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Luftangriff (Lösungsvorschlag)

Erste Frage: Zulässigkeit des von Brandenburg angestrengten Bund-Länder-Streits

Nach dem Sachverhalt hat die brandenburgische Landesregierung den von ihr gestellten Antrag ausdrücklich als "Antrag nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 3 GG, § 13 Nr. 7, §§ 68 ff. BVerfGG" gestellt. Insoweit ist für eine – grundsätzlich mögliche[1] – Auslegung oder Umdeutung der Anträge durch das BVerfG im Sinne einer Optimierung des Rechtsschutzes kein Raum.[2] Die Prüfung hat sich daher auf die Zulässigkeit des Antrags als Antrag im Bund-Länder-Streitverfahren nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 3 GG, § 13 Nr. 7, §§ 68ff. BVerfGG zu beschränken. Er ist zulässig, wenn die Sachentscheidungsvoraussetzungen nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 3 GG i.V.m. § 13 Nr. 7, §§ 68ff. BVerfGG vorliegen. 

I. Beteiligtenfähigkeit des Antragstellers (Art. 93 Abs. 1 Nr. 3 GG, § 68 BVerfGG)

Nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 3 GG können Beteiligte im Bund-Länder-Streit nur der Bund und die Länder sein. Nach § 68 BVerfGG ist aber nur die brandenburgische Landesregierung als Kollegialorgan berechtigt, für Brandenburg diesen Antrag zu stellen. Dies ist hier geschehen. Der Antragsteller ist damit beteiligtenfähig. 

II. Beteiligtenfähigkeit des Antragsgegners (Art. 93 Abs. 1 Nr. 3, § 68 BVerfGG)

Der Bund ist grundsätzlich tauglicher Antragsgegner im Bund-Länder-Streit nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 3 GG. Nach der eindeutigen Regelung des § 68 BVerfGG war der Antrag, wie geschehen, auch gegen die Bundesregierung zu richten. Diese vertritt den Bund im Verfahren nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 3 GG unter Ausschluss etwa sonst zuständiger Vertretungsorgane.[3] Ein Antrag, der etwa gegen den Bundestag als demjenigen, der für das Gesetz eigentlich verantwortlich ist, gerichtet wäre, wäre damit unzulässig. 

III. Tauglicher Bund-Länder-Streitgegenstand (Art. 93 Abs. 1 Nr. 3 GG, § 69 i.V.m. § 64 Abs. 1 BVerfGG)

Gegenstand des Bund-Länder-Streits kann nur eine "Maßnahme oder Unterlassung" des Antragsgegners sein, während der Wortlaut des Art. 93 Abs. 1 Nr. 3 GG eine "Meinungsverschiedenheit über die Rechte und Pflichten des Bundes und der Länder" genügen lässt, also weniger auf ein kontradiktorisches Verfahren, in dem zwei Beteiligte um ihre Kompetenzen streiten, als auf ein objektives Beanstandungsverfahren zur Klärung abstrakter Rechtsfragen hindeutet. Das BVerfG hat die Ausgestaltung des Bund-Länder-Streitverfahrens als kontradiktorisches Verfahren durch das BVerfGG jedoch immer als zulässig, wenn nicht sogar als verfassungsrechtlich geboten erachtet.[4]

Die brandenburgische Landesregierung greift hier ausdrücklich das 1. LuftSiGÄndG als solches an. Das Gesetz als solches ist jedoch bei genauer Betrachtung keine Maßnahme des Bundes, sondern nur das Ergebnis einer solchen Maßnahme, nämlich des Gesetzgebungsakts[5] bzw. der Erlass des Gesetzes[6]. Ob ein solcher Gesetzgebungsakt Gegenstand eines Bund-Länder-Streitverfahrens sein kann, ist allerdings zweifelhaft: Dagegen könnte sprechen, dass in einem Fall, in dem sich der Bund oder ein Land durch ein von der "anderen Seite" erlassenes Gesetz in seinen Rechten verletzt sieht, eher eine abstrakte Normenkontrolle nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG, §§ 76ff. BVerfGG dem eigentlichen Rechtsschutzziel zu entsprechen scheint, da hiermit nicht nur die Feststellung der Verfassungswidrigkeit des Gesetzgebungsakts (§ 69 i.V.m. § 67 BVerfGG), sondern auch die Nichtigkeitserklärung der angegriffenen Norm selbst (vgl. § 78 BVerfGG) erreicht werden kann. Hieraus könnte auf einen Vorrang des Verfahrens nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG vor dem Verfahren nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 3 GG geschlossen werden.[7] Jedoch hat das BVerfG bisher keine Rangfolge zwischen abstrakter Normenkontrolle nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG und Bund-Länder-Streitigkeit nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 3 GG aufgestellt: Es sei ein Unterschied, ob eine Landesregierung unter den Voraussetzungen des § 76 Nr. 1 oder 2 BVerfGG ein rechtliches Interesse daran hat, in einem Verfahren vor dem BVerfG, das keine Beteiligten kennt, abstrakt feststellen zu lassen, dass eine bundesgesetzliche Vorschrift mit einer übergeordneten Norm unvereinbar und deshalb nichtig ist, oder ob sie diese Feststellung begehrt, weil jene Vorschrift nach ihrer Auffassung in ihre eigenen Rechte und Kompetenzen oder in die verfassungsmäßig geschützten Rechte des Landes eingreift. Liegen die Sachurteilsvoraussetzungen für beide Verfahren vor, steht es der Landesregierung somit frei, von welchen Rechtsschutzmöglichkeiten sie Gebrauch macht oder ob sie sogar beide Verfahren nebeneinander einleitet.[8] Dem entspricht, dass im Bund-Länder-Streitverfahren der eigentliche Antragsteller das Land ist, während bei der abstrakten Normenkontrolle nicht das Land, sondern "nur" bestimmte Landesorgane beteiligtenfähig sind. Es kann aber nicht angehen, eine Verfahrensart, die einer bestimmten Person eröffnet ist, nur deshalb auszuschließen, weil eine andere Person dasselbe Rechtsschutzziel auf anderem Wege besser erreichen kann.

Anmerkung: Siehe zum Parallelproblem bei Organstreitverfahren den Leistungs-orientiertes-Wahlrecht-Fall.

Damit ist der Erlass des 1. LuftSiGÄndG tauglicher Gegenstand des Bund-Länder-Streits nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 3 GG. Wenn es darum geht, ob der Bund oder ein Land durch Erlass eines Gesetzes Rechte der anderen Seite verletzt haben, wird das hierdurch begründete Rechtsverhältnis auch stets vom Verfassungsrecht und nicht (bloß) durch die einfachgesetzliche Ebene geprägt, so dass keine verwaltungsrechtliche, föderale Streitigkeit vorliegt, für deren Entscheidung nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 GG i.V.m. § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO die Verwaltungsgerichte zuständig wären. 

IV. Antragsbefugnis (§ 69 i.V.m. § 64 Abs. 1 BVerfGG)

Der Antrag Brandenburgs ist im Verfahren nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 3 GG, § 69 i.V.m. § 64 Abs. 1 BVerfGG jedoch nur zulässig, wenn Brandenburg antragsbefugt ist, also geltend machen kann, dass es durch das 1. LuftSiGÄndG in seinen, ihm durch das Grundgesetz gewährten Rechten, verletzt ist. Die Antragsbefugnis ist somit nur dann gegeben, wenn Brandenburg geltend machen kann, dass durch den Erlass des 1. LuftSiGÄndG seine verfassungsrechtlichen Rechtspositionen verletzt werden können. Dies liegt nicht schon dann vor, wenn das 1. LuftSiGÄndG mit dem Grundgesetz unvereinbar ist. Das Bund-Länder-Streitverfahren nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 3 GG begründet keine allgemeine Verfassungsaufsicht der Länder über den Bund (und umgekehrt). Vielmehr können die Länder im Verfahren nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 3 GG nur die Achtung solcher Verfassungsnormen durchsetzen, die die Rechtsbeziehungen zwischen der Bundes- und der Landesstaatsgewalt und damit die Auswirkungen der Bundesstaatsgewalt auf das Verfassungsleben der Landesstaatsgewalt (und umgekehrt) betreffen.[9]

Hier rügt Brandenburg eine Verletzung der Regelung über die Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen (Art. 70ff. GG), die Verletzung der Regelungen über die Verteilung der Verwaltungskompetenzen (Art. 30, Art. 83ff. GG), die Missachtung des in Art. 87 Abs. 1 Satz 2 GG vorausgesetzten "Wesens" des Bundesgrenzschutzes, die Verletzung der Regelungen über die Zulässigkeit des Streitkräfteeinsatzes (Art. 87a Abs. 2 GG) und die Verletzung von Grundrechten durch den durch § 15 Abs. 2 LuftSiG n. F. zugelassenen Abschuss von Flugzeugen. Fraglich ist somit, ob diese Bestimmungen jeweils auch die Rechtsbeziehungen zwischen der Bundes- und der Landesstaatsgewalt prägen und damit im Rahmen eines Bund-Länderstreits verfassungsgerichtlich durchgesetzt werden können. 

1. Antragsbefugnis wegen Verletzung der Art. 30, Art. 70ff. und Art. 83ff. GG

Die Antragsbefugnis ist jedenfalls gegeben, soweit Brandenburg geltend macht, der Bund habe mit dem Erlass des 1. LuftSiGÄndG seine Gesetzgebungskompetenzen überschritten und verstoße zudem gegen die verfassungsrechtliche Aufteilung der Verwaltungskompetenzen nach Art. 30, Art.83 ff. GG, indem er die Luftsicherheitsaufgaben in bundeseigene Verwaltung überführe und zudem der Bundespolizei (und damit dem Bundesgrenzschutzbehörden i. S. d. Art. 87 Abs. 1 Satz 2 GG, vgl. § 2 BPolG) zuweise. Dass die Regelungen über die Verteilung der Gesetzgebungs- und Verwaltungskompetenzen im Bund-Länder-Verhältnis im Bund-Länder-Streit durchsetzbare Rechtspositionen sind, ist unbestritten.[10] 

2. Antragsbefugnis wegen Übertragung der Luftsicherheitsaufgaben gerade auf die Bundespolizei

Zweifelhaft ist jedoch, ob Brandenburg im Bund-Länder-Streitverfahren nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 3 GG, §§ 68ff. BVerfG auch geltend machen kann, dass die Übertragung der Luftsicherheitsaufgaben gerade auf die Bundespolizei gegen deren durch Art. 87 Abs. 1 Satz 2 GG implizit vorausgesetztes "Wesen" als Bundesgrenzschutzbehörde verstoße. Denn grundsätzlich wird die organisatorische Ausgestaltung der Verwaltungseinrichtungen des Bundes und damit auch die Zuweisung von Verwaltungsaufgaben auf Bundesbehörden durch die Art. 86ff. GG nicht näher geregelt. Vielmehr belässt das Grundgesetz den zuständigen Bundesorganen einen Spielraum, um den verschiedenartigen und sich ständig wandelnden organisatorischen Erfordernissen Rechnung zu tragen und damit eine wirkungsvolle und leistungsfähige Verwaltung gewährleisten zu können.[11] Wenn also der Bund berechtigt ist, bestimmte Verwaltungsaufgaben durch eigene Behörden wahrzunehmen, können grundsätzlich verfassungsrechtliche Rechtspositionen der Länder nicht allein dadurch verletzt werden, dass er diese Verwaltungsaufgaben einer bestimmten Behörde zuweist: Wie der Bund die bundeseigene Verwaltung organisiert, betrifft im Grundsatz allein den Verfassungsraum des Bundes und nicht die verfassungsrechtlichen Rechtsbeziehungen zwischen Bund und Ländern.

Jedoch ist nicht von vornherein ausgeschlossen, dass Art. 87 Abs. 1 Satz 2 GG, indem er dem Bund ausdrücklich gestattet (nur) Bundesgrenzschutzbehörden (das ist die Bundespolizei, vgl. § 2 BPolG) zu gründen, hiermit zugleich zum Ausdruck bringt, es sei dem Bund verwehrt, eine allgemeine Bundespolizei zu errichten, die insgesamt in Konkurrenz zu den Landespolizeibehörden tritt. Dass Art. 87 Abs. 1 Satz 2 GG eine solche "überschießende" Funktion zukommt, erscheint nicht als von vornherein ausgeschlossen.[12] Kommt Art. 87 Abs. 1 Satz 2 GG eine solche Funktion zu, würde dies aber auch eine besondere Garantie der grundsätzlichen "Polizeigewalt" der Länder bedeuten und damit die grundsätzliche Zuständigkeit der Länder für die Gefahrenabwehr unter einen besonderen verfassungsrechtlichen Schutz stellen. Unter diesem Gesichtspunkt erscheint es daher nicht als von vornherein ausgeschlossen, dass mit einer solchen, in Art. 87 Abs. 1 Satz 2 GG implizit enthaltenen Beschränkung der Organisationsgewalt des Bundes, zugleich auch auf die Einhaltung dieser Rechte gerichtete verfassungsrechtliche Rechte der Länder korrespondieren. Auch soweit Brandenburg eine Verletzung des Art. 87 Abs. 1 Satz 2 GG rügt, ist somit eine Antragsbefugnis gegeben. 

3. Antragsbefugnis wegen Verletzung des Art. 87a Abs. 2 GG

Zweifelhaft ist darüber hinaus, ob Brandenburg auch aus der jedenfalls den Einsatz der Streitkräfte im Innern beschränkenden Regelung des Art. 87a Abs. 2 GG eigene Rechte herleiten kann, ob Brandenburg also auch insoweit antragsbefugt ist, als es die Verletzung des Art. 87a Abs. 2 GG durch den Erlass des § 14, § 15 LuftSiG n. F. rügt. Insoweit ist jedenfalls unstreitig, dass Art. 87a Abs. 2 GG den – hier allein in Betracht kommenden – Einsatz der Streitkräfte im Inland begrenzt, so dass eine Verletzung des Art. 87a Abs. 2 GG durch § 14, § 15 LuftSiG n. F. jedenfalls nicht von vornherein als ausgeschlossen erscheint.

Dies könnte jedoch Rechte der Länder dann nicht verletzen, wenn der Verfassungsvorbehalt für den Streitkräfteeinsatz ausschließlich dem Schutz der Bürger vor einem Streitkräfteeinsatz im Innern, als – potentiell grundrechtsgefährdendes – hoheitliches Machtmittel dienen sollte. Dass dies auch Ziel der Normierung des Verfassungsvorbehalts des Art. 87a Abs. 2 GG war, lässt sich zwar relativ unproblematisch den Gesetzgebungsmaterialien entnehmen.[13] Die Bedeutung des Art. 87a Abs. 2 GG auf diesen bürgerschützenden Aspekt zu begrenzen, wäre jedoch zu eng: Wie insbesondere die Ausnahmeregelung des Art. 87a Abs. 4 i.V.m. Art. 91 Abs. 2 GG zeigt, dient der Verfassungsvorbehalt des Art. 87a Abs. 2 GG auch der gliedstaatlichen Souveränität, indem er dem notwendigerweise zentralstaatlichen, innerstaatlichen Streitkräfteeinsatz – und damit auch den Möglichkeiten des Bundeszwangs nach Art. 37 Abs. 1 GG – Grenzen zieht: Erst ein bewaffneter Aufstand soll den Einsatz der Streitkräfte nach Art. 87a Abs. 4 i.V.m. Art. 91 Abs. 2 GG rechtfertigen und dies auch nur dann, wenn sich das Land entsprechend Art. 91 Abs. 2 GG weigert, selbst einzuschreiten.

Damit ist Art. 87a Abs. 2 GG auch Ausdruck der Eigenstaatlichkeit der Länder, der für jeden militärischen Eingriff in ihren Kompetenzraum, auch eben den Ländern gegenüber, eine verfassungsrechtliche Rechtfertigung verlangt.[14] Folglich kann Brandenburg auch aus Art. 87a Abs. 2 GG eigene Rechte herleiten.

 Anmerkung: Dagegen hat BVerfG, 2 BvE 5/07 v. 4. 5. 2010, Abs. 45 ff. = BVerfGE 126, 55, 67 f. es für ausgeschlossen gehalten, dass durch eine Verletzung des Art. 87a Abs. 2 GG durch einen rechtswidrigen Einsatz der Bundeswehr im Innern Rechte des Bundestages i. S. des § 64 BVerfG verletzt sein könnten (hierzu Ladiges NVwZ 2010, 1075, 1076 f.).

4. Antragsbefugnis wegen Grundrechtsverletzungen

Demgegenüber könnte die Antragsbefugnis fehlen, soweit Brandenburg geltend macht, die Regelung des § 15 Abs. 2 LuftSiG n. F. verstoße gegen die Grundrechte der Betroffenen. Die Länder haben dem Bund gegenüber kein einforderbares Recht, dass dieser die Grundrechte nicht verletzt. Die Länder sind weder selbst Träger von Grundrechten, noch können sie allgemein als "Sachwalter" des Einzelnen bei der Wahrnehmung seiner Grundrechte angesehen werden; sie haben – anders als der Bund nach Art. 28 Abs. 3 GG gegenüber den Ländern – keine Garantenstellung für die Einhaltung der Grundrechte durch den Bund.[15]

Grundrechtsverletzungen durch den Bund vermögen damit allenfalls dann verfassungsrechtliche Rechte der Länder zu verletzen, wenn der Bund unter grober Missachtung seiner Grundrechtsbindung Maßnahmen treffen sollte, die im Hinblick auf die damit einhergehende allgemeine Gefährdung oder Verletzung bedeutender Rechtsgüter schlechthin nicht verantwortet werden kann, weil Bund und Länder gemeinsam Verantwortung für den Bestand des Staates und seiner Verfassungsordnung sowie die Abwehr kollektiver Existenzgefährdungen tragen. Der grobe Verfassungsverstoß, die unmittelbare Gefährdung der Allgemeinheit in Leben und Gesundheit oder eine sonstige Grenze verantwortbaren Handelns durch den Bund kann somit auf den Kompetenzbereich der Länder "durchschlagen".[16] Dass diese Grenze durch den Erlass des § 15 Abs. 2 LuftSiG n F. überschritten wird, lässt sich jedoch nicht annehmen, zumal das Grundgesetz keinen absoluten Lebensschutz kennt, sondern auch das Grundrecht auf Leben unter Gesetzesvorbehalt (Art. 2 Abs. 2 Satz 3 GG) stellt (näher unten B.V.).

Soweit sich Brandenburg auf die Verletzung von Grundrechten durch § 15 Abs. 2 LuftSiG n. F. beruft, fehlt ihm folglich die Antragsbefugnis. 

4. Ergebnis zu IV

Brandenburg ist somit nur insoweit antragsbefugt, als es in dem Erlass des 1. LuftSiGÄndG eine Verletzung der Art. 30, Art. 70ff., Art.83ff. und Art. 87a Abs. 2 GG sieht. Soweit eine Grundrechtsverletzung durch den Erlass des § 15 Abs. 2 LuftSiG n. F. geltend gemacht wird, ist der Antrag demgegenüber unzulässig. 

V. Form und Frist (§ 69 i.V.m. § 64 Abs. 3 BVerfGG)

Form und Frist des § 69 i.V.m. § 64 Abs. 3 BVerfGG wurden laut Sachverhalt eingehalten. 

VI. Ergebnis zu A

Der Antrag ist damit zulässig, soweit Brandenburg die Verletzung der Art. 30, Art. 70ff., Art. 83ff. und Art. 87a Abs. 2 GG durch den Erlass des 1. LuftSiGÄndG rügt. Soweit die Verletzung von Grundrechten geltend gemacht wird, ist der Antrag unzulässig.

 

B) Zweite Frage: Verfassungsmäßigkeit der §§ 13ff. LuftSiG i.d.F. des 1. LuftSiGÄndG

Entsprechend den Hinweisen im Sachverhalt ist zu untersuchen, ob der Bund für den Erlass des 1. LuftSiGÄndG die Gesetzgebungskompetenz hatte, ob die von § 13 LuftSiG n. F. implizit angeordnete Überführung der Luftsicherheitsaufgaben in die bundeseigene Verwaltung mit den Regelungen über die Verteilung der Verwaltungskompetenzen (Art. 30, Art. 83ff.) übereinstimmt, ob die Übertragung der Luftsicherheitsaufgaben gerade auf die Bundespolizei gegen das in Art. 87 Abs. 1 Satz 2 GG vorausgesetzte "Wesen" des Bundesgrenzschutzes verstößt, ob §§ 14 f. LuftSiG n. F. mit Art. 87a Abs. 2 GG vereinbar ist und ob § 15 Abs. 3 LuftSiG n. F. mit den Grundrechten der von einem solchen Einsatz Betroffenen vereinbar ist. Weitere Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes, insbesondere im Hinblick auf das Gesetzgebungsverfahren, bestehen nicht. Zudem ist nach dem eindeutigen Bearbeitervermerk nicht auf die mögliche Verfassungswidrigkeit des LuftSiG in seiner ursprünglichen Fassung einzugehen. 

I. Gesetzgebungskompetenz des Bundes für den Erlass des 1. LuftSiGÄndG

Zunächst ist fraglich, ob dem Bund für den Erlass des LuftSiGÄndG die Gesetzgebungskompetenz zustand: Eine solche Kompetenz könnte sich aus Art. 73 Nr. 6 GG ergeben. Dann müsste es sich bei dem Regelungsanliegen des LuftSiG, nämlich – entsprechend dessen § 1 – dem Schutz vor Angriffen auf die Sicherheit des Luftverkehrs, insbesondere vor Flugzeugentführungen, Sabotageakten und terroristischen Anschlägen zu dienen – um eine Regelung des "Luftverkehrs" handeln, dieser Gesetzgebungskompetenztitel also auch zur Regelung der polizeilichen Sicherheit des Luftverkehrs ermächtigen[17] und damit dem Bund die Kompetenz zur Regelung der Abwehr von Gefahren für den Luftverkehr und die vom Luftverkehr ausgehenden Gefahren für Dritte zusprechen. Dies wäre jedoch ausgeschlossen, wenn der Bereich der Gefahrenabwehr einen eigenständigen Bereich darstellen würde, der von Art. 73ff. GG nicht umfasst wird und damit nach Art. 70 Abs. 1 GG allein der Gesetzgebungszuständigkeit der Länder unterfällt.

Ein solches Verständnis der Art. 70ff. GG hat das BVerfG jedoch bisher strikt abgelehnt. Die Gesamtheit der Normen, die der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung dienen, bilden hiernach keinen selbständigen Sachbereich i.S.d. Art. 70ff. GG. Die Ordnungsgewalt könne vielmehr als Annex des Sachbereichs erscheinen, auf dem sie tätig wird; die Zuständigkeit zur Gesetzgebung in einem Sachbereich umfasse daher auch die Regelung der Ordnungs- oder Polizeigewalt in diesem Sachbereich. Soweit der Bund daher ein Recht zur Gesetzgebung auf einem bestimmten Lebensgebiet hat, muss er demnach auch das Recht haben, die dieses Lebensgebiet betreffenden spezialpolizeilichen Vorschriften zu erlassen. Normen, die der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung dienen, sind daher jeweils dem Sachbereich zuzurechnen, zu dem sie in einem notwendigen Zusammenhang stehen. Nur solche Regelungen, bei denen die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung den alleinigen und unmittelbaren Gesetzeszweck bilden, können einem selbständigen Sachbereich zugeordnet werden, der als Polizeirecht im engeren Sinne bezeichnet werden könnte und in die (alleinige) Zuständigkeit der Landesgesetzgebung fällt.[18] Dabei kann es nicht darauf ankommen, ob es darum geht, den zu regelnden Sachbereich vor Gefahren zu schützen, die von "außen" auf ihn einwirken, oder darum, die Außenwelt vor den Gefahren zu schützen, die von dem zu regelnden Sachbereich ausgehen. Entscheidend ist vielmehr, dass der Anknüpfungspunkt der Regelung eben der Luftverkehr ist, sei es als Schutzobjekt einer besonderen Gefahrenabwehrregelung, sei es als potentielle Gefahrenquelle.[19]

Nach diesen Grundsätzen ist anzunehmen, dass auch die Regelung der vom Luftverkehr ausgehenden Gefahren bzw. der Gefahren des Luftverkehrs von der Gesetzgebungskompetenz des Bundes für den "Luftverkehr" nach Art. 73 Nr. 6 GG umfasst ist.[20] Dies lässt sich zusätzlich damit begründen, dass ein Luftverkehr ohne eine staatlich verbürgte Luftsicherheit als schlichtweg unvorstellbar erscheint und sich die in Zusammenhang mit dem Luftverkehr abzuwehrenden Gefahren auch nicht hinreichend lokalisieren lassen, wie dies für eine Zuständigkeit des Landesgesetzgebers letztlich notwendig wäre.[21]

Damit stand dem Bund nach Art. 73 Nr. 6 GG die Gesetzgebungskompetenz für den Erlass des 1. LuftSiGÄndG zu. 

Anmerkung: In seiner Entscheidung zu § 14 LuftSiG hat der 1. Senat des BVerfG (BVerfG, 1 BvR 357/05 v. 15.2.2006, Rn. 91 = BVerfGE 115, 118, 141) dagegen Art. 73 Abs. 1 Nr. 6 GG nicht für einschlägig gehalten, sondern auf eine Bundesgesetzgebungskompetenz kraft Natur der Sache aus Art. 35 Abs. 2 und 3 GG rekurriert (dem folgend z. B. Franz, Der Staat 45 [2006], S. 501, 525) und deren Voraussetzungen nicht für gegeben erachtet. Damit wurde die Frage der Zulässigkeit des Bundeswehreinsatzes mit der Frage der Gesetzgebungskompetenz zur Regelung des Bundeswehreinsatzes vermengt, was wenig überzeugte und die Prüfung jedenfalls nicht übersichtlicher machte. Der 2. Senat des BVerfG wollte daher von abweichen und hat die Frage der Gesetzgebungskompetenz für das Luftsicherheitsgesetz dem Plenum des BVerfG (§ 16 BVerfG) vorgelegt (BVerfG, 2 BvF 1/05 v. 3.5.2011 = BVerfGE 128, 325 f.). Das Plenum hat dann tatsächlich entgegen dem 1. Senat entschieden: Die Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes für das LuftSiG ergebe sich als Annexkompetenz zu Art. 73 Abs. 1 Nr. 6 GG (BVerfG, 2 PBvU 1/11 v. 3.7.2012, Abs. 15 ff. = BVerfGE 132, 1, 5 ff.). Art. 35 Abs. 2 und 3 GG werden ausdrücklich als Kompetenzgrundlage verworfen. Broscheit (DÖV 2013, 802, 805 ff.) hält schließlich mit beachtlichen Argumenten Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 Alt 2 GG (Schutz der Zivilbevölkerung) für einschlägig (hiergegen z. B. die Fallbearbeitung von Haug, Jura 2013, 959, 960). Das Plenum des BVerfG hat diese Frage offen gelassen: BVerfG, 2 PBvU 1/11 v. 3.7.2012, Abs. 22 = BVerfGE 132, 1, 9).

 

II. Verfassungsmäßigkeit des § 13 LuftSiG n. F., soweit er die Luftsicherheitsaufgaben in die bundeseigene Verwaltung überführt

Unabhängig von der Frage der Gesetzgebungskompetenz bestimmt sich die Frage, ob der Bund die Wahrnehmung der Luftsicherheitsaufgaben Bundesbehörden zuweisen durfte. Nach den Grundsätzen des Art. 30, Art. 83 GG kommt eine solche Anordnung bundeseigener Verwaltung nur in Betracht, wenn dies vom Grundgesetz gestattet wird. 

1. Zugehörigkeit der "Luftsicherheitsaufgaben" zur "Luftverkehrsverwaltung" nach Art. 87d Abs. 1 Satz 1 GG

Insoweit könnte als "Ermächtigungsnorm" Art. 87d Abs. 1 Satz 1 GG in Betracht kommen, nach dem die "Luftverkehrsverwaltung" in bundeseigener Verwaltung geführt wird. Damit stellt sich die Frage, ob die Wahrnehmung der Aufgaben nach § 1 LuftSiG noch der "Luftverkehrsverwaltung" zugerechnet werden kann, und zwar sowohl hinsichtlich der Bewältigung der vom Luftverkehr ausgehenden Gefahren, als auch der Gefahren, die dem Luftverkehr drohen. Das BVerfG hat dies jedenfalls insoweit anerkannt, als sich der Schutz vor Sabotageakten, Flugzeugentführungen und terroristischen Anschlägen etc. auf die Überwachung des Zugangs zum Flugverkehr und die Aufsicht über die Luftfahrtgesellschaften bezieht, es sich also letztlich um eine "Vorfeldkontrolle" in Zusammenhang mit allgemeinen Aufgaben der Luftverkehrsverwaltung handelt.[22] Die §§ 13ff. LuftSiG n. F. gehen jedoch offensichtlich noch darüber hinaus, weil sie dem Bund auch die Aufgabe der Bekämpfung der vom Luftverkehr ausgehenden Gefahren schlechthin zuweisen und damit insbesondere auch unabhängig von einem konkreten "Flughafenbezug" sind. Jedoch macht die Existenz des Art. 87d Abs. 1 Satz 1 GG wohl auch für sich allein hinreichend deutlich, dass es sich bei der Gewährleistung der Luftsicherheit um eine überörtliche, die Grenzen der Bundesländer überschreitende Verwaltungsaufgabe handelt; dies gilt insbesondere auch deshalb, weil sich die abzuwehrenden Gefahren nicht wirklich lokalisieren lassen:[23] Würde die Erfüllung der Luftsicherheitsaufgaben bei einem Entführungsfall nicht in vollem Umfang der Verwaltungszuständigkeit des Bundes nach Art. 87d Abs. 1 Satz 1 GG zugeordnet, ließe sich etwa – jedenfalls solange das Flugzeug noch in der Luft ist – das örtlich zuständige Land kaum bestimmen: Soll es darauf ankommen, welche Gebiete das Flugzeug gerade überfliegt oder auf den Sitz des "Towers", von dem aus versucht wird, mit den Entführern Kontakt aufzunehmen?

Damit entspräche es Art. 87d Abs. 1 Satz 1 GG, auch die Luftsicherheitsaufgaben nach § 1 LuftSiG vollständig in bundeseigene Verwaltung zu überführen.[24] 

2. Besonderheiten des "Zurückholens" einer zunächst nach Art. 87d Abs. 2 GG auf die Länder übertragenen Aufgabe

Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 13 LuftSiG n. F. könnten jedoch daraus hergeleitet werden, dass § 16 Abs. 2 LuftSiG a. F. entsprechend Art. 87d Abs. 2 GG die Aufgaben der Luftsicherheitsbehörden weitgehend den Ländern als Auftragsangelegenheit übertragen hat, da Art. 87d Abs. 2 GG ausdrücklich nur den Fall der Übertragung von Aufgaben der Luftverkehrsverwaltung auf die Länder, nicht aber den umgekehrten Fall der Zurückübertragung einer einmal den Ländern zugewiesenen Aufgabe auf Bundesbehörden regelt. Jedoch besteht kein Anlass, Art. 87d Abs. 2 GG als "Einbahnstraße" zu begreifen und dem Bund auf diese Weise zu verwehren, einmal den Ländern als Auftragsangelegenheit zugewiesene Aufgaben wieder – dem Regelfall des Art. 87d Abs. 1 Satz 1 GG entsprechend – in die bundeseigene Verwaltung zurück zu überführen.[25] Dies gilt zumindest dann, wenn der Rückübertragungsakt alle Anforderungen erfüllt, die Art. 87d Abs. 2 GG an den Übertragungsakt stellt – also hier die Regelung durch ein Gesetz mit Zustimmung des Bundesrates.[26] Dies ist im vorliegenden Fall gegeben. Auf die Frage, ob eine solche Rückübertragung auch auf andere Weise erfolgen kann,[27] kommt es damit hier nicht an. 

Anmerkung: Das BVerfG (BVerfG, 2 BvL 8, 9/07 v. 4. 4. 2010, Abs. 153 f. = BVerfGE 126, 77, 110 f.) hat hierzu mittlerweile klargestellt, dass es im Fall des Art. 87d Abs. 2 GG für eine solche Rückübertragung jedenfalls keiner Zustimmung des Bundesrats bedarf: An der besonders gewichtigen Berührung der föderalen Ordnung und des Interessenbereichs der Länder, der die grundgesetzlichen Erfordernisse einer Zustimmung des Bundesrates Rechnung trügen, fehle es, wenn den Ländern ein Aufgabenbereich entzogen werde, der ihnen nach der primären grundgesetzlichen Aufgabenzuordnung (vgl. Art. 87d Abs. 1 Satz 1 GG) ohnehin nicht zugewiesen sei. Siehe hierzu auch BVerfG, 2 BvF 3/92 v. 28.1.1998, Abs. 105 f. = BVerfGE 97, 198, 226 f.; BVerfG, 2 BvF 1/05 v. 20. 3. 2013, Abs. 57 f. und 86 ff. = BVerfGE 133, 241, 261 f. und 271 ff.; Jutzi, DÖV 1992, 653 ff.; Papier, DVBl. 1992, 1, 6 f.; Ronellenfitsch, VerwArch 90 (1999), S. 139, 159; Schreiber, DVBl. 1992, 589, 595.

 

 

3. Ergebnis zu II

Die Überführung der Luftsicherheitsaufgaben auf die bundeseigene Verwaltung entspricht daher Art. 87d Abs. 1 Satz 1 GG und ist folglich verfassungsgemäß. 

III. Verfassungsmäßigkeit des § 13 LuftSiG n. F., soweit er Luftsicherheitsaufgaben gerade auf die Bundespolizei überträgt

Darf der Bund somit die Wahrnehmung von Luftsicherheitsaufgaben auf Bundesbehörden übertragen, so ist noch nicht festgestellt, dass er diese Aufgaben auch und gerade der Bundespolizei übertragen darf.[28] 

1. Luftsicherheitsaufgaben als Bundesgrenzschutzaufgaben?

Dies wäre nach Art. 87 Abs. 1 Satz 2 GG unproblematisch nur möglich, wenn es sich bei den Luftsicherheitsaufgaben um Aufgaben handeln würde, die bereits nach Art. 87 Abs. 1 Satz 2 GG den "Bundesgrenzschutzbehörden" (das ist die Bundespolizei, vgl. § 2 BPolG) übertragen werden könnten. Jedoch ermöglicht Art. 87 Abs. 1 Satz 2 GG nicht die Errichtung einer Behörde mit beliebigen Aufgaben. Der Wortbestandteil "Grenzschutz" bezeichnet vielmehr zugleich, welche Aufgaben die "Bundesgrenzschutzbehörden" wahrnehmen dürfen: Dies ist eben der "Grenzschutz", also der Schutz der Grenzen des Bundesgebiets durch die Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs, einschließlich der hiermit verbundenen polizeilichen Funktionen. Unerheblich ist, ob diese Aufgaben an der Grenze wahrgenommen werden; so erfolgt die Kontrolle auch auf Flughäfen, in Seehäfen oder auf Bahnhöfen, von denen aus die Grenze, wenn auch in räumlicher Distanz, überschritten werden kann, sowie im "Hinterland".[29] Demgegenüber kann die Durchführung von Aufgaben, die keinen unmittelbaren Bezug zur Grenze aufweisen, keine Grundlage in Art. 87 Abs. 1 Satz 2 GG finden:[30] Dafür spricht insbesondere auch, dass das Grundgesetz dem Bundesgrenzschutz weitere Aufgaben ausdrücklich zuweist, die über den Schutz der Grenze hinausgehen (Art. 35 Abs. 2 und 3, Art. 91, Art. 115f Abs. 1. GG). Wären die Bundesgrenzschutzbehörden i. S. des Art. 87 Abs. 1 Satz 2 GG hinsichtlich ihrer Aufgaben nicht von vornherein auf Grenzschutzaufgaben beschränkt, hätte es solcher Ausnahmeregelungen nicht bedurft.[31]

Hieraus folgt, dass die Wahrnehmung der Luftsicherheitsaufgaben nach § 1 LuftSiG keine Grenzschutzaufgaben i.S.d. Art. 87 Abs. 1 Satz 2 GG sind, so dass sich eine Ermächtigung, diese Aufgaben gerade der Bundespolizei zu übertragen, auch nicht aus Art. 87 Abs. 1 Satz 2 GG ergeben kann. 

2. Zulässigkeit der Übertragung grenzschutzfremder Aufgaben auf die Bundespolizei?

Damit stellt sich die Frage, ob Art. 87 Abs. 1 Satz 2 GG dem Bund verbietet, solche Verwaltungsaufgaben, die keine Grenzschutzaufgaben sind, für die dem Bund aber nach einer anderen Bestimmung des Grundgesetzes die Verwaltungskompetenz zusteht, auf die nach Art. 87 Abs. 1 Satz 2 GG errichteten Grenzschutzbehörden zu übertragen. 

a) Bedeutung der systematischen Stellung des Art. 87 Abs. 1 Satz 2 GG

Ein solches Verbot der Übertragung grenzschutzfremder Aufgaben auf die nach Art. 87 Abs. 1 Satz 2 GG errichteten Bundesgrenzschutzbehörden aus Art. 87 Abs. 1 Satz 2 GG selbst herzuleiten, wäre jedenfalls atypisch: Zweck der im VIII. Abschnitt des Grundgesetzes aufgeführten Gegenstände bundeseigener Verwaltung ist grundsätzlich nicht die kompetenzielle Festschreibung und Abschottung der Bundesbehörden im Verhältnis untereinander, sondern die Abgrenzung der Gegenstände bundeseigener Verwaltung gegenüber den Ländern. Begrenzt man die Funktion der in Art. 87 Abs. 1 Satz 2 GG enthaltenen Ermächtigung zur Errichtung von Bundesgrenzschutzbehörden auf diesen Zweck, so bedeutet diese Regelung nichts weiter, als dass der Bund auch die Aufgabe des Bundesgrenzschutzes durch eigene Behörden wahrnehmen darf, ohne dass sich der Regelung Vorgaben darüber entnehmen ließen, durch welche Behörden der Bund diese Aufgaben wahrnehmen lassen darf und welche Aufgaben die mit dem Bundesgrenzschutz beauftragten Behörden sonst wahrnehmen dürfen. Nach dieser Sichtweise wäre folglich die Übertragung bundesgrenzschutzfremder Aufgaben auf die Bundespolizei – soweit dem Bund auch hinsichtlich dieser bundesgrenzschutzfremden Aufgaben die Verwaltungskompetenz zusteht – verfassungsrechtlich unproblematisch.[32] 

b) Generelles Verbot einer "Konzentration" der Polizeiaufgaben des Bundes auf die Bundespolizei?

Jedoch könnte aus dem Umstand, dass das Grundgesetz an verschiedenen Stellen den Bundesgrenzschutzbehörden ausdrücklich grenzschutzfremde Aufgaben zuweist (Art. 35 Abs. 2 und 3, Art. 91, Art. 115f Abs. 1. GG), im Umkehrschluss geschlossen werden, dass das Grundgesetz insgesamt die Zuständigkeiten der Bundesgrenzschutzbehörden abschließend regelt und damit Art. 87 Abs. 1 Satz 2 GG den Bund nicht nur ermächtigt, Bundesgrenzschutzbehörden zu errichten, sondern ihm zugleich verbietet, diesen Behörden auch solche sonderpolizeilichen Aufgaben zuzuweisen, für die der Bund zwar die Verwaltungskompetenz hat, die aber im Grundgesetz nicht ausdrücklich als Aufgaben des Bundesgrenzschutzes aufgeführt sind. Auch die Formulierung des Art. 87 Abs. 1 Satz 2 GG könnte dafür sprechen, dass dem Verfassungsgeber einer Konzentration der dem Bund zustehenden Gefahrenabwehrbefugnisse bei einer "Zentralbehörde" fremd war: Denn neben den "Bundesgrenzschutzbehörden" werden dort die "Zentralstellen" für die dort näher bezeichneten Sachbereiche erwähnt, so dass hieraus geschlossen werden könnte, der Verfassungsgesetzgeber sei von einer Mehrzahl von Bundesbehörden im "Polizeibereich" ausgegangen. Folgt man dem, wäre jegliche einfachgesetzliche Zuweisung grenzschutzfremder Aufgaben auf die Bundesgrenzschutzbehörden und damit die auf Grundlage des Art. 87 Abs. 1 Satz 2 GG errichtete Bundespolizei verfassungsrechtlich ausgeschlossen.[33] 

c) Verbot der Errichtung einer allgemeinen Bundespolizei?

Das BVerfG[34] geht nicht so weit, dass es generell die Zuweisung grenzschutzfremder Gefahrenabwehraufgaben auf die auf Grundlage des Art. 87 Abs. 1 Satz 2 GG errichteten Bundesgrenzschutzbehörden für ausgeschlossen hält, sieht aber eine Übertragung solcher Aufgaben auf diese Bundesbehörden auch nicht unbeschränkt als zulässig an. Dies wird insbesondere damit begründet, dass die Einfügung des Art. 87 Abs. 1 Satz 2 GG in das Grundgesetz als eine Reaktion auf den sog. "Polizeibrief" der Alliierten vom 14. April 1949[35]  zu verstehen sei, der dem Bund erstmals die Errichtung eigener Polizeibehörden gestattete, aber nur begrenzt auf die sonderpolizeiliche Aufgabe des Bundesgrenzschutzes.[36] Das BVerfG schließt hieraus und aus dem Umstand, dass das Grundgesetz in Art. 35 Abs. 2 und 3, Art. 91 Abs. 2 und Art. 115f GG den Bundesgrenzschutzbehörden nur punktuell grenzschutzfremde Aufgaben zuweist, auf die Unzulässigkeit einer einfachgesetzlichen Zuweisung grenzschutzfremder Aufgaben auf die nach Art. 87 Abs. 1 Satz 2 GG errichtete Bundesgrenzschutzbehörde, wenn dies dazu führt, dass diese Behörde ihr Gepräge als Sonderpolizei des Bundes zur Sicherung der Grenzen des Bundes und zur Abwehr bestimmter, das Gebiet oder die Kräfte eines Landes überschreitender Gefahrenlagen (Art. 35 Abs. 2 und 3, Art. 91 Abs. 2, Art. 115f GG) verliert. Sie dürften nicht der Sache nach zu einer allgemeinen Bundespolizei ausgebaut werden, die mit den Landespolizeien konkurriert.

Anmerkung: Die Umbenennung des "Bundesgrenzschutzes" in "Bundespolizei" durch das Gesetz zur Umbenennung des Bundesgrenzschutzes in Bundespolizei vom 26. Juni 2005 wird man nicht als Verstoß gegen dieses Urteil sehen können, weil durch diese Umbenennung nur die nach Art. 87 Abs. 1 Satz 2 GG errichteten Bundesgrenzschutzbehörden umbenannt, nicht aber deren Befugnisse erweitert werden, deutlich BT-Drs. 15/5217, S. 35; Scheuring, NVwZ 2005, 903 f.

Nach dieser Auffassung würde die Bundespolizei mit der Zuweisung aller Aufgaben der Luftsicherheit wohl ihr Gepräge als "Sonderpolizei" des Bundes immer noch nicht verlieren, da es sich bei diesen Aufgaben – wovon eben auch Art. 87d Abs. 1 Satz 1 GG ausgeht – um schlechthin überörtliche Aufgaben handelt, die das Gebiet eines Landes überschreiten.[37] 

d) Ergebnis zu 2.

Insgesamt dürften die besseren Argumente jedenfalls gegen ein vollständiges Verbot der einfachgesetzlichen Übertragung grenzschutzfremder Aufgaben auf die Bundespolizei sprechen, das aus dem "Wesen" der von Art. 87 Abs. 1 Satz 2 GG angesprochenen Bundesgrenzschutzbehörden hergeleitet wird. Dies wird der systematischen Stellung des Art. 87 Abs. 1 Satz 2 GG kaum gerecht, der sich eben grundsätzlich nicht mit der Abgrenzung der Behördenzuständigkeiten auf Bundesebene beschäftigt. Die Anhaltspunkte für eine (atypische) verfassungsrechtliche "Absicherung" einer Mehrheit von (Sonder-)Polizeibehörden auf Bundesebene sind wohl zu gering. Daher ist auch zweifelhaft, ob dem BVerfG darin zu folgen ist, dass die Bundesgrenzschutzbehörde durch die Zuweisung "grenzschutzfremder Aufgaben" ihr Gepräge als Grenzschutzbehörde nicht verlieren dürfe, zumal die Argumentation mit dem "Polizeibrief" der Alliierten nach Erlangung vollständiger Souveränität Deutschlands (Zwei-plus-Vier-Vertrag) nicht unbedingt als angemessen erscheint.[38] Dies kann jedoch dahinstehen, da die Übertragung der Luftsicherheitsaufgaben auf die Bundespolizei auch nach Auffassung des BVerfG noch zulässig ist. Dementsprechend verstößt § 13 LuftSiG auch nicht gegen ein von Art. 87 Abs. 1 Satz 2 GG vorausgesetztes "Wesen" der Bundespolizei als Bundesgrenzschutzbehörde und ist auch insoweit verfassungsgemäß. 

IV. Vereinbarkeit der § 14, § 15 LuftSiG n. F. mit Art. 87a Abs. 2 GG

Die § 14, § 15 LuftSiG n. F. könnten jedoch gegen Art. 87a Abs. 2 GG verstoßen. Dies wäre gegeben, wenn es sich bei dem nach § 14, § 15 LuftSiG n. F. möglichen Einsatz der Bundeswehr um einen "Einsatz" im Sinne des Art. 87a Abs. 2 GG handeln würde, wenn dieser "Einsatz" keine "Verteidigung" i.S.d. Art. 87a Abs. 2 GG wäre und wenn er nicht ausdrücklich durch das Grundgesetz zugelassen würde. 

1. Einsatz nach § 14, § 15 LuftSiG n. F. als "Einsatz" i.S.d. Art. 87a Abs. 2 GG?

Fraglich ist damit zunächst, ob es sich bei den von § 14, § 15 LuftSiG n. F. ermöglichten Maßnahmen der Streitkräfte um einen "Einsatz" i.S.d. Art. 87a Abs. 2 GG handeln würde. Insoweit besteht über die Voraussetzungen des "Einsatzbegriffs" im einzelnen keine Einigkeit: Nach h. M. meint "Einsatz" (zumindest) den Einsatz der Streitkräfte als Vollzugsorgane.[39] Unerheblich ist, ob der Einsatz bewaffnet oder unbewaffnet ist.[40]

Weshalb nur die Verwendung der Streitkräfte als "Vollzugsorgane" ein "Einsatz" sein soll, bleibt allerdings unklar. Man wird wohl eher Stein[41]  zuzustimmen haben, nach dem unter "Einsatz" i.S.d. Art. 87a Abs. 2 GG jede funktionsgerechte Verwendung einer Einheit im Rahmen der militärischen Befehlsgewalt und nach militärischen Führungsgrundsätzen zu verstehen ist, so dass Art. 87a Abs. 2 GG jede Verwendung der Bundeswehr schlechthin umfassen würde und nur Maßnahmen des inneren Dienstbetriebes aus seinem Anwendungsbereich herausfielen.

Auf diesen Meinungsstreit kommt es jedoch vorliegend nicht an: Denn § 15 LuftSiG n. F. macht deutlich, dass die Bundeswehr hier als Vollzugsorgan eingesetzt werden soll: Es sollen Flugzeuge abgedrängt, zur Landung gezwungen, mit Waffengewalt bedroht oder gar abgeschossen werden. Hierbei handelt es sich nach allen Auffassungen um "Einsätze" i.S.d. Art. 87a Abs. 2 GG,[42] so dass der Verfassungsvorbehalt des Art. 87a Abs. 2 GG greift. 

2. Abwehr von Terrorangriffen nach § 14, § 15 LuftSiG n. F. als "Verteidigung" i.S.d. Art. 87a Abs. 2 GG?

Fraglich ist deshalb, ob es sich bei den von § 14, § 15 LuftSiG n. F. zugelassenen Einsätzen, um Einsätze "zur Verteidigung" i.S.d. Art. 87a Abs. 2 GG handelt. 

Anmerkung: Das BVerfG (1 BvR 357/05 v. 15.2.2006, Abs. 95 ff. = BVerfGE 115, 118, 143 ff.) ging in seiner Entscheidung zum LuftSiG auf diese Frage gar nicht ein, ging also als selbstverständlich davon aus, dass kein "Verteidigungsfall" gegeben war, der zu einem Bundeswehreinsatz berechtigte.

a) Gleichsetzung des Verteidigungsbegriffs mit dem Begriff des "Verteidigungsfalls" des Art. 115a GG

Bei der Auslegung des Begriffs "Verteidigung" könnte man sich insoweit an der Definition des Begriffs "Verteidigungsfall" in Art. 115a Abs. 1 Satz 1 GG orientieren: "Verteidigung" i.S.d. Art. 87a Abs. 2 GG wäre dann (nur) die angemessene Reaktion auf einen Verteidigungsfall i.S.d. Art. 115a Abs. 1 Satz 1 GG, also auf einen Angriff auf das Bundesgebiet mit Waffengewalt oder das unmittelbare Drohen eines solchen Angriffs.[43] Jedoch erscheint eine derart einschränkende Auslegung des Verteidigungsbegriffs nicht überzeugend: Die Art. 115a ff. GG regeln die Notstandsverfassung, also die Organisation der Staatsgewalt im Krieg. Das "Kriegsrecht" soll aber nur ausgerufen werden können, wenn das Funktionieren der normalen Staatsorganisation in Frage gestellt ist. Dies hat aber unmittelbar nichts mit der Frage zu tun, wann die Bundeswehr eingesetzt werden kann. Der Begriff "Verteidigung" in Art. 87a Abs. 2 GG ist also nicht zwingend mit der Reaktion auf den "Verteidigungsfall" i.S.d. Art. 115a GG gleichzusetzen.[44] 

b) "Verteidigung" als Abwehr jeglicher militärischer und paramilitärischer Eingriffe?

Kann somit Art. 115a Abs. 1 GG zur Auslegung des "Verteidigungsbegriffs" in Art. 87a Abs. 2 GG nicht herangezogen werden, könnte – entsprechend dem allgemeinen Sprachgebrauch – "Verteidigung" schlicht als Abwehr eines Angriffs verstanden werden: Der Wortlaut des Art. 87a Abs. 2 GG legt weder das Objekt der Verteidigung, die Modalitäten der Angriffshandlung, noch die Art und den Status des Angreifers fest. Es handelt sich also um einen "offenen Verfassungsbegriff".[45] Aus Art. 35 Abs. 2 und 3, Art. 87a Abs. 3 und 4 und Art. 91 Abs. 2 GG lässt sich jedoch entnehmen, dass der Verfassungsgeber der Bundeswehr grundsätzlich keine allgemeinen Gefahrenabwehraufgaben zusprechen wollte. Daher ist die "Verteidigung" i.S.d. Art. 87a Abs. 2 GG jedenfalls von der "Gefahrenabwehr" abzugrenzen,[46] so dass unter "Verteidigung" von vornherein nur die Abwehr solcher Angriffe verstanden werden kann, für die der Einsatz militärischer Mittel notwendig ist.[47] Dies kann allenfalls bei solchen Gegnern in Betracht kommen, die – wie Staaten – über eine quasi-militärische Organisations- und Kommandostruktur sowie (zumindest zum Zeitpunkt des Angriffs) über Zerstörungs- und Verheerungspotentiale verfügen, die den Waffen regulärer Armeen gleichkommen und deren Angriffen deshalb die "normalen Polizeikräfte" schlicht nicht gewachsen sind. Teilweise wird dementsprechend schon das Vorliegen dieser Voraussetzungen für sich allein als ausreichend angesehen, um die Abwehr solcher Angriffe als "Verteidigung" i.S.d. Art. 87a Abs. 2 GG zu qualifizieren.[48]

Diese Sichtweise, nach der auch die Abwehr militärisch organisierter Angriffe aus dem Inland zur "Verteidigung" i.S.d. Art. 87a Abs. 2 GG wäre, ist jedoch mit der besonderen Regelung des "inländischen Bürgerkriegs" in Art. 91 Abs. 2 i.V.m. Art. 87a Abs. 4 GG nicht zu vereinbaren. Denn Art. 87a Abs. 4 GG sieht insoweit - als Ausnahme zu Art. 87a Abs. 2 GG - unter besonders qualifizierten Voraussetzungen den Einsatz der Bundeswehr im Inland zur Bekämpfung organisierter und militärisch bewaffneter Aufständischer ausdrücklich vor. Die besonderen Qualifizierungstatbestände dieser Ausnahmebestimmung würden unterlaufen, wenn die Bekämpfung militärisch bewaffneter Gegner schlechthin als "Verteidigung" angesehen werden könnte, zu der die Bundeswehr bereits nach Art. 87a Abs. 2 GG berechtigt wäre.[49] 

c) "Verteidigung" als Selbstverteidigung i.S.d. Art. 51 UN-Charta

Zutreffend dürfte daher die – im Grundsatz wohl nach wie vor herrschende – Ansicht sein, die den Begriff der "Verteidigung" in Art. 87a Abs. 2 GG letztlich als spiegelbildliche Regelung zu Art. 26 GG einerseits und Art. 51 der UN-Charta andererseits versteht und damit zur "Verteidigung" i.S.d. Art. 87a Abs. 2 GG nur solche militärischen Angriffsabwehrmaßnahmen rechnet, die in Ausübung des individuellen und kollektiven Selbstverteidigungsrechts nach Art. 51 UN-Charta erfolgen, die also der Abwehr von militärischen Angriffen fremder Staaten oder solcher (terroristischer) Verbände dienen, deren Verhalten fremden Staaten nach völkerrechtlichen Grundsätzen zugerechnet werden kann.[50] Der Angriff muss damit einen Außenbezug haben und einem fremden Staat oder einem sonstigen Völkerrechtssubjekt zugerechnet werden können:[51] es reiche aus, wenn eine Steuerung des Angriffs aus dem Ausland vorliege; eine Zurechnung zu einem Völkerrechtssubjekt sei nicht erforderlich. 

d) Vorliegen von "Verteidigung" im Fall der § 14, § 15 LuftSiG n. F.

Folgt man der zuletzt genannten Auffassung, kann zwar im Einzelfall der in § 14 Abs. 1 LuftSiG n. F. angesprochene "Luftzwischenfall" ein Angriff sein, dessen Abwehr als "Verteidigung" i.S.d. Art. 87a Abs. 2 GG zu qualifizieren ist, weil eine Zurechnung zu einem fremden Staat erfolgen kann – man denke nur an die Kamikaze-Flieger des Zweiten Weltkriegs. Jedoch unterscheiden § 14 und § 15 LuftSiG n. F. nicht zwischen "nur" kriminellen und schon kriegerischen "Luftzwischenfällen", so dass die dort vorgesehene Reaktion auf diese "Luftzwischenfälle" auch nicht generell als "Verteidigung" i.S.d. Art. 87a Abs. 2 GG angesehen werden kann.[52] Tatsächlich dürfte der "nur" kriminelle Luftzwischenfall die Regel sein: Bei der im Sachverhalt geschilderten Entführung der Aeroflot-Maschine wäre etwa kaum eine Zurechung des bezweckten Angriffs zu einem fremden Staat (in Betracht käme wohl nur Russland) oder einem anderen Völkerrechtssubjekt zu konstruieren. Selbst hinsichtlich der Anschläge des 11. Septembers 2001 ist umstritten, ob sie tatsächlich ein "kriegerischer Akt" waren (mit der Folge, dass sich die U.S.A. für Gegenmaßnahmen auf Art. 51 UN-Charta berufen konnten) oder "nur" tausendfacher Mord "normaler" Verbrecher.[53]

Die in § 14, § 15 LuftSiGÄndG n. F. vorgesehene Reaktion auf die "Luftzwischenfälle" i.S.d. § 14 Abs. 1 LuftSiG n. F. kann damit grundsätzlich nicht als "Verteidigung" i.S.d. Art. 87a Abs. 2 GG angesehen werden. 

e) Ergebnis zu 2.

Bei den von § 14, § 15 LuftSiG n. F. zugelassenen Einsätzen handelt es sich folglich nicht um Einsätze "zur Verteidigung" i.S.d. Art. 87a Abs. 2 GG. 

3. Ausdrückliche Zulassung des Einsatzes nach § 14, § 15 LuftSiG n. F. im Grundgesetz

Da § 14 und § 15 LuftSiG n. F. folglich einen "Einsatz" der Streitkräfte regeln, der nicht der "Verteidigung" i.S.d. Art. 87a Abs. 2 GG dient, kommt es für deren Verfassungsmäßigkeit darauf an, ob dieser Einsatz vom Grundgesetz ausdrücklich zugelassen ist. Dabei sollte das Erfordernis der "ausdrücklichen Zulassung" klarstellen, dass keine ungeschriebenen Einsatzmöglichkeiten der Bundeswehr im Innern aus der Natur der Sache abgeleitet werden. Die Möglichkeiten des Einsatzes der Bundeswehr (im Innern) sollten durch ein Gebot "strikter Texttreue" begrenzt werden.[54] Damit schließt Art. 87a Abs. 2 GG insbesondere auch aus, auf neue Formen der Bedrohung der "inneren Sicherheit" mit einer "flexiblen" Auslegung des Grundgesetzes zu reagieren[55]  oder seine Bestimmungen analog auf andere Sachverhalte anzuwenden:[56] Das Grundgesetz verlangt m.a.W. eine Verfassungsänderung auch dann, wenn der Nichteinsatz der Bundeswehr zur Abwehr bestimmter Gefahren dem gesunden Menschenverstand widerspricht (oder zu widersprechen scheint) und politisch unverantwortlich ist (oder zu sein scheint). Es gilt letztlich der Grundsatz "Fiat iustitia, pereat mundus".[57] 

a) Art. 35 Abs. 1 GG

Eine "ausdrückliche Zulassung" für die nach § 14, § 15 LuftSiG n. F. vorgesehenen Bundeswehreinsätze könnte sich jedoch aus Art. 35 Abs. 1 GG ergeben. Dies wäre dann der Fall, wenn man diese Regelungen als besondere Ausformung des in Art. 35 Abs. 1 GG normierten Amtshilfegrundsatzes verstehen könnte. Grundsätzlich wird man auch die Bundeswehr als "Behörde" i.S.d. Art. 35 Abs. 1 GG und damit zur Amtshilfe gegenüber anderen Stellen (und damit auch gegenüber der Bundespolizei) als verpflichtet ansehen können.[58] Es ist jedoch bereits fraglich, ob die in § 15 LuftSiG n. F. vorgesehenen Maßnahmen noch als Maßnahmen der "Amtshilfe" für die Bundespolizei i.S.d. Art. 35 Abs. 1 GG verstanden werden können.[59] Dies braucht jedoch nicht geklärt zu werden, da es jedenfalls ausgeschlossen ist, Art. 35 Abs. 1 GG als eine Bestimmung des Grundgesetzes zu verstehen, die i.S.d. Art. 87a Abs. 2 GG den "Einsatz" der Streitkräfte ausdrücklich zulässt. Von einer solchen "ausdrücklichen Zulassung" wird man nur sprechen können, wenn eine Vorschrift des Grundgesetzes von einem bestimmten Handeln (gerade) der Streitkräfte spricht, wie dies bei Art. 35 Abs. 2 und 3, Art. 87a Abs. 3 und 4 GG auch geschehen ist.[60] Art. 87a Abs. 2 GG schließt damit einen Rückgriff auf Art. 35 Abs. 1 GG aus, soweit die Streitkräftehandlung in einem "Einsatz" i.S.d. Art. 87a Abs. 2 GG bestehen soll.[61]

Art. 35 Abs. 1 GG würde damit Bundeswehreinsätze nach § 14, § 15 LuftSiG n. F. nicht decken, da diese Einsätze "Einsätze" i.S.d. Art. 87a Abs. 2 GG sind (siehe B.IV.1.). 

b) Art. 35 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 GG

Die von § 14, § 15 LuftSiG n. F. geregelten Bundeswehreinsätze könnten jedoch durch Art. 35 Abs. 2 und Abs. 3 GG gedeckt sein. Diese Bestimmungen ermöglichen den Einsatz der Streitkräfte zur Hilfe bei Naturkatastrophen und besonders schweren Unglücksfällen, wobei Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG den Fall erfasst, dass sich die aus einer solchen Katastrophe ergebenden Folgen nur regional auswirken, während Art. 35 Abs. 3 GG den Fall einer länderübergreifenden Katastrophe betrifft. Die Tatbestandsvoraussetzungen dieser Bestimmungen sind jedoch weitgehend identisch,[62] so dass deren Voraussetzungen gemeinsam geprüft werden können. Als "Naturkatastrophe" i.S. beider Bestimmungen kann ein "Luftzwischenfall" i.S.d. des § 14 Abs. 1 LuftSiG n. F. offensichtlich nicht qualifiziert werden. Daher können diese Regelungen nur anwendbar sein, wenn der von § 14 Abs. 1 LuftSiG n. F. angesprochene "Luftzwischenfall" ein "besonders schwerer Unglücksfall" i.S.d. Bestimmungen ist, wenn es sich bei den nach § 15 LuftSiG n. F. zugelassenen Maßnahmen um Maßnahmen "zur Hilfe" bei einem solchen Unglücksfall handelt und wenn Art. 35 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 GG auch den Fall erfassen, dass die Bundeswehr Gefahrenabwehrmaßnahmen wahrnimmt, die – wie hier (vgl. § 13 LuftSiG n. F.) – in die reguläre Zuständigkeit des Bundes fallen. 

aa) "Luftzwischenfall" i.S.d. § 14 Abs. 1 LuftSiG n. F. als "besonders schwerer Unglücksfall"?

Gemeinsame Tatbestandsvoraussetzung der Art. 35 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 GG ist zunächst das Vorliegen eines "besonders schweren Unglücksfalls". Dies liegt bei Schadensereignissen von großem Ausmaß und von Bedeutung für die Öffentlichkeit vor, die durch Unfälle, technisches oder menschliches Versagen ausgelöst oder von Dritten absichtlich herbeigeführt werden.[63] Sie müssen ihrem Gewicht nach mit einer "Naturkatastrophe" vergleichbar sein.[64] Hieraus wird man ersehen können, dass der von § 14 Abs. 1 LuftSiG n. F. angesprochene "Luftzwischenfall" als solcher noch nicht als "besonders schwerer Unglücksfall" angesehen werden kann, weil er zunächst nur Luftfahrzeuginsassen betrifft und damit (noch) keine Außenwirkung hat.[65]

Ein "besonders schwerer Unglücksfall" kann jedoch in dem von § 14 Abs. 1 LuftSiG n. F. ebenfalls angesprochenen Einsatz des Luftfahrzeugs zur Vernichtung von Menschenleben in gemeingefährlicher Weise gesehen werden. Wird das Luftfahrzeug in dieser Weise eingesetzt, also insbesondere gezielt in dicht besiedelten Gebieten oder über gefährlichen Anlagen (Chemiefabriken, Atomkraftanlagen) zum Absturz gebracht, wird man dies grundsätzlich als besonders schweren Unglücksfall ansehen können.[66]

bb) Maßnahmen nach § 15 LuftSiG n. F. als Maßnahmen "zur Hilfe" bei einem "besonders schweren Unglücksfall"?

Es ist jedoch fraglich, ob die in § 15 LuftSiG n. F. vorgesehenen Maßnahmen der Bundeswehr als Maßnahmen "zur Hilfe" bei einem besonders schweren Unglücksfall angesehen werden können. Denn sie dienen zunächst der Abwehr des "Unglücksfalles" und nicht der Beseitigung seiner Folgen. Selbst wenn man die Abwehr eines Unglücksfalles generell noch als "Hilfe bei einem Unglücksfall" verstehen kann, stellt sich jedoch die Frage, ob Art. 35 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 GG die Bundeswehr – wie dies Art. 87a Abs. 2 GG verlangt – "ausdrücklich" auch zu den in § 15 LuftSiG n. F. genannten Maßnahmen ermächtigen.

(1) Abwehr eines Unglücksfalls als Hilfe bei einem Unglücksfall?

Ausgehend von dem "Gebot strikter Texttreue" des Art. 87a Abs. 2 GG könnte man zunächst davon ausgehen, dass die Bundeswehr auch im Fall des Art. 35 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 GG nicht bereits zur Verhinderung eines bevorstehenden Unglücksfalles, sondern erst zur Beseitigung von dessen Folgen eingesetzt werden darf. Dafür spricht insbesondere, dass das Grundgesetz der Bundeswehr grundsätzlich keine allgemeinen Gefahrenabwehrbefugnisse zuspricht, so dass es als systemfremd erscheinen könnte, aus Art. 35 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 GG eine Befugnis der Bundeswehr zur Verhinderung von Großschadensereignissen bereits dann herzuleiten, wenn eine Sachlage vorliegt, die in absehbarer Zeit mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einem Unglücksfall führen wird, wenn also nur die konkrete Gefahr eines Unglücksfalles vorliegt.[67]

Hieraus ein generelles Verbot präventiven Handelns der Bundeswehr im Fall des Art. 35 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 GG herzuleiten und die Bundeswehr damit letztlich zu verpflichten, den Eintritt eines Unglücksfalles abzuwarten, um dann dessen Folgen beseitigen zu können, erscheint dennoch nicht zwingend, zumal sich vielfach Unglücksgefahr und Unglückseintritt nicht deutlich trennen lassen.[68] Daher liegt es nahe – und vom Wortlaut des Art. 35 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 GG noch gedeckt – als "Hilfe bei einem Unglücksfall" auch solche Maßnahmen anzusehen, die einen Geschehensablauf beeinflussen, der –  bliebe er unbeeinflusst – mit Sicherheit und unmittelbar bevorstehend zu einem Unglücksfall führen würde. "Hilfe bei einem Unglücksfall" i.S.d. Art. 35 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 GG ist damit auch die Abwehr einer Unglücksfalls, dessen Ursache bereits "ausgelöst" worden ist oder mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bevorsteht.[69] Ist die Katastrophe bereits in Gang gesetzt und kann sie nur noch durch den Einsatz der Streitkräfte unterbrochen werden, muss also nicht abgewartet werden, bis der Schaden sich realisiert hat. Der Schadenseintritt muss jedoch unmittelbar bevorstehen.[70]

Folgt man dem, umschreibt § 14 Abs. 1 LuftSiG n. F. grundsätzlich eine Situation, bei der die Bundeswehr auch präventiv zur Verhinderung des Unglücksfalls i.S.d. Art. 35 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 GG herangezogen werden kann.[71]

(2) Maßnahmen nach § 15 LuftSiG n. F. als von Art. 35 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 GG "ausdrücklich zugelassene" Maßnahmen bei einem Unglücksfall?

Dies bedeutet jedoch noch nicht, dass Art. 35 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 GG bei "Luftzwischenfällen" i.S.d. § 14 Abs. 1 LuftSiG n. F. gerade auch die in § 15 LuftSiG n. F. aufgeführten Maßnahmen i.S.d. Art. 87a Abs. 2 GG "ausdrücklich" zulassen. Denn die "ausdrückliche" Zulassung i.S.d. Art. 87a Abs. 2 GG muss nicht nur das "Ob" eines Bundeswehreinsatzes umfassen, sondern grundsätzlich auch das "Wie" des Einsatzes, wie sich aus der Verwendung des Wortes "soweit" ergibt. Dies muss jedenfalls bedeuten, dass sich die "Zulassung" auch auf die konkreten Befugnisse der Bundeswehr beziehen muss, die deren Verwendung zum "Einsatz" i.S.d. Art. 87a Abs. 2 GG qualifizieren.[72] Bei dieser Sichtweise erscheint es als überaus zweifelhaft, ob die Befugnisse des § 15 LuftSiG n. F., die der Sache nach als Befugnis der Bundeswehr zum "Kampfeinsatz" zu verstehen sind, noch Befugnisse sind, die Art. 35 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 GG "ausdrücklich" i.S.d. Art. 87a Abs. 2 GG "zulassen". Die Annahme, diese Bestimmungen ermächtigten die Bundeswehr zu einem (quasi-) militärischen Kampf, liegt jedenfalls eher fern: Das Grundgesetz unterscheidet vielmehr deutlich zwischen einem Bundeswehrkampfeinsatz zur Abwehr militärisch organisierter Angreifer (Art. 84a Abs. 4 i.V.m. Art. 91 Abs. 2 GG) und einem – im Grundsatz – unpolitischen und nichtmilitärischen Einsatz der Bundeswehr im Unglücks- und Katastrophenfall. Angesichts dessen wird man unter Berücksichtigung des Gebots "strikter Textreue" einen regelrechten Kampfeinsatz der Bundeswehr im Innern nicht mehr als von Art. 35 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 GG gedeckt ansehen können und zwar auch dann nicht, wenn der Kampfeinsatz der Verhinderung eines Unglücksfalles dient.[73] Damit könnten auch Art. 35 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 GG Bundeswehreinsätze nach § 14, § 15 LuftSiG n. F. nicht decken.

Anmerkung: Der Regierungsentwurf zum Luftsicherheitsgesetz (BT-Drs. 15/2361, S. 20) und zahlreiche Stimmen in der Literatur (Baldus, NVwZ 2004, 1278, 1284; Hochhuth, NZWehrr 2002, 154, 161 f.; wohl auch Hillgruber, NWVBl. 2004, 176, 180; Wiefelspütz, NZWehrr 2003, 45, 61 f.) hatten demgegenüber entgegen der Entscheidung des 1. Senats des BVerfG zum LuftSiG (BVerfG, 1 BvR 357/05 v. 15.2.2006, Abs. 105 ff., 115 f. = BVerfGE 115, 118, 146 ff., 150 f.) angenommen, dass jegliche Verwendungsform der Bundeswehr im Sinne des Art. 87a Abs. 2 GG "ausdrücklich" zugelassen ist, wenn eine Bestimmung des Grundgesetzes den Bundeswehreinsatz nur überhaupt "ausdrücklich" zulässt. Diese Sichtweise wird von Gramm (DVBl. 2006, 653, 654; ähnlich wohl Baldus NVwZ 2006, 532, 535) mit der Notwendigkeit "effektiver Gefahrenabwehr" in Extremfällen begründet (ähnlich auch Hillgruber, JZ 2007, 209, 214; Hirsch, in: Festschrift Küper, 2007, S. 149 , 168 f.). Dies hat der 2. Senat des BVerfG wohl auch so gesehen; er wollte in seinem Verfahren zum LufSiG auch insoweit von der Entscheidung des 1. Senats  abweichen und hat daher die Frage dem Plenum des BVerfG (§ 16 BVerfG) vorgelegt (BVerfG, 2 BvF 1/05 v. 3. 5. 2011 = BVerfGE 128, 325 f.). Das Plenum des BVerfG hat nun einerseits den Einsatz militärischer Waffen im Fall des Art. 35 Abs. 2 und 3 GG durch die Bundeswehr nicht völlig ausgeschlossen, will dies aber andererseits durch eine Sperrwirkung des Art. 84 Abs. 4 GG begrenzen, dessen hohe Einsatzvoraussetzungen durch einen Rückgriff auf Art. 35 Abs. 3 GG nicht unterlaufen werden dürften (BVerfG, 2 PBvU 1/11 v. 3.7.2012, Abs. 24 ff. = BVerfGE 132, 1, 9 ff.). Was dies konkret bedeutet und welche konkreten Einsatzmöglichkeiten sich hieraus ergeben sollen, bleibt allerdings ziemlich unklar, worauf das Sondervotum des Richters Gaiers zu Recht hinweist (BVerfG, 2 PBvU 1/11 v. 3.7.2012, Abs. 87 ff. = BVerfGE 132, 1, 37 ff.), so dass uns die Argumentation des 1. Senats nach wie vor als überzeugender erscheint (wie hier ausführlich Bünnigmann, DVBl. 2013, 621 ff.; krit. auch Fastenrath, JZ 2012, 1128, 1130; a. A. wohl Schoch, Jura 2013, 255, 265).

 

cc) Anwendbarkeit der Art. 35 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 GG bei regulärer Gefahrenabwehrzuständigkeit des Bundes?

Geht man demgegenüber davon aus, dass Art. 35 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 GG grundsätzlich auch Kampfeinsätze der Bundeswehr zur Verhinderung von Unglücksfällen zulassen, ist dennoch zweifelhaft, ob diese Bestimmungen Einsätze nach § 14, § 15 LuftSiG n. F. decken können: Denn Art. 35 Abs. 2 Satz 2 und 3 GG betreffen im Grundsatz nur das Bund-Länder-Verhältnis, in dem sie (beim regionalen Notstand) die Länder ermächtigen, ihre eigenen Polizeikräfte durch Anforderung von Bundespolizei und Bundeswehr zu "ergänzen" bzw. (im länderübergreifenden Notstand) den Bund ermächtigen – in Abweichung von Art. 30 GG – die Polizeigewalt der betroffenen Länder im Interesse einer besseren Koordinierung der betroffenen Stellen an sich zu ziehen. Beide Bestimmungen setzen damit voraus, dass die Bekämpfung der von der Katastrophe oder dem Unglücksfall ausgehenden Gefahren an sich Länderangelegenheit ist, in deren Wahrnehmung punktuell Bundesbehörden einbezogen werden.

Nach § 13 LuftSiG n. F. obliegt jedoch die Aufgabe der Luftsicherung bereits dem Bund und nach der Systematik des Gesetzes erscheinen § 14, § 15 LuftSiG n. F. als Ermächtigung zur Wahrnehmung von Luftsicherheitsaufgaben durch die Bundeswehr und nicht als Konkretisierung der Art. 35 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 GG. Insoweit erscheint es daher auch konsequent, dass § 14 und § 15 LuftSiG n. F. (anders als § 13, § 14 LuftSiG a. F.) keine Beteiligung der betroffenen Länder vorsehen und insbesondere der Bundeswehreinsatz auch nicht von einer entsprechenden Länderanforderung abhängig gemacht wird. § 14, § 15 LuftSiG n. F. lassen sich damit nicht in den von Art. 35 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 GG stillschweigend vorausgesetzten "Normalzustand" der Kompetenzen einordnen. Dies bedeutet aber auch, dass diese Bestimmungen den Einsatz der Bundeswehr in dem Fall, dass die Kräfte einer Bundesbehörde zur Wahrnehmung ihr obliegender Gefahrenabwehraufgaben nicht ausreichen, nicht vorsehen und ihn damit auch nicht i.S.d. Art. 87a Abs. 2 GG "ausdrücklich" zulassen. 

Anmerkung: Diese Frage wird in der Literatur nicht diskutiert (vgl. aber die Überlegungen von Stein, in: Festschrift Mußgnug, 2005, S. 85, 96 ff.). Von den Bearbeitern kann aber erwartet werden, dass sie erkennen, dass § 14 und § 15 LuftSiG n. F. die Länder bei einem Bundeswehreinsatz völlig außen vorlassen, so dass auch deshalb Art. 35 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 GG als Rechtsgrundlage für einen Bundeswehreinsatz nicht in Betracht kommen können.

dd) Ergebnis zu b

Damit lassen auch Art. 35 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 GG die in § 14, § 15 LuftSiG n. F. vorgesehenen Bundeswehreinsätze nicht i.S.d. Art. 87a Abs. 2 GG "ausdrücklich" zu.

c) Art. 87a Abs. 4 i.V.m. Art. 91 Abs. 2 GG

Die in § 14, § 15 LuftSiG n. F. vorgesehenen Bundeswehreinsätze könnten jedoch durch Art. 87a Abs. 4 GG ausdrücklich zugelassen sein. Hiernach kann die Bundeswehr dann, wenn in einem Land eine Gefahr für den Bestand des Bundes oder eines Landes oder die freiheitliche demokratische Grundordnung droht, und das Land nicht selbst zur Bekämpfung der Gefahr in der Lage ist, die Bundeswehr zur Bekämpfung organisierter und militärisch bewaffneter Aufständischer einsetzen, wenn insoweit der Einsatz der Landespolizeien und der Bundespolizei nicht ausreichen.

Auch diese Voraussetzungen werden jedoch im Fall des § 14 Abs. 1 LuftSiG n. F. zumeist nicht vorliegen: So können im Einzelfall zwar auch die Folgen eines "Luftzwischenfalls" i.S.d. § 14 Abs. 1 LuftSiG n. F. den Bestand des Bundes oder eines Landes oder die freiheitlich demokratische Grundordnung in Frage stellen, wenn die Folgen des Anschlages so verheerend sind, dass der Staat daraufhin zusammenbricht (dies wäre etwa vorstellbar, wenn ein Flugzeug in ein Atomkraftwerk gesteuert wird und als Folge dessen weite Teile des Bundesgebiets verstrahlt werden). Solche katastrophalen Folgen hatten aber noch nicht einmal die Anschläge des 11. September 2001.[74] Allein die Tötung und Verletzung Tausender bedroht damit im Regelfall noch nicht die Schutzgüter des Art. 91 Abs. 2 und des Art. 87a Abs. 4 GG. Ungeachtet dessen differenziert § 14 Abs. 1 LuftSiG auch nicht zwischen den Fällen, in denen organisierte und militärisch bewaffnete "Gruppierungen" einen "Luftzwischenfall" verursachen und anderen "Kämpfern". Schließlich wird man nicht jeden Terroristen oder Attentäter als "Aufständischen" bezeichnen können, weil es dem "Aufständischen" wohl darum gehen muss, selbst die Regierungsgewalt zu übernehmen.[75] Blinde, religiös oder "kriegerisch" motivierte Zerstörungswut macht den Zerstörer jedenfalls nicht zum "Aufständischen".

Damit lassen auch Art. 87a Abs. 4 i.V.m. Art. 91 Abs. 2 GG die in § 14 und § 15 LuftSiG n. F. vorgesehenen Bundeswehreinsätze nicht i.S.d. Art. 87a Abs. 2 GG "ausdrücklich" zu.[76]

d) Art. 87a Abs. 3 i.V.m. Art. 80a GG

Ebenso wenig werden die in § 14, § 15 LuftSiG n. F. vorgesehenen Bundeswehreinsätze durch Art. 87a Abs. 3 GG ausdrücklich zugelassen: Es ist schon fraglich, ob die in § 15 LuftSiG n. F. geschilderten Maßnahmen einer der in Art. 87a Abs. 3 GG genannten Handlungsbefugnisse zugeordnet werden kann. Jedenfalls liegen bei "Luftzwischenfällen" i.S.d. § 14 Abs. 1 LuftSiG n. F. in der Regel die Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 87a Abs. 3 GG nicht vor: Denn die Bestimmung verlangt das Vorliegen eines Verteidigungsfalls (Art. 115a Abs. 1 GG) oder eines Spannungsfalls (Art. 80a GG). Für beide "Fälle" – und damit auch für Einsätze nach Art. 87a Abs. 3 GG – ist konstitutive Voraussetzung ihre (förmliche) Feststellung durch die gesetzgebenden Körperschaften nach Art. 115a bzw. Art. 80a GG.[77] Da § 14 Abs. 1 LuftSiG n. F. den Einsatz der Bundeswehr nicht von einer solchen Feststellung abhängig macht, lässt auch 87a Abs. 3 GG die in § 14, § 15 LuftSiG n. F. vorgesehenen Bundeswehreinsätze nicht i.S.d. Art. 87a Abs. 2 GG "ausdrücklich" zu.[78]

e) Ergebnis zu 3

Die die in § 14 und § 15 LuftSiG n. F. vorgesehenen Bundeswehreinsätze werden damit durch das Grundgesetz nicht i.S.d. Art. 87a Abs. 2 GG "ausdrücklich" zugelassen.

4. Ergebnis zu IV

Da die in § 14, § 15 LuftSiG n. F. zugelassenen Bundeswehreinsätze "Einsätze" i.S.d. Art. 87a Abs. 2 GG sind, aber weder der "Verteidigung" dienen noch durch das Grundgesetz "ausdrücklich" zugelassen werden, verstoßen die in § 14 und § 15 LuftSiG n. F. enthaltenen Ermächtigungen gegen Art. 87a Abs. 2 GG und sind damit verfassungswidrig.

V. Vereinbarkeit des § 15 Abs. 2 LuftSiG n. F. mit den Grundrechten der von dem Abschussbefehl Betroffenen

Schließlich ist fraglich, ob § 15 Abs. 2 LuftSiG mit den Grundrechten der von dem Abschussbefehl Betroffenen vereinbar ist. Dazu ist zunächst der Regelungsinhalt dieser Bestimmung näher zu konkretisieren.

1. Konkretisierung des Regelungsinhalts des § 15 Abs. 2 LuftSiG n. F.

§ 15 Abs. 2 LuftSiG n. F. gibt die Befugnis zur Beschädigung oder Zerstörung eines Flugzeugs, auch wenn hierdurch Menschen getötet werden. Dabei erfasst § 15 Abs. 2 Satz 1 LuftSiG n. F. nur den Fall, dass hierdurch keine "Unbeteiligten" getötet oder verletzt werden. Hiermit übernimmt § 15 LuftSiG n. F. offenbar die Begrifflichkeiten der Regelungen über den polizeilichen Schusswaffengebrauch des Bundes (vgl. § 16 Abs. 2 Satz 2 UZwGBw) und der Länder, so dass für die Auslegung des § 15 Abs. 2 LuftSiG n. F. auf polizeirechtliche Grundsätze zurückgegriffen werden kann. Hiernach ist "Unbeteiligter" im Grundsatz jeder, der für die mit dem Waffeneinsatz bekämpfte Gefahr nach polizeirechtlichen Grundsätzen nicht verantwortlich ist; damit ist insbesondere auch die von einem Entführer bedrohte Geisel "Unbeteiligte".[79] Bei diesem Verständnis ermächtigt § 15 Abs. 2 Satz 1 LuftSiG n. F. zum Abschuss eines Luftfahrzeugs nur dann, wenn hierdurch ausschließlich die Verursacher des "Luftzwischenfalls" i.S.d. § 14 Abs. 1 LuftSiG n. F. getötet oder gefährdet werden. 

Kommt es zur Gefährdung/Tötung "Unbeteiligter", ist demgegenüber § 15 Abs. 2 Satz 2 LuftSiG n. F. einschlägig. Diese Bestimmung differenziert zwischen solchen "Unbeteiligten", die auch ohne den Waffeneinsatz mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auf Grund des "Luftzwischenfalls" den Tod finden werden, und anderen "Unbeteiligten". Nur die Tötung von ohnehin "Todgeweihten" ist nach § 15 Abs. 2 Satz 2 LuftSiG n. F. zulässig. Gleichzeitig stellt die Bestimmung klar, dass § 15 Abs. 2 LuftSiG n. F. jedenfalls nicht dazu ermächtigt, ein Flugzeug abzuschießen, wenn hierdurch solche Unbeteiligten gefährdet werden, die ohne einen solchen Eingriff durch den "Luftzwischenfall" und den Einsatz des Flugzeugs als "bemannte Bombe" nicht gefährdet würden. So ermächtigt auch § 15 Abs. 2 Satz 2 LuftSiG n. F. nicht dazu, zur Verhinderung der Kollision eines Flugzeugs mit einem "vollbesetzten" Hochhaus das Flugzeug über einem Wohngebiet abzuschießen, wenn damit gerechnet werden muss, dass die Bewohner dieses Gebiets durch herabstürzende Flugzeugteile in Lebensgefahr geraten können. Dies gilt nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut des § 15 Abs. 2 Satz 2 LuftSiG n. F. auch dann, wenn durch den Absturz weniger Menschenleben gefährdet werden als durch die Kollision mit dem Hochhaus. Es muss also nicht geprüft werden, ob eine Regelung verfassungsmäßig wäre, die den zuständigen Behörden gestattet, eine größere Anzahl von Menschen dadurch zu retten, dass eine kleinere Anzahl von Menschen geopfert wird, die bei ungehinderten Geschehensablauf von dem Geschehen unberührt blieben (siehe aber unten B V 3 a).

Bei der Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des § 15 Abs. 2 LuftSiG n. F. ist vielmehr nur die Zulässigkeit der Tötung der Verursacher des "Luftzwischenfalls", der Täter, und der Hinnahme des Todes der bei unveränderten Geschehensablauf ebenfalls "Todgeweihten", insbesondere der Passagiere eines entführten Passagierflugzeugs, das als "bemannte Bombe" benutzt werden soll, zu untersuchen. Insoweit kann bereits jetzt festgestellt werden, dass, wenn selbst die Tötung der Täter zum Schutz Dritter mit den Grundrechten der Täter unvereinbar ist, erst Recht keine Tötung der Unbeteiligten in Betracht kommen kann.

2. Tötung der Täter (§ 15 Abs. 2 Satz 1 LuftSiG n. F.)

Die von § 15 Abs. 2 Satz 1 LuftSiG n. F. (auch) zugelassene gezielte Tötung der Täter stellt einen Eingriff in deren Grundrecht auf Leben aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG dar. Hieran ändert sich auch nichts dadurch, dass im Fall des § 15 Abs. 2 Satz 1 LuftSiG n. F. der Täter mit seinem Selbstmordanschlag selbst "dem Tode geweiht" ist: Denn eine Tötung verliert ihre Qualität als Eingriff in Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG weder dadurch, dass der Betroffene ohnehin mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit sterben wird, noch dadurch, dass er mit seiner Tötung grundsätzlich einverstanden ist. Denn das Recht auf Leben endet erst mit dem Tod – und nicht bereits beim "Dem-Tod-Geweiht-Sein".[80] Es beinhaltet nach herrschende Auffassung auch kein Recht auf Selbsttötung, so dass die Einwilligung in die Tötung den Eingriff in Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG nicht ausschließt.[81]

Anmerkung: Auch wenn man (z. B. mit Pieroth/Schlink/Kingreen/Poscher Rn. 419) annimmt, das Recht zur Selbsttötung sei von Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG umfasst, ändert dies jedoch nichts daran, dass die Tötung von Selbstmordattentätern einen Eingriff in deren Recht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG darstellt, weil sich die "Einwilligung" des Attentäters nicht auf seinen Tod schlechthin bezieht, sondern nur auf seinen Tod in Zusammenhang mit einem "geglückten" Attentat (s. aber auch in diesem Zusammenhang den ganz anderen Ansatz von Merkel, JZ 2007, 373, 376 ff.)

Damit stellt sich die Frage, ob es mit Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG vereinbar ist, wenn ein Gesetz die staatliche Gewalt zur gezielten Tötung eines Menschen (gegen dessen Willen) ermächtigt. Nach der Systematik des Art. 2 Abs. 2 GG scheint (auch) das Recht auf Leben nach Art. 2 Abs. 2 Satz 3 GG unter einfachem Gesetzesvorbehalt zu stehen, so dass es nicht von vornherein als ausgeschlossen erscheint, dass ein einfaches Gesetz zu Eingriffen in das Leben ermächtigt.

a) Verletzung des Art. 102 GG durch staatliche Tötung?

Jedoch könnte vorliegend Art. 102 GG als "Spezialnorm" zu Art. 2 Abs. 2 Satz 3 GG und damit als besondere "Grundrechtseingriffsschranke" oder "Schranken-Schranke" eine gezielte Tötung (auch) der Selbstmordattentäter verbieten. Auch Art. 102 GG verbietet dem Gesetzgeber jedoch nicht generell, staatliche Behörden zu gezielten Tötungen zu ermächtigen, sondern verbietet nur die Wiedereinführung der Todesstrafe.

Anmerkung: Siehe hierzu den Todesstrafe-Fall.

Eine "Strafe" im Sinne des Grundgesetzes liegt jedoch nur vor, bei einer Maßnahme, die sich als "missbilligende hoheitliche Reaktion auf ein schuldhaftes Verhalten" darstellt. Sie ist von präventiven Maßnahmen der Gefahrenabwehr abzugrenzen. Daher fallen gezielte Tötungshandlungen in Zusammenhang mit der Gefahrenabwehr nicht in den Anwendungsbereich des Art. 102 GG.[82] Folglich verletzt § 15 Abs. 2 Satz 1 LuftSiG n. F. nicht Art. 102 GG, da es bei dieser Maßnahme nicht um die Bestrafung der Täter geht (auf deren Schuldfähigkeit es z. B. gar nicht ankommt), sondern um die Verhinderung der Tötung Dritter.

b) Verletzung des Art. 1 Abs. 1 GG durch staatliche Tötung?

Eine verfassungsrechtliche Rechtfertigung der Zulassung einer gezielten Tötung der Verursacher des "Luftzwischenfalls" könnte jedoch auch dann ausgeschlossen sein, wenn dies mit deren durch Art. 1 Abs. 1 GG garantierten Menschenwürde unvereinbar wäre. Denn es liegt die Annahme nahe, dass Art. 1 Abs. 1 GG (auch) dem Staat solche Einwirkungen auf das Leben eines Menschen verbietet, die den Menschen in seiner Personalität beeinträchtigen, weil sie über sein Leben gleichsam "verfügen". Dann könnten staatlich veranlasste Tötungen nicht nur gegen Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, sondern zugleich auch gegen Art. 1 Abs. 1 GG verstoßen, wenn sie Ausdruck der Degradierung des Einzelnen zu einer ersetzbaren Dispositionsmasse wären, über die zur Verfolgung von (möglicherweise durchaus wichtigen) Gemeinwohlzielen verfügt werden könne. Der Einzelne erfährt nämlich dann den staatlichen Zwang nicht als Individuum, sondern als bloße Rechengröße, deren Wertigkeit von der Gewichtung anderer Rechtsgüter und Gemeinschaftsbelange abhängig ist. Es erscheint daher nicht als ausgeschlossen, dass Art. 1 Abs. 1 GG eine quantifizierende Abwägung von Leben gegen Leben verbietet, bei der allein maßgeblich ist, ob sich bei der Opferung menschlichen Lebens ein "positiver Saldo" ergibt, indem die Zahl der aufgeopferten Leben die der hierdurch geretteten Leben übersteigt.[83]

Folgt man dem, könnte auch angenommen werden, dass selbst die Tötung desjenigen, der andere Menschen mit dem Tod bedroht, gegen die Menschenwürde des Täters verstößt, auch und gerade weil sie "nur" erfolgt, um das Leben der anderen zu schützen. Jedoch würde hierbei verkannt, dass in diesem Fall der Angreifer keine bloße "Verfügungsmasse" darstellt, dessen Leben zum Schutz des Lebens anderer aufgeopfert wird. Die Tötung des Angreifers stellt sich vielmehr als Reaktion auf dessen selbstbestimmtes Verhalten dar: Er ist nicht Objekt, sondern "Gegenspieler" der staatlichen Gewalt, der den weiteren Verlauf des Geschehens beherrscht und der es jederzeit durch eigenes Verhalten (Aufgabe des Vorhabens) beeinflussen kann. Die Subjektqualität des Angreifers wird dementsprechend durch die Tötung nicht in Frage gestellt; sie stellt sich vielmehr geradezu als Reaktion auf dessen Subjekthaftigkeit dar.[84]

Folglich verstößt § 15 Abs. 2 Satz 1 LuftSiG n. F. soweit er die Tötung der Verursacher eines "Luftzwischenfalls" nach § 14 Abs. 1 LuftSiG n. F. zulässt, nicht gegen die Menschenwürdegarantie des Art. 1 Abs. 1 GG.

c) Anwendbarkeit des Art. 2 Abs. 2 Satz 3 GG unter Berücksichtigung des Art. 19 Abs. 2 GG?

Dennoch ist zweifelhaft, ob eine gesetzliche Ermächtigung zur gezielten Tötung Einzelner aus Gründen der Gefahrenabwehr mit dem Grundgesetz vereinbar sein kann. Denn auch aus Art. 19 Abs. 2 GG könnte auf ein generelles staatliches Tötungsverbot geschlossen werden: Die staatliche Tötung lässt von dem Lebensrecht des Getöteten nichts mehr übrig, so dass die gesetzliche Zulassung einer Tötung den Wesensgehalt des in Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG gewährten Grundrechts i.S.d. Art. 19 Abs. 2 GG "antasten" könnte. In diesem Fall wäre Art. 2 Abs. 2 Satz 3 GG unter Rückgriff auf Art. 19 Abs. 2 GG dahingehend auszulegen, dass er das Lebensrecht – entgegen seinem Wortlaut und seiner systematischen Stellung – nicht unter Gesetzesvorbehalt stellt.

Die herrschende Meinung schließt demgegenüber umgekehrt aus dem Gesamtzusammenhang zwischen Art. 2 Abs. 2 Satz 3 GG und Art. 19 Abs. 2 GG, dass sich jedenfalls in Bezug auf das Lebensrecht die "Wesensgehaltsgarantie" des Art. 19 Abs. 2 GG nicht auf den einzelnen Grundrechtsträger, sondern auf die Allgemeinheit bezieht: Es soll auf den Einzelnen nicht ankommen, so dass von einem "Antasten des Wesensgehalts" des Lebensrechts nur gesprochen werden kann, wenn (gezielte) Tötungen allgemein (und nicht nur in ganz seltenen Ausnahmefällen) für zulässig erklärt würden.[85] Für diese Sichtweise spricht, dass das Grundgesetz auch sonst keinen absoluten Lebensschutz garantiert, indem es z. B. auch in Art. 87a Abs. 1 Satz 1 GG das Aufstellen von Streitkräften (mit Wehrpflichtigen, Art. 12a GG) gestattet und damit (nach wie vor) implizit voraussetzt, dass der Staat im Krieg einerseits gezielt töten darf,[86] andererseits von seinen Staatsbürgern im Krieg verlangen dürfte, (auch) für ihn zu sterben.[87]

Dementsprechend ist festzuhalten, dass auch das Grundrecht auf Leben nach Art. 2 Abs. 2 Satz 3 GG unter (einfachem) Gesetzesvorbehalt steht.

d) Verhältnismäßigkeit des § 15 Abs. 2 Satz 1 LuftSiG n. F.

Kann somit ein Gesetz durchaus auch zu gezielten Tötungen ermächtigen, so ist dennoch § 15 Abs. 2 Satz 1 LuftSiG n. F. nur verfassungsgemäß, wenn er auch verhältnismäßig ist.

Anmerkung: Die Kritik an der Tauglichkeit des Verhältnismäßigkeitsprinzips zur "Abarbeitung" der von staatlichen Tötungen ausgehenden Probleme von Merkel (JZ 2007, 373 ff.) ist allerdings nicht ganz von der Hand zu weisen.

Die Tötung nach § 15 Abs. 2 Satz 1 LuftSiG n. F. soll dazu dienen, das Leben Unbeteiligter, das der Täter durch die Herbeiführung eines Flugzeugsabsturzes vernichten will, zu schützen. Aus § 15 Abs. 2 LuftSiG n. F. ergibt sich auch, dass das Abschießen des Flugzeugs (und die hiermit zwangsläufig verbundene Tötung des Täters) nur als "ultima ratio" zulässig ist. Auch wenn grundsätzlich verfassungsrechtliche Bedenken dagegen bestehen könnten, "Leben gegen Leben" aufzurechnen (siehe B V 2 b und B V 3 a), kann hieraus nicht geschlossen werden, dem Staat sei in Konfliktsituationen, in denen Leben gegen Leben steht, verwehrt, sich auf die Seite des Bedrohten zu stellen und diesen – entsprechend seiner polizeilichen Aufgabe – gegen den Störer zu schützen.[88] Dies gilt im vorliegenden Zusammenhang um so mehr, als der Täter mit der Absicht, ein Selbstmordattentat zu begehen, deutlich gemacht hat, dass ihm an seinem eigenen Leben nichts liegt.[89]

e) Bedeutung der Gefahr von Fehlprognosen

Die Verfassungswidrigkeit des § 15 Abs. 2 Satz 1 LuftSiG n. F. könnte sich jedoch daraus ergeben, dass sie den zuständigen Behörden den Tötungsbefehl auf Grund einer Prognose über den weiteren Geschehensablauf gestattet. Der Abschussbefehl setzt (nur) voraus, dass

  • ein erheblicher "Luftzwischenfall" vorliegt,
  • der Tatsachen herbeiführt,
  • die die Annahme rechtfertigen,
  • dass ein Luftfahrzeug in gemeingefährlicher Weise zur Vernichtung von Menschenleben eingesetzt werden soll,
  • diese Gefahr unmittelbar bevorsteht,
  • der Abschuss das einzige Mittel zur Abwehr der Gefahr darstellt und
  • durch die Folgen des Absturzes (herabstürzende Flugzeugteile) Unbeteiligte, die bei ungeändertem Geschehensablauf durch den "Luftzwischenfall" nicht betroffen würden, mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht gefährdet werden.

Dies zeigt deutlich, dass der Abschussbefehl immer auf unsicherer Tatsachengrundlage erfolgen wird. Den handelnden Amtsträgern wird abverlangt, den weiteren Verlauf der Ereignisse gleichsam vorauszusehen und auf Grund dessen trotz der Notwendigkeit sofortigen Handelns wohlabgewogene Entscheidungen zu treffen. Dies erscheint gerade in kritischen Fällen als schlicht unmöglich: Von außen lässt sich bereits nicht immer feststellen, ob ein Flugzeug überhaupt in die Hände skrupelloser Terroristen gefallen ist, sofern diese sich nicht selbst über Funkkontakt melden. Allenfalls in Ausnahmefällen erscheint es auch als möglich, mit hinreichender Sicherheit festzustellen, dass der Flugzeugabschuss tatsächlich das letzte Mittel zur Gefahrenabwehr darstellt und dass es sich bei der Drohung, das Flugzeug als Waffe einzusetzen, um eine ernst gemeinte Drohung (gerade der Entführer) handelt. Angesichts der dichten Besiedlung Deutschlands lässt sich zudem wohl nur höchst selten ausschließen, dass durch den Abschuss nicht Unbeteiligte mit hoher Wahrscheinlichkeit gefährdet werden. Die von § 15 Abs. 2 LuftSiG n. F. vorausgesetzte "Sicherheit" über den hypothetischen Geschehensablauf reduziert sich damit auf eine weithin ungesicherte, bestenfalls sehr wahrscheinliche, möglicherweise auch nur spekulative Unterstellung.

Vor diesem Hintergrund könnte angenommen werden, dass § 15 Abs. 2 LuftSiG n. F. deshalb verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigen sei, weil er die Tötung eines Menschen unter Voraussetzungen zulässt, die tragische Fehlprognosen nicht nur zulassen, sondern im konkreten Fall auch als wahrscheinlich erscheinen lassen.[90] Jedoch ist das Risiko von Fehlprognosen dem Gefahrenabwehrrecht generell immanent. Im Übrigen wird auch sonst aus der Möglichkeit der fehlerhaften Anwendung einer Eingriffsermächtigung nicht auf ihre Verfassungswidrigkeit geschlossen.[91] Die Grenze zur Verfassungswidrigkeit wird letztlich erst dann überschritten, wenn das Gesetz dem rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgebot nicht mehr gerecht wird und sich hieraus die Gefahr fehlerhafter Rechtsanwendung ergibt.[92] Diese Grenze wird man hier angesichts der Schwierigkeit der zu regelnden Materie und der grundsätzlichen Zulässigkeit der Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe nicht als überschritten ansehen können, zumal sich § 15 Abs. 2 LuftSiG n. F. der klassischen polizeirechtlichen Begriffe bedient, die in Rechtsprechung und Lehre eine weitgehende Konkretisierung erfahren haben.

Hieraus folgt, dass § 15 Abs. 2 Satz 1 LuftSiG n. F. zwar insoweit restriktiv auszulegen ist, als seine Tatbestandsvoraussetzungen – im Hinblick auf den überaus hohen Wert des Rechts auf Leben, das auch der Terrorist durch seine Tat nicht bereits "verwirkt" hat – nicht leichtfertig bejaht werden dürfen. Wenn die Tatbestandsvoraussetzungen des § 15 Abs. 2 Satz 1 LuftSiG n. F. jedoch zu Recht bejaht werden – und dass es Fälle geben kann, in denen dieses möglich ist, kann ebenfalls nicht von vornherein ausgeschlossen werden[93] – erscheint der Abschussbefehl auch zum Schutz der vom Täter anvisierten Opfer als verhältnismäßig.[94] Dafür spricht schließlich auch, dass § 15 Abs. 2 Satz 1 LuftSiG n. F. in gewisser Weise auch als Ergänzung zu § 15 Abs. 1 LuftSiG gesehen werden muss: Die durch § 15 Abs. 1 LuftSiG n. F. vorgesehene Drohung durch Abgabe von Warnschüssen wäre zahnlos, wenn ein gezielter Abschuss von vornherein gesetzlich ausgeschlossen wäre. Insoweit wird man in § 15 Abs. 2 Satz 1 LuftSiG n. F. eine Art "Beugemittel" sehen können, die – unabhängig von seiner Anwendung im Einzelfall – schon durch seine bloße Existenz wirken kann.

Anmerkung: Gegen diese Argumentation jedoch BVerfG, 2 BvF 1/05 v. 20.3.2013, Abs. 76. = BVerfGE 133, 241, 267: Warnschüsse würden immer noch psychologische Irritationen hervorrufen, die das Abwehrziel fördern könnten und insoweit - auch bei Fehlen einer Abschussbefugnis - nicht völlig ungeeignet zur Zielerreichung wären.

 

f) Ergebnis zu 2

Soweit § 15 Abs. 2 Satz 1 LuftSiG n. F. den Staat zur Tötung der Verursacher eines "Luftzwischenfalls" i.S.d. § 14 Abs. 1 LuftSiG n. F. ermächtigt, ist die Regelung mit dem Grundgesetz vereinbar.

3. Tötung Unbeteiligter (§ 15 Abs. 2 Satz 2 LuftSiG n.F.)

§ 15 Abs. 2 LuftSiG n. F. ermächtigt jedoch auch dann zum Abschuss eines Flugzeugs, wenn hierdurch nicht nur die Gefahrverursacher, sondern auch Unbeteiligte getötet werden, sofern sie auch bei unverändertem Geschehensablauf mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit den Tod finden würden. Daher ist fraglich, ob § 15 Abs. 2 Satz 2 LuftSiG n. F. auch mit den Grundrechten solcher Unbeteiligter vereinbar ist.

a) Verletzung der Menschenwürde der Unbeteiligten durch "Lebensquantifizierung"

Teilweise wird in der durch § 15 Abs. 2 Satz 2 LuftSiG n. F. zugelassenen Tötung der Unbeteiligten eine Verletzung ihrer nach Art. 1 Abs. 1 GG garantierten Menschenwürde gesehen. Ausgangspunkt ist dabei die bereits dargestellte (siehe oben B V 2 b) Auffassung, dass Art. 1 Abs. 1 GG dem Staat eine quantifizierende Abwägung von Leben gegen Leben, bei der allein maßgeblich sei, ob sich bei der Opferung menschlichen Lebens ein "positiver Saldo" ergebe, indem die Zahl der aufgeopferten Leben, die, der hierdurch geretteten Leben übersteigt, schlechthin verbiete. Hieraus könnte in der Tat zu schließen sein, dass es dem Staat verwehrt ist, eine für eine größere Anzahl von Menschen bestehende Todesgefahr dadurch abzuwenden, dass er sie auf eine kleinere Anzahl von Menschen "umlenkt", die von dieser Gefahr zuvor nicht betroffen waren. Art. 1 Abs. 1 GG würde dann dem Staat verbieten, jedenfalls auf diese Weise "Schicksal" zu spielen.[95]

Ob diese Argumentation ausnahmslos überzeugend ist, erscheint jedoch als zweifelhaft, weil im Grundsatz nach wie vor als selbstverständlich davon ausgegangen wird, dass jedenfalls im Krieg, Bürgerkrieg und bürgerkriegsähnlichen Situationen Menschenleben von Soldaten und auch Zivilisten bewusst in Gefahr gebracht und auch geopfert werden dürfen, und zwar nicht nur um das Leben anderer zu schützen, sondern selbst zum Schutz wesentlich "abstrakterer" Ziele, wie der Wiederherstellung der territorialen Integrität der Bundesrepublik oder der Aufrechterhaltung der freiheitlich demokratischen Grundordnung.[96]

Bei der Reichweite der Menschenwürde zwischen Krieg und Nicht-Krieg zu unterscheiden und im Krieg weitergehende Eingriffe zuzulassen als im Frieden[97] ist nicht angängig, da Art. 1 Abs. 1 GG die Menschenwürde auch im Krieg für unantastbar erklärt.[98]

Anmerkung: Gegen diese Argumentation Roxin, ZIS 2011, 552, 553: Auch im Krieg und im Bürgerkrieg ginge es nur um begrenzte Gefahrtragungspflichten, nicht aber um die Zulassung der planmäßig-vorsätzlichen Tötung Unbeteiligter. Kann man aber wirklich zwischen einer bedingt vorsätzlichen Hinnahme von Kollateralschäden und gezielten Tötungen unterscheiden (ablehnend insoweit Hillgruber JZ 2007, 209, 215)? Siehe in diesem Zusammenhang auch den Vergleich von Ladiges (ZIS 2008, 129, 135 ff.) und Rogall (NStZ 2008, 1, 2 f.) betreffend der anerkannt zulässigen Tötung Ungeborener zur Rettung des Lebens der Mutter, was ebenfalls auf eine Abwägung von Leben gegen Leben hinauslaufe. Allgemein sehr lesenswert zur Frage der verfassungs- und völkerrechtlichen Rechtfertigung der Tötung im Krieg unter dem Grundgesetz: Eser, in: Festschrift Wahl, 2011, S. 665, 671 ff. und  Merkel, JZ 2012, 1137 ff. Siehe hierzu auch den Sezessionskriegs-Fall.

 

 

Dies kann jedoch vorliegend dahinstehen, da ein "Gefahrumlenken" durch § 15 Abs. 2 Satz 2 LuftSiG n. F. gerade nicht ermöglicht wird (siehe oben B V 1). Vielmehr gestattet § 15 Abs. 2 Satz 2 LuftSiG n. F. die Tötung Unbeteiligter zum Schutz anderer Unbeteiligter nur für den Fall, dass mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststeht, dass sie bei unverändertem Geschehensablauf in Kürze (d. h. im Zweifel innerhalb weniger Minuten) ebenfalls sterben werden und keine weiteren Rettungschancen erkennbar sind. Dies stellt nicht in Frage, dass es sich auch in diesem Fall bei dem Abschuss nach wie vor um einen Eingriff in das (noch nicht beendete) Leben der Unbeteiligten handelt.

Es wird auch nicht in Frage gestellt, dass die Tötung sich nach wie vor als staatliche "Verfügung" über das Leben Einzelner (nur) zum Schutz des Lebens anderer handelt. In einer nur auf das Prinzip fokussierten Sichtweise kann jedoch der mit dieser Annahme bezweckten Menschenwürde- und Lebensschutz in sein Gegenteil verkehrt werden, wenn angenommen wird, Art. 1 Abs. 1 GG verbiete dem Staat in einer solchen Situation, durch Tötung der unrettbar Verlorenen wenigstens das Leben derjenigen zu retten, die gerade hierdurch noch gerettet werden könnten.[99]

Im konkreten Fall spielt diese Annahme zudem noch den eigentlichen Gefahrverursachern in die Hände, weil die Angreifer auf diese Weise ihren Anschlag "erfolgreich" durchführen können.[100] Es liegt daher wohl näher, umgekehrt gerade in der Vereitelung des eigentlichen Anschlagserfolgs in gewisser Weise eine Befreiung der "Todgeweihten" aus ihrer "Objektstellung" als Teil einer Tötungsmaschine zu sehen, in die der Angreifer sie gebracht hat, und auf diese Weise ihrem unvermeidlichen Tod wenigstens noch einen gewissen Sinn zu geben.[101]

Wenn die Voraussetzungen des § 15 Abs. 2 Satz 2 LuftSiG n. F. wirklich vorliegen, erscheint die staatlich veranlasste Tötung auch der Unbeteiligten damit auch nicht als Verletzung des Art. 1 Abs. 1 GG.[102]

Anmerkung: Das BVerfG hat allerdings in § 14 Abs. 3 LuftSiG a. F. einen Verstoß gegen Art. 1 Abs. 1 GG gesehen, begründete dies jedoch wesentlich mit der sogleich zu behandelnden Gefahr von Fehlprognosen (1 BvR 357/05 v. 15.2.2006, Abs. 125 ff. = BVerfGE 115, 118, 154 ff.) und damit mit Erwägungen, die auf die hier zu prüfende "Version" eines Luftsicherheitsgesetzes nicht ohne weiteres übertragbar sind (vgl. Baldus NVwZ 2006, 532, 534 f.; Gramm, DVBl. 2006, 653, 657 f.).

b) Bedeutung der Gefahr von Fehlprognosen

Eine Verletzung der Grundrechte der Unbeteiligten könnte sich jedoch in besonderen Maße auch hier daraus ergeben, dass das Vorliegen der Voraussetzungen des § 15 Abs. 2 LuftSiG n. F. letztlich nur aufgrund von Prognosen möglich ist, die ihrerseits auf höchst unsicherer Tatsachengrundlage erfolgen muss und letztlich nur vor Ort (nämlich durch den konkret eingesetzten Kampfpiloten) rechtzeitig festgestellt werden kann. § 15 Abs. 4 LuftSiG n. F. trägt dem allerdings dadurch Rechnung, dass er – anders als § 14 Abs. 4 LuftSiG a. F. – dem Bundesminister für Verteidigung gestattet, dem eingesetzten Personal im konkreten Fall einen "Rahmenbefehl" letztlich zum "Abschuss nach eigenem Ermessen" zu erteilen.

Anmerkung: Zu den besonderen Prognoseunsicherheiten im Fall des § 14 Abs. 3 LuftSiG a. F.: BVerfG, 1 BvR 357/05 v. 15.2.2006, Abs. 125 ff. = BVerfGE 115, 118, 154 ff.; Roxin, ZIS 2011, 552, 561.

Im Übrigen gilt auch hier, dass die Möglichkeit der fehlerhaften Anwendung einer Rechtsnorm für sich allein noch nicht zu ihrer Verfassungswidrigkeit führt.[103] Dass die Voraussetzungen des § 15 Abs. 2 LuftSiG n. F. kaum jemals vorliegen werden, führt ebenfalls nicht zu ihrer Verfassungswidrigkeit:[104] Dies wäre allenfalls der Fall, wenn unterstellt werden könnte, die letztlich unerfüllbaren Tatbestandsvoraussetzungen des § 15 Abs. 2 LuftSiG n. F. lüden gleichsam dazu ein, es mit ihrem Vorliegen nicht so ernst zu nehmen, so dass die Hemmschwelle für die Anordnung eines Flugzeugabsturzes sinkt.[105] Umgekehrt könnte man jedoch eben in der Normierung letztlich unerfüllbarer Tatbestandsvoraussetzungen eine indirekte Klarstellung sehen, dass in allen übrigen Fällen ein Flugzeugabschuss unter Hinnahme der Tötung Unbeteiligter eben nicht zulässig ist.

c) Ergebnis zu 3

Nach alledem sprechen die besseren Argumente wohl gegen die Auffassung, nach der eine Regelung wie § 15 Abs. 2 LuftSiG n. F. gegen die Menschenwürde der von dem Abschuss betroffenen Unbeteiligten verstößt. Aus letztlich denselben Gründen kann daher nicht angenommen werden, dass durch diese Regelung in unverhältnismäßiger und verfassungswidriger Weise in das durch Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG geschützte Lebensrecht der Unbeteiligten eingegriffen wird.

Anmerkung: Noch einmal soll betont werden, dass sich die hier vorgestellte Regelung des "Abschussbefehls" maßgeblich von der des § 14 Abs. 3 LuftSiG a. F. unterscheidet, insbesondere das Prognoseproblem hier nicht auftreten kann, da § 15 Abs. 2 Satz 1 n. F. LuftSiG bei Prognoseunsicherheiten gerade nicht zum Einsatz ermächtigt. Natürlich kann man auch in dieser Situation annehmen, die Regelung verstoße gegen Art. 1 Abs. 1 GG und die Ausführungen des BVerfG zu dieser Frage deuten wohl auch darauf hin, dass es die Tötung Unbeteiligter schlechthin für einen Menschenwürdeverstoß erachtet (insbesondere BVerfG, 1 BvR 357/05 v. 15.2.2006, Abs. 139 = BVerfGE 115, 118, 160). Bei strenger Anwendung dieser Grundsätze wären aber konsequenterweise auch "Kollateralschäden" im Krieg als Verletzungen der Menschenwürde anzusehen. Soweit geht das BVerfG wohl nicht (vgl. Zimmermann/Geiß, Der Staat 46 [2007], S. 377, 387 ff.)

 

VI. Ergebnis zu B

Damit verstoßen § 14 und § 15 LuftSiG i.d.F. des 1. LuftSiGÄndG zwar gegen Art. 87a Abs. 2 GG. Im Übrigen sind die §§ 13 ff. LuftSiG n. F. jedoch verfassungsgemäß.

Zur Vertiefung:

  • zur Rechtsgrundlage des Einsatzes der Bundeswehr bei Terrorakten: BVerfG, 1 BvR 357/05 v. 15.2.2006 = BVerfGE 115, 118 ff.; BVerfG, 2 BvE 2/07 v. 3.7.2007 = BVerfGE 118, 244 ff.; BVerfG, 2 PBvU 1/11 v. 3.7.2012= BVerfGE 132, 1 ff.; BVerfG, 2 BvF 1/05 v. 20.3.2013 = BVerfGE 133, 241 ff.; Baldus, NVwZ 2004, 1278 ff.; Bünnigmann, DVBl. 2013, 621 ff.; Depenheuer, ZG 2008, 1 ff.; Dreist, NZWehrr 2004, 89 ff.; Droege, NZWehrr 2005, 199 ff; Fastenrath, JZ 2012, 1128 ff.; Fischer, JZ 2004, 376 ff.; Franz, Der Staat 45 (2006), 501 ff.; Gramm, NZWehrr 2003, 89 ff.; ders., DVBl. 2006, 653 ff.; Hase DÖV 2006, 213 ff.; Hillgruber JZ 2007, 209 ff.; Hillgruber/Hoffmann, NWVBl. 2004, 176 ff.; Hochhuth, NZWehrr 2002, 154 ff.; Höfling/Augsberg, JZ 2005, 1080 ff; Jochum, JuS 2006, 511 ff.; Krings/Burkiczak, DÖV 2002, 501 ff.; dies., NWVBl. 2004, 249 ff.; Klein, in: Festschrift Mußgnug, 2005, S. 71 ff; Ladiges/Glawe, DÖV 2011, 621 ff.; Ladiges, NVwZ 2012, 1225 ff.; Linke, DÖV 2003, 890 ff.; ders., NZWehrr 2004, 115 ff.; ders., AöR 129 (2004), S. 489 ff.; Lutze, NZWehrr 2003, 101 ff.; Martínez Soria, DVBl. 2004, 597 ff.; Melzer/Haslach/Socher, NVwZ 2005, 1361 ff.; Palm AöR 132 (2007), 95 ff.; Pieroth/Hartmann, Jura 2005, 729 ff; Sattler, NVwZ 2004, 1286 ff.; Schmidt-Jortzig, DÖV 2002, 773 ff.; Schoch, Jura 2013, 255 ff.; Stein, in: Festschrift Mußgnug, 2005, S. 85 ff.; Waechter, JZ 2007, 61 ff.; Wiefelspütz, NZWehrr 2003, 45 ff.; ders., ZG 2007, 97 ff.; Wilkesmann, NVwZ 2002, 1316 ff.; H. A. Wolff, ThürVBl. 2004, 176 ff.
  • zum "finalen Rettungsschuss" nach dem LuftSiG: BVerfG, 1 BvR 357/05 v. 15.2.2006 = BVerfGE 115, 118 ff.; OVG Münster, 20 B 1889/07 v. 1.2.2008 = NWVBl 2008, 354 ff.; Baldus, NVwZ 2006, 532 ff.; Baumann, DÖV 2004, 853 ff.; Depenheuer, in: Festschrift Isensee, 2007, S. 43 ff.; Droege, NZWehrr 2005, 199 ff; Franz, Der Staat 45 (2006), 501 ff.; Frenz NVwZ 2007, 631 f.; Gramm, DVBl. 2006, 653 ff.; Hartleb, NJW 2005, 1397 ff.; Hillgruber JZ 2007, 209 ff.; Hirsch, in: Festschrift Küper, 2007, S. 149 ff.; Höfling/Augsberg, JZ 2005, 1080 ff; Isensee, in: Festschrift Jakobs, 2007, S. 205 ff.; Kahn, in: Festschrift Eckart Klein, 2013, S. 143 ff.; Kaiser, TranspR 2004, 353 ff.; Klein, in: Festschrift Mußgnug 2005, S. 71 ff; Kersten, NVwZ 2005, 661 ff.; Ladiges, ZIS 2008, 129 ff.; Lutze, BayVBl 2008, 745 ff.; Merkel, DIE ZEIT Nr. 29 v. 8.7.2004; ders., JZ 2007, 373 ff.; Melzer/Haslach/Socher, NVwZ 2005, 1361 ff.; Palm AöR 132 (2007), 95 ff.; Pawlik, JZ 2004, 1045 ff.; Pieroth/Hartmann, Jura 2005, 729 ff;Roxin, ZIS 2011, 552 ff.; Sinn, NStZ 2004, 585 ff.; Zimmermann/Geiß, Der Staat 46 (2007), S. 377 ff.
  • die Fallbearbeitungen von Burkiczak (VR 2004, 379 ff.), Haug (Jura 2013, 959 ff.), Hopf/Hyckel (Jura 2014, 632 ff.);  Linke (NWVBl. 2006, 71 ff.), Rekitkke (DVP 2008, 157 ff.) und Sittard/Ulbrich (JuS 2005, 432 ff.).
  •  

 


[1] Vgl. Benda/Klein, Rn. 187; Pestalozza, § 2 Rn. 41.

[2] Vgl. BVerfGE 2, 347, 367; Puttler, in: Umbach/Clemens/Dollinger, § 23 Rn. 21.

[3] Lechner/Zuck, § 68 Rn. 2.

[4] Siehe hierzu BVerfGE 13, 54, 72; Benda/Klein, Rn. 1054 ff.; Pestalozza, § 9 Rn. 5.

[5] So Bethge, Maunz/Schmidt-Bleibtreu, § 69 Rn. 41 [Bearbeitung 1997].

[6] So die Formulierung bei BVerfGE 4, 115, 122; ungenau demgegenüber noch BVerfGE 1, 14, 30.

[7] So wohl Hillgruber/Goos, Rn. 434.

[8] Vgl. BVerfGE 1, 14, 30; BVerfGE 1, 117, 125 f.; BVerfGE 8, 104, 110; BVerfGE 20, 56, 95.

[9] BVerfGE 13, 54, 79 f.; BVerfGE 81, 310, 333 f.; BVerfG, 2 BvG 1/00 vom 5.12.2001, Abs. 26 ff. = BVerfGE 104, 238, 245 ff.

[10] Vgl. nur BVerfG, 2 BvG 1/00 v. 5.12.2001, Abs. 38 = BVerfGE 104, 238, 249; Benda/Klein, Rn. 1064; Bethge, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu, § 69 Rn. 73 [Bearbeitung 1997]; Hillgruber/Goos, Rn. 477.

[11] BVerfGE 63, 1, 34.

[12] BVerfG, 2 BvF 3/92 v. 28.1.1998, Abs. 76 ff. = BVerfGE 97, 198, 214 ff.

[13] Ausführlich Linke, AöR 129 [2004], S. 489, 510 ff.

[14] Deutlich Linke, AöR 129 [2004], S. 489, 507 ff.; ferner BVerfGE 90, 286, 386 f.; Martínez Soria, DVBl. 2004, 597, 599.

[15] BVerfGE 81, 310, 334; BVerfG, 2 BvG 1/00 v. 5.12.2001, Abs. 28 = BVerfGE 104, 238, 246; Benda/Klein, Rn. 1064.

[16] BVerfGE 81, 310, 334.

[17] So ausdrücklich die Begründung des Regierungsentwurfs zum LuftSiG: BT-Drs. 15/2361, S. 14.

[18] Ausführlich BVerfGE 8, 143, 149 f.; ferner: BVerfGE 3, 407, 433; BVerfGE 78, 374, 386.

[19] Pestalozza, in: von Mangoldt/Klein/Pestalozza, Das Bonner Grundgesetz, 3. Aufl. 1996, Art. 73 Rn. 346.

[20] so jetzt auchBVerfG, 2 PBvU 1/11 v. 3.7.2012, Abs. 17 ff. = BVerfGE 132, 1, 6 ff.;BVerfG, 2 BvF 1/05 v. 20. 3. 2013, Abs. 54 ff. = BVerfGE 133, 241, 261 ff.; ferner Fastenrath, JZ 2012, 1128, 1131; Pieroth/Hartmann, Jura 2005, 729, 730; ablehnend Ladiges, NVwZ 2012, 1225.

[21] So BVerwGE 95, 188, 190 ff.

[22] BVerfG, 2 BvF 3/92 v. 28.1.1998, Abs. 102 = BVerfGE 97, 198, 225.

[23] BVerwGE 95, 188, 191.

[24] So deutlich Baldus, NVwZ 2004, 1278, 1280; Dreist, NZWehrr 2004, 89, 105 f.; Gramm, NZWehrr 2003, 89, 96 f.; Offengelassen bei BVerfG, 1 BvR 357/05 v. 15.2.2006 = BVerfGE 115, 118, 141.

[25] BVerfG, 2 BvF 3/92 v. 28.1.1998, Abs. 103 = BVerfGE 97, 198, 226.

[26] Die Notwendigkeit einer Bundesratszustimmung offen lassend: BVerfG, 1 BvR 357/05 v. 15.2.2006, Abs. 74 = BVerfGE 115, 118, 136.

[27] Hierzu BVerfG, 2 BvF 3/92 v. 28.1.1998, Abs. 105 f. = BVerfGE 97, 198, 226 f.; Jutzi, DÖV 1992, 653 ff.; Papier, DVBl. 1992, 1, 6 f.; Ronellenfitsch, VerwArch 90 [1999], S. 139, 159; Schreiber, DVBl. 1992, 589, 595.

[28] Allgemein zu Aufbau und Aufgaben der Bundespolizei Wagner, Jura 2009, 96 ff.

[29] BVerfG, 2 BvF 3/92 v. 28.1.1998, Abs. 76 = BVerfGE 97, 198, 214.

[30] Weitergehend wohl Ronellenfitsch, VerwArch 90 [1999], S. 139, 160 f.

[31] Zum Ganzen Jutzi, DÖV 1992, 650 f.; Papier, DVBl. 1992, 1, 3 f.

[32] So Schreiber, DVBl. 1992, 589, 593 ff.; im Ergebnis ebenso Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 87 Rn. 125 [Bearbeitung 1992].

[33] So Papier, DVBl. 1992, 1, 7 ff.

[34] BVerfG, 2 BvF 3/92 v. 28.1.1998, Abs. 77 ff. = BVerfGE 97, 198, 214 ff.

[35] Abgedruckt bei Werthebach/Droste, in: Bonner Kommentar, Art. 73 Nr. 10 Rn. 10 [Bearbeitung 1998].

[36] Näher zur Entstehungsgeschichte Ronellenfitsch, VerwArch 90 [1999], S. 139, 142 ff.

[37] BVerfG, 2 BvF 3/92 v. 28.1.1998, Abs. 102 = BVerfGE 97, 198, 224 f.

[38] An der Bedeutung des "Polizeibriefs" für die Auslegung des Grundgesetzes nunmehr zweifelnd auch BVerfG, 1 BvF 3/92 v. 3.3.2004, Abs. 99 = BVerfGE 110, 33, 51 f.; ferner Ronellenfitsch, VerwArch 90 [1999], S. 139, 160.

[39] BVerwG, 2 WD 2/06 v. 26.9.2006, Abs. 54 f. = NVwZ-RR 2007, 257, 260; Dürig, in: Maunz/Dürig, Art. 87a Rn. 32, 36 [Bearbeitung 1971]; Hernekamp, in: von Münch/Kunig, Art. 87a Rn. 13; Jochum, JuS 2006, 511, 512; K. Ipsen, in: Bonner Kommentar, Art. 87a Rn. 31 ff. [Bearbeitung 1969]; von Mangoldt/Klein, Art. 87a Anm. V 5 b bb.

[40] BVerfG, 2 PBvU 1/11 v. 3.7.2012, Abs. 50 = BVerfGE 132, 1, 19 f.; BVerwG, 2 WD 2/06 v. 26.9.2006, Abs. 54 f. = BVerwGE 127, 1, 12 f.; BVerwG, 2 A 9/07 v. 16. 10. 2008m Abs. 63 = BVerwGE 132, 110, 118; Burkiczak, ZRP 2003, 82, 83; Depenheuer, in: Maunz/Dürig, Art. 87a Rn. 169 [Bearbeitung 2008]; Fischer/Fischer-Lescano, KritV 2002, 113, 117; Fischer-Lescano, in: Festschrift Bothe, 2008, S. 86 f.; Hernekamp, in: von Münch/Kunig, Art. 87a Rn. 13; Jochum, JuS 2006, 511, 512; von Mangoldt/Klein, Art. 87a Anm. V 5 b bb; Schoch, Jura 2013, 255, 260 f.; Wild, DÖV 2000, 622, 624.

[41] In: Frowein/Stein, Rechtliche Aspekte einer Beteiligung der Bundesrepublik Deutschland an Friedenstruppen der Vereinten Nationen [1990] S. 22; in diese Richtung auch Baldus, in: von Mangoldt/Klein/Starck, Art. 87a Rn. 38.

[42] Baldus, NVwZ 2004, 1278, 1280; Fischer, JZ 2004, 376, 379; Krings/Burkiczak, NWVBl. 2004, 249, 250; Linke, DÖV 2003, 890, 891 f.; ders., NZWehrr 2004, 115, 116 f.; Lutze, NZWehrr 2003, 101, 102; Pieroth, Jura 2005, 729, 732; Schmidt-Jortzig, DÖV 2002, 773, 776; Stein, in: Festschrift Mußgnug, 2005, S. 85, 90; Wiefelspütz, NZWehrr 2003, 45, 57 f.; H. A. Wolff, ThürVBl. 2003, 176.

[43] So Arndt, DÖV 1992, 618, 620 ff.; wohl auch Wilkesmann, NVwZ 2002, 1316, 1320.

[44] Baldus, in: von Mangoldt/Klein/Starck, Art. 87a Rn. 46; Randelzhofer, in: Maunz/Dürig, Art. 24 Abs. 2 Rn. 46 [Bearbeitung 1992]; ebenso wohl auch BVerfGE 90, 286, 386; BVerwG, 2 WD 12/04 v. 21.6.2005, S. 39 f. des Urteilsumdrucks = NJW 2006, 77, 80; ausf. jetzt wieder Ladiges/Glawe DÖV 2011, 621, 622 f.; Wiefelspütz, ZG 2007, 97, 106 ff.

[45] Baldus, NVwZ 2004, 1278, 1280.

[46] Siehe zu den unterschiedlichen Rechtsprinzipien von Polizei- und Kriegsrecht: Waechter, JZ 2007, 61, 63 ff.

[47] BVerwG, 2 WD 2/06 v. 26.9.2006, Abs. 55 = NVwZ-RR 2007, 257, 260; Baldus, in: von Mangoldt/Klein/Starck, Art. 87a Rn. 17; Martínez Soria, DVBl. 2004, 507, 605 f.

[48] In diese Richtung: Depenheuer, ZG 2008, 1, 7 ff.; Gramm, DVBl. 2006, 653, 656; Hernekamp, in: von Münch/Kunig, Art. 87a Rn. 4; Krings/Burkiczak, DÖV 2002, 501, 510 f.; dies., NWVBl. 2004, 249, 251.

[49] Fischer, JZ 2004, 376, 380; Linke, AöR 129 [2004], S. 489, 516; ders., NZWehrr 2004, 115, 118; Lutze, NZWehrr 2003, 101, 113 ff.; Martínez Soria, DVBl. 2004, 507, 605; Schmidt-Jortzig, DÖV 2002, 773, 775.

[50] BVerwG, 2 WD 2/06 v. 26.9.2006, Abs. 51 = NVwZ-RR 2007, 257, 259.

[51] So BVerfG, 2 BvE 2/07 v. 3.7.2007, Abs. 63 f., 67 = BVerfGE 118, 244, 267 f.; BVerwG, 2 WD 12/04 v. 21.6.2005, S. 39 f. des Urteilsumdrucks = NJW 2006, 77, 80 f.; Baldus, NVwZ 2004, 1278, 1280 f.; Hase, DÖV 2006, 213, 215; Hillgruber, NWVBl. 2004, 176, 177; Kokott, in: Sachs, Art. 87a Rn. 28; Linke, AöR 129 [2004], S. 489, 514; H. A. Wolff, ThürVBl. 2003, 176; jedenfalls ähnlich: Fischer, JZ 2004, 376, 379 f.; Martínez Soria, DVBl. 2004, 507, 605; Palm AöR 132 [2007], 95, 104 f.; Pieroth/Hartmann, Jura 2005, 729, 731; Sattler, NVwZ 2004, 1286; Wiefelspütz, NZWehrr 2003, 45, 54 ff.; weitergehend Ladiges/Glawe, DÖV 2011, 621, 623, Lutze, NZWehrr 2003, 101, 111 ff., Melzer/Haslach/Socher, NVwZ 2005, 1361, 1363 und Wiefelspütz, ZG 2007, 97, 112 ff.

[52] So auch Burkiczak, VR 2004, 379, 383; Droege, NZWehrr 2005, 199, 206; Jochum, JuS 2006, 511, 513; Linke, DÖV 2003, 890, 892; Pieroth/Hartmann, Jura 2005, 729, 731.

[53] Vgl. Blumewitz, ZRP 2002, 102, 104; Dederer, JZ 2004, 421 ff.; Dreist, NZWehrr 2004, 89, 97 ff.; Fischer/Fischer-Locarno, KritV 2002, 113, 120 ff.; Kugelmann, Jura 2003, 376 ff.; Wiefelspütz, NZWehrr 2003, 45, 47 ff.

[54] BVerfGE 90, 286, 356 f., BVerfG, 1 BvR 357/05 v. 5.2.2006, Abs. 93 = BVerfGE 115, 118, 142; BVerfG, 2 BvE 5/07 v. 4. 5. 2010, Abs. 62 = BVerfGE 126, 55, 73 f.; BVerwG, 2 WD 2/06 v. 26.9.2006, Abs. 52 = NVwZ-RR 2007, 257, 259.

[55] Linke, AöR 129 [2004], S. 489, 534 f.

[56] A. A. offenbar Hochhuth, NZWehrr 2002, 154, 160 f.

[57] Deutlich Dreist, NZWehrr 2004, 89, 113 f.; Droege, NZWehrr 2005, 199, 209; Wilkesmann, NVwZ 2002, 1316, 1321.

[58] Krings/Burkiczak, DÖV 2002, 501, 512; Schmidt-Jortzig, DÖV 2002, 773, 776.

[59] So offenbar Hochhuth, NZWehrr 2002, 154. 159 f.

[60] Baldus, in: von Mangoldt/Klein/Starck, Art. 87a Rn. 59.

[61] BVerwG, 2 WD 2/06 v. 26.9.2006, Abs. 94 = NVwZ-RR 2007, 257, 263; Baldus, NVwZ 2004, 1278, 1282; Burkiczak, VR 2004, 379, 381; Gramm, NZWehrr 2003, 89, 93; Linke, AöR 129 [2004], S. 489, 518 f.; ders., DÖV 2003, 890, 894 f.; Krings/Burkiczak, DÖV 2002, 501, 512; dies., NWVBl. 2004, 249, 250; Lutze, NZWehrr 2003, 101, 105 f.; Melzer/Haslach/Socher, NVwZ 2005, 1361, 1363; Schmidt-Jortzig, DÖV 2002, 773, 776; Stein, in: Festschrift Mußgnug, 2005, S. 85, 90 f.; Wiefelspütz, NZWehrr 2003, 45, 58; Wilkesmann, NVwZ 2002, 1316, 1321; a. A. Hochhuth, NZWehrr 2002, 154. 159 f.

[62] BVerfG, 1 BvR 357/05 v. 15.2.2006, Abs. 116 = BVerfGE 115, 118, 150.

[63] V. Danwitz, in: von Mangoldt/Klein/Starck, Art. 35 Rn. 70; Jochum, JuS 2006, 511, 512, 513 f.

[64] Sattler, NVwZ 2004, 1286, 1287.

[65] Ähnlich Burkiczak, VR 2004, 379, 381; a. A. Hochhuth, NZWehrr 2002, 154, 158 (der letztlich von einem "Unglücksfall im Werden" ausgeht).

[66] Baldus, NVwZ 2004, 1278, 1282; Fischer, JZ 2004, 376, 381; Linke, AöR 129 [2004], S. 489, 520; ders., NZWehrr 2004, 115, 119; Sattler, NVwZ 2004, 1286, 1287; Wiefelspütz, NZWehrr 2003, 45, 61.

[67] Droege, NZWehrr 2005, 199, 208 f.; Hase, DÖV 2006, 213, 216; vgl. ferner Kaiser, TranspR 2004, 353, 355; Krings/Burkiczak, NWVBl. 2004, 249, 251; Lutze, NZWehrr 2003, 101, 104 f.; Melzer/Haslach/Socher, NVwZ 2005, 1361, 1363 f.; Wilkesmann, NVwZ 2002, 1316, 1321; H. A. Wolff, ThürVBl. 2003, 176, 177.

[68] Vgl. Linke, AöR 129 [2004], S. 489, 520; ders., NZWehrr 2004, 115, 119.

[69] BVerfG, 1 BvR 357/05 v. 15.2.2006, Abs. 101 ff. = BVerfGE 115, 118, 144; ferner Martínez Soria, DVBl. 2004, 597, 602.

[70] BVerfG, 1 BvR 357/05 v. 15.2.2006, Abs. 101 ff. = BVerfGE 115, 118, 144; BVerfG, 2 PBvU 1/11 v. 3.7.2012, Abs. 47 = BVerfGE 132, 1, 18 f.; ferner Fastenrath, JZ 2012, 1128, 1129; Franz, Der Staat 45 [2006], S. 501, 526 ff.; Martínez Soria, DVBl. 2004, 597, 602.

[71] In diese Richtung auch Baldus, NVwZ 2004, 1278, 1283; Gramm, NZWehrr 2003, 89, 93 f.; Melzer/Haslach/Socher, NVwZ 2005, 1361, 1364; wesentlich weitergehend Hillgruber, NWVBl. 2004, 176, 177 ff.

[72] Linke, AöR 129 [2004], S. 489, 516 f.

[73] Grundlegend: Linke, AöR [2004], S. 489, 521 ff. und 526 f.; ders., NZWehrr 2004, 115, 121 ff.; dem (wohl) folgend: BVerfG, 1 BvR 357/05 v. 15.2.2006, Abs. 105 ff., 115 f. = BVerfGE 115, 118, 146 ff., 150 f.; ähnlich auch Dreist, NZWehrr 2004, 89, 102 f.; Fischer, JZ 2004, 376, 382; Gramm, NZWehrr 2003, 89, 96; Hase, DÖV 2006, 213, 216; Jochum, JuS 2006, 511, 514; Stein, in: Festschrift Mußgnug, 2005, S. 85, 95.

[74] Deutlich insoweit auch Dreist, NZWehrr 2004, 89, 101 f.; Lutze, NZWehrr 2003, 101, 103.

[75] Baldus, in: von Mangoldt/Klein/Starck, Art. 87a Rn. 156.

[76] Wie hier Fischer, JZ 2004, 376, 382; Jochum, JuS 2006, 511, 515; Krings/Burkiczak, NWVBl. 2004, 249, 251; Linke, AöR 129 [1999], S. 489, 527 ff.; Sattler, NVwZ 2004, 1286, 1291; Wiefelspütz, NZWehrr 2003, 45, 59.

[77] BVerfG, 2 BvE 5/07 v. 4. 5. 2010, Abs. 52 = BVerfGE 126, 55, 70; Baldus, in: von Mangoldt/Klein/Starck, Art. 87a Rn. 116.

[78] Vgl. Dreist, NZWehrr 2004, 89, 100 f.

[79] Rachor, in: Lisken/Denninger, F Rn. 960; siehe hierzu auch Waechter, JZ 2007, 61, 63 ff.

[80] BVerfG, 1 BvR 357/05 v. 15.2.2006, Abs. 132 = BVerfGE 115, 118, 158; Baumann, DÖV 2004, 853, 859; Hartleb, NJW 2005, 1397, 1398; Klein, in: Festschrift Mußgnug, 2005, S. 71, 79; Pieroth/Hartmann, Jura 2005, 729, 730; Höfling/Augsberg, JZ 2005, 1080, 1083.

[81] Kunig, in: von Münch/Kunig, Art. 2 Rn. 50 m. w. N.

[82] Gusy, in: von Mangoldt/Klein/Starck, Art. 102 Rn. 19; Rachor, in: Lisken/Denninger, Rn. F 999.

[83] Zum Ganzen jeweils m. w. N. Baumann, DÖV 2004, 853, 858; Hartleb, NJW 2005, 1397 f.; Kersten, NVwZ 2005, 661, 662 f.; Merkel, JZ 2007, 373, 376 f.; im Grundsatz ebenso BVerfG, 1 BvR 357/05 v. 15.2.2006, Abs. 124 = BVerfGE 115, 118, 154; siehe aber auch unten B V 3 a.

[84] BVerfG, 1 BvR 357/05 v. 15.2.2006, Abs. 141 = BVerfGE 115, 118, 161; Baumann, DÖV 2004, 853, 859 f.; Pieroth/Hartmann, Jura 2005, 729, 730; Höfling/Augsberg, JZ 2005, 1080, 1082; Merkel, JZ 2007, 373, 377; krit. zu dieser Argumentation: Isensee, in: Festschrift Jakobs, 2007, S. 205, 224 f.

[85] Vgl. BVerfG, 1 BvR 357/05 v. 15.2.2006, Abs. 154 = BVerfGE 115, 118, 165; Kunig, in: von Münch/Kunig, Art. 2 Rn. 85; Pieroth/Schlink/Kingreen/Poscher, Rn. 431 f.; Rachor, in: Lisken/Denninger, Rn. F 998.

[86] Murswiek, in: Sachs, Art. 2 Rn. 172.

[87] Di Fabio, in: Maunz/Dürig, Art. 2 Abs. 2 Rn. 40 [Bearbeitung 2004]; Mußgnug, DÖV 1989, 917, 922; Pawlik, JZ 2004, 1045, 1053.

[88] Rachor, in: Lisken/Denninger, Rn. F 1001.

[89] Wie hier im Ergebnis BVerfG, 1 BvR 357/05 v. 15.2.2006, Abs. 144 ff. = BVerfGE 115, 118, 162; Baldus, NVwZ 2004, 1278, 1284 f.; Pawlik, JZ 2004, 1045.

[90] In diese Richtung wohl Baumann, DÖV 2004, 853, 860; Kaiser, TranspR 2004, 353, 354.

[91] Isensee, in: Festschrift Jakobs, 2007, S. 205, 220.

[92] Vgl. Hirsch, in: Festschrift Küper, 2007, S. 149 , 163.

[93] Deutlich Lutze BayVBl. 2008, 745, 746 f.

[94] In diese Richtung auch BVerfG, 1 BvR 357/05 v. 15.2.2006, Abs. 146 = BVerfGE 115, 118, 162.

[95] In diese Richtung Sinn, NStZ 2004, 585, 588.

[96] Di Fabio, in: Maunz/Dürig, Art. 2 Abs. 2 Rn. 40 [Bearbeitung 2004]; Hartleb, NJW 2005, 1397, 1400; Hillgruber JZ 2007, 209, 214 f.; Murswiek, in: Sachs, Art. 2 Rn. 172; Mußgnug, DÖV 1989, 917, 922; Pawlik, JZ 2004, 1045, 1053.

[97] So wohl BVerfG, 1 BvR 357/05 v. 15.2.2006, Abs. 130, 135 f. = BVerfGE 115, 118, 157, 159.

[98] So deutlich Depenheuer, ZG 2008, 1, 10 f.; Gramm, DVBl. 2006, 653, 658; Lutze BayVBl. 2008, 745, 748 f.; Pestalozza, NJW 2007, 492, 495; Sittard/Ulbrich, NZWehrr 2007, 60, 67 f.; Waechter, JZ 2007, 61, 67 f.; Zimmermann/Geiß, Der Staat 46 [2007], S. 377, 385 ff.

[99] So aber BVerfG, 1 BvR 357/05 v. 15.2.2006, Abs. 139 = BVerfGE 115, 118, 160; Baumann, DÖV 2003, 853, 859; Hartleb, NJW 2005, 1397, 1400 f.; Höfling/Augsberg, JZ 2005, 1080, 1082 f.; Isensee, in: Festschrift Jakobs, 2007, S. 205, 229 ff.; Kersten, NVwZ 2005, 661, 662 f.; Pieroth/Hartmann, Jura 2005, 729, 730; Roxin, ZIS 2011, 552, 555 ff.; wohl auch Merkel, DIE ZEIT Nr. 29 v. 8.7.2004; ders., JZ 2007, 373, 384 f.; Pawlik, JZ 2004, 1045, 1049 f.

[100] Deutlich insoweit Baldus NVwZ 2006, 532, 534; Depenheuer, in: Festschrift Isensee, 2007, S. 43, 47; Hirsch, in: Festschrift Küper, 2007, S. 149, 162; Isensee, in: Festschrift Jakobs, 2007, S. 205, 225 f.; Lutze BayVBl. 2008, 745, 747

[101] So deutlich OVG Münster, 20 B 1889/07 v. 1.2.2008, Abs. 12 f. = NWVBl 2008, 354, 355 f.; in diese Richtung auch Depenheuer, in: Festschrift Isensee, 2007, S. 43, 57 f.; Frenz NVwZ 2007, 631 f.; Gramm, DVBl. 2006, 653, 661; Hillgruber JZ 2007, 209, 217; Sinn, NStZ 2004, 585, 587 f.; Zimmermann/Geiß, Der Staat 46 [2007], S. 377, 391 f.; hiergegen Roxin, ZIS 2011, 552, 558.

[102] So im Ergebnis auch OVG Münster, 20 B 1889/07 v. 1.2.2008 = NWVBl 2008, 354 ff.; Baldus, NVwZ 2004, 1278, 1285; ders. NVwZ 2006, 532, 534 f.; Burkiczak, VR 2004, 379, 385; Hase, DÖV 2006, 213, 218; Hillgruber JZ 2007, 209, 214 ff.; Hochuth, NZWehrr 2002, 154, 165 f.; Linke, AöR 129 [1999], S. 489, 533; Palm AöR 132 (2007), 95, 108 ff.; Wilkesmann, NVwZ 2002, 1316, 1322.

[103] Siehe oben B V 2 e; ferner Merkel, DIE ZEIT Nr. 29 v. 8.7.2004.

[104] Vgl. Hirsch, in: Festschrift Küper, 2007, S. 149 , 162 f.; Isensee, in: Festschrift Jakobs, 2007, S. 205, 219 ff.

[105] Vgl. Baumann, DÖV 2004, 853, 861.

© Klaus Grupp (Universität des Saarlandes) und Ulrich Stelkens (Deutsche Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer)

Bearbeitung für Hauptstadtfälle: Jan-Peter Wiepert

Stand der Bearbeitung: Februar 2014

 


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