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Der Immobilien-Hai (Lösungsvorschlag)

Die Verfassungsbeschwerde der H.A.I.-GmbH wird Erfolg haben, wenn sie zulässig und begründet ist.

A) Zulässigkeit

Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig, wenn die Sachentscheidungsvor­aus­setzungen der Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 a GG, §§ 13 Nr. 8,  90 ff. BVerfGG erfüllt sind.

Anmerkung: Zur Gliederung einer Verfassungsbeschwerde gegen ein Gerichtsurteil siehe diesen Hinweis.

I. Beschwerdefähigkeit

1. Beteiligtenfähigkeit (Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 a GG, § 90 Abs. 1 BVerfGG: "jedermann")

Die H.A.I.-GmbH kann als deutsche juristische Person Grundrechtsträger und damit "jedermann" i.S.d. Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 a GG, § 90 Abs. 1 BVerfGG sein, sofern die in Betracht kommenden Grundrechte ihrem Wesen nach auf sie anwendbar sind (Art. 19 Abs. 3 GG). Dies trifft auf das von der H.A.I.-GmbH gerügte Eigentumsrecht (Art. 14 GG) zu.

2. Prozessfähigkeit

Die H.A.I.-GmbH muss sich als juristische Person durch ihre Organe vertreten lassen, hier nach § 35 GmbH-Gesetz durch ihren Geschäftsführer.

II. Beschwerdegegenstand (Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 a GG, § 90 Abs. 1 BVerfGG: "Akt der öffentlichen Gewalt") 

Die H.A.I.-GmbH wendet sich nach dem Sachverhalt ausschließlich gegen die Entscheidung des LG Berlin, also gegen das letztinstanzliche Gerichtsurteil. Dieses Urteil ist ein "Akt der öffentlichen Gewalt" i.S.d. Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 a GG und damit tauglicher Beschwerdegegenstand.

III. Beschwerdebefugnis (Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 a GG, § 90 Abs. 1 BVerfGG: "Behauptung, in einem seiner Grundrechte verletzt zu sein")

Es dürfte nicht von vornherein ausgeschlossen sein, dass durch die Entscheidung Grundrechte verletzt werden. Dies ist gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 a GG, § 90 Abs. 1 BVerfGG dann der Fall, wenn die H.A.I.-GmbH behaupten kann, in einem ihrer Grundrechte oder grundrechtsgleichen Rechte verletzt zu sein. Das setzt voraus, dass die behauptete Rechtsverletzung möglich, also nicht von vornherein als ausgeschlossen erscheint und des Weiteren der Beschwerdeführer durch den angegriffenen Akt öffentlicher Gewalt selbst, gegenwärtig und unmittelbar betroffen ist.[1] 

1. Möglichkeit einer Grundrechtsverletzung-Drittwirkung der Grundrechte

Des Weiteren müsste die Verletzung der Grundrechte im vorliegenden Fall möglich sein. Nun handelt es sich vorliegend aber um eine Streitigkeit zwischen zwei Privatpersonen, während Grundrechte zunächst einmal Abwehrrechte des Einzelnen gegen den Staat (sog. status negativus) sind. Dementsprechend ist nach Art. 1 Abs. 3 GG die öffentliche Gewalt an die Grundrechte gebunden. Daraus ließe sich ableiten, dass Private nicht an die Grundrechte gebunden sind. Da die Grundrechte aber auch eine Wertentscheidung darstellen, die für alle Rechtsbereiche gilt, wirken sie auch in Privatrechtsverhältnissen. Fraglich ist allein, auf welche Art und Weise dies geschieht. Hierzu wurde vertreten, dass Grundrechte auch unmittelbar Anwendung zwischen Privaten fänden.[2] Begründet werden kann diese Ansicht mit der in Art. 1 Abs. 1 GG verankerten Menschenwürde, mit Art. 1 Abs. 2 GG, wonach die Grundrechte „Grundlage jeder Gemeinschaft sind“ sowie mit der Überlegung, dass Freiheitsbedrohungen im modernen Staat nicht nur von diesem, sondern auch von Privaten ausgehen können, etwa von großen Konzernen oder Wirtschaftsorganisationen.

Eine solch unmittelbare Drittwirkung würde aber nicht zu einem größeren Gewinn an Freiheit, sondern zu einem Verlust von Freiheit führen: Rechte, die dem Einzelnen gegenüber dem Staat zustehen, würden plötzlich Pflichten des Einzelnen gegenüber seinen Mitmenschen werden. Dies ist aber nicht in den Grundrechten angelegt. Kenntlich wird dies neben der Entstehungsgeschichte auch an einer systematischen Auslegung: Nur höchst selten wird ausdrücklich die Wirkung der Grundrechte auf Private erstreckt, so v.a. in Art. 9 Abs. 3 GG (vgl. auch Art. 20 Abs. 4, 38 Abs. 1 S. 1 iVm Art. 48 Abs. 2). Da aber die Gefahren durch Private nicht zu leugnen sind und die Grundrechte Bestandteil einer objektiven Werteordnung sind, hat das Bundesverfassungsgericht in überzeugende Weise in seiner Lüth-Entscheidung festgestellt, dass durch eine mittelbare Drittwirkung die Grundrechte das einfache Recht prägen.[3] Dies geschieht dadurch, dass die bürgerlich-rechtlichen Generalklauseln sowie unbestimmte Rechtsbegriffe zu Einbruchstellen der Grundrechte werden, so dass hier die Grundrechte ihre Ausstrahlungswirkung entfalten können.[4] Anwendung und Auslegung des einfachen Rechts müssen daher immer im Lichte der Grundrechte geschehen. Hier betrifft das den unbestimmten Rechtsbegriff „wichtiger Grund“, zu dessen Bejahung ausdrücklich eine „Abwägung der beiderseitigen Interessen“ vorgenommen werden muss. An dieser Auslegung hat das BVerfG in st.Rspr. festgehalten.[5] Die ganz überwiegende Ansicht in der Literatur lehnt ebenfalls eine unmittelbare Drittwirkung der Grundrechte ab und folgt der Lehre von der mittelbaren Drittwirkung.[6]

Es kann als nicht von vornherein ausgeschlossen werden, dass das Landgericht in dem Prozess, in dem es um eine mögliche Beeiträchtigung des Eigentums der H.A.I.-GmbH geht, die mittelbare Wirkung von Art. 14 GG verkannt hat, so dass eine Verletzung von Art. 14 GG als möglich erscheint.

2. selbst, gegenwärtig und unmittelbar betroffen

Die H.A.I.-GmbH ist unterlegene Partei eines Rechtsstreits, dessen Urteil Beschwerdegegenstand ist. Damit ist sie selbst betroffen. Auch gegenwärtig ist sie betroffen, da durch das Urteil aktuell auf ihre Rechtsstellung eingewirkt wird. Schließlich ist sie auch unmittelbar betroffen, da kein weiterer Vollzugsakt für die Betroffenheit notwendig ist. Die H.A.I.-GmbH ist beschwerdebefugt.

Anmerkung: Z.T. werden die Fragen der Drittwirkung der Grundrechte erst in der Begründetheit geprüft. Allerdings ist es im Grundsatz vorzugswürdig, in einer Klausurlösung eine Fragestellung dort umfassend zu behandeln, wo sie sich stellt. Demgegenüber ist die Frage der spezifischen Verletzung von Verfassungsrecht[7] erst in der Begründetheit zu prüfen. Sie legt den Maßstab der Kontrolldichte fest und gibt Ihnen damit das Prüfungsprogramm vor.(s. dazu noch unten).[8]

IV. Erschöpfung des Rechtswegs (§ 90 Abs. 2 BVerfGG)

Gemäß § 90 Abs. 2 S. 1 BVerfGG müsste B alle zur Verfügung stehenden Möglichkeiten gerichtlichen Rechtsschutzes ordnungsgemäß ausgeschöpft haben. Dies ist Ausdruck des allgemeinen Grundsatzes der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde.[9]

Laut Sachverhalt ist weder Berufung noch Revision gegen das Urteil des Landgerichts Berlin möglich, so das die H.A.I.-GmbH alle ihr zur Verfügung stehenden Rechtsmittel eingelegt hat. Die Voraussetzung des § 90 Abs. 2 S. 1 BVerfGG ist demnach erfüllt.

V. Frist und Form (§ 93 Abs. 1 BVerfGG, § 23 BVerfGG)

Die Monatsfrist des § 93 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG wurde laut Sachverhalt eingehalten. Von der Einhaltung der Form ist auszugehen.

VI. Ergebnis zu A

Die Verfassungsbeschwerde ist somit insgesamt zulässig.

B) Begründetheit

Die Verfassungsbeschwerde ist begründet, wenn die H.A.I.-GmbH durch das Gerichtsurteil des LG Berlin in ihren Grundrechten verletzt wurde.

Anmerkung: Die Frage des Aufbaus einer Prüfung einer Grundrechtsverletzung durch ein Gericht ist umstritten. Wie Ihnen bekannt sein sollte, dürfen Sie niemals ausdrücklich in einer juristischen Arbeit begründen, warum Sie einen bestimmten Aufbau wählen. Wie auch im Rahmen inhaltlicher Meinungsstreitigkeiten sprechen (mehr oder minder) gute Gründe für wie gegen eine bestimmte Ansicht. Sie müssen sich für eine entscheiden und ihr dann konsequent folgen. Damit Sie sehen, welche Unterschiede zwischen den beiden Aufbauvarianten bestehen, werden hier aus didaktischen Gründen beide ausführlich dargestellt. Entscheiden Sie sich für die, die Ihnen besser liegt. Diese ist dann die richtige für Sie.

Der Grund für die Existenz zweier Aufbauvarianten liegt in der dogmatischen Einordnung der mittelbaren Drittwirkung von Grundrechten. In dem bekannten klassischen dreistufigen Aufbauschema „Schutzbereich-Eingriff-Rechtfertigung“ (Eingriffs­abwehraufbau) greift der Staat – sei es in Form eines Gesetzes, sei es durch exekutivisches Handeln – in die Grundrechte des Bürgers ein. In dem vorliegenden Fall wie diesem stehen aber zunächst die Grundrechte der H.A.I.-GmbH (Art. 14 GG) gegen die Grundrechte der Mikaelson (Art. 5 GG). Der Staat stellt die (zivilrechtlichen) Regeln zur Verfügung, die diesen Streit zu einem möglichst fairen Ausgleich bringen sollen, notfalls auch – wie hier – durch ein Gericht. Da dieses hoheitlich entscheidet und nach Art. 1 Abs. 3 GG ebenso an die Grundrechte gebunden ist wie die anderen Gewalten auch, kann das dreistufige Schema hier Anwendung finden.[10]

Es darf aber auch nicht übersehen werden, dass hier eine (juristische) Person Schutz durch den Staat – in Form des Gerichts – sucht und diesen Schutzanspruch auf die Grundrechte stützt.[11] Der Schutzgewähranspruch kann aber nicht als Eingriff geprüft werden, da ja gerade ein Handeln und nicht die Abwehr eines Handelns verlangt wird. In einer ersten Stufe muss hierbei gefragt werden, ob ein Recht auf staatlichen Schutz besteht, in einer zweiten, ob das Gericht diesem Schutzauftrag auch nachgekommen ist. Es handelt sich also um einen zweistufigen Aufbau.

Es kommt letztendlich auf den Blickwinkel an: sehen Sie eher den Eingriff in die Grundrechte durch den Staat in Gestalt des Richters als entscheidend an, so prüfen Sie nach dem klassischen Eingriffsschema. Sehen Sie hingegen den nicht gewährten Schutzanspruch als entscheidend an, so müssen Sie sich für den zweistufigen Anspruchsaufbau entscheiden.[12]

Variante 1 – Eingriffsabwehraufbau

In Betracht kommt hier eine Verletzung des Art. 14 Abs. 1 GG.

Anmerkung: Das Bundesverfassungsgericht überprüft richterliche Entscheidungen nicht voll. Da jede falsche Entscheidung eines Richters ein gesetzlich nicht gerechtfertigter Eingriff in zumindest die allgemeine Handlungsfreiheit darstellt, würde eine solche theoretisch denkbare volle Überprüfung dazu führen, dass das Bundesverfassungsgericht eine – gesetzlich nicht vorgesehene – Superrevisionsinstanz werden würde. Dieses Problem stellt sich bei Drittwirkungsfällen immer. Es geht hierbei um die Frage des Prüfungsumfanges, der auf die spezifische Verletzung von Verfassungsrecht zu beschränken ist. Einige Autoren besprechen dies gleich zu Beginn der Begründetheitsprüfung,[13]  andere zu Beginn der Rechtfertigungsprüfung.[14] Da die Prüfung von Schutzbereich und Eingriff von der Frage der spezifischen Verletzung nicht berührt ist, sondern erst die Rechtfertigungsebene betrifft, scheint es ratsamer zu sein, erst dort auf die Frage der Superrevisionsinstanz einzugehen.

I. Schutzbereich von Art. 14 Abs. 1 GG 

Der Schutzbereich von Art. 14 GG müsste in sachlicher und persönlicher Hinsicht eröffnet sein. Dies wäre dann der Fall, wenn eine eigentumsrechtliche Position der H.A.I.-GmbH - die sich als juristische Person auf Art. 14 GG berufen kann - betroffen wäre. Der verfassungsrechtliche Eigentumsbegriff umfasst alle privatrechtlichen vermögenswerten Rechte.[15] Geschützt wird also nicht nur das Eigentum im Sinne von § 903 BGB, sondern auch das Geldeigentum und andere Vermögensrechte. Geschützt wird von Art. 14 Abs. 1 GG sowohl der vorhandene Bestand des Eigentums als auch dessen Nutzung. Der Eigentümer darf sein Eigentum verwenden, verbrauchen und veräußern.[16] Chancen und Verdienstmöglichkeiten sind dann nicht geschützt, wenn sie in der Zukunft liegen.[17] Anderes gilt aber, wenn es um die beabsichtigte Veräußerung, generell wie konkret,[18] bereits erworbenen Eigentums geht.

Dass das Grundeigentum zu den von Art. 14 Abs. 1 GG geschützten vermögenswerten Rechten gehört, ist unstrittig. Damit ist der Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG eröffnet.

II. Eingriff

Weiter müsste ein Eingriff in die Eigentumsfreiheit vorliegen. Nach dem klassischen Eingriffsbegriff sind dafür vier Voraussetzungen notwendig: Der Eingriff muss (1) final und nicht bloß unbeabsichtigte Folge sein, (2) unmittelbar sein, (3) ein Rechtsakt mit rechtlicher und nicht bloß tatsächlicher Wirkung sein sowie (4) mit Befehl und Zwang angeordnet bzw. durchgesetzt werden. Der neuere Eingriffsbegriff weitet dagegen alle vier Kategorien aus. Nach ihm ist ein Eingriff jedes staatliche Handeln, das dem einzelnen ein Verhalten, das in den Schutzbereich eines Grundrechts fällt, ganz oder teilweise unmöglich macht. Allerdings muss die Wirkung von einem zurechenbaren Verhalten der öffentlichen Gewalt ausgehen.[19]

Im Rahmen einer Urteilsverfassungsbeschwerde besteht – sofern der zivilrechtliche Kläger Verfassungsbeschwerde erhebt – dieser Eingriff in der gerichtlich durchgesetzten Beeinträchtigung des Grundrechts durch private Dritte. Durch das abweisende Urteil wird der H.A.I.-GmbH die Ausübung ihrer Eigentumsrechte verkürzt: Sie muss dulden, dass Zettel, deren Inhalt eventuelle Käufer abschrecken sollen und die den Hof beschmutzen, in ihrem Hof verteilt werden.

Anmerkung: Dies ist die erste Schwierigkeit des Eingriffsaufbaus. Unterliegt der Beklagte im Zivilverfahren, so liegt zweifelsohne ein klassischer Eingriff vor, da er zu einem Tun, Dulden oder Unterlassen verurteilt wird. Unterliegt wie hier der zivilrechtliche Kläger, so hat er „lediglich“ nicht das von ihm Angestrebte erreicht, so dass nach dem klassischen Verständnis kein Eingriff vorliegt. Hier hilft wie gesehen der neuere Eingriffsbegriff weiter.

III. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung des Eingriffs

Der Eingriff müsste gerechfertigt sein.

1. Schranke

Nach Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG werden Inhalt und Schranken des Eigentumsrechts durch Gesetze bestimmt. Damit kann ein Eingriff nur aufgrund eines verfassungskonform entstandenen und verfassungskonform ausgelegten Gesetzes gerechtfertigt sein. Das Urteil ist also nur dann Ausdruck der Inhalts- und Schrankenbestimmung, wenn § 543 BGB verfassungsgemäß ist und vom Gericht in verfassungsmäßiger Weise ausgelegt wurde.

2. Verfassungsmäßigkeit des Einschränkungsgesetzes

§ 543 BGB ist formell und materiell verfassungsgemäß. Insbesondere steht dem Bund die Gesetzgebungskompetenz zu (Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG). 

Anmerkung: Eine extensive Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der Norm ist in der Regel nur erforderlich, wenn der Aufgabensteller ein eigenes Gesetz entworfen und zumindest teilweise mit abgedruckt hat.

3. Verfassungskonforme Anwendung des Gesetzes

Die letztinstanzliche Gerichtsentscheidung muss ebenfalls verfassungskonform sein.

a) Spezifische Verletzung von Verfassungsrecht

Gegenstand der Verfassungsbeschwerde ist ein zivilgerichtliches Urteil. Das Bundesverfassungsgericht ist aber keine „Superrevisionsinstanz“. Denn das Bundesverfassungsgericht überprüft laut § 90 Abs. 1 BVerfGG die Verletzung von Grundrechten und grundrechtsgleichen Rechten. Die Überprüfung einfachen Rechts ist Sache der zuständigen Instanzgerichte, so dass der verfassungsgerichtliche Kontrollumfang beschränkt ist. Daraus folgt, dass ein Grundrechtsverstoß, der zur Beanstandung der angegriffenen Maßnahme im Rahmen der Urteilsverfassungsbeschwerde nur dann angenommen werden darf, wenn

(1) „übersehen worden ist, dass bei Auslegung und Anwendung der verfassungsmäßigen Vorschriften des Privatrechts Grundrechte zu beachten waren;

(2) wenn der Schutzbereich des zu beachtenden Grundrechts unrichtig oder unvollkommen bestimmt

(3) oder ihr Gewicht unrichtig eingeschätzt worden ist, so dass darunter die Abwägung der beiderseitigen Rechtspositionen im Rahmen der privatrechtlichen Regelung leidet, und die Entscheidung (des Zivilgerichts) auf diesem Fehler beruht.“[20]

b) Missachtung grundrechtlicher Wertungen durch das Landgericht Berlin? 

Danach wäre die letztinstanzliche Gerichtsentscheidung nicht verfassungskonform, wenn das Landgericht Berlin in diesem Sinne grundrechtliche Wertungen übersehen oder nicht richtig eingeschätzt hätte. Das ist dann nicht der Fall, wenn die Belange von Mieter und Vermieter in einen verhältnismäßigen Ausgleich gebracht sind, indem sie angemessen berücksichtigt und gegeneinander abgewogen werden.[21] Dementsprechend muss geprüft werden, ob das Landgericht die Grundrechtspositionen von Mieter und Vermieter hinreichend berücksichtigt hat und gegeneinander abgewogen hat.[22] 

aa) Grundrechtsposition des Mieters

Das Verhalten der Mieterin Mikaelson könnte durch das Grundrecht der Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 GG geschützt sein. Unter Meinungsäußerung ist zunächst die Äußerung aller Werturteile zu verstehen. Für sie ist das Element der Stellungnahme und des Dafürhaltens kennzeichnend, weshalb sie sich nicht als wahr oder unwahr beweisen lassen. Dementsprechend schützt Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 GG die Äußerung von Werturteilen schlechthin, ohne dass es darauf ankäme, ob die Äußerung begründet oder grundlos, emotional oder rational, wertvoll oder wertlos, gefährlich oder harmlos ist. Von der Meinungsäußerungsfreiheit werden darüber hinaus auch Tatsachenbehauptungen umfasst, obwohl sie streng genommen keine Meinungen sind, da sie erweislich wahr oder unwahr sein können. Den Schutz des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 GG auch auf Tatsachenbehauptungen zu erstrecken ist geboten, da sich Meinungen regelmäßig auf tatsächliche Annahmen stützen oder zu tatsächlichen Verhältnissen Stellung beziehen, so dass ihre Mitteilung Voraussetzung für die Bildung von Meinungen ist. Dies gilt jedenfalls insoweit, als die Tatsachenbehauptung nicht bewusst oder erweislich unwahr ist.[23]

Auch Meinungsäußerungen, die auf das Verhalten von Privatpersonen abzielen, sind geschützt.[24] Neben Form sowie Art und Weise ist vor allem der Inhalt einer Meinungsäußerung grundrechtlich geschützt.[25] Auch polemische oder verletzende Äußerungen sind nicht von vornherein dem Schutzbereich des Grundrechts entzogen: der Äußernde darf diejenigen Umstände wählen, von denen er sich die größte Verbreitung oder die stärkste Wirkung seiner Meinungskundgabe verspricht.[26] Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit findet im Verhältnis zwischen Privaten keine Anwendung, da dieser allein staatliches Handeln betrifft. Man kann erst dann von einer Überschreitung der Grenzen zulässiger freier Meinungsäußerung sprechen, sobald höherrangige Rechte Dritter verletzt würden.[27] Diese Grundsätze wurden durch das Landgericht nicht verkannt.

Folglich ist die Auffasung des Landgerichts verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das behauptete Verhalten der Mikaelson in den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG fällt. Die Aussagen auf den Zetteln „Mieter wehren sich erfolgreich“ und „www.blücher36.de“ können als Tatsachenbehauptungen eingeordnet werden, die zum Teil mit einer Wertung verbunden sind. Die erste Aussage stellt kurz fest, dass es zu Auseinandersetzungen zwischen Mietern und Vermieter gekommen ist, welche die Mieter jedenfalls teilweise für sich entscheiden konnten und daher als erfolgreich bewerten. Die zweite Aussage weist auf eine Internetseite hin.[28] Daher lässt sich das Werfen der Zettel aus dem Fenster als Bestandteil der Meinungsäußerung werten.

Damit ist das Verhalten der Mikaelson von der Meinungsfreiheit des Art. 5 Abs. 1 GG geschützt.

bb) Entgegenstehendes Grundrecht des Vermieters: Praktische Konkordanz

Das Grundrecht auf Meinungsfreiheit kann aber seinerseits wieder durch entgegenstehende Grundrechte beschränkt sein. Fraglich ist zunächst, ob die Eigentumsfreiheit der H.A.I.-GmbH gegenüber der Meinungsfreiheit der Mikaelson überwiegt und das Landgericht dies verkannt hat.

Das Urteil stellt fest, dass die Mikaelson ihre Pflichten nicht verletzt, sondern nur beabsichtigt, Kaufinteressenten über den Konflikt zwischen Mietern und Eigentümern zu informieren. Folglich hat das Landgericht den Bezug der Meinungsäußerung zur beabsichtigten Veräußerung, die vom Eigentumsrecht geschützt ist, erkannt und gewürdigt, auch wenn es sich nicht der Ansicht der H.A.I.-GmbH angeschlossen hat, dass die Aktion der Mikaelson vor allem schädigend beabsichtigt war. [29]

Das Landgericht nimmt an, die Verschmutzung durch die „herabrieselnden“ Zettel sei für eine fristlose Kündigung zu geringfügig. Zugleich wertet es die Meinungsäußerung als vom Eigentümer hinzunehmende öffentliche Kritik. Hinzu kommt, dass die Mikaelson mit ihewe Aktion den Verkauf der Wohnungen letztlich nicht verhindern, sondern allenfalls angebahnte Verhandlungen störend beeinflussen kann. Dabei können Art und Dimension der Konflikte durch die H.A.I.-GmbH klargestellt werden, um so Bedenken bei Kaufinteressenten zu zerstreuen. Damit begegnet es keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn das Landgericht die Beeinträchtigungen der Eigentumsfreiheit im Verhältnis zur Bedeutung der Meinungsfreiheit der Mikaelson für geringfügig erachtet. Folglich hat das Landgericht bei der Anwendung des § 543 Abs.1 BGB und vor allem bei der Auslegung der Tatbestandsmerkmale „wichtiger Grund“ (Satz 1) und „beiderseitige Interessen“ (Satz 2) den grundrechtlichen Wertmaßstäben ausreichend Rechnung getragen.

cc) Andere entgegenstehende Rechte: Art. 2 Abs. 1 GG

Auch die Einschätzung, dass die im Hof befindlichen Personen durch das Herabwerfen von Zetteln nicht herabgesetzt werden, verkennt nicht die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen. Aus objektiver Sicht dient das Herabwerfen der Zettel nicht dazu, die Kaufinteressenten in ihrer Ehre zu treffen oder lächerlich zu machen, sondern vielmehr, die Botschaft auf den Zetteln ihren Adressaten nahe zu bringen. Persönlichkeitsrechte werden durch die Würdigung des Landgerichts nicht tangiert.

Anmerkung: Da die H.A.I.-GmbH nicht selbst in ihren Persönlichkeitsrechten verletzt war, musste diese Frage noch nicht in der Zulässigkeit angesprochen werden. Sie ist aber in der Begründetheit zu prüfen, da es hier um eine umfassende materielle Prüfung geht.

4. Zwischenergebnis 

Damit ist die Entscheidung des Landgerichts Berlin nicht zu beanstanden. Die Verfassungsbeschwerde ist unbegründet.

C) Endergebnis

Die Verfassungsbeschwerde ist zwar zulässig, aber unbegründet.

 

Variante 2 – Anspruchsaufbau (2-stufig)

Anmerkung: Folgen sie der zweistufigen Prüfung, müssen Sie schon in der Zulässigkeit einigen Besonderheiten Rechnung tragen. Zunächst liegt in diesem Fall der Beschwerdegegenstand in einem Unterlassen des Gerichts, nämlich darin, dass es das Landgericht in dem konkreten Fall unterlassen hat, einen angemessenen Ausgleich zwischen den Interessen des Vermieters und des Mieters herzustellen, den Beschwerdeführer also nur unzureichend vor den Beeinträchtigungen seines Grundrechts durch einen privaten Dritten geschützt hat. Eine zweite Besonderheit liegt in der Beschwerdebefugnis. Hier müssen Sie im Rahmen der Möglichkeit der Grundrechtsverletzung nach einer kurzen Erwähnung der Drittwirkungsproblematik und ihrem Verhältnis zur Lehre von den Schutzpflichten prüfen, ob allgemein Schutzpflichten bestehen (a), aus denen allgemein ein subjektiv-rechtlicher Anspruch folgt (b), diese Folgen abzuwenden.[30] Dies muss hinsichtlich des konkreten Falls als möglich erscheinen (c). Dabei müssen Sie insbesondere darlegen, dass im Hinblick auf Art. 14 GG grundsätzlich Schutzpflichten abgeleitet werden können, aus denen sich auch ein subjektives Recht auf Schutz ergibt. Zur Prüfung von Schutzpflichten gegenüber Exekutive und Legislative siehe diesen Fall.

In Betracht kommt hier eine Verletzung der staatlichen Schutzpflicht aus Art. 14 Abs. 1 GG.

Die Schutzpflicht aus Art. 14 Abs. 1 GG ist in Bezug auf die Entscheidung des Landgerichtes nur dann verletzt, wenn (1) ein Anspruch auf staatlichen Schutz besteht und (2) der Staat diesem Anspruch nicht nachgekommen ist.

I. Anspruch auf staatlichen Schutz aus Art. 14 Abs. 1 GG? 

Voraussetzung eines Anspruchs auf staatlichen Schutz gegenüber der Judikative ist zunächst, dass Art. 14 Abs. 1 GG den staatlichen Schutz vor privaten Beeinträchtigungen des Eigentums des Einzeln umfasst.[31]

Der Schutzbereich von Art. 14 GG müsste in sachlicher und persönlicher Hinsicht eröffnet sein. Dies wäre dann der Fall, wenn eine eigentumsrechtliche Position der H.A.I.-GmbH - die sich als juristische Person auf Art. 14 GG berufen kann - betroffen wäre. Der verfassungsrechtliche Eigentumsbegriff umfasst alle privatrechtlichen vermögenswerten Rechte.[32] Geschützt wird also nicht nur das Eigentum im Sinne von § 903 BGB, sondern auch das Geldeigentum und andere Vermögensrechte. Geschützt wird von Art. 14 Abs. 1 GG sowohl der vorhandene Bestand des Eigentums als auch dessen Nutzung. Der Eigentümer darf sein Eigentum verwenden, verbrauchen und veräußern.[33] Dass das Grundeigentum zu den von Art. 14 Abs. 1 GG geschützten vermögenswerten Rechten gehört, ist unstrittig.

Hier wurden die Zettel zu einem Zeitpunkt aus dem Fenster geworfen, als sich Kaufinteressenten im Hof befanden. Damit wurde erkennbar das Ziel verfolgt, die Kaufinteressenten über die im Hause bestehenden Konflikte zu informieren, und zugleich beabsichtigt oder in Kauf genommen, dass sie dadurch vom Kauf einer Wohnung abgehalten werden. Dies tangiert das Eigentumsgrundrecht der H.A.I.-GmbH, das auch deren Befugnis umfasst, über ihr (Wohnungs-)Eigentum frei zu verfügen, insbesondere es zu verkaufen. Grundrechtsschutz besteht nicht nur hinsichtlich der generellen Veräußerungsmöglichkeit, sondern auch gegen konkrete Beeinträchtigungen derselben.[34] Chancen und Verdienstmöglichkeiten sind nur dann nicht geschützt, wenn sie in der Zukunft liegen,[35] wohl aber dann, wenn es um die beabsichtigte Verwertung bereits erworbenen Eigentums durch Veräußerung geht.

Ferner hat die Mikaelson durch das Herabwerfen der Zettel den Hof des Hauses verschmutzt. Auch dies berührt die Eigentumsposition der Grundstückseigentümerin.

II. Ist das Landgericht seinem Schutzauftrag aus Art. 14 Abs. 1 GG im vorliegenden Fall nachgekommen?

Eine Verletzung grundrechtlicher Schutzpflichten kann in einer solchen Lage nur festgestellt werden, wenn eine Grundrechtsposition den Interessen des Vertragspartners in einer Weise untergeordnet wird, dass in Anbetracht der Bedeutung und Tragweite des betroffenen Grundrechts von einem angemessenen Ausgleich nicht mehr gesprochen werden kann.[36] 

1. Spezifische Verletzung von Verfassungsrecht

Gegenstand der Verfassungsbeschwerde ist ein zivilgerichtliches Urteil. Das Bundesverfassungsgericht ist aber keine „Superrevisionsinstanz“. Denn das Bundesverfassungsgericht überprüft laut § 90 Abs. 1 BVerfGG die Verletzung von Grundrechten und grundrechtsgleichen Rechten. Die Überprüfung einfachen Rechts ist Sache der zuständigen Instanzgerichte, so dass der verfassungsgerichtliche Kontrollumfang beschränkt ist. Daraus folgt, dass ein Grundrechtsverstoß, der zur Beanstandung der angegriffenen Maßnahme im Rahmen der Urteilsverfassungsbeschwerde nur dann angenommen werden darf, wenn

(1) „übersehen worden ist, dass bei Auslegung und Anwendung der verfassungsmäßigen Vorschriften des Privatrechts Grundrechte zu beachten waren;

(2) wenn der Schutzbereich des zu beachtenden Grundrechts unrichtig oder unvollkommen bestimmt

(3) oder ihr Gewicht unrichtig eingeschätzt worden ist, so dass darunter die Abwägung der beiderseitigen Rechtspositionen im Rahmen der privatrechtlichen Regelung leidet, und die Entscheidung (des Zivilgerichts) auf diesem Fehler beruht.“[37]

2. Missachtung grundrechtlicher Wertungen durch das Landgericht Berlin? 

Danach wäre die letztinstanzliche Gerichtsentscheidung nicht verfassungskonform, wenn das Landgericht Berlin in diesem Sinne grundrechtliche Wertungen übersehen oder nicht richtig eingeschätzt hätte. Das ist dann nicht der Fall, wenn die Belange von Mieter und Vermieter in einen verhältnismäßigen Ausgleich gebracht sind, indem sie angemessen berücksichtigt und gegeneinander abgewogen werden.[38] Dementsprechend muss geprüft werden, ob das Landgericht die Grundrechtspositionen von Mieter und Vermieter hinreichend berücksichtigt hat und gegeneinander abgewogen hat.[39]

a) Grundrechtsposition des Mieters

Das Verhalten der Mieterin Mikaelson könnte durch das Grundrecht der Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 GG geschützt sein. Unter Meinungsäußerung ist zunächst die Äußerung aller Werturteile zu verstehen. Für sie ist das Element der Stellungnahme und des Dafürhaltens kennzeichnend, weshalb sie sich nicht als wahr oder unwahr beweisen lassen. Dementsprechend schützt Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 GG die Äußerung von Werturteilen schlechthin, ohne dass es darauf ankäme, ob die Äußerung begründet oder grundlos, emotional oder rational, wertvoll oder wertlos, gefährlich oder harmlos ist. Von der Meinungsäußerungsfreiheit werden darüber hinaus auch Tatsachenbehauptungen umfasst, obwohl sie streng genommen keine Meinungen sind, da sie erweislich wahr oder unwahr sein können. Den Schutz des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 GG auch auf Tatsachenbehauptungen zu erstrecken ist geboten, da sich Meinungen regelmäßig auf tatsächliche Annahmen stützen oder zu tatsächlichen Verhältnissen Stellung beziehen, so dass ihre Mitteilung Voraussetzung für die Bildung von Meinungen ist. Dies gilt jedenfalls insoweit, als die Tatsachenbehauptung nicht bewusst oder erweislich unwahr ist.[40]

Auch Meinungsäußerungen, die auf das Verhalten von Privatpersonen abzielen, sind geschützt.[41] Neben Form sowie Art und Weise ist vor allem der Inhalt einer Meinungsäußerung grundrechtlich geschützt.[42] Auch polemische oder verletzende Äußerungen sind nicht von vornherein dem Schutzbereich des Grundrechts entzogen: der Äußernde darf diejenigen Umstände wählen, von denen er sich die größte Verbreitung oder die stärkste Wirkung seiner Meinungskundgabe verspricht.[43] Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit findet im Verhältnis zwischen Privaten keine Anwendung, da dieser allein staatliches Handeln betrifft. Man kann erst dann von einer Überschreitung der Grenzen zulässiger freier Meinungsäußerung sprechen, sobald höherrangige Rechte Dritter verletzt würden.[44] Diese Grundsätze wurden durch das Landgericht nicht verkannt.

Folglich ist die Auffasung des Landgerichts verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das behauptete Verhalten der Mikaelson in den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG fällt. Die Aussagen auf den Zetteln „Mieter wehren sich erfolgreich“ und „www.blücher36.de“ können als Tatsachenbehauptungen eingeordnet werden, die zum Teil mit einer Wertung verbunden sind. Die erste Aussage stellt kurz fest, dass es zu Auseinandersetzungen zwischen Mietern und Vermieter gekommen ist, welche die Mieter jedenfalls teilweise für sich entscheiden konnten und daher als erfolgreich bewerten. Die zweite Aussage weist auf eine Internetseite hin.[45] Daher lässt sich das Werfen der Zettel aus dem Fenster als Bestandteil der Meinungsäußerung werten.

Damit ist das Verhalten der Mikaelson von der Meinungsfreiheit des Art. 5 Abs. 1 GG geschützt.

b) Entgegenstehendes Grundrecht des Vermieters- Praktische Konkordanz

Das Grundrecht auf Meinungsfreiheit kann aber seinerseits wieder durch entgegenstehende Grundrechte beschränkt sein. Fraglich ist zunächst, ob die Eigentumsfreiheit der H.A.I.-GmbH gegenüber der Meinungsfreiheit der M überwiegt und das Landgericht dies verkannt hat.

Das Urteil stellt fest, dass die M ihre Pflichten nicht verletzt, sondern nur beabsichtigt, Kaufinteressenten über den Konflikt zwischen Mietern und Eigentümern zu informieren. Folglich hat das Landgericht den Bezug der Meinungsäußerung zur beabsichtigten Veräußerung, die vom Eigentumsrecht geschützt ist, erkannt und gewürdigt, auch wenn es sich nicht der Ansicht der H.A.I.-GmbH angeschlossen hat, dass die Aktion der Mikaelson vor allem schädigend beabsichtigt war. [46]

Das Landgericht nimmt an, die Verschmutzung durch die „herabrieselnden“ Zettel sei für eine fristlose Kündigung zu geringfügig. Zugleich wertet es die Meinungsäußerung als vom Eigentümer hinzunehmende öffentliche Kritik. Hinzu kommt, dass die Mikaelson mit ihrer Aktion den Verkauf der Wohnungen letztlich nicht verhindern, sondern allenfalls angebahnte Verhandlungen störend beeinflussen kann. Dabei können Art und Dimension der Konflikte durch die H.A.I.-GmbH klargestellt werden, um so Bedenken bei Kaufinteressenten zu zerstreuen. Damit begegnet es keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn das Landgericht die Beeinträchtigungen der Eigentumsfreiheit im Verhältnis zur Bedeutung der Meinungsfreiheit der Mikaelson für geringfügig erachtet. Folglich hat das Landgericht bei der Anwendung des § 543 Abs.1 BGB und vor allem bei der Auslegung der Tatbestandsmerkmale „wichtiger Grund“ (Satz 1) und „beiderseitige Interessen“ (Satz 2) den grundrechtlichen Wertmaßstäben ausreichend Rechnung getragen.

c) Andere entgegenstehende Rechte: Art. 2 Abs. 1 GG

Auch die Einschätzung, dass die im Hof befindlichen Personen durch das Herabwerfen von Zetteln nicht herabgesetzt werden, verkennt nicht die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen. Aus objektiver Sicht dient das Herabwerfen der Zettel nicht dazu, die Kaufinteressenten in ihrer Ehre zu treffen oder lächerlich zu machen, sondern vielmehr, die Botschaft auf den Zetteln ihren Adressaten nahe zu bringen. Persönlichkeitsrechte werden durch die Würdigung des Landgerichts nicht tangiert.

Anmerkung: Da die H.A.I.-GmbH nicht selbst in ihren Persönlichkeitsrechten verletzt war, musste diese Frage noch nicht in der Zulässigkeit angesprochen werden. Sie ist aber in der Begründetheit zu prüfen, da es hier um eine umfassende materielle Prüfung geht.

III. Zwischenergebnis

Damit ist die Entscheidung des Landgerichts Berlin nicht zu beanstanden. Die Verfassungsbeschwerde ist unbegründet.

C) Endergebnis

Die Verfassungsbeschwerde ist zwar zulässig, aber unbegründet.

Fragen und Anregungen zur Lösung? info@hauptstadtfaelle.de

 


[1] BVerfGE 97, 67, 76 f.; Lechner/Zuck, Bundesverfassungsgerichtsgesetz-Kommentar, 5. Auflage, München 2006, § 90, Rn. 64.

[2] H. Nipperdey, Gleicher Lohn der Frau für gleiche Leistung, Das Recht der Arbeit 3 (1950), 121 (125); BAGE 1, 185/193 f.

[3] BVerfGE 7, 198, 205 f.

[4] Vgl. zum ganzen Pieroth/Schlink, 173 ff.

[5] U. a. BVerfGE 82, 272, 280; 84, 382, 384 ff.; 89, 214, 229; 90, 27, 33; 104, 65, 73.

[6] U.a. C. Canaris, Grundrechte und Privatrecht, 1999, 34 f.; Hesse, Rn. 356; Ipsen, Rn. 57 ff.; Pieroth/Schlink, Rn. 173 ff.;

[7] Überwiegend ist die Rede von „Verletzung spezifischen Verfassungsrechts.“ Es kann aber nicht zwischen spezifischem und nicht-spezifischem Verfassungsrecht unterschieden werden, so dass die hier gewählte Formulierung zwar nicht gängig, aber genauer ist.

[8] Augsberg/Viellechner, Die Drittwirkung der Grundrechte als Aufbauproblem, in JuS 2008, 406-414, 407.

[9] BVerfGE 73, 322, 325.

[10] „Der Richter […] verletzt […] als Träger öffentlicher Gewalt durch sein Urteil das Grundrecht.“ BVerfGE 7, 198, 206 f. Dementsprechend konstruieren Koch, Grundrechtsschutz, S. 304 ff. sowie Poscher, Grundrechte, S. 315 ff. Anders, nämlich über die Schutzpflichten, hingegen Holoubek, Gewährleistungspflichten, S. 243 ff.; Dolderer, Grundrechtsgehalt, S. 205 ff., Ruffert, Eigenständigkeit, S. 141 ff.

[11] Heike Krieger, Grund- und Menschenrechte des status positivus / positive Handlungspflichten, in: Grote/Marauhn, GG-Konkordanzkommentar, Kapitel 6, Rn. 75. Das Bundesverfassungsgericht führt aus: „Der entsprechende Schutzauftrag der Verfassung richtet sich hier an den Richter, der den objektiven Grundentscheidungen der Grundrechte in Fällen gestörter Vertragsparität mit den Mitteln des Zivilrechts Geltung zu verschaffen hat.“ BVerfGE 81, 242, 256.

[12] S. hierzu ausführlich Augsberg/Viellechner, Anm. 4, S. 406.

[13] Volker Epping, Grundrechte, 4. Aufl. 2009, Fall 11 (S. 135), http://www.jura.uni-hannover.de/fileadmin/fakultaet/Institute/INTIF/Epping/fall11.pdf; Christoph Möllers, www.lehrstuhl-moellers.de, Fall 3; Rainer Grote/Dieter Kraus, Fälle zu den Grundrechten, 2. Auflage 2001, Fall 3 („Probearbeitsverhältnis“); Markus Möstl, http://www.oer2.uni-bayreuth.de/de/Sommersemester_2009/pu_grundrechte_SS09/Fall_4_-_L__th_L__sung.pdf.

[14] Dieter Schmalz, Verfassungsrecht. 34 Fälle mit Musterlösungen zum Staatsorganisationsrecht, zu den Grundrechten und zum Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht, 2003, Fall 21; Ralf Brinktrine/Edin Sarcevic, Fallsammlung zum Staatsrecht, 2004, Klausur 7; Augsberg/Viellechner, Die Drittwirkung der Grundrechte als Aufbauproblem, in JuS 2008, 406-414, 409, die aber auch den anderen Weg für gangbar halten; Christoph Degenhart, Klausurenkurs im Staatsrecht II, 5. Auflage 2009 legt in Fall 13 (Caroline), zwar den Prüfungsumfang zu Beginn der Begründetheitsprüfung dar, geht aber i.R.d. Rechtfertigung noch einmal auf ihn ein. In der 6. Auflage (2012) ist der Hinweis zu Beginn der Rechtfertigung verschwunden. gangbar halten.

[15] Wieland, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Band I: Art. 1-19, 2. Auflage, 2005, Art. 14, Rn. 31. Dass auch u.U. öffentlich-rechtlich begründete Rechte in den Schutzbereich von Art. 14 Abs. 1 GG fallen, bedarf vorliegend nicht der Erörterung, vgl. dazu m. w. N. Wieland, ebd., Rn. 53 ff.

[16] Pieroth/Schlink, Rn. 912 ff.

[17] BVerfGE 95, 173, 187 f. m. w. N.

[18] BVerfGE 79, 283, 290.

[19] Pieroth/Schlink, Rn. 240.

[20] BVerfGE 101, 361, 388. Vgl. dazu Pieroth/Schlink, Rn. 1172 ff.

[21] BVerfGE 68, 361, 372; 89, 1, 9.

[22] VerfGH Bln 70/06, Beschl. v. 22. Januar 2008, Rn. 17.

[23] BVerfGE 90, 241, 247 f.

[24] BVerfGE 7, 198, 212.

[25] BVerfGE 76, 171, 192.

[26] BVerfGE 93, 266, 289.

[27] BVerfGE 7, 198, 210.

[28] Siehe VerfGH Bln 70/06, Beschl. v. 22. Januar 2008, Rn. 21.

[29] Siehe VerfGH Bln 70/06, Beschl. v. 22. Januar 2008, Rn. 26.

[30] Z.T. wird noch verlangt, dass darüber hinaus „schlüssig“ dargelegt werden muss, „dass die öffentliche Gewalt Schutzmaßnahmen entweder überhaupt nicht getroffen hat oder dass offensichtlich die getroffenen Regelungen und Schutzmaßnahmen gänzlich ungeeignet oder völlig unzulänglich sind, das Schutzziel zu erreichen.“, BVerfGE 77, 170, 215. Dies aber führt „zu einer bedenklichen Parallelität des Prüfprogramms von Zulässigkeit und Begründetheit und zu einer grundsätzlich zu vermeidenden Überfrachtung der Zulässigkeitsprüfung mit materiellen Rechtsfragen.“, Möstl, S. 1033, der vorschlägt, höchstens zu verlangen, dass es nach dem Vortrag des Beschwerdeführers nicht ausgeschlossen sein muss, dass das Schutzniveau nicht ausreicht. Wie hier verzichtet auf beides Degenhart, Fall 12, sowie Calliess/Kallmayer, JuS 1999, S. 785-791, 789.

[31] Da es hier nicht um staatliches Handeln geht, ist der Begriff der Beeinträchtigung dem des Eingriffs vorzuziehen.

[32] Wieland, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Band I: Art. 1-19, 2. Auflage, 2005, Art. 14, Rn. 31. Dass auch u.U. öffentlich-rechtlich begründete Rechte in den Schutzbereich von Art. 14 Abs. 1 GG fallen, bedarf vorliegend nicht der Erörterung, vgl. dazu m. w. N. Wieland, ebd., Rn. 53 ff.

[33] Pieroth/Schlink, Rn. 912 ff.

[34] BVerfGE 79, 283, 290.

[35] BVerfGE 95, 173, 187 f. m.w.N.

[36] BVerfGE 97, 169, 176 f.; vgl. auch BVerfGE 81, 242, 254 f.; BVerfGE 89, 214, 232 f.; BVerfG, 1 BvR 1909/06 v. 23.11.2006, Abs. 49 = NJW 2007, 286, 287.

[37] BVerfGE 101, 361, 388. Vgl. dazu Pieroth/Schlink, Rn. 1172 ff.

[38] BVerfGE 68, 361, 372; 89, 1, 9.

[39] VerfGH Bln 70/06, Beschl. v. 22. Januar 2008, Rn. 17.

[40] BVerfGE 90, 241, 247 f.

[41] BVerfGE 7, 198, 212.

[42] BVerfGE 76, 171, 192.

[43] BVerfGE 93, 266, 289.

[44] BVerfGE 7, 198, 210.

[45] Siehe VerfGH Bln 70/06, Beschl. v. 22. Januar 2008, Rn. 21.

[46] Siehe VerfGH Bln 70/06, Beschl. v. 22. Januar 2008, Rn. 26.


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