Verrechnet (Kurzlösung)
- Klage von Justine Jäger wird erfolgreich sein, wenn sie zulässig und begründet ist
A. Zulässigkeit
I. Verwaltungsrechtsweg (§ 54 Abs. 1 BeamtStG)
- nach § 42 Abs. 2 S. 2 VwGO i.V.m. § 54 Abs. 1 BeamtStG; Klage aus dem Beamtenverhältnis liegt vor, wenn die Streitigkeit im weitesten Sinne im Beamtenverhältnis wurzelt; iE (+), weil Rückforderungsanspruch aus dem inzwischen beendeten Beamtenverhältnis
II. Statthafte Klageart
- Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO, Bescheid vom 20. November 2009 müsste ein VA i.S.d. § 35 VwVfG sein; fehlende Außenwirkung, weil innerdienstliche Weisung?; hier wird ehemalige Beamtin aber in persönlicher Rechtsstellung betroffen (Verpflichtung Vermögensleistung zu erbringen), daher hat die Anordnung Außenwirkung
III. Klagebefugnis (§ 42 Abs. 2 VwGO)
- bei nicht auszuschließender Rechtswidrigkeit des VA, könnte der belastende VA Art. 2 Abs. 1 GG verletzen
IV. Vorverfahren (§ 68 ff. VwGO i.V.m. § 54 Abs. 2 S. 1 BeamtStG)
- wurde durchgeführt
V. Klagegegenstand
- § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO: der ursprüngliche VA vom 14. Oktober 2009 in der Gestalt des Widerspruchbescheids vom 20. November
VI. Passive Prozessführungsbefugnis (§ 78 VwGO)
- Land Berlin gemäß § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO
VII. Beteiligten- und Prozessfähigkeit (§§ 61, 62 VwGO)
- Justine Jäger nach § 61 Nr. 1 Alt. 1, § 62 Abs. 1 Nr. 1 VwGO; Land Berlin nach § 61 Nr. 1 Alt. 2, § 63 Abs. 3 VwGO
VIII. Ergebnis zu A.
- Klage zulässig
B. Begründetheit
- Klage begründet, wenn der angegriffene VA vom 14. Oktober 2009 rechtswidrig ist und Justine Jäger in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO); wg. belastendem Charakter der Maßnahme würde sich die Rechtsverletzung aus Art. 2 Abs. 1 GG ergeben
- da Kostenberechnung nicht zu beanstanden ist, kann VA nur rechtswidrig sein, wenn der Rückforderungsanspruch entweder nicht durch Leistungsbescheid festgesetzt werden durfte oder wenn die Verpflichtung vom 10. Januar 2008 unwirksam ist; zur Beantwortung muss Rechtsnatur geklärt werden
I. Rechtsnatur der Erklärung vom 10. Januar 2008
- Annahme eines Vertragsangebots des Landes Berlin, vertreten durch das Bezirksamt Marzahn-Hellersdorf (Art. 74 Abs. 2 VvB), das auf den Abschluss eines verwaltungsrechtlichen Vertrages i.S.d. § 54 S. 1 VwVfG i.V.m. § 1 Abs. 1 VwVfG Bln[1] gerichtet ist
- Verträge müssen nicht synallagmatisch sein, denn einseitig Verpflichtungserklärungen von Privaten gegenüber dem Staat sind dem Verwaltungsrecht unbekannt
- Erklärung ist keine Auflage nach § 59 Abs. 5 BBesG analog, weil die Erklärung von Justine Jäger stammt; außerdem ist Justine Jäger nicht Anwärterin, sondern als Beamtin auf Probe im Dienst des Landes Berlin stand; fehlt auch an VA, dem die Rückzahlungspflicht als Nebenbestimmung zugeordnet werden könnte
- Vertrag ist wg. Bezug zum Beamtenrecht auch auf dem Gebiet des öffentlichen Recht (A. I.); Erklärung ist verwaltungsrechtlicher Vertrag i.S.d. § 54 S. 1 VwVfG
II. Zulässigkeit der Rückforderung durch Leistungsbescheid
- h.L.: für die Festsetzung von Leistungsbescheiden in Form von VA ist Ermächtigungsgrundlage erforderlich; (+) VA belastet, da Betroffener sich wehren muss um die Vollstreckung aus dem VA abzuwenden
- keine ausdrückliche Ermächtigungsgrundlage
- Rspr.: allgemeine Ermächtigungsgrundlage aus der Struktur des Beamtenverhältnisses als Subordinationsverhältnis die Pflichten des Beamten durch VA festzusetzen; Belangen des Beamten wird durch obligatorisches Vorverfahren nach § 54 Abs. 2 BeamtStG Rechnung getragen
- Ausnahme von Ermächtigungsgrundlage, weil Grundlage des Rückforderungsanspruchs in einer vertraglichen Vereinbarung?; allg. Grds.: Ansprüche aus öffentlich-rechtlichen Vertrag können von einer Behörde nicht einseitig durch Verwaltungsakt geltend gemacht werden können
- Struktur des Beamtenverhältnis als Subordinationsverhältnis überlagert aber diesen Grds.; nach st. Rspr. ist die Durchsetzung vertraglicher Ansprüche des Dienstherrn gegenüber seinen Beamten durch Verwaltungsakt zulässig
- unschädlich ist auch, dass Justine Jäger bei VA-Erlasses bereits aus dem Dienst ausgeschieden war; im Subordinationsverhältnis entstandene Beziehungen können noch nach Beendigung abgewickelt werden
- Rückforderung in Form VA zulässig
Anmerkung: A. A. vertretbar; hilfsgutachterlich müsste aber noch die inhaltliche Rechtmäßigkeit des Bescheides geprüft werden. |
III. Rechtmäßigkeit der Rückforderung
- Bescheid nur rechtmäßig, wenn auch der Anspruch aus dem öffentlich-rechtlichen Vertrag bestand; Vertrag könnte unwirksam sein, weil Rechtsverhältnis zwischen Justine Jäger und dem Land Berlin generell nicht vertraglich geregelt werden darf oder weil spezieller Unwirksamkeitsgrund; Folge der Unwirksamkeit ergibt sich unmittelbar aus § 54 S. 1 VwVfG oder aus § 59 Abs. 1 VwVfG i.V.m. § 134 BGB
1. Zulässigkeit der Handlungsform Verwaltungsvertrag im Beamtenrecht im Allgemeinen
- kein ausdrückliches Vertragsformverbot, aber Verbot auch durch Auslegung oder allg. Rechtsgrundsätze zu gewinnen; besondere Bindung im Beamtenverhältnis (Art. 33 Abs. 5 GG) erfordert, dass Gesetzgeber die Verteilung der Recht und Pflichten vornimmt, Beamter hat keine eigene (vertrags-)rechtliche Möglichkeit auf die Ausgestaltung des Verhältnisses einzuwirken; Konkretisierung des Verhältnisses ist nur durch VA oder Weisung mgl.
- Änderung des Art. 33 Abs. 5 GG (öffentliche Dienstrecht ist „fortzuentwickeln“) bewirkt keine Änderung dieses Grundsatzes, da die Grundsätze des Berufsbeamtentums selbst nicht geändert wurden
- Grundsätze gelten auch für die Regelung finanzieller Rechte und Pflichten, die sich der Gesetzgeber selbst besonders eingehend und - wie § 2 Abs. 2 und 3 BBesG, § 3 Abs. 2 und 3 BeamtVG zeigen - grundsätzlich abschließend vorgenommen hat; für Berliner Landesbeamte verweist § 75 Abs. 2 LBG nF auf § 2 Abs. 2 BBesG
- AUSNAHME: Gesetz stellt die Erbringung bestimmter Leistungen gegenüber dem Beamten in das Ermessen des Dienstherrn
2. Zulässigkeit der Vereinbarung vom 10. Januar 2008
- Vereinbarung vom 10. Januar 2008 nur wirksam, wenn sie sich auf Leistungen bezieht, über deren Gewährung der Dienstherr nach seinem Ermessen entscheidet
- Kosten der Ausbildung für eine bestimmte Beamtenlaufbahn (vgl. § 9 Gesetz über Laufbahnen der Beamten [LfbG]) sind vom Beamten zu tragen; Erstattung steht im Ermessen des Dienstherren
- Kosten von Fortbildungsmaßnahmen sind vom Dienstherrn zu tragen, da Teilnahme daran Bestandteil der Dienstpflicht ist (§ 27 Abs. 2 LfbG); Erstattung steht daher nicht im Ermessen
- EDV-Ausbildung um Aus- oder um Fortbildung?; i.E.: Fortbildung, weil die Ausbildung des Beamten mit der Erlangung der Laufbahnbefähigung, d.h. dem Bestehen der Laufbahnprüfung endet, (12 Abs. 1 Nr. 1 LfbG); Kostenerstattung stand daher nicht im Ermessen des Dienstherren
- andere Entscheidung, weil Einstellung Justin Jägers im Ermessen des Landes Stand?; wg. Bestenauslese gemäß § 3 Abs. 1 LfbG, Art. 33 Abs. 2 GG hätte das Land Berlin auch jemanden einstellen können, der bereits über die notwendigen EDV-Kenntnisse verfügte; (-) denn damit würden Vorschriften über die Kostentragung umgangen
3. Ergebnis zu III.
- Vertrag vom 10. Januar 2008 unwirksam, daraus kein Rückforderungsanspruch; kein sonstiger Anspruch ersichtlich
IV. Ergebnis zu B.
- Bescheid vom 14. Oktober 2009 daher rechtswidrig und verletzte Justine Jäger in ihren Rechten
C. Gesamtergebnis
- Klage zulässig und begründet, hat Aussicht auf Erfolg
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Fußnoten
[1] Auf den Verweis in das Berliner Landesrecht bzgl. des VwVfG wird nachfolgend verzichtet.