Peepshow (Sachverhalt)
Friedrich Hein, Inhaber der Gaststätte „St. Ponyhof“ am Rosenthaler Platz, plant den Umbau des ca. 500 qm großen - ziemlich nutzlosen - Lagerkellers der Gaststätte, um dort eine sogenannte „Peepshow“ veranstalten zu können. Hierbei soll auf einer runden, drehbaren Bühne mit einem Durchmesser von fünf Metern eine Frau bei Musik ihren unbekleideten Körper den Zuschauern in 21 kreisförmig um die Bühne angeordneten Ein-Personen-Kabinen zeigen. Die Fenster der Kabinen zur Bühne sollen jeweils durch eine Blende abgedeckt sein, die erst nach Einwurf einer Geldmünze für eine bestimmte Zeit verschwinden soll, und mit einem Glas versehen ist, das die Kabinen von der Bühne aus nicht einsehbar machen soll.
Bevor Hein sich in umfangreiche Investitionen stürzen will, beantragt er bei dem hierfür zuständigen Bezirksamt Mitte (§ 4 Abs. 2 AZG, § 2 Abs. 4 ASOG, Nr. 21 Abs. 2 lit. b ZustKat ASOG), die gemäß § 33 a Abs. 1 S. 1 GewO notwendige Erlaubnis zum Betrieb einer Peepshow. Diese wird durch Bescheid des Bezirksamts, unter Hinweis auf § 33 a Abs. 2 Nr. 2 GewO mit der Begründung verweigert, dass eine Peepshow gegen die guten Sitten verstoße, weil die Frau bei einer solchen Peepshow durch den einseitigen Sichtkontakt gegenüber den in den Kabinen befindlichen Voyeuren entpersonifiziert vermarktet, nämlich so wie die Ware eines Automaten durch Münzeinwurf verkauft und gekauft werde und schließlich das System der Einzelkabinen bewusst den Zuschauern ermögliche, sich während der Vorführung selbst zu befriedigen, was den mit der Menschenwürde der Frauen nicht zu vereinbarenden „Automateneffekt“ noch verstärke.
Hein legt gegen die Verweigerung der Erlaubnis Widerspruch ein und erhebt - nachdem das zuständige Mitglied im Bezirksamt (§ 67 S. 2 ASOG) den Widerspruch unter Bezugnahme auf die „zutreffenden Ausführungen des Bezirksamts“ als unbegründet zurückgewiesen hat - Klage auf Erteilung der Genehmigung vor dem Verwaltungsgericht Berlin. Die zuständige Kammer überträgt die Angelegenheit einem ihrer Mitglieder, der Richterin am Verwaltungsgericht Dr. Bettina Ballmann, nach § 6 VwGO als Einzelrichterin. Während der mündlichen Verhandlung versucht der von Hein beauftragte Rechtsanwalt Sebastian Sartorius ein Rechtsgespräch mit Ballmann einzuleiten. Ballmann gestattet Sartorius auch, Ausführungen zur Rechtslage zu machen, schläft aber dabei ein. Erst nachdem Sartorius geendet hat, schreckt Ballmann auf und schließt die Erörterung der Rechtslage trotz des Protestes von Sartorius mit den Worten ab:
„Lieber Herr Sartorius, ich habe zwar nicht mitgekriegt, was sie gesagt haben, aber sie wissen ja, dass ich mich von ihren Rechtsansichten noch nie habe überzeugen lassen.“
Sodann verkündet Ballmann ihr Urteil, durch das die Klage Heins abgewiesen wird, weil an der Rechtmäßigkeit der Genehmigungsablehnung nicht zu zweifeln sei und damit ein Anspruch auf Genehmigungserteilung nicht bestehe, und schließt die mündliche Verhandlung.
Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg weist den daraufhin gestellten Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichtes zurück. Begründet wird der Nichtzulassungsbeschluss unter anderem damit, dass das Urteil des Verwaltungsgerichtes ständiger Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte entspreche (was zutrifft). Die Begründung des Nichtzulassungsbeschlusses enthält aber außerdem auch den Satz, dass das Begehren Heins wieder einmal deutlich zeige, um was für einen skrupel- und gewissenlosen Menschen es sich bei dem bereits gerichtsbekannten und gerichtsgefürchteten Berliner Gastwirt handele.
Hein findet die Ablehnung seines Antrages und die Argumentationsweise der hiermit betrauten Behörden und Gerichte skandalös. Er sieht sich in seiner Berufswahlfreiheit verletzt. Diese dürfe nicht durch eine antiquierte und letztlich auch heuchlerische Vorstellung einiger Beamten von dem, was sittenwidrig sei und was nicht, eingeschränkt werden. Ob eine Frau sich in einer Peepshow zum „Objekt degradieren“ lasse oder nicht, sei zudem ihre eigene Entscheidung. Er hält sich auch für ungleich behandelt: Er persönlich kenne drei Peepshow-Unternehmen in anderen Bezirken, die eine Erlaubnis nach der Gewerbeordnung erhalten hätten und gegen die nicht eingeschritten worden sei. Hinzu kämen Striptease-Tänze, die selbst in Berlin-Schöneberg öffentlich vorgeführt werden dürfen und dort auch im „30 Minutes Restaurant & Nightclub“ durchgeführt würden. Schließlich sei selbst die Ausübung der Prostitution, die ja wohl „sittenwidriger“ als der Betrieb einer Peepshow zu werten sei, nur in Ausnahmefällen verboten (§ 120 OWiG i.V.m. Art. 297 EGStGB), würde aber ansonsten auch vom Gesetzgeber hingenommen, wie insbesondere auch das neue Prostitutionsgesetz vom 20. Dezember 2001 (BGBl I, S. 3983) zeige, nach dem auch ein Prostitutionsvertrag ein wirksamer Vertrag sei.
Daher legt Hein form- und fristgerecht Verfassungsbeschwerde sowohl gegen die Ablehnung der Genehmigung durch das Bezirksamt Mitte als auch gegen deren Bestätigung im Widerspruchsverfahren und durch das Verwaltungsgericht Berlin sowie gegen den Nichtzulassungsbeschluss des Oberverwaltungerichtes Berlin-Brandenburgs ein. Diese Entscheidungen stellten schon materiell-rechtlich einen Verstoß gegen Art. 12 Abs. 1 GG und Art. 3 Abs. 1 GG dar. Außerdem verletze das Urteil des Verwaltungsgerichtes seinen Anspruch auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG. Schließlich sehe er nicht ein, warum er sich vom Oberverwaltungsgericht beschimpfen lassen müsse. Auch einem Gastwirt komme der grundgesetzliche Ehrenschutz zu.
Hat die Verfassungsbeschwerde Heins Aussicht auf Erfolg?
Bearbeitervermerk: § 33a GewO erhielt seine derzeit gültige Fassung durch Gesetz v. 27. 7. 1984 (BGBl. I, S. 1008). Er könnte zwar heute wegen der Neufassung des Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG durch das 52. Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 28. August 2006 (BGBl. I 2034 - sog. "Föderalismusreform I") nicht mehr vom Bund erlassen werden, gilt in Berlin jedoch nach Art. 125a Abs. 1 S. 1 GG als Bundesrecht fort. Auch die übrigen Bundesländer haben von ihrer Befugnis zur Ersetzung des § 33a GewO durch Landesrecht (noch) keinen Gebrauch gemacht.
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