High ist okay (Kurzlösung)
High ist okay (Kurzlösung)
Das BVerfG wird der Verfassungsbeschwerde der Alternativen Aktion e.V. stattgeben, wenn sie zulässig und begründet ist.
A. Zulässigkeit
- Verfassungsbeschwerde zulässig, wenn die Sachentscheidungsvoraussetzungen gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG und §§ 90 ff. BVerfGG erfüllt sind.
I. Zuständigkeit des BVerfG gem. Art. 93 I Nr. 4a iVm §§ 13 Nr. 8a, 90 ff. BVerfGG
II. Beteiligtenfähigkeit (Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 a GG, § 90 Abs. 1 BVerfGG: „jedermann“)
- (+) Alternative Aktion e.V. ist „jedermann“, nach Art. 19 Abs. 3 GG kann auch juristische Person (§ 21 BGB) Grundrechtsträgerin sein.
III. Prozessfähigkeit
- Verein verfahrensfähig durch Vertreter; Vorstandsmitglied Rollgardina Mikaelsen (§ 26 Abs. 2 BGB).
IV. Beschwerdegegenstand (Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG, § 90 Abs. 1 BVerfGG: „Akt der öffentlichen Gewalt“)
- (+) Akte öffentlicher Gewalt sind alle Äußerungen von vollziehender, gesetzgeberischer und rechtsprechender Gewalt; hier Bundesgesetz.
V. Beschwerdebefugnis (Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 a GG, § 90 Abs. 1 BVerfGG: „Behauptung, in einem seiner Grundrechte verletzt zu sein“)
- dürfte nicht von vornherein ausgeschlossen sein, dass durch das DroGeInfVerVerG Grundrechte der Alternativen Aktion e.V. verletzt werden.
- Beschwerdeführer muss selbst, gegenwärtig und unmittelbar betroffen sein.
1. Möglichkeit einer Grundrechtsverletzung
- (-) Art. 4 Abs. 1 GG Schutzbereich offensichtlich nicht berührt wird: fehlt der notwendige Bezug auf „das Weltganze“.
- (-) Art. 12 Abs. 1 GG, nach Art. 19 Abs. 3 GG auch juristischen Personen eröffnet; Vertrieb der Bücher zum Selbstkostenpreis womit Gewinnerzielungsabsicht fehlt.
- (-) Art. 5 Abs. 3 GG, darunter auch der Wirkbereich und d.h. Vertrieb von Kunstwerken geschützt; Buch aber keine Kunst, weil notwendigerweise der Autor selbst es für solche halten muss.
- (-) Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG, Pressefreiheit schützt jedoch nur die Institution der freien Presse als solche, nicht die Meinungsäußerung in der Presse.
- (+) Art. 5 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 GG (Meinungsäußerungsfreiheit), wg. Art. 19 Abs. 3 GG für juristische Personen; kann die Meinung ihrer Mitglieder verbreiten am Grundrechtsschutz partizipieren.
2. Selbst, gegenwärtig und unmittelbar beschwert
- (+) Selbstbetroffenheit durch § 30 OWiG, womit strafrechtliche Verhaltensgebote auch für juristische Personen gelten; unmittelbare Betroffenheit, weil kein weiterer Vollzugsakt nötig; gegenwärtig betroffen, weil Rechtsnorm bereits gilt.
VI. Ordnungsgemäßer Antrag nach §§ 23 Abs. 1, 93 BVerfGG
- ordnungsgemäßer Antrag verlangt Wahrung des Frist- und des Formerfordernisses.
- (+) Jahresfrist nach § 93 Abs. 3 BVerfGG ab Inkrafttreten des Gesetzes eingehalten.
- (+) keine Zweifel am Formerfordernis des § 23 Abs. 1 BVerfGG.
VII. Rechtsschutzbedürfnis
- zu bejahen, wenn Rechtsweg erschöpft ist und der Grundsatz der Subsidiarität nicht entgegensteht.
- (+) gegen Bundesgesetze kein ordentlicher Rechtsweg; Voraussetzungen des § 90 Abs. 2 S. 1 BVerfGG erfüllt.
- (+) Grundsatz der Subsidiarität, erweiternde Auslegung des § 90 Abs. 2 BVerfGG, Beschwerdeführer muss neben Rechtsweg alle anderweitig bestehenden Möglichkeiten auszuschöpfen, die geeignet sind, die Grundrechtsverletzung zu beseitigen; Verstoß gegen eine straf- und bußgeldbewehrte Rechtsnorm mit Risiko eines Straf- oder Ordnungswidrigkeitenverfahrens allerdings unzumutbar (vgl. den Rechtsgedanken des § 90 Abs. 2 S. 2 BVerfGG).
VIII. Ergebnis zu A.
- Verfassungsbeschwerde insgesamt zulässig.
B. Begründetheit
- Verfassungsbeschwerde begründet, wenn die Alternative Aktion e.V. durch das Gesetz in ihren Grundrechten verletzt wird; Grundrecht ist verletzt, wenn Verhalten, an dem sich die Alternative Aktion e.V. gehindert sieht, in den Schutzbereich eines Grundrechts fällt, das Gesetz in dieses Grundrecht eingreift und dieser Eingriff verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigen ist.
I. Schutzbereich
- Meinungsäußerung ist Äußerung aller Werturteile; Element der Stellungnahme und des Dafürhaltens; nicht als wahr oder unwahr beweisbar; auch Tatsachenbehauptungen umfasst, da sich Meinungen regelmäßig auf tatsächliche Annahmen stützen; gilt jedenfalls insoweit, als die Tatsachenbehauptung nicht bewusst oder erweislich unwahr ist.
- (+) Alternative Aktion e.V. äußert sich zur Gebotenheit des Drogenkonsums, keine unwahre Tatsachenbehauptungen über die Gefährlichkeit von Drogen verbreitet.
II. Eingriff
- (+) Gesetz verbietet Veröffentlichung der Äußerung.
III. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung des Eingriffs
- Eingriff zulässig, wenn das Gesetz in jeder Hinsicht verfassungsgemäß ist.
1. Zensurverbot des Art. 5 Abs. 1 S. 3 GG
- Zensurverbots kann auch durch ein Gesetz nach Art. 5 Abs. 2 GG nicht eingeschränkt werden kann; „Zensur“ wohl nur ein planmäßiges Kontrollverfahren oder zumindest Kontrollüberwachungssystem durch besondere Behörden; nach BVerfG auch nur Präventivzensur verboten; beide Voraussetzungen hier nicht erfüllt
2. Schrankenvorbehalt
- Anforderungen des Art. 5 Abs. 2 GG; Jugendschutz erwähnt; zum Schutz der Volksgesundheit müsste das Gesetz ein „allgemeines Gesetz“ sein; nach BVerfG nur solche Gesetze, die nicht eine Meinung als solche verbieten, sondern vielmehr dem Schutz eines gegenüber der Meinungsfreiheit vorrangigen Rechtsgut dienen (Kombination von Sonderrechts- und Abwägungslehre).
- Gesetz verbietet ausdrücklich die Befürwortung des Rauschmittelkonsums; nach h.M. ist in solchen Fällen trotzdem ein etwaiges Überwiegen nach der Abwägungslehre zu prüfen; Volksgesundheit ist grds. anerkannter Wert (Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG).
3. Formelle Verfassungsmäßigkeit des DroGeInfVerVerG
- Gesetzgebungsverfahren ordnungsgemäß; Gesetzgebungskompetenz nur Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG (Strafrecht); bei der Schaffung neuer Straftatbestände ist der Bund nicht an die Zuständigkeitsgrenzen aus der materiellen Kompetenzordnung im Übrigen gebunden.
4. Materielle Verfassungsmäßigkeit, insbesondere Verhältnismäßigkeit des Gesetzes
- (-) Verhältnismäßigkeit; bzgl. Jugendschutz ist Gesetz geeignet, aber nicht erforderlich, weil milderes Mittel Verbot der Abgabe nur an Jugendliche.
- (-) bzgl. Schutz der Volksgesundheit ist Geeignetheit fraglich, aber Einschätzungsspielraum des Parlaments; wg. schlechthin konstitutiver Bedeutung für die demokratische Willensbildung muss das allgemeine Gesetz (und seine Auslegung durch die Gerichte) dem besonderen Wertgehalt dieses Rechts Rechnung tragen (sog. Wechselwirkungslehre); es gibt kein Verfassungsgebot, das Drogenkonsum allgemein unter Strafe zu stellen; Diskussion der Existenz solcher Strafnormen muss daher mgl. sein; Gesetz ist daher unverhältnismäßig i.e.S.
IV. Ergebnis zu B.
- Gesetz ist verhältnismäßig, kann daher Eingriff nicht rechtfertigen; damit Grundrecht verletzt und Beschwerde begründet.
C. Ergebnis
- Verfassungsbeschwerde der Alternativen Aktion e.V. zulässig und begründet; BVerfG wird nach § 95 Abs. 1 BVerfGG Grundrechtsverletzung feststellen und das Gesetz nach § 95 Abs. 3 BVerfGG für nichtig erklären.
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© Klaus Grupp (Universität des Saarlandes) und Ulrich Stelkens (Deutsche Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer)
Bearbeitung für Hauptstadtfälle: Georg Hellmich, Christian Janssen
Stand der Bearbeitung: Mai 2024