High ist okay (Sachverhalt)
In letzter Zeit sind in wachsendem Maße Publikationen auf dem Büchermarkt erschienen, in denen die Einnahme von Drogen und Betäubungsmitteln und der dadurch hervorgerufene Zustand zu einer Art Pseudo-Religion hochstilisiert werden. Die hiermit verbundenen Gesundheitsgefahren werden hierbei zwar durchgängig nicht geleugnet, jedoch als ein Opfer angesehen, das man eben erbringen müsse, um an den Freuden des Drogenkonsums teilhaben zu können. Um dem entgegenzutreten, wird durch das Bundesgesetz zur Verhinderung der Verbreitung schädlicher Informationen über Drogengebrauch (Drogengebrauchsinformationsverbreitungsverhinderungsgesetz - DroGeInfVerVerG) das Strafgesetzbuch in der Weise geändert, dass dort ein neuer §144 eingefügt wird, der das Anpreisen und Verherrlichen der Einnahme von Betäubungsmitteln und die Verbreitung entsprechender Schriften unter Strafe stellt. Begründet wird das Gesetz mit der Notwendigkeit, die Volksgesundheit zu erhalten und die Jugend vor Betäubungsmittelkonsum zu schützen. Das Gesetz soll am Tag nach seiner Verkündung in Kraft treten.
Die in Berlin bestehende Bürgerinitiative „Alternative Aktion e.V.“, die vom Gesetzgeber vorgenommene Legalisierung von Cannabis zum Anlass nimmt, sich vehement für die Legalisierung auch von anderen Drogen (wie z.B. Crystal Meth) einzusetzen, hatte bereits in der Vergangenheit - so etwa anlässlich der Vorbereitung der Veranstaltung BERLIN ALTERNATIV - mehrere solcher Schriften herausgegeben und zum Selbstkostenpreis vertrieben. Sie hat auch schon ein weiteres einschlägiges Manuskript erstellen lassen, das sie ebenfalls zum Selbstkostenpreis veröffentlichen will. Hieran sieht sie sich nunmehr durch das StGB gehindert.
Drei Monate nach Verkündung des Änderungsgesetzes im Bundesgesetzblatt erhebt daher die "Alternative Aktion e.V." durch ihr - hierzu in ihrer Vereinssatzung ermächtigtes - Vorstandsmitglied Rollgardina Mikaelsen unmittelbar gegen das DroGeInfVerVerG Verfassungsbeschwerde. Sie behauptet, in ihren Grundrechten aus Art. 4 Abs. 1, Art. 5 Abs. 1 und 3 GG sowie Art. 12 Abs. 1 GG verletzt zu sein, auch wenn zuzugeben sei, dass es sich bei dem Werk, dessen Herausgabe beabsichtigt ist, nicht gerade um ein Kunstwerk handle. Jedoch erlaube das Gesetz letztlich nichts anderes als eine Zensur, da man nicht mehr sagen dürfe, was man wolle. Der hierin liegende Grundrechtseingriff wiege umso schwerer, weil überhaupt nicht erkennbar sei, weshalb der Bund plötzlich „Handlungsbedarf“ sehe, nachdem die meisten Länder, die doch eigentlich für Kulturfragen zuständig seien, entsprechende Regelungen bisher für nicht notwendig erachtet haben.
Hat die Verfassungsbeschwerde Aussicht auf Erfolg?
Bearbeitungshinweis:
1. Sollte die „Alternative Aktion e.V.“ gegen § 144 StGB verstoßen, droht ihr ein Bußgeldbescheid nach §§ 30, 88 OWiG.
2. Alle aufgeworfenen rechtlichen Probleme sind umfassend, gegebenenfalls hilfsgutachterlich zu beantworten.
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© Klaus Grupp (Universität des Saarlandes) und Ulrich Stelkens (Deutsche Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer)
Bearbeitung für Hauptstadtfälle: Georg Hellmich, Christian Janssen
Stand der Bearbeitung: Mai 2024