Worauf ist der Beseitigungsanspruch aus § 21 Abs. 1 S. 1 AGG gerichtet?
Der Beseitigungsanspruch beinhaltet, dass die in der Benachteiligung liegende persönliche Herabwürdigung zu beheben ist.
Der Benachteiligende kann insb. verlangen, dass der Anbieter sich erneut mit seinem Anliegen befasst und darüber eine benachteiligungsfreie Entscheidung trifft.
Einen Anspruch auf die begehrte Gleichbehandlung hat der Benachteiligte dabei nur, wenn weiterhin eine Ungleichbehandlung wegen eines geschützten Merkmals vorliegt. Dies ist etwa dann nicht der Fall, wenn ein Diskothekenbetreiber jemandem unter alleinigem Hinweis auf seine ethnische Herkunft den Zutritt verweigert, der Interessent jedoch ohne Verstoß gegen das AGG unter Hinweis auf das fehlende Erreichen des zulässig festgelegten Mindesteintrittsalters abgewiesen werden könnte.
Umstritten ist, ob über den Beseitigungsanspruch ein Vertragsschluss erzwungen werden kann. § 21 AGG schweigt zu dieser Frage. Hieraus ist indes nicht ohne weiteres zu schließen, dass kein Kontrahierungszwang bestehen soll. So enthält § 21 AGG nämlich keine dem für das arbeitsrechtliche Benachteiligungsverbot geltenden § 15 Abs. 6 AGG korrespondierende Regelung, die den Anspruch auf die Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses ausschließt. Für einen Kontrahierungszwang wird vorgebracht, dass über einen Beseitigungsanspruch (ebenso wie im Wege des Schadensersatzes durch Naturalrestitution gemäß § 21 Abs. 2 AGG) ein solcher Zwang rein konstruktiv begründet werden könnte. Steht fest, dass der Benachteiligende einen Vertrag mit dem Interessenten geschlossen hätte, sei der Vertragsschluss als Ausgleich der Benachteiligung anzusehen. Zudem stelle der Kontrahierungszwang eine besonders effektive Sanktion dar.
Gegen die Annahme eines Kontrahierungszwanges spricht indes eine verfassungsorientierte Auslegung des § 21 AGG, stellt ein solcher doch einen schwerwiegenden Eingriff in die durch Art. 2 Abs. 2 GG geschützte Privatautonomie dar. Diese beinhaltet auch die negative Abschlussfreiheit, d.h. die Freiheit, einen Vertrag nicht abschließen zu müssen. Jener Grundsatz wird im geltenden Recht nur in seltenen Ausnahmefällen, in denen es um die Befriedigung von existenziellen Grundbedürfnissen der Marktteilnehmer geht, durchbrochen. Ein Kontrahierungszwang wäre daher nur dann anzunehmen, wenn es kein milderes Mittel gäbe, um die Benachteiligung effektiv zu sanktionieren. Ein derartiges Mittel besteht aber in Gestalt des Anspruchs auf Ersatz des immateriellen Schadens gemäß § 21 Abs. 2 S. 3 AGG. Die Geltendmachung dieses Entschädigungsanspruchs trifft den Benachteiligenden wirtschaftlich härter als ein Kontrahierungszwang, durch den sein Gewinninteresse gewahrt bliebe. Hinzu tritt, dass nur der Entschädigungsanspruch an der richtigen Stelle ansetzt – nämlich dort, wo das Anstößige am Verhalten des Benachteiligenden liegt: Es geht nicht um die Verweigerung des Vertragsschlusses als solchem, sondern um die in der Ungleichbehandlung liegende persönliche Herabwürdigung. Indem § 21 Abs. 2 S. 3 AGG Abstufungen hinsichtlich der Höhe des Anspruchs zulässt, ermöglicht er – anders als die pauschale Annahme eines Kontrahierungszwanges – zudem eine sachgerechte Beurteilung der Umstände des Einzelfalls. Schließlich sprechen rechtspraktische Argumente gegen die Annahme eines Kontrahierungszwanges: Der Nachweis, dass der Vertrag ohne das benachteiligende Verhalten zustandegekommen wäre, dürfte für den Benachteiligten mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden sein. Und selbst wenn er ihm gelingt, ist kaum davon auszugehen, dass der dann erzwingbare Vertragsschluss die gewünschten stabilen Vertragsbeziehungen herbeiführen kann.
Angesichts dieser Gründe ist davon auszugehen, dass der Beseitigungsanspruch aus § 21 Abs. 1 S. 1 AGG keinen Kontrahierungszwang begründet (dasselbe gilt für den Schadensersatzanspruch nach § 21 Abs. 2 S. 1 AGG).