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Demonstrationsverbot (Sachverhalt)

 

Die rechtsradikale Partei „Die Braunen“ meldete Anfang Januar bei der Polizei Berlin eine öffentliche Versammlung für den 27. Januar 2022 (Donnerstag) an, dem Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz. Die Versammlung mit erwarteten 50 Teilnehmern soll unter dem Motto „Keine Demonstrationsverbote - Meinungsfreiheit - erkämpfen - § 130 StGB abschaffen“ von 13 bis 18 Uhr stattfinden. Die Teilnehmer sollen in schwarzer Kleidung und ernsten Mienen schweigend am Großen Stern den Marsch starten, das Holocaust-Mahnmal umrunden und an der Friedrichstraße mit einer Gedenkstunde enden.

Die Polizeipräsidentin Beatrice von Bullenberg erließ nach erfolgter Anhörung von „Die Braunen“ am 15. Januar 2022 einen Bescheid mit folgenden Anordnungen. Sie ordnete die zeitliche Verlegung der angemeldeten Versammlung auf den 5. Februar 2022 (Mittwoch), eine Änderung der Route sowie das Verbot von schwarzer Kleidung an. Die Versammlung hat danach vom Großen Stern über den Potsdamer Platz zur Friedrichstraße zu marschieren und das Holocaust-Mahnmal zu meiden. Zur Begründung führt die Polizeipräsidentin an, eine derartige Versammlung könne an dem wichtigen Gedenktag nicht toleriert werden. Das Versammlungsfreiheitsgesetz verbiete Uniformen, und eine Versammlung am Mahnmal für die ermordeten Juden sei wegen der Neuregelung des Versammlungsfreiheitsgesetzes nicht möglich. Die breite Öffentlichkeit könne schließlich auch am Potsdamer Platz erreicht werden. Zudem hätten sich für den 27. Januar schon andere Veranstaltungen angemeldet, und alle Berliner Polizisten seien bereits verplant. Die angemeldete Versammlung könne mangels verfügbarer Einsatzkräfte nicht vor gewaltbereiten Versammlungsgegnern und Ausschreitungen geschützt werden, mit denen aber nach allgemeinen Erfahrungssätzen gerechnet werden müsse. Der Bescheid wurde von der Polizeipräsidentin mit ordnungsgemäßer Begründung für sofort vollziehbar erklärt.

Da die Partei „Die Braunen“ die Versammlung unbedingt am 27. Januar durchführen will, und zwar am geplanten Ort und in der geplanten Weise, entscheidet sie sich zunächst für ein Eilverfahren vor dem Verwaltungsgericht.

Wie wird das Verwaltungsgericht entscheiden?

Gehen Sie davon aus, dass die Partei zugleich Widerspruch bei der zuständigen Behörde erhoben hat.

Variante: Nehmen Sie an, dass das Verwaltungsgericht den Antrag ablehnt, dass die Beschwerde vor dem OVG ohne Erfolg bleibt und dass die Partei „Die Braunen“ gegen den Beschluss des OVG form- und fristgerecht Verfassungsbeschwer-de beim BVerfG erhebt. Wie sind hier die Erfolgsaussichten?

Anmerkung: Der Fall wird im Folgenden verwaltungsgerichtlich und dann verfassungsgerichtlich gelöst, um die unterschiedlichen Kontrollmaßstäbe von Verwaltungs- und Verfassungsgerichten zu verdeutlichen. Er ist einer Kammerentscheidung des BVerfG nachgebildet (abgedruckt in NVwZ 2006, 585; siehe ferner auch BVerwG, NVwZ 2014, 883).


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© Heike Krieger (Freie Universität Berlin) und Markus Heintzen (Freie Universität Berlin)

Bearbeitung für Hauptstadtfälle: Katja Gerdes, Jan-Ole Alpha, Christian Janssen

Stand der Bearbeitung: September 2024