Stadionverbot (Lösungsvorschlag)
Ein verwaltungsrechtlicher Rechtsbehelf der Sophie von Sternburg hat Erfolg, wenn er zulässig und begründet ist.
Der Rechtsbehelf ist zulässig, wenn die Sachentscheidungsvoraussetzungen der §§ 40 ff. VwGO vorliegen.
Anmerkung: Für die Prüfung der Sachentscheidungsvoraussetzungen im Verwaltungsprozess siehe diesen Hinweis. |
I. Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs, § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO
Mangels aufdrängender Sonderzuweisung müsste es sich zur Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs nach § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO vorliegend um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art handeln.
1. Verhältnis zwischen Sophie von Sternburg und der Berliner Olympiastadion GmbH
Fraglich ist, ob ein etwaiger unmittelbarer Anspruch der Sophie von Sternburg gegen die Berliner Olympiastadion GmbH öffentlich-rechtlicher Natur wäre. Auch wenn alleiniger Gesellschafter der Gesellschaft das Land Berlin ist, handelt es sich bei ihr gleichwohl um eine rechtsfähige Person des Privatrechts, der keine öffentlich-rechtlichen Handlungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen.[1]
Hier könnte aber ein Anspruch aus § 4 Abs. 1 des Berliner Pressegesetzes (PresseG Bln) gegeben sein. Dieser grundsätzlich öffentlich-rechtliche Anspruch[2] besteht gegenüber „Behörden“. Da die Berliner Olympiastadion GmbH eine juristische Person des Privatrechts und zudem nicht beliehen ist, kann sie keine Behörde im organisatorischen oder funktionellen Sinn sein.[3] Bei der Auslegung des Behördenbegriffs ist aber der Bedeutung der Informationsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG und der Pressefreiheit nach Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG Rechnung zu tragen. Zudem ist zu beachten, dass sich die staatliche Verwaltung durch die Gründung von Personen des Privatrechts zur Erfüllung von Aufgaben der Daseinsvorsorge nicht ihrer Grundrechtsbindung entziehen können soll. Demnach ist § 4 Abs. 1 PresseG Bln so auszulegen, dass „Behörden“ auch solche juristischen Personen des Privatrechts sind, die Aufgaben der Daseinsvorsorge übernehmen und entscheidend[4], jedenfalls aber vollständig[5], unter dem Einfluss der öffentlichen Hand stehen. Das Land Berlin ist alleiniger Gesellschafter der Berliner Olympiastadion GmbH, und die Verwaltung von Infrastrukturanlagen gehört mit zur Daseinsvorsorge. Damit wäre die Berliner Olympiastadion GmbH eine Behörde i. S. v. § 4 Abs. 1 PresseG Bln und grundsätzlich zur Erteilung von Auskünften – so die Rechtsfolgeanordnung von § 4 Abs. 1 PresseG Bln – verpflichtet.
Da dieser Anspruch aber zwischen zwei Subjekten des Privatrechts besteht, die nicht zum öffentlich-rechtlichen Handeln ermächtigt wurden, ist eine bürgerliche Rechtsstreitigkeit i. S. d. § 13 GVG gegeben,[6] mit der Folge, dass das Verwaltungsgericht Berlin den Streit eigentlich nach § 173 VwGO i. V. m. § 17a Abs. 2 S. 1 GVG an das zuständige ordentliche Gericht verweisen muss.[7]
Demnach kann Sophie von Sternburg unmittelbar gegen die Berliner Olympiastadion GmbH nicht auf verwaltungsgerichtlichem Wege vorgehen.[8]
2. Verhältnis zwischen Sophie von Sternburg und dem Land Berlin
Es kommt ein unmittelbares Vorgehen gegen das Land Berlin in Betracht. Dieses ist zwar Verpflichtungsadressat eines etwaigen Zulassungsanspruchs zu einer öffentlichen Einrichtung, kann den Anspruch aber nicht ohne Weiteres erfüllen, da die GmbH über den Zugang zum Olympiastadion entscheidet. In dieser Situation wandelt sich der Zulassungsanspruch jedoch in einen gegen das Land gerichteten Verschaffungsanspruch um, der das Land verpflichtet, auf den von ihm eingeschalteten Einrichtungsbetreiber dahingehend einzuwirken, dass ein im Rahmen der Widmung und des geltenden Rechts von einem Berechtigten geltend gemachter Anspruch realisiert werden kann.[9] Für die Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs müssten dieser Verschaffungsanspruch und damit der zugrundeliegende Zugangsanspruch öffentlich-rechtlicher Natur sein.
Die Streitigkeit ist dann öffentlich-rechtlich, wenn die streitentscheidenden Normen dem öffentlichen Recht zuzuordnen sind. Während die Interessen- und die Subordinationstheorie hier nicht weiterführen, kommt es nach der im Rahmen von § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO ebenfalls vertretenen sog. modifizierten Subjektstheorie darauf an, ob sich die streitentscheidende Norm zumindest auf einer Seite des durch sie geregelten Rechtsverhältnisses an einen Hoheitsträger in dieser Eigenschaft wendet. Der Anspruch auf Zulassung zu öffentlichen Einrichtungen ergibt sich in vielen Bundesländern aus den jeweiligen landesgesetzlichen Vorschriften des Kommunalrechts und ist demnach öffentlich-rechtlicher Natur, da er ausschließlich die Gemeinde verpflichtet.[10] In Berlin fehlt es an einer solchen einfachgesetzlichen Grundlage. Der Zulassungsanspruch ergibt sich in Berlin aus Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit der jeweiligen Widmung der öffentlichen Einrichtung.[11] Der Anspruch verpflichtet zudem allein das Land Berlin als Hoheitsträger, womit nach der modifizierten Subjektstheorie eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit vorliegt.
Zu diesem Ergebnis gelangt auch die in Rechtsprechung[12] und Lehre[13] verbreitete Zwei-Stufen-Theorie, die zwischen der Frage des „Ob“ des Zugangs zu einer öffentlichen Einrichtung und der des „Wie“, also der Ausgestaltung des Nutzungsverhältnisses, unterscheidet. Während der Zugangsanspruch selbst stets öffentlich-rechtlicher Natur ist, kann das „Wie“ der Nutzung sowohl öffentlich- als auch privatrechtlich ausgestaltet sein.
Es liegt somit eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit vor. Da zudem jedenfalls Sophie von Sternburg kein Verfassungsorgan ist und der Streit um den Zugang zu öffentlichen Einrichtungen zunächst keine primär verfassungsrechtliche Frage darstellt, ist keine doppelte Verfassungsunmittelbarkeit gegeben. Damit ist der Verwaltungsrechtsweg nach § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO eröffnet; eine abdrängende Sonderzuweisung ist nicht ersichtlich.
Da die Leichtathletik-EM zum Zeitpunkt des Akkreditierungsantrags der Sophie von Sternburg nur wenige Tage bevorsteht, also besondere Eile geboten ist, zielt das Begehren der Sophie von Sternburg auf ein Vorgehen im vorläufigen Rechtsschutz ab. Die Abgrenzung zwischen den Verfahren nach § 123 VwGO und § 80 Abs. 5 VwGO ist nach § 123 Abs. 5 VwGO vorzunehmen, wonach die einstweilige Anordnung einschlägig ist, wenn kein Fall der §§ 80, 80a VwGO vorliegt. Die Einordnung richtet sich nach dem in der Hauptsache statthaften Rechtsbehelf.
Letztliches Ziel der Hauptsache ist die Einwirkung des Landes Berlin auf die Berliner Olympiastadion GmbH zur Verschaffung einer Akkreditierung. Bei diesem Einwirken auf die GmbH handelt es sich nicht um einen Verwaltungsakt, sondern um schlichtes Verwaltungshandeln. Demnach wäre in der Hauptsache eine allgemeine Leistungsklage statthaft. Der einstweilige Rechtsschutz richtet sich nach § 123 Abs. 1 VwGO.
Die Statthaftigkeit des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO als Sicherungsanordnung (Satz 1) oder Regelungsanordnung (Satz 2) entscheidet sich danach, ob die Anordnung der vorläufigen Erhaltung einer Rechtsposition (Sicherung des status quo) oder der Einräumung bzw. Erweiterung einer Rechtsposition (Veränderung des status quo) dienen soll.[14] Die Zulassung zu einer öffentlichen Einrichtung, die Sophie von Sternburg begehrt, verändert den derzeitigen status quo, sodass der Antrag auf Erlass einer Regelungsanordnung nach § 123 Abs. 1 S. 2 VwGO statthaft ist.
III. Antragsbefugnis, § 42 Abs. 2 VwGO analog
Da nur derjenige vorläufigen Rechtsschutz in Anspruch nehmen soll, der auch ein Hauptsacheverfahren zulässigerweise einleiten kann und der Kläger einer Leistungsklage antragsbefugt sein muss,[15] ist § 42 Abs. 2 VwGO auf das Verfahren nach § 123 VwGO analog anzuwenden.
Sophie von Sternburg ist antragsbefugt, wenn zumindest die Möglichkeit besteht, dass sie einen Anordnungsanspruch geltend machen kann und ein Anordnungsgrund gegeben ist. Der Anordnungsanspruch, hier also der Anspruch der Sophie von Sternburg auf Verschaffung einer Zulassung, könnte sich aus Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit der Widmung des Olympiastadions ergeben. Für das mögliche Vorliegen eines Anordnungsgrundes, also der besonderen Eilbedürftigkeit, genügt es, dass das Sportereignis nur wenige Tage bevorsteht.
Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch müsste Sophie von Sternburg gemäß § 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 924 Abs. 1 ZPO glaubhaft machen.
IV. Passive Prozessführungsbefugnis
Um ein Auseinanderfallen der Prozessführungsbefugnis im Hauptsacheverfahren und im einstweiligen Rechtsschutz zu vermeiden, ist hinsichtlich der passiven Prozessführungsbefugnis entsprechend der Hauptsache zu verfahren. Bei der allgemeinen Leistungsklage findet § 78 VwGO (Abs. 1 Nr. 1 Hs. 2 ausgenommen) keine Anwendung, sodass sich der Klagegegner nach dem Rechtsträgerprinzip bestimmt.[16] Richtiger Klagegegner und somit hier Antragsgegner ist danach das Land Berlin.
Anmerkung: Siehe zur Bedeutung des § 78 VwGO diesen Hinweis. |
V. Beteiligten- und Prozessfähigkeit
Sophie von Sternburg ist als natürliche Person gemäß § 61 Nr. 1, Alt. 1 VwGO beteiligtenfähig und gemäß § 62 Abs. 1 VwGO prozessfähig. Das Land Berlin ist gemäß § 61 Nr. 1, Alt. 2 VwGO beteiligtenfähig und kann nach § 62 Abs. 3 VwGO durch seine gesetzlichen Vertreter im Prozess auftreten.
Teilweise wird vertreten, dass ein Rechtsschutzbedürfnis nur besteht, wenn der Antragsteller sich mit seinem Anliegen bereits an die Behörde gewendet hat.[17] Wegen der analogen Anwendung von § 156 VwGO auf das Anordnungsverfahren ist dieses Erfordernis aber abzulehnen.[18]
Der Antrag der Sophie von Sternburg ist zulässig.
Der Antrag der Sophie von Sternburg gegen das Land Berlin auf Verschaffung einer Zulassung zum Olympiastadion ohne Sicherheitsüberprüfung ist nach § 123 Abs. 1 S. 2 VwGO begründet, wenn Sophie von Sternburg gemäß § 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2, § 294 ZPO Tatsachen glaubhaft macht, die einen Anordnungsanspruch und einen Anordnungsgrund tragen und die Hauptsache nicht in unzulässiger Weise vorweggenommen wird.
Anmerkung: Oft findet sich bei der Prüfung des § 123 VwGO die Formel, dass das Bestehen des Anordnungsanspruchs aufgrund einer summarischen Prüfung festgestellt werden muss. Diese Formel bedeutet – wie das „Glaubhaftmachen“ des Anordnungsanspruchs – im vorliegenden Zusammenhang meist nur, dass bezüglich der Tatsachengrundlage kein Beweis erhoben werden muss, der Sachverhalt also nicht zur vollständigen Überzeugung des Gerichts (§ 102 Abs. 1 S. 1 VwGO) feststehen muss, sondern das Gericht sich mit Wahrscheinlichkeiten begnügen kann. Rechtsfragen werden dagegen in der Regel nicht summarisch, sondern vollständig durchgeprüft (vgl. hierzu Happ, in: Eyermann, § 123 Rn. 48; Schoch, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, § 123 Rn. 62, 69), und genau das wird jedenfalls auch im Examen erwartet. Vgl. hierzu auch den Fall „Presseflug“ (zum Prüfungsmaßstab nach § 123 Abs. 1 S. 2 VwGO) und den Fall „Keinen Platz den Drogen“ (zum Prüfungsmaßstab bei einem Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO). |
Sophie von Sternburg müsste gegenüber dem Land Berlin einen Anspruch haben, ihr Zugang zu den Journalistenbereichen des Olympiastadions während der Europameisterschaft ohne die Sicherheitsüberprüfung zu verschaffen.
Ein solcher Anspruch könnte sich mangels einfach-gesetzlicher Regelung des Zugangs zu öffentlichen Einrichtungen aus Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit der Widmung ergeben. Aus Art. 3 Abs. 1 GG selbst lassen sich keine originären Leistungsansprüche herleiten.[19] Das Grundrecht gewährt aber einen derivativen Leistungsanspruch in dem Sinne, dass, wenn der Staat öffentliche Einrichtungen zur Verfügung stellt, ein Anspruch auf gleichheitsgerechte Entscheidung über den Zugang zu denselben besteht.[20] Aus dem derivativen Charakter des Anspruchs lassen sich deshalb folgende Voraussetzungen ableiten: Das Olympiastadion müsste eine öffentliche Einrichtung darstellen (dazu 1.), und Sophie von Sternburg müsste die tatbestandlichen Voraussetzungen des Zulassungsanspruchs erfüllen, namentlich müsste sie personell berechtigt sein (2.) und eine Nutzung im Rahmen der Widmung (3.) sowie des geltenden Rechts (4.) begehren.[21]
1. Olympiastadion als öffentliche Einrichtung
Unter dem Begriff der öffentlichen Einrichtung ist jede (organisatorische) Zusammenfassung von Personen und Sachmitteln zu verstehen, die im öffentlichen Interesse unterhalten wird und die durch einen Widmungsakt der allgemeinen Nutzung durch die Gemeindeangehörigen (bzw. in Berlin durch alle Anspruchsteller) und ortsansässige Vereinigungen zugänglich gemacht wird.[22] Bei einer Widmung handelt es sich um die öffentliche Zweckbestimmung der Einrichtung durch öffentlich-rechtlichen Rechtsakt, der auch konkludent ergehen kann, und durch den den Einwohnern eines Gemeinwesens im Interesse der Daseinsvorsorge, insbesondere zur Befriedigung ihrer kulturellen, sozialen und politischen Bedürfnisse, eine Einrichtung zur allgemeinen Benutzung bereitgestellt und offengehalten wird.[23] Ist eine Einrichtung des Staates nach ihrem Errichtungszweck für eine derartige Nutzung durch die Allgemeinheit geeignet und bestimmt, so spricht für ihre Widmung als „öffentliche Einrichtung“ eine aus dem Gemeinwohlauftrag des Staates herzuleitende Vermutung, die nur aufgrund eindeutiger Anhaltspunkte für eine beabsichtigte rein privatrechtliche Betriebsform als widerlegt angesehen werden kann. Das Olympiastadion ist anlässlich der Olympischen Spiele 1936 errichtet worden und hat damals eine Zweckbestimmung als Anlage zur Durchführung kultureller, sportlicher und sonstiger großer Veranstaltungen erlangt. Diese Widmung ist in der Zeit seit dem Kriegsende weder aufgehoben noch wesentlich geändert worden. Insbesondere wurde keine dahingehende Einschränkung des Nutzungszwecks anlässlich der Übertragung der Bewirtschaftungsaufgaben auf die Berliner Olympiastadion GmbH vorgenommen.
2. Personelle Berechtigung der Sophie von Sternburg
Sophie von Sternburg müsste auch personell berechtigt sein, einen Anspruch auf Zulassung geltend zu machen. Berechtigte des Zulassungsanspruchs zu öffentlichen Einrichtungen sind nach den Gemeindeordnungen der Bundesländer grundsätzlich die Einwohner.[24] Der endgültige Kreis der berechtigten Nutzer ergibt sich aber aus der Widmung. Sophie von Sternburg lebt nicht in Berlin und ist somit auch keine Einwohnerin. In Berlin ist der Kreis der Zugangsberechtigten jedoch grundsätzlich weiter gefasst, da der die Nutzung einschränkenden Widmung in aller Regel keine Begrenzung auf die Einwohner Berlins entnommen werden kann.[25] Zusätzlich ist immer dann von einer nicht auf die Einwohner begrenzten Zulassung auszugehen, wenn die öffentliche Einrichtung ein überörtliches Gepräge aufweist, d. h. überregionale Veranstaltungen mit überregionalen Besuchern anlocken will. Dann ist auch in anderen Bundesländern die Einwohnerprivilegierung weder vor dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG noch vor dem europarechtlichen Diskriminierungsverbot zu rechtfertigen.[26] Das Olympiastadion weist als eine der größten Sportstätten Deutschlands überregionalen Charakter auf. Auch die konkrete Nutzung im Rahmen der Leichtathletik-EM richtet sich an ein überregionales Publikum und ist von europaweitem, wenn nicht gar weltweitem, Medieninteresse geprägt. Es ist demnach davon auszugehen, dass der Zulassungsanspruch zur Leichtathletik-EM nicht auf die Einwohner Berlins beschränkt ist. Damit ist Sophie von Sternburg grundsätzlich personell Berechtigte.
Das Olympiastadion ist in erster Linie zur Durchführung sportlicher Veranstaltungen gewidmet, wobei insbesondere auch nationale und internationale Großereignisse dem Widmungszweck entsprechen. Dabei ist die Presseberichterstattung von diesen Großereignissen immanenter Teil des Nutzungszweckes, was sich auch in der bisherigen Praxis zeigte. Die von Sophie von Sternburg begehrte Akkreditierung als Sportjournalistin bei der Leichtathletik-EM ist somit vom Widmungszweck umfasst.
4. Im Rahmen des geltenden Rechts
Die Berliner Olympiastadion GmbH stützt die Ablehnung des Akkreditierungsantrags der Sophie von Sternburg allerdings weder auf ihre persönliche Berechtigung noch den Verstoß gegen die Widmung, sondern durch ihre Ablehnung der Überprüfung letztlich auf Sicherheitsbedenken. Fraglich ist jedoch, ob solche ordnungsrechtlichen Aspekte als Argument für die Ablehnung eines Zulassungsanspruchs verwendet werden dürfen. Das Land Berlin könnte verpflichtet sein, auf eine Zulassung ohne Sicherheitsprüfung hinzuwirken, weil es selbst für die Beachtung der ordnungsrechtlichen Aspekte nicht zuständig ist oder weil die Beachtung solcher Aspekte gesetzlich geregelt sein muss.
a) Zuständigkeit des Landes Berlin für ordnungsrechtliche Prüfung
Nach einer Ansicht ist es der Gemeinde bzw. dem Land verwehrt, im Rahmen der Zulassungsprüfung Erwägungen anzustellen, die in den Zuständigkeitsbereich der Polizei- und Ordnungsbehörden fallen. Denn die Zuständigkeitsordnung und deren Anliegen, bestimmte Belange den jeweils ihrer Beurteilung speziell ausgebildeten und ausgestatteten Behörden anzuvertrauen, enthalte die Wertung, dass eben keine anderen Stellen entscheiden sollten.[27] Demnach könnte das Land Berlin verpflichtet sein, eine Zulassung ohne Sicherheitsprüfung zu ermöglichen, da ordnungsrechtliche Erwägungen einem anderen Verband oder einer speziellen Berliner Behörde zufallen.
Andererseits ist zu berücksichtigen, dass die Bereitstellung öffentlicher Einrichtungen in anderen Bundesländern Ausfluss des aus Art. 28 Abs. 2 GG folgenden Selbstverwaltungsrechts der Gemeinden ist. Möchten die Gemeinden die Zulassung aus ordnungsrechtlichen Erwägungen ablehnen, können sie sich zumindest auf das negative Tatbestandsmerkmal der Gemeindeordnungen stützen („im Rahmen des geltenden Rechts“). In Berlin ist dieses Tatbestandsmerkmal im Umfang der konkludenten Widmung enthalten. So verstanden, maßt die die öffentliche Einrichtung errichtende Körperschaft sich dabei nicht eine ordnungsbehördliche Kompetenz an, sondern regelt mit ihren sich auf die Einrichtungen beziehenden Entscheidungen den Umfang der Widmung. Aus der unzweifelhaften Einrichtungskompetenz erwächst Land und Gemeinden damit eine akzessorische ordnungsrechtliche Kompetenz bezüglich der Einrichtung selbst.[28] Daraus folgt, dass, wenn Gemeinden oder Länder eine öffentliche Einrichtung kompetenzgemäß errichtet haben, sie für die Regelung des Zugangs nicht mehr an Zuständigkeitsordnungen gebunden sind. Unabhängig davon, wer in sonstigen Fällen mit der Beachtung ordnungsrechtlicher Aspekte betraut ist, kann das Land für die Zulassung die Beachtung dieser Aspekte aber einer anderen Instanz übertragen.
In Berlin ist die Rechtslage insofern abweichend, als dass hier nicht eine sich auf ihr Selbstverwaltungsrecht stützende Gemeinde, sondern das Land selbst ordnungsrechtliche Aspekte bei der Zulassungsfrage berücksichtigt wissen will. Da das Land aber zugleich Inhaber der polizeilichen Kompetenzen ist, stellt sich in diesem Fall nicht die Frage, wie die Kompetenzabgrenzung zwischen Gemeinde und Land verläuft. Zudem ist die Sicherheitsüberprüfung auch der Polizeibehörde übertragen – das LKA überprüft die Daten – und wird nicht von der GmbH vorgenommen.
Die Beachtung ordnungsrechtlicher Aspekte bei der Entscheidung über die Nutzungszulassung scheitert also nicht schon an einem Fehlen der Verbands- oder Organzuständigkeit.
b) Verstoß gegen den Vorbehalt des Gesetzes
Sophie von Sternburg könnte aber einen Zulassungsanspruch ohne die Durchführung einer Sicherheitsprüfung haben, wenn der Vorbehalt des Gesetzes eine ausdrückliche Rechtsgrundlage für eine solche erfordert. Für die Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung könnte eine grundrechtliche Relevanz des Zugangsverbotes sprechen. Die Ablehnung der Sophie von Sternburg könnte einen Eingriff in deren Pressefreiheit darstellen.
aa) Grundrechtsverpflichtung der Berliner Olympiastadion GmbH
Grundrechtsverpflichteter ist zwar nur der Staat, dabei kommt es jedoch nicht darauf an, in welcher Rechtsform er handelt. Durch eine „Flucht in das Privatrecht“ wird die Grundrechtsbindung des Staates nicht aufgehoben. Jedenfalls in den Fällen, in denen der Staat lediglich eine private Rechtsperson gründet, um privatrechtlich zu handeln, ist auch der Hoheitsträger im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Verschaffungsanspruchs an Grundrechte gebunden.[29] Eine Grundrechtsverletzung durch die ablehnende Entscheidung der Berliner Olympiastadion GmbH scheidet somit nicht bereits wegen fehlender Grundrechtsverpflichtung derselben aus.
bb) Schutzbereich eines Grundrechts/Eingriff
Hinsichtlich des Schutzbereiches ist die Pressefreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG von der Informationsfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 GG abzugrenzen. Da es sich bei der Leichtathletik-EM um eine für die Öffentlichkeit allgemein zugängliche Veranstaltung handelt, könnte man erwägen, ob der Zugang durch Pressevertreter bereits von der Informationsfreiheit erfasst wird. Dies ist nach dem Bundesverfassungsgericht etwa der Fall für den Zugang der Pressevertreter zu Gerichtsverhandlungen.[30] Andererseits ist die Pressefreiheit ein Spezialfall der Informationsfreiheit, da sie die Beschaffung der Informationen nicht nur aus allgemein zugänglichen Quellen, sondern auch durch besondere Recherchen, Beobachtungen etc. umfasst. Die Informationsberechtigung der Presse aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG geht dahingehend über die allgemeine Informationsfreiheit hinaus.[31] Der Sophie von Sternburg geht es gerade darum, für die Berichterstattung besondere Berechtigungen der Presse zu nutzen, wie etwa die Teilnahme an Pressekonferenzen, die Möglichkeit der Interviewführung mit Athleten und den Zugang zu eigens für die Presse eingeräumten Stadionzonen. Allerdings lässt sich aus dem Abwehrrecht der Pressefreiheit kein Anspruch gegenüber öffentlichen Stellen auf Auskünfte herleiten.[32] Dementsprechend kann auch kein Anspruch auf einen privilegierten Zugang zu einem Sportereignis bestehen. Ein Verstoß gegen die Pressefreiheit lässt sich daher nicht annehmen.
Allerdings stützt sich der Nutzungsanspruch wie gesehen auf Art. 3 Abs. 1 GG (s. B.I.2). Eine verfassungsrechtlich zu rechtfertigende Ungleichbehandlung[33] liegt hier vor, da Reporter ohne Sicherheitsüberprüfung anders behandelt werden als solche mit Überprüfung. Die Alternative, sich eine reguläre Eintrittskarte zu kaufen, kann mit Blick auf die weitergehenden Informationsmöglichkeiten der Pressevertreter keinen adäquaten Ersatz schaffen.
cc) Kein Verstoß gegen den Vorbehalt des Gesetzes wegen „Annexkompetenz“ hinsichtlich einrichtungsbezogener Störungen
Trotz der grundrechtlichen Relevanz der ablehnenden Entscheidung könnte eine Ablehnung der Zulassung zur öffentlichen Einrichtung aus ordnungsrechtlichen Gründen auch ohne gesetzliche Grundlage gleichwohl zulässig sein.
Es erscheint sachgerecht, dass der Betreiber der öffentlichen Einrichtung ermächtigt ist, ordnungsrechtliche Aspekte bei seiner Zulassungsentscheidung zu berücksichtigen, solange diese sich ausschließlich auf die Wahrung des Einrichtungszwecks, die Integrität und die Identität der Einrichtung beziehen. Im Einzelnen ist eine solche Kompetenz hinsichtlich der Gewährleistung des reibungslosen Betriebes[34] in der Rechtsprechung angenommen worden für die Fälle, dass die von der Gemeinde selbst aufgestellte Benutzungsordnung missachtet zu werden droht,[35] die Begehung von Ordnungswidrigkeiten und Straftaten droht[36] sowie Schäden an der Einrichtung oder bei ihren Nutzern, d. h. den Veranstaltungsteilnehmern, drohen.
Dogmatisch lässt sich diese Beschränkung vom Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes mit den reduzierten Anforderungen in der Leistungsverwaltung erklären. Zwar ist die Beschränkung des Gesetzesvorbehalts auf die Eingriffsverwaltung überholt,[37] dies führt aber nicht zu einem Totalvorbehalt. Vielmehr muss der Gesetzgeber nur in allen wesentlichen Sachgebieten tätig werden. Die Wesentlichkeit richtet sich danach, wie grundlegend und intensiv eine Regelung in grundrechtlicher Hinsicht ist.[38] In der Leistungsverwaltung ist demnach dann eine gesetzliche Grundlage erforderlich, wenn die angebotene Leistung nicht weniger bedeutungsvoll ist als es ein (unterbliebener) Eingriff wäre.[39]
Hier dient die Ablehnung der Journalisten, die keine Zustimmung zu ihrer Sicherheitsüberprüfung gegeben haben, gerade der Verhinderung von Anschlägen und Störungen der Großveranstaltung. Es liegt mithin ein Fall vor, in dem Schäden der öffentlichen Einrichtung sowie insbesondere der von ihr besuchten Nutzer verhindert werden sollen und der Bereich der „Annexkompetenz“ grundsätzlich betroffen ist.
Die Ermöglichung einer privilegierten Pressearbeit durch Akkreditierung bei der Leichtathletik-EM ist ein Teil der Leistungsverwaltung. Fraglich ist, ob die Verweigerung der Zulassung zur Akkreditierung bei fehlender Sicherheitsüberprüfung eine derartige Einschränkung der Leistung ist, dass sie einem Eingriff gleicht. Sicherlich ist die Berichterstattung von der Leichtathletik-EM für Sportjournalisten eine wichtige Angelegenheit. Die Möglichkeit einer Akkreditierung beeinträchtigt die Arbeit der Journalisten aber keinesfalls in existenzbedrohender Weise. Es besteht grundrechtlich auch kein Anspruch darauf, eine einmal errichtete öffentliche Einrichtung in gleichem Umfang – d. h. weiterhin Akkreditierung ohne Sicherheitsüberprüfung – fortzuführen.[40]
Die Einschränkung der Akkreditierung ist daher keine derart wesentliche Einschränkung einer staatlichen Leistung, dass sie einer gesetzlichen Grundlage bedürfte.
Anmerkung: Eine a. A. ist an dieser Stelle ebenso vertretbar. Die Bearbeiter, die das Vorgehen bereits wegen einer Verletzung des Gesetzesvorbehalts als rechtswidrig ansehen, müssten dann die folgenden Fragen der Verhältnismäßigkeit im Rahmen eines Hilfsgutachtens erörtern und anschließend mit der Prüfung beim Inhalt des Anordnungsanspruchs fortfahren (s. u.). |
c) Angemessenheit der Ungleichbehandlung
Die Ungleichbehandlung bei Zulassung unter Beachtung ordnungsrechtlicher Aspekte muss aber auch ohne das Erfordernis eines Gesetzes die Verhältnismäßigkeit waren.[41] Während das Bundesverfassungsgericht bei Ungleichbehandlungen geringerer Intensität das Gleichheitsgebot als Willkürverbot versteht und zur Rechtfertigung nur irgendeinen sachlichen Grund fordert, verlangt es bei Ungleichbehandlungen größerer Intensität, dass die Ungleichbehandlung und der mit ihr verfolgte Zweck nicht außer Verhältnis stehen dürfen.[42] Die Intensität der Ungleichbehandlung nimmt dabei zu, je mehr die Differenzierungskriterien denen des Art. 3 Abs. 3 GG ähneln oder personenbezogen sind[43] und je mehr die Ungleichbehandlung sich auf den Gebrauch grundrechtlich geschützter Freiheiten nachteilig auswirken kann.[44] Oben wurde ein Eingriff in die Pressefreiheit verneint, da kein direkter Informationsanspruch besteht. Es ist aber nicht zu übersehen, dass die Pressearbeit zumindest erschwert wird. Daher muss die Ungleichbehandlung nach dem strengeren Maßstab gemessen werden.
Die Ungleichbehandlung dient dem legitimen Zweck der Gefahrenabwehr und insbesondere der Abwehr der Terrorgefahr. Nicht bezweckt ist hingegen eine Ausgrenzung bestimmter Journalisten, von denen keine Gefahr für die Allgemeinheit ausgeht.
Die Durchführung der Zuverlässigkeitsüberprüfung von Journalisten ist geeignet, den freien Zugang solcher Journalisten, von denen Gefahren für Sportler und Besucher ausgehen, zu beschränken, da denjenigen von vornherein der Zutritt verwehrt wird, denen aufgrund von vergangenen oder aktuellen Gesetzesüberschreitungen ein gewisses Risikopotential zugesprochen werden kann. Allerdings ist ein solcher Ausschluss nur geeignet, wenn sich die gespeicherten Taten auch auf sicherheitsrelevante Taten beziehen.
Ein milderes Mittel könnte es sein, Journalisten bei jedem Zutritt zum Stadion erneut durch Sicherheitspersonal zu kontrollieren, ebenso wie die normalen Zuschauer auch. Fraglich erscheint aber einerseits die Praktikabilität dieser Lösung. Andererseits ist eine solche punktuelle Kontrolle nicht ebenso geeignet wie das Vorgehen, diejenigen Journalisten von vornherein auszuschließen, bei denen aufgrund bestehender Eintragungen ein Sicherheitsrisiko besteht. Zudem ist zu berücksichtigen, dass angesichts der Vielzahl von Besuchern eine lückenlose Überprüfung durch das Sicherheitspersonal kaum möglich ist. Die bloße Kontrolle ist daher zur Erreichung des erstrebten Zwecks nicht genauso wirksam wie die Zuverlässigkeitsüberprüfung.
Fraglich ist aber, ob das Vorgehen der Berliner Olympiastadion GmbH auch angemessen ist. Dazu ist die Ungleichbehandlung der Reporter mit der möglichen Beeinträchtigung von Leib und Leben von Sportlern und Besuchern der Leichtathletik-EM abzuwägen. Dabei stellen Leben und Gesundheit hohe Verfassungsgüter dar, die sogar einer besonderen Schutzpflicht des Staates unterstehen, Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG. Es wird mit der Untersuchung keine inhaltliche Kontrolle der Pressetätigkeit vorgenommen, sondern lediglich eine allgemeine Sicherheitsüberprüfung vor Beginn der Tätigkeit der Journalisten durchgeführt. Auf der anderen Seite erscheint die Gefahrenlage für die zu schützenden Verfassungsgüter Leib und Leben der Besucher und Athleten besonders hoch. Angesichts des Veranstaltungsortes in der deutschen Bundeshauptstadt und den im Rahmen anderer Großereignisse gemachten Erfahrungen erscheint eine internationale Veranstaltung wie die Leichtathletik-EM als besonders attraktives Ziel für terroristische und sonstige Angriffe. Zudem kann sich Sophie von Sternburg gegen eine etwaige Ablehnung der Akkreditierung aufgrund einer Empfehlung der Sicherheitsbehörden zur Wehr setzen.
Problematisch ist jedoch, dass von Sternburg als reguläre Zuschauerin ohne besondere Sicherheitsüberprüfung an der Veranstaltung teilnehmen könnte. Insofern könnte es an der Verhältnismäßigkeit i. e. S. fehlen. Dagegen spricht jedoch, dass ihr als Pressevertreterin ganz andere Zugangsmöglichkeiten zu sicherheitsrelevanten Strukturen im Innenraum gewährt würden und sie viel näher am Zentrum des Geschehens, ein Gefährdungspotenzial somit ungleich höher wäre.
Die Ungleichbehandlung ist daher angemessen.
Anmerkung: Die andere Ansicht ist gleichermaßen vertretbar. Insbesondere der Umfang der Sicherheitsüberprüfung erscheint sehr weitgehend. Bearbeiter, die die Maßnahme nicht als verhältnismäßig ansehen, müssten folgendermaßen im Hilfsgutachten weiter prüfen: Inhalt des Anordnungsanspruchs: Verschaffungsanspruch gegen das Land Berlin, auf die GmbH dahingehend einzuwirken, dass diese (vorläufig) eine erneute, ermessensfehlerfreie Entscheidung ohne Sicherheitsüberprüfung über die Akkreditierung der Sophie von Sternburg trifft. II. Anordnungsgrund Der erforderliche Anordnungsgrund ist mit der besonderen Eilbedürftigkeit der Entscheidung gegeben. Der Sophie von Sternburg kann nicht zugemutet werden, die Hauptsacheentscheidung abzuwarten. III. Keine Vorwegnahme der Hauptsache Die einstweilige Anordnung darf grundsätzlich nicht zu einer Vorwegnahme der Hauptsache führen. Dem Zulassungsanspruch zu einer öffentlichen Einrichtung ist jedoch immanent, dass seine gerichtliche Durchsetzung im Wege der einstweiligen Anordnung regelmäßig die Hauptsache vorwegnimmt. Dies ist auch hier der Fall, da die Hauptsacheentscheidung erst nach Beendigung der Leichtathletik-EM ergehen kann. Eine Vorwegnahme der Hauptsache ist aber ausnahmsweise dann zulässig, wenn eine nachträgliche Korrektur der möglicherweise rechtswidrigen Verwaltungsentscheidung nicht mehr möglich ist und dem Antragsteller dadurch irreversible Schäden drohen.[45] Vorliegend wäre nach Beendigung der Europameisterschaft eine Korrektur der Nichtzulassung der Sophie von Sternburg unmöglich, so dass ihr irreversible Nachteile drohen. Die Vorwegnahme der Hauptsache ist also zulässig. C. Ergebnis Der Antrag ist zulässig und begründet. Es bleibt aber dabei, dass das Land Berlin die Berliner Olympiastadion GmbH nicht verpflichten muss, die Sophie von Sternburg zuzulassen, sondern diese lediglich eine ermessensfehlerfreie Entscheidung treffen muss und dabei die Verweigerung der Zuverlässigkeitsüberüberprüfung nicht als Argument heranziehen darf. Eine Verweigerung etwa aus Kapazitätsgründen bleibt beispielsweise bei Vorliegen enger Voraussetzungen möglich. |
Die Ablehnung erfolgte damit im Rahmen des geltenden Rechts.
Ein Anordnungsanspruch besteht somit nicht.
Der Antrag der Sophie von Sternburg auf einstweiligen Rechtsschutz gegenüber dem Land Berlin wäre zwar zulässig, aber unbegründet. Gegen die Berliner Olympiastadion GmbH kann sie verwaltungsgerichtlich nicht vorgehen.
Anmerkung: Selbst wenn man die Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs, gegebenenfalls im Rahmen einer Gesamtzuständigkeit nach § 173 VwGO i. V. m. § 17 Abs. 2 GVG bejahte, wäre zu beachten, dass im Ergebnis kein Anspruch aus § 4 Abs. 1 PresseG Bln gegen die Berliner Olympiastadion GmbH auf Akkreditierung bestehen kann, da der Auskunftsanspruch der Presse nur die Beantwortung von Fragen umfasst, nicht aber die Verpflichtung beinhaltet, die Presse von sich aus zu unterrichten.[46] Zwar können im Rahmen der Akkreditierung spezielle Auskunftsersuchen gestellt werden. Trotzdem geht es bei dem Anliegen der Sophie von Sternburg eben nicht um die Erteilung spezieller Auskünfte, sondern um die Teilnahme an einer bestimmten Form der Auskunftserteilung, auf die indessen kein Rechtsanspruch besteht.[47] Gegen die Berliner Olympiastadion GmbH sollte also nicht erst Klage erhoben werden. |
Das Land Berlin kann innerhalb des BOC nicht den Verzicht auf die Zuverlässigkeitsprüfungen durchsetzen. Im Unterschied zum Ausgangsfall liegt hier schon keine öffentliche Einrichtung vor; der Verwaltungsrechtsweg ist nicht gegeben. Sophie von Sternburg müsste gegen das BOC als Privatrechtssubjekt vor den ordentlichen Gerichten klagen (§ 13 GVG).
Eine Grundrechtsverletzung und ein Anspruch der Sophie von Sternburg können demnach nur gegeben sein, wenn auch das BOC als Privatrechtssubjekt überhaupt an Grundrechte gebunden ist.
Gemäß Art. 1 Abs. 3 GG ist nur die öffentliche Gewalt an die Grundrechte gebunden.
Gleichwohl hat etwa das Bundesarbeitsgericht früher eine unmittelbare Geltung der Grundrechte im privaten Rechtsverkehr angenommen (unmittelbare Drittwirkung).[48] Für die unmittelbare Drittwirkung spricht, dass nach Art. 1 Abs. 2 GG die Menschenrechte Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft sind und dass Freiheitsbedrohungen auch von gesellschaftlichen Kräften, Konzernen etc. ausgehen. Gegen die unmittelbare Drittwirkung spricht neben dem Wortlaut des Art. 1 Abs. 3 GG vor allem die Entstehungsgeschichte der Grundrechte als Abwehrrechte gegen den Staat sowie die systematische Auslegung, wonach nur bestimmte Grundrechte auch zwischen Privaten wirken (z. B. Art. 9 Abs. 2 S. 3, 20 Abs. 4 GG).[49]
Daher wird eine unmittelbare Drittwirkung der Grundrechte – abgesehen von den angesprochenen Ausnahmen – inzwischen einvernehmlich abgelehnt.
Gleichwohl finden die Grundrechte auch im Privatrechtsverkehr eine gewisse Berücksichtigung: Die Zivilgerichte, die die zivilrechtlichen Normen anwenden, sind Teil der Staatsgewalt i. S. d. Art. 1 Abs. 3 GG und Grundrechte stellen nicht nur subjektive Abwehrrechte, sondern auch objektive Wertentscheidungen dar, die in alle Rechtsbereiche ausstrahlen (sog. Ausstrahlungswirkung der Grundrechte). Daraus folgt für die zivilgerichtliche Rechtsprechung eine Pflicht zur grundrechtskonformen Auslegung des Zivilrechts, soweit sog. Generalklauseln des bürgerlichen Rechts Auslegungsspielräume belassen.[50]
Deshalb geht die Rechtsprechung davon aus, dass sich aus §§ 826, 242 BGB grundsätzlich ein Kontrahierungszwang ergeben kann. So wurde einem kritischen Journalisten das Recht auf Teilhabe an Presseveranstaltungen bei einem Fußballverein zugesprochen.[51]
Im vorliegenden Fall gilt demnach Folgendes: Bei der Frage, ob sich für das BOC aus §§ 242, 826 BGB ein Kontrahierungszwang zur Zulassung von Journalisten zur Berichterstattung ergibt, hat das Zivilgericht zu entscheiden, ob die Ablehnung des Zugangs der Sophie von Sternburg „sittenwidrig“ ist. Dieser Begriff ist im Lichte der betroffenen Grundrechte auszulegen. Die inhaltliche Prüfung verläuft ebenso wie im Ausgangsfall; es kann also auf das oben gefundene Ergebnis verwiesen werden.
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Fußnoten
[1] Der einzige Ausnahmefall, nämlich der des Privaten, der als Beliehener öffentlich-rechtlich tätig wird, liegt hier nicht vor. Die Beleihung muss durch oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, da sie eine Übertragung von Hoheitsrechten darstellt. Dazu Maurer, Allg. VerwR, 18. Aufl. 2011, § 23 Rn. 56 ff.
[2] Vgl. VG Berlin, AfP 1985, 77; VG Berlin, Beschluss 1 L 17.14 v. 31.1.2014.
[3] Siehe dazu: Maurer, Allg. VerwR, 18. Aufl. 2011, § 21 Rn. 32.
[4] BGH, III ZR 294/04 v. 10.2.2005, S. 5 ff. = NJW 2005, 1720 ff.; Burkhardt, in: Löffler, § 4LPG Rn. 57
[5] OVG Saarlouis AfP 1998, 426, 427 ff.; VG Hannover, 6 A 4856/02 v. 5.6.2003, = NdsVBl. 2003, 305.
[6] Vgl. BGH, NJW 2000, 1042; BVerwG NVwZ 1991, 59.
[7] VG Hannover, 6 A 4856/02 v. 5.6.2003, = NdsVBl. 2003, 305; a.A. Burkhardt, in: Löffler, § 4LPG Rn. 57 m.w.N.
[8] Trotz des rein zivilrechtlichen Handelns der GmbH wird vertreten, dass auch für Klagen gegen die GmbH selbst der Verwaltungsrechtsweg eröffnet ist, wenn diese unmittelbar öffentliche Aufgaben erfüllt, Detterbeck, Allg. VerwR, 14. Aufl. 2016, Rn. 924 m.w.N.
[9] BVerwG NJW 1990, 134, 134 f.
[10] Vgl. die Übersicht bei den Saarheimer Fällen.
[11] Musil/Kirchner, Rn. 495.
[12] BVerwG NJW 1990, 134, 135.
[13] Detterbeck, Allg. VerwR, 14. Aufl. 2016, Rn. 1326.
[14] Schenke, VerwR, Rn. 1025-1027.
[15] BVerwGE 100, 262, 271.
[16] Funke-Kaiser, in: Bader/Funke-Kaiser/Stuhlfauth u.a., VwGO, 6. Aufl. 2014, § 78 Rn. 2 ff.
[17] Hufen, § 33 Rn. 9.
[18] Detterbeck, Allg VerwR, 14. Aufl. 2016, Rn. 1533.
[19] Osterloh, in: Sachs, Art. 3 Rn. 55.
[20] Osterloh, in: Sachs, Art. 3 Rn. 53.
[21] Vgl. Burgi, § 16 Rn. 18.
[22] Vgl. BVerfG, NJW 1991, 162.
[23] Detterbeck, Allg. VerwR, 14. Aufl.2016, Rn. 965.
[24] Vgl. die Übersicht bei den Saarheimer Fällen.
[25] Vgl. Musil/Kirchner, Rn. 495.
[26] Vgl. Burgi, § 16 Rn. 23.
[27] Vollmer, DVBl. 1989, 1087,
[28] Burgi, § 16 Rn. 31.
[29] BverwG NJW 1990, 134 ff., Rn. 7.
[30] Vgl. BVerfGE 103, 44, 59.
[31] Kingreen/Poscher, Grundrechte. Staatsrecht II, 32. Aufl. 2016, Rn. 637.
[32] Herzog, in: Maunz/Dürig, § 5 Abs. 1, Rn. 137-139; BVerwGE 70, 130, 135 f.
[33] Kingreen/Poscher, Grundrechte. Staatsrecht II, 32. Aufl. 2016, Rn. 485 ff.
[34] In den Flächenbundesländern kann diese als „Annexkompetenz“ der Gemeinden bezeichnet werden, vgl. Geis, Kommunalrecht, § 10 Rn. 43; Gern, Rn. 541; Burgi, § 16 Rn. 31.
[35] Vgl. OVG NRW, NJW 1969, 1077.
[36] Vgl. VGH BW, NJW 1987, 2698; HessVGH, NJW 1993, 2331.
[37] Maurer, Allg. VerwR, 18. Aufl. 2011, § 6 Rn. 11; BVerfGE 40, 237, 249 f.; 49, 89, 126 f.; 95, 267, 307 f.
[38] Maurer, Allg. VerwR, 18. Aufl. 2011, § 6 Rn. 12.
[40] Geis, Kommunalrecht, § 10 Rn. 24.
[41] Geis, Kommunalrecht, § 10 Rn. 43.
[42] BVerfGE 99, 367, 388; Kingreen/Poscher, Grundrechte. Staatsrecht II, 32. Aufl. 2016, Rn. 493 ff.
[45] Hufen, § 33 Rn. 17.
[46] BVerwG, I C 30.71 v. 3.12.1974, Rn. 30 = BVerwGE 47, 241, 252 f.
[47] Jarass, DÖV 1986, 721, 723
[48] BAGE 1, 185, 193 f.
[49] Zu diesen Grundrechten gehört auch Art. 9 Abs. 2 S. 3 GG, weshalb eine unmittelbare Drittwirkung insbesondere im Arbeitsrecht durchaus vorkommen kann.
[50] Kingreen/Poscher, Grundrechte. Staatsrecht II, 32. Aufl. 2016, Rn. 203.
[51] OLG Köln, 16 W 8/2000 v. 7.3.2000, Rn. 23 ff. = NJW-RR 2001, 1051, 1052.
© Markus Heintzen (Freie Universität Berlin) und Heike Krieger (Freie Universität Berlin)
Bearbeitung für Hauptstadtfälle: Georg Hellmich, Jannik Bach
Stand der Bearbeitung: Oktober 2016