 2 BvE 4/14 v. 03.05.2016, Rn. 90.
[53] BVerfGE 40, 296 (318); 44, 308 (316); 56, 396 (405); 80, 188 (218); 93, 195 (204); 96, 264 (278); 123, 267 (342); 130, 318 (342); BVerfG, 2BvE 1/11 v. 22.09.2015, Rn. 91; BVerfG, 2 BvE 4/14 v. 03.05.2016, Rn. 96.
[54] BVerfG, 2 BvE 4/14 v. 03.05.2016, Rn. 98, 126.
[55] BVerfG, 2 BvE 4/14 v. 03.05.2016, Rn. 98.
[56] So die Argumentation der Linken im zu Grunde liegenden Organstreitverfahren, siehe: BVerfG, 2 BvE 4/14 v. 03.05.2016, Rn. 35.
[57] BVerfG, 2 BvE 4/14 v. 03.05.2016, Rn. 96; vgl. auch Haberland, Die verfassungsrechtliche Bedeutung der Opposition nach dem Grundgesetz, 1995, 181 und Ingold, Das Recht der Oppositionen, 2015, 434.
[58] BVerfG, 2 BvE 4/14 v. 03.05.2016, Rn. 100.
[59] Ablehnend bereits: Schwarz, ZRP 2014, 226 (228).
[60] BVerfG, 2 BvE 4/14 v. 03.05.2016, Rn. 101.
[61] BVerfG, 2 BvE 4/14 v. 03.05.2016, Rn. 103.
[62] Beckermann/Weidemann, Der Staat 2014, 313 (314); Hölscheidt, ZG 2015, 246 (254).
[63] Diese, gerade im Hinblick auf die durch das BVerfG in Bezug auf eine mögliche gebotene Absenkung der Quoren vertretene Auffassung, höchst bedenkenswürdige Thematik, braucht aber vorliegend nicht erläutert zu werden. Der § 126a GO-BT wird nicht angegriffen und ist für das Entscheidungsergebnis nicht von Belang.
[64] Vgl. BVerfG, 2 BvE 4/14 v. 03.05.2016, Rn. 107.
[65] Vgl. BVerfG, 2 BvE 4/14 v. 03.05.2016, Rn. 107.
[66] Schwarz, ZRP 2014, 226 (228).
[67] BVerfG, 2 BvE 4/14 v. 03.05.2016, Rn. 95.
[68] Hillgruber, JA 2016, 638 (640); Lassahn, NVwZ 2016, 929 (930); Starski, DÖV 2016, 750 (755 f.).
[69] Lassahn, NVwZ 2016, 929 (930).
[70] Z.B. BVerfG, 2 BvE 4/14 v. 03.05.2016, Rn. 58, 67.
[71] So auch Starski, DÖV 2016, 750 (756).
[72] Starski, DÖV 2016, 750 (754).
[73] Starski, DÖV 2016, 750 (755) dort Fn. 86.
[74] Vgl. Cancik, NVwZ 2014, 18 (20).
[75] Dazu etwa: Cancik, NVwZ 2014, 18 (20 ff.); Ennuschat, VR 2015, 1 (4 f.).
[76] Ablehnend: Cancik, NVwZ 2014, 18 (21 ff.).
[77] BVerfG, 2 BvE 4/14 v. 03.05.2016, Rn. 92; so auch die Literatur, siehe etwa: Haberland, Die verfassungsrechtliche Bedeutung der Opposition nach dem Grundgesetz, 1995, 81; anders aber die meisten Landesverfassungen, siehe dazu: Cancik, Parlamentarische Opposition in den Landesverfassungen, 2000. Die Aufnahme des Begriffs habe in der Gemeinsamen Verfassungskommission nicht die erforderliche Mehrheit gefunden – vgl. BT-Drs. 12/6000, S. 89.
[78] BVerfG, 2 BvE 4/14 v. 03.05.2016, Rn. 92.
[79] BVerfG, 2 BvE 4/14 v. 03.05.2016, Rn. 93.
[80] Rossi, JZ 2016, 1169 (1170).
[81] Rossi, JZ 2016, 1169 (1170).
[82] So im Ergebnis das BVerfG, 2 BvE 4/14 v. 03.05.2016, Rn. 93; siehe auch: Schwarz, ZRP 2013, 226 (227).
[83] Dieses Argument kann an verschiedenen Stellen im Aufbau angebracht werden. Das BVerfG thematisiert das Problem erst im Anschluss an die Verneinung der Ansprüche einer Fraktion auf Einräumung spezifischer Rechte. Dies erscheint aber nicht zwingend. Vielmehr betrifft die Argumentation mit der Sperrklause die Frage, inwiefern die Opposition vorliegend geschwächt ist. Angesichts dessen, dass das Problem im Sachverhalt aufgeworfen wird, muss es jedenfalls an einer logisch sinnvollen Stelle aufgeworfen werden.
[84] Zu dieser Problematik eingehend und mit abweichendem Ergebnis: Beckermann/Weidemann, Der Staat 2014, 313 (318 ff.).
[85] Siehe: Endgültiges amtliches Ergebnis der Bundestagswahl 2013, abrufbar unter: https://www.bundeswahlleiter.de/bundestagswahlen/2013/ergebnisse/bund-99.html (zuletzt abgerufen am 04.02.2017).
[86] BVerfG, 2 BvE 4/14 v. 03.05.2016, Rn. 94.
[87] BVerfG, 2 BvE 4/14 v. 03.05.2016, Rn. 94.
[88] BVerfG, 2 BvE 4/14 v. 03.05.2016, Rn. 94.
[89] Rossi, JZ 2016, 1169 (1171).
[90] Siehe: BVerfG, 2 BvE 4/14 v. 03.05.2016, Rn. 108; siehe aus der Literatur etwa: Cancik, NVwZ 2014, 18 (21 ff.) m.w.N, die dies für die Einsetzung des Untersuchungsausschusses bejaht, in Bezug auf die abstrakte Normkontrolle aber ablehnt; ebenso: Ennuschat, VR 2015, 1 (4).
[91] Cancik, NVwZ 2014, 18 (23).
[92] Hain, JZ 2016, 1172 (1172).
[93] Hain, JZ 2016, 1172 (1172).
[94] BVerfG, 2 BvE 4/14 v. 03.05.2016, Rn. 112.
[95] Hain, JZ 2016, 1172 (1173).
[96] Hain, JZ 2016, 1172 (1173).
[97] JZ 2016, 1172.
[98] Lassahn, NVwZ 2016, 929 (929 f.).
[99] Starski, DÖV 2016, 750 (757 f.).
[100] Das BVerfG thematisiert die mögliche Auslegung der Quoren im Lichte der Wirksamkeit parlamentarischer Kontrolle an anderer Stelle. Unter dem etwas lapidaren Hinweis auf einen „dem Rechtsschutzziel der Antragstellerin nahekommenden Weg“ erörtert das BVerfG den Problemkreis am Ende der Begründetheit des ersten Antrags, siehe: BVerfG, 2 BvE 4/14 v. 03.05.2016, Rn. 107 ff. Methodisch ist dies allerdings fragwürdig. Erstens begehrt die Antragstellerin keine neutrale Absenkung der Quoren, und zweitens würde, wäre die thematisierte Auslegung angezeigt, gerade keine Pflicht zur Verfassungsänderung bestehen. Vielmehr würde das GG dann bereits die begehrten Rechte gewähren. So sieht es wohl auch Starski, DÖV 2016, 750 (755), die letztlich den Gesetzgeber, gerade im Hinblick auf gleichheitsrechtliche Differenzierungen, nur daran gehindert sieht, diese einfachgesetzlich durchzuführen, nicht aber eine dahingehende Verfassungsänderung vorzunehmen.
[101] BVerfG, 2 BvE 4/14 v. 03.05.2016, Rn. 109; in Bezug auf die Antragsberechtigten im Rahmen der abstrakten Normenkontrolle: BVerfGE 21, 52 (53 f.); 68, 346 (349); andere Ansicht in Bezug auf die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses: Cancik, NVwZ 2014, 18 (21, 23) die argumentiert, der Wortlaut sei nur nach oben abschließend, ließe aber eine Auslegung nach unten zu.
[102] Unter Darstellung der Entstehungsgeschichte, BVerfG, 2 BvE 4/14 v. 03.05.2016, Rn. 115 ff.; Kritisch in Bezug auf das entstehungsgeschichtliche Missbrauchsargument: Cancik, NVwZ 2014, 18 (21 f.).
[103] Das BVerfG thematisiert dies unter dem Stichwort „Verfassungswandel“, BVerfG, 2 BvE 4/14 v. 03.05.2016, Rn. 110.
[104] Starski, DÖV 2016, 750 (757) m.w.N.
[105] Leider äußert sich das BVerfG dann aber nicht zur Frage der Verfassungskonformität des § 126a GO-BT, obwohl dieser einige grundgesetzliche Quoten faktisch absenkt. Kritisch dazu: Starski, Grenzen der Karlsruher Oppositionsfreundlichkeit – Gebot effektiver Opposition vs. Gleichheit der Abgeordneten – Teil II, JuWissBlog, abrufbar unter: https://www.juwiss.de/38-2016/ (zuletzt abgerufen am 04.02.2017); für die Verfassungskonformität: Beckermann/Weidemann, Ad Legendum 2015, 243 (248 f.).
[106] BVerfG, 2 BvE 4/14 v. 03.05.2016, Rn. 107 ff.
[107] BVerfG, 2 BvE 4/14 v. 03.05.2016, Rn. 121.
© Heike Krieger und Markus Heintzen (Freie Universität Berlin)
Bearbeitung für Hauptstadtfälle: Andreas Buser, Jannik Bach
Stand der Bearbeitung: Januar 2017