Sondergericht (Lösungsvorschlag)
Die Verfassungsbeschwerde von Mesut Mözil hat Erfolg, wenn sie zulässig und begründet ist.
Anmerkung: Zur Gliederung einer Urteilsverfassungsbeschwerde siehe diesen Hinweis. |
A. Zulässigkeit
Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig, wenn die Sachentscheidungsvoraussetzungen gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 a GG, §§ 90 ff. BVerfGG erfüllt sind.
I. Zuständigkeit
Das BVerfG ist für Verfassungsbeschwerden gemäß Art. 93 I Nr. 4a iVm §§ 13 Nr. 8a, 90ff. BVerfGG zuständig.
II. Beschwerdefähigkeit
Eine Verfassungsbeschwerde kann „jedermann“ i.S.d. Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 a GG, § 90 Abs. 1 BVerfGG einlegen, d.h. jeder Träger von Grundrechten. Dass Mözil jedermann in diesem Sinne ist, wird von der Bundesregierung zunächst mit dem Argument bezweifelt, er besitze die deutsche Staatsangehörigkeit nicht. Jedoch lässt sich der Existenz der sog. „Deutschen-Grundrechte“ (Art. 8 Abs. 1, Art. 9 Abs. 1, Art. 11 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 16 Abs. 1 und 2, Art. 33 Abs. 1 und 2 GG) entnehmen, dass die Verfassung auch natürlichen Personen mit ausländischer Staatsangehörigkeit (im Gegensatz zu ausländischen juristischen Personen, vgl. Art. 19 Abs. 3 GG) die Fähigkeit zuspricht, Träger von Grundrechten zu sein, die nicht ausdrücklich Deutschen vorbehalten sind.
Dem steht – anders als die Bundesregierung hier argumentiert – auch nicht entgegen, dass diese ihn als Terroristen ansieht. Unabhängig davon, dass deutliche Zweifel daran bestehen, dass Mözil tatsächlich in den Anschlag verwickelt war, sieht das Grundgesetz eine „Grundrechtsverwirkung“ nur für die in Art. 18 GG enumerativ aufgezählten Grundrechte vor und verlangt insoweit eine besondere Feststellung der Grundrechtsverwirkung durch das Bundesverfassungsgericht. Selbst eine Missachtung der Wertvorstellungen des Grundgesetzes entzieht dem Grundrechtsträger den Grundrechtsschutz im Grundsatz nicht. Es ist eine elementare Regel, dass der Rechtsstaat auch die Rechte derjenigen nicht verletzen darf, die das Recht gebrochen haben.[1] Mözil ist somit als natürliche Person „jedermann“ i.S.d. Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 a GG, § 90 Abs. 1 BVerfGG und beschwerdefähig.
III. Beschwerdegegenstand
Verfassungsbeschwerden können sich nur gegen einen Akt „öffentlicher Gewalt“ richten, Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 a GG, § 90 Abs. 1 BVerfGG. Gemeint sind damit alle Maßnahmen der vollziehenden, gesetzgebenden und rechtsprechenden Gewalt, vgl. Art. 1 Abs. 3 GG.
Mözil wendet sich hier gegen das Urteil des Gerichtshofs für Terrorbekämpfung. Unabhängig davon, ob dieser Gerichtshof ordnungsgemäß errichtet worden ist, übt er dem deutschen Staat zurechenbar rechtsprechende Gewalt aus, so dass ein tauglicher Beschwerdegegenstand vorliegt.
IV. Beschwerdebefugnis
Mözil müsste hinreichend substantiiert behaupten, durch das Urteil des Gerichtshofs für Terrorbekämpfung in seinen Grundrechten oder seinen in Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG, § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten sonstigen Rechten verletzt zu sein. Zudem müsste er selbst, gegenwärtig und unmittelbar betroffen sein.
1. Möglichkeit einer Grundrechtsverletzung
Die Verletzung eines mit der Verfassungsbeschwerde durchsetzbaren Rechts müsste möglich sein. Mözil beruft sich hier ausdrücklich nur auf ein „im Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 GG“ verankertes Recht auf ein „ordentliches Strafgericht“. Art. 20 Abs. 1 GG wird jedoch nicht in Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG und § 90 Abs. 1 BVerfGG aufgezählt. Da die Aufzählung der mit der Verfassungsbeschwerde rügefähigen Rechte in diesen Bestimmungen abschließend ist, könnte ein solches Recht nur dann mit der Verfassungsbeschwerde durchgesetzt werden, wenn es sich hierbei um eines der „Grundrechte“ i.S. dieser Bestimmungen handeln würde. Wie aber gerade die Unterscheidung in Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG, § 90 Abs. 1 BVerfGG zwischen den „Grundrechten“ einerseits und den ausdrücklich aufgezählten sog. grundrechtsgleichen Rechten der Art. 20 Abs. 4, Art. 33, Art. 38, Art. 101, Art. 103 und Art. 104 GG andererseits zeigt, sind mit „Grundrechten“ i.S. dieser Bestimmungen nur die im 1. Abschnitt des Grundgesetzes genannten Grundrechte gemeint. Ihnen liegt also ein formeller und kein materieller Grundrechtsbegriff zugrunde. Dies bedeutet, dass weder das allgemeine Rechtsstaatsprinzip noch Art. 6 EMRK zu den mit der Verfassungsbeschwerde rügefähigen Rechten gehören.
Anmerkung: Siehe hierzu auch den Wem-die-Stunde-schlägt-Fall. |
Dennoch ist fraglich, ob die Verfassungsbeschwerde – wie die Bundesregierung in ihrer Stellungnahme annimmt – schon deshalb unzulässig ist. Hierfür könnte § 92 BVerfGG sprechen, der für die Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde verlangt, dass in der Begründung der Verfassungsbeschwerde das Recht zu bezeichnen ist, das verletzt sein soll, und daher in der Begründung nicht bezeichnete Rechte vom BVerfG nicht überprüft werden können.
Jedoch dürfen die Anforderungen an die Begründung der Verfassungsbeschwerde nach § 92 BVerfGG nicht überspitzt werden: Die Verfassungsbeschwerde als besonderer Rechtsbehelf zur Durchsetzung der Grundrechte soll jedermann offenstehen. Gerade deshalb sieht das BVerfGG keinen Anwaltszwang für die Erhebung der Verfassungsbeschwerde vor, § 22 Abs. 1 BVerfGG. Diese Entscheidung würde praktisch entwertet, wenn an die Begründung nach § 92 BVerfGG im Hinblick auf die Bezeichnung der verletzten Rechte Anforderungen gestellt würden, die letztlich nur bei genauer Kenntnis der Rechtsprechung zur Abgrenzung der Schutzbereiche der einzelnen Grundrechte erfüllt werden könnten.[2] Die Funktion der Verpflichtung zur Bezeichnung des verletzten Rechts in § 92 BVerfGG kann dementsprechend nicht darin bestehen, dem BVerfG letztlich verbindlich den Prüfungsmaßstab vorzugeben, sondern nur darin, die Richtung zu bestimmen, in welcher das BVerfG den gerügten Akt der öffentlichen Gewalt auf mögliche Grundrechtsverletzungen hin untersuchen soll.[3]
Anmerkung: So kann etwa ein Gerichtsurteil sowohl hinsichtlich des eigentlichen Entscheidungsergebnisses wie auch durch die Ausgestaltung des Gerichtsverfahrens Grundrechte der Verfahrensbeteiligten verletzen (siehe hierzu diesen Hinweis zur Begründetheit einer Verfassungsbeschwerde gegen Exekutivakte und Gerichtsentscheidungen). Rügt der Beschwerdeführer z. B. nur eine Verletzung des Art. 12 Abs. 1 GG durch ein Gerichtsurteil, da er sich durch das Entscheidungsergebnis in seiner Berufsfreiheit verletzt sieht, besteht für das BVerfG kein Anlass zu prüfen, ob das Gerichtsurteil etwa auch gegen Art. 103 Abs. 1 oder Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG verstößt, da hierdurch die Prüfrichtung verändert würde (vgl. hierzu den Peepshow-Fall). Wenn der Beschwerdeführer indes nur Art. 12 Abs. 1 GG als das durch das Entscheidungsergebnis eines Gerichtsurteils verletzte Recht bezeichnet, tatsächlich aber Art. 5 Abs. 3 GG einschlägig ist, muss das BVerfG das nicht gerügte Grundrecht des Art. 5 Abs. 3 GG ebenso als Prüfungsmaßstab heranziehen wie den ausdrücklich gerügten (aber nicht einschlägigen) Art. 12 Abs. 1 GG, da die Prüfrichtung (Prüfung der Grundrechtskonformität des Entscheidungsergebnisses) durch das fehlerhaft bezeichnete Grundrecht nicht verändert wird. |
Dementsprechend geht das BVerfG in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass „Bezeichnung“ des Rechts in § 92 BVerfGG nicht meint, dass der Beschwerdeführer den einschlägigen Grundrechtsartikel angeben muss,[4] sondern dass es genügt, wenn er den Inhalt eines vermeintlich verletzten Grundrechts umschreibt oder der vorgetragene Sachverhalt nur als auf ein bestimmtes Grundrecht zielend verstanden werden kann.[5] Hier macht Mözil unmissverständlich geltend, dass er das Verfahren vor dem „Gerichtshof für Terrorbekämpfung“ als solches als verfassungswidrig ansieht. Dieser Vortrag zielt in der Sache auf die Feststellung einer Verletzung des Art. 101 Abs. 1 GG (Verbot von Ausnahmegerichten und Recht auf gesetzlichen Richter). Dieses Recht ist ein mit der Verfassungsbeschwerde rügefähiges Recht, so dass insoweit die Behauptung einer Grundrechtsverletzung gegeben ist.
Weiterhin meint die Bundesregierung aber, dass eine Grundrechtsverletzung durch das angegriffene Urteil schon deshalb ausgeschlossen sei, weil dieses auf einem Gesetz beruhe, das wegen Ablaufs der Frist nach § 93 Abs. 3 BVerfGG nicht mehr mit der Verfassungsbeschwerde gerügt werden kann. Sie nimmt somit an, dass eine Gerichtsentscheidung, die auf einem verfassungswidrigen Gesetz beruht, wegen Anwendung dieses verfassungswidrigen Gesetzes nicht selbst verfassungswidrig sein könne. Indes bestimmen § 94 Abs. 4 BVerfGG und § 95 Abs. 3 S. 2 BVerfGG ausdrücklich, dass mit der Verfassungsbeschwerde gegen eine (Gerichts-) Entscheidung mittelbar auch die Verfassungswidrigkeit des Gesetzes gerügt werden kann, auf dem die Entscheidung beruht – ohne dass dieses Gesetz selbst Beschwerdegegenstand der Verfassungsbeschwerde sein müsste. Dem entspricht, dass verfassungswidrige Gesetze schlechthin als nichtig anzusehen sind und Art. 100 Abs. 1 GG den Gerichten verbietet, ein Gesetz ihrer Entscheidung zugrunde zu legen, das sie für verfassungswidrig halten, und insoweit eine Verpflichtung zur Vorlage beim BVerfG normiert.
Die Möglichkeit einer Grundrechtsverletzung besteht nach alldem.
2. Betroffenheit
Mözil ist durch das Urteil, das ihn zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt, auch selbst, gegenwärtig und unmittelbar betroffen.
3. Ergebnis zu IV.
Damit ist nicht von vornherein auszuschließen, dass Mözil in seinem Recht aus Art. 102 Abs. 1 GG verletzt ist. Er ist somit beschwerdebefugt.
V. Ordnungsgemäßer Antrag nach §§ 23 Abs. 1, 93 BVerfGG
Ein ordnungsgemäßer Antrag nach §§ 23 Abs. 1, 93 BVerfGG müsste gestellt worden sein. Ein solcher verlangt die Wahrung des Frist- und des Formerfordernisses.
Die Verfassungsbeschwerde müsste innerhalb der Frist des § 93 Abs. 1 S. 1 BVerfGG (1 Monat) eingelegt worden sein, die mit der Zustellung bzw. der Verkündung „der Entscheidung“ beginnt (§ 93 Abs. 1 S. 2 bis 4 BVerfGG). Diese Frist ist nach dem Sachverhalt eingehalten worden.
Mangels weiterer Angaben im Sachverhalt ist davon auszugehen, dass auch dem Schriftformerfordernis des § 23 Abs. 1 BVerfGG genüge getan wurde. Ein ordnungsgemäßer Antrag liegt daher vor.
VI. Rechtsschutzbedürfnis
Ein Rechtsschutzbedürfnis ist nur dann zu bejahen, wenn der Rechtsweg erschöpft ist und der Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde der Zulässigkeit nicht entgegensteht.
1. Erschöpfung des Rechtswegs (§ 90 Abs. 2 BVerfGG)
Mözil müsste vor Erhebung der Verfassungsbeschwerde nach § 90 Abs. 2 S. 1 BVerfGG den Rechtsweg erschöpft haben. Rechtsweg i.S. dieser Vorschrift ist jeder in einer Rechtsvorschrift vorgesehene Instanzenzug zu einem Gericht i.S. des Grundgesetzes (Art. 92, Art. 97 GG). Nicht zum Rechtsweg gehören dementsprechend Beschwerdemöglichkeiten und Verwaltungsverfahren vor Verwaltungsbehörden, es sei denn, das Gerichtsverfahrensrecht sieht deren Durchlaufen vor Klageerhebung zwingend vor (wie etwa §§ 68 ff. VwGO). Nicht zum Rechtsweg gehören auch solche Rechtsbehelfe, mit denen nicht das ursprüngliche, gegen den Verfassungsverstoß selbst gerichtete Interesse verfolgt werden kann.[6]
Gem. § 140b Abs. 3 GVG sind die Entscheidungen des Gerichtshofs zur Terrorbekämpfung unanfechtbar. Nicht Rechtsweg i.S.d. § 90 Abs. 2 S. 1 BVerfGG ist auch das Gnadenverfahrens bei dem insoweit zuständigen Bundespräsidenten.[7] Dieser ist als Exekutivorgan kein Gericht und die Gnadenentscheidung als solche ist nach Auffassung des BVerfG auch nicht gerichtlich überprüfbar, da es kein subjektives Recht auf eine bestimmte Gnadenentscheidung geben könne.[8]
Damit steht auch § 90 Abs. 2 S. 1 BVerfGG der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde nicht entgegen.
2. Beachtung des Grundsatzes der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde
Fraglich ist jedoch, ob der „Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde“ ihrer Zulässigkeit hier entgegensteht. Nach diesem – vom BVerfG letztlich in erweiternder Auslegung des § 90 Abs. 2 BVerfGG entwickelten – Grundsatz hat der Beschwerdeführer neben der Erschöpfung des Rechtswegs alle anderweitig bestehenden Möglichkeiten auszuschöpfen, die geeignet sind, der Beschwer ohne Inanspruchnahme des BVerfG abzuhelfen.[9]
Vorliegend ist fraglich, ob Mözil nicht vor Erhebung der Verfassungsbeschwerde versucht haben müsste, auf dem Gnadenwege ein Absehen von der Freiheitsstrafe zu erlangen. Im Wege der Gnadenentscheidung kann jedoch nur die Vollstreckung des Urteils ausgesetzt, das Urteil selbst jedoch nicht beseitigt werden.[10] Insofern lässt sich die in der Verurteilung liegende Beschwer durch eine Gnadenentscheidung nicht beseitigen.[11]
Dementsprechend steht auch der Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde ihrer Zulässigkeit im vorliegenden Fall nicht entgegen.
VII. Ergebnis zu A.
Die Verfassungsbeschwerde ist damit zulässig.
B. Begründetheit
Die Verfassungsbeschwerde ist begründet, wenn Mözil durch das Urteil des Gerichtshofs zur Terrorbekämpfung tatsächlich in seinen Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten verletzt ist. Hierbei ist zu beachten, dass das Bundesverfassungsgericht keine Superrevisionsinstanz ist. Es prüft nur die Verletzung spezifischen Verfassungsrechts, aber nicht die Verletzung einfachen Rechts.
I. Art. 101 Abs. 1 S. 1 GG
Art. 101 Abs. 1 S. 1 GG könnte verletzt sein. Die Vorschrift verbietet allgemein – und damit auch in Strafverfahren – „Ausnahmegerichte“. Mit diesem Verbot korrespondiert das Recht, nicht von einem solchen Ausnahmegericht verurteilt zu werden. Ausnahmegerichte in diesem Sinne sind Gerichte, die keine generell-abstrakt bestimmte gesetzlichen Zuständigkeit haben, sondern besonders gebildet und zur Entscheidung einzelner konkreter Fälle bestimmt werden.[12] Ein solches Gericht liegt insbesondere vor, wenn ein Gericht ad hoc oder ad personam gebildet würde.[13] Abzugrenzen sind Ausnahmegerichte von Gerichten „für besondere Sachgebiete“ i.S.d. Art. Art. 101 Abs. 2 GG. Diese sind zulässig und unterscheiden sich dadurch von Sondergerichten, dass ihre Zuständigkeit abstrakt-generell im Vorhinein bestimmt ist.
Nach § 140b GVG, der formell ordnungsgemäß erlassen wurde, kann die Bundesregierung die Zuständigkeit des Gerichtshofs zur Terrorbekämpfung für konkrete Einzelfälle beschließen. Daher handelt es sich um ein nach Art. 101 Abs. 1 S. 1 GG unzulässiges Ausnahmegericht. Art. 101 Abs. 1 S. 1 GG wird als absolutes Recht verstanden, eine Rechtfertigung von Ausnahmen, insbesondere aus Gründen einer „Effektivierung“ der Strafverfolgung, ist nicht möglich, da Ausnahmegerichte mit wesentlichen Anforderungen des Rechtsstaatsprinzips unvereinbar sind.[14] Somit verletzt das angegriffene Urteil Art. 101 Abs. 1 S. 1 GG.
Anmerkung: Auf die Anwendung des Gesetzes im Einzelfall kommt es daher vorliegend nicht mehr an. Diese ist auch nicht hilfsweise zu prüfen, da hier keinerlei Probleme liegen: Die Anwendung im Einzelfall würde, ohne weitere erforderliche Erwägungen, nur die Verfassungswidrigkeit des Gesetzes im konkreten Fall aktualisieren. Siehe zum Aufbau der Urteilsverfassungsbeschwerde diesen Hinweis. |
II. Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG
Daneben kommt auch eine Verletzung des Rechts auf den „gesetzlichen Richter“ in Betracht. Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG begründet zunächst das Recht darauf, dass die Zuständigkeit eines Richters im Vorhinein abstrakt-generell festgelegt ist.[15] Die (auch tatsächlich) stattfindende Bestellung von Richtern durch die Exekutive verstößt nicht gegen das Recht auf den gesetzlichen Richter, sondern ist in der gewaltenteiligen Struktur des Grundgesetzes gerade angelegt.[16] § 140b Abs. 1 und 2 GVG verstößt jedoch insofern gegen das Gebot des gesetzlichen Richter, als dass er es ermöglicht, Richter ad hoc und ad personam im Nachhinein zu bestimmen.[17]
Da auch Eingriffe in Art. 102 Abs. 1 S. 2 GG nicht gerechtfertigt werden können,[18] ist auch insoweit Art. 101 Abs. 1 GG verletzt
III. Ergebnis zu B.
§ 140b GVG ist somit wegen Verstoßes gegen Art. 101 Abs. 1 GG verfassungswidrig, so auch das hierauf beruhende Urteil des Gerichtshofs zur Terrorbekämpfung verfassungswidrig ist. Die Verfassungsbeschwerde von Mözil ist damit begründet.
C. Gesamtergebnis
Die Verfassungsbeschwerde von Mözil ist zulässig, begründet und hat somit Erfolg. Das BVerfG wird nach § 95 Abs. 1 BVerfGG feststellen, dass das Urteil des Gerichtshofs zur Terrorbekämpfung gegen Art. 101 Abs. 1 GG verstieß und wird diese Entscheidung nach § 95 Abs. 2 BVerfGG aufheben. Darüber hinaus wird es nach § 95 Abs. 3 S. 2 BVerfGG § 140b GVG für nichtig erklären.
Eine Zurückweisung der Sache an ein zuständiges Gericht nach § 95 Abs. 2 BVerfGG kommt vorliegend nicht in Betracht: Mit der Aufhebung des Urteils des Gerichtshofs für Terrorbekämpfung und der Nichtigkeitserklärung des § 140b GVG muss jetzt (von der Staatsanwaltschaft) völlig neu geprüft werden, ob und ggf. vor welchem Gericht ein Verfahren gegen Mözil angestrengt werden soll.
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Fußnoten
[1] So ausdrücklich BVerfG, 2 BvR 1673/04 v. 31.5.2006, Rn. 58.
[2] Müller-Franken, DÖV 1999, 590, 594 f.
[3] Stelkens, DVBl. 2004, 403, 408.
[4] BVerfGE 21, 190, (194); 47, 182 (187); 79, 194 (201); 84, 366 (369); 85, 214(117).
[5] Magen, in: Umbach/Clemens/Dollinger, BVerfGG, 2. Aufl. 2005, § 92 Rn. 10.
[6] Sperlich, in: Umbach/Clemens/Dollinger, BVerfGG, 2. Aufl. 2005, § 90 Rn. 114.
[7] S. zum Gnadenrecht etwa: Maurer, Staatsrecht I, 6. Aufl. 2010, § 15 Rn. 15.
[8] BVerfGE 25, 352 (357 ff.); 45, 187(242 ff.).
[9] Sperlich, in: Umbach/Clemens/Dollinger, BVerfGG, 2. Aufl. 2005, § 90 Rn. 127.
[10] BVerfGE 30, 108 (110 ff.).
[11] Siehe zum Gnadenrecht ausführlich: Stern, Staatsrecht, 1988, Band III/1, § 74 II 6 b, S. 1369 ff.
[12] BVerfGE 3, 213 (223); s. hierzu: Kingreen/Poscher, Grundrechte, 33. Aufl. 2017, Rn. 1220.
[13] Degenhart, in: Sachs, GG, 7. Aufl. 2014, Art. 101 Rn. 23.
[14] Ebd.; Müller-Terpitz, in: Schmidt-Bleibtreu u.a., GG, 14. Aufl. 2018, Art. 101 Rn. 4.
[15] Kingreen/Poscher, Grundrechte, 33. Aufl. 2017, Rn. 1221.
[16] Kingreen/Poscher, Grundrechte, 33. Aufl. 2017, Rn. 1230.
[17] Ebd.; BVerfGE 82, 159 (194).
[18] Kingreen/Poscher, Grundrechte, 33. Aufl. 2017, Rn. 1235.
© Klaus Grupp (Universität des Saarlandes) und Ulrich Stelkens (Deutsche Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer)
Bearbeitung für Hauptstadtfälle: Georg Hellmich (Überarbeitung: Björnstjern Baade)
Stand der Bearbeitung: August 2018