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Todesstrafe (Sachverhalt)

 

Nach dem Ruchbarwerden verschiedener Parteispenden- und Korruptionsskandale, in die insbesondere auch solche Politiker verwickelt sind, die bisher allgemein als vorbildlich und gesetzestreu galten, hat die Politikverdrossenheit in Deutschland immer mehr zugenommen. Zugleich bilden sich vermehrt Organisationen, die Gewalt als opportunes Mittel zur Durchsetzung ihrer politischen Ziele sehen. Terroristische Anschläge auf etablierte Bundes- und Landespolitiker mit oft tödlichem Ausgang häufen sich und werden darüber hinaus in der Öffentlichkeit mit einer gewissen klammheimlichen Freude gesehen, zumal die Täter trotz massiven Polizeieinsatzes nicht gefunden werden können. Besonders gefürchtet ist die rechtsradikale Gruppe „Vaterländische Partei der Öffnung (VPÖ)“, die mit äußerster Brutalität und Professionalität, aber auch sehr medienwirksam vorgeht.

Die Bundesregierung hält es dementsprechend zur Bekämpfung des Terrorismus für notwendig, die Abschreckungsfunktion des Strafrechts zu optimieren. Sie bringt ein "Gesetz zur Wiedereinführung der Todesstrafe" in den Bundestag ein, dessen Art. 1 einen § 211a in das StGB einfügt, nach dem zwingend mit dem Tode bestraft wird, wer einen Mord (§ 211 StGB) im Auftrag einer terroristischen Vereinigung (§ 129a StGB) oder zur Umsetzung der Ziele einer terroristischen Vereinigung begeht oder dieses versucht. In die StPO werden Bestimmungen eingefügt, nach denen die Vollstreckung der Todesstrafe durch Setzen einer Giftspritze erfolgen soll. Da im Gesetzgebungsverfahren gewisse verfassungsrechtliche Bedenken im Hinblick auf Art. 102 GG auftraten, wurde bei dem nicht so namhaftem (aber dafür günstigen) Staatsrechtslehrer Prof. Dr. Ernst Eckelberg ein diesbezügliches Gutachten in Auftrag gegeben. Eckelberg kommt zu dem Ergebnis, dass Art. 102 GG durch die Worte „ist abgeschafft“ nur klarstellen solle, dass die Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens des Grundgesetzes die Todesstrafe vorsahen, entgegen Art. 123 Abs. 1 GG nicht fort gelten sollten. Ein Verbot der Wiedereinführung der Todesstrafe durch einfaches Gesetz sei aus Art. 102 GG nicht zu folgern, und  ein solches hätte der Verfassungsgeber auch nicht aufstellen dürfen, weil die Todesstrafe dann nur mit 2/3-Mehrheit in Bundestag und Bundesrat wieder eingeführt werden könnte, was mit dem Demokratieprinzip und folglich mit Art. 79 Abs. 3 GG nicht vereinbar sei. Da das Gutachten die Mehrheit der Beteiligten überzeugt, kommt das Gesetz zur Einführung der Todesstrafe schließlich formell ordnungsgemäß zustande.

Ein Jahr nach In-Kraft-Treten dieses Gesetzes wird Rüdiger Kunstinnig-Deinhaus vor dem insoweit erstinstanzlich zuständigen Kammergericht (Oberlandesgericht) Berlin wegen verschiedener Morde, die er im Auftrag der VPÖ begangen haben soll, angeklagt. Das Kammergericht verurteilt den geständigen Kunstinnig-Deinhaus in Anwendung des § 211a StGB zum Tode. Die von Kunstinnig-Deinhaus angestrengte Revision bleibt erfolglos, da der BGH ebenfalls § 211a StGB für verfassungsrechtlich unbedenklich hält. Zwei Wochen nach Verkündung des Urteils des BGH legt Kunstinnig-Deinhaus gegen dieses Urteil und das Urteil des Kammergerichts Verfassungsbeschwerde beim BVerfG ein. In der Begründung gibt er an, dass er durch die Todesurteile in seinem Grundrecht aus Art. 102 GG verletzt sei, zumindest jedoch in seinem Recht aus Art. 1 des auch von der Bundesrepublik Deutschland unterzeichneten Protokolls Nr. 6 zur EMRK über die Abschaffung der Todesstrafe, die dem Lebensschutz auch vor der staatlichen Strafgewalt Vorrang einräumen würden. Gegen das Urteil des BGH erhebt auch die Ehefrau Kunstinnig-Deinhaus´, Nadja Kunstinnig-Deinhaus, Verfassungsbeschwerde zum BVerfG. Sie sieht sich durch die Verurteilung ihres Mannes in ihrem Grundrecht aus Art. 6 Abs. 1 GG verletzt, da hierdurch ihre Ehe gegen ihren Willen beendet werde.

Die Bundesregierung, der nach § 94 Abs. 3 BVerfGG Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben wurde, hält beide Verfassungsbeschwerden für unzulässig. Rüdiger Kunstinnig-Deinhaus habe kein verfassungsbeschwerdefähiges Recht gerügt.  Nadja Kunstinnig-Deinhaus werde durch das Urteil des BGH gar nicht betroffen, da sie nicht selbst verurteilt worden sei. Zudem könne sie sich als russische Staatsangehörige ohnehin nicht auf Grundrechte berufen. Auch würden durch die Todesurteile als solche noch keine Rechte des Verurteilten oder seines Ehegatten verletzt, sondern allenfalls durch ihre Vollstreckung, die vor Erhebung der Verfassungsbeschwerde abgewartet werden müsse. Die Urteile des Kammergerichts und des BGH seien schließlich schon deshalb nicht zu beanstanden, weil sie in Anwendung eines Gesetzes ergangen seien, dessen etwaige Verfassungswidrigkeit wegen Ablaufs der Frist des § 93 Abs. 3 BVerfGG nicht mehr gerügt werden könne und bei dessen Anwendung keinerlei Entscheidungsspielraum bestanden habe. Schließlich hätten die Beschwerdeführer vor Erhebung der Verfassungsbeschwerde zum BVerfG Verfassungsbeschwerde zum Berliner Verfassungsgerichtshof erheben und ein Gnadengesuch beim insoweit zuständigen Bundespräsidenten einreichen müssen.

 

Haben die Verfassungsbeschwerden von Rüdiger und Nadja Kunstinnig-Deinhaus dennoch Aussicht auf Erfolg?


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