Winzerleid (Loesungsvorschlag)
Teil 1
Hinweis: Zur Verfassungsmäßigkeit der Weinabgabe nach § 43 WeinG existiert mittlerweile eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Beschl. v. 6.5.2014 – 2 BvR 1139/12, 2 BvR 1140/12) Diese war nicht Grundlage der ursprünglichen Falllösung. Die folgende Falllösung berücksichtigt die Entscheidung an den relevanten Punkten, kommt aber zu einem unterschiedlichen Ergebnis. |
Die Verfassungsbeschwerde des Sebastian Sartorius gegen die Abgabe zum Weinfonds hat Aussicht auf Erfolg, wenn sie zulässig und begründet ist.
Zunächst müsste die von Sebastian Sartorius erhobene Verfassungsbeschwerde zulässig sein.
Das Bundesverfassungsgericht ist gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 a GG, §§ 13 Nr. 8a, 90 ff. BVerfGG zuständig.
II. Beschwerdefähigkeit/ Beteiligtenfähigkeit
Gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG, § 90 Abs. 1 BVerfGG ist „jedermann“ beschwerdefähig. Sebastian Sartorius ist als natürliche Person „jedermann“ und damit beschwerdefähig.
Beschwerdegegenstand ist jeder Akt öffentlicher Gewalt.
Zunächst käme das WeinG als Akt der Legislative als Beschwerdegegenstand in Betracht. Sebastian Sartorius wendet sich ausweislich seines geäußerten Willens nicht gegen die Errichtung des Weinfonds durch das WeinG, sondern gegen die ihn hierdurch treffenden Zahlungspflichten. Diese Zahlungspflichten werden zwar im WeinG geregelt, sie treten für Sebastian Sartorius aber erst nach Erlass des Zahlungsbescheids durch den Weinfonds ein. Bei Rechtsnormen, die auf den Vollzug durch Behörden und Gerichte gerichtet sind und deren Vollzug selbst vor den Gerichten angegriffen werden kann, fehlt dem Beschwerdeführer die unmittelbare Beschwer. In diesem Fall muss er den Vollzugsakt abwarten und gegen diesen fachgerichtlichen Rechtsschutz suchen. Erst nach Erschöpfung des Rechtswegs ist dann eine Urteilsverfassungsbeschwerde zulässig, die sich mittelbar auch gegen das dem Vollzugsakt zugrunde liegende Gesetz richtet.[1] Dies ist bei Abgabengesetzen immer dann der Fall, wenn sie durch Gebühren- oder Beitragsbescheid vollzogen werden.[2] Obwohl § 43 WeinG konkrete Angaben zur Berechnung der Höhe der Zahlungspflicht und zu den Zahlungspflichtigen aufstellt, werden diese erst durch den Leistungsbescheid des Weinfonds konkretisiert und treffen Sebastian Sartorius daher nicht unmittelbar. Er könnte das WeinG daher nicht unmittelbar mit einer Verfassungsbeschwerde angreifen.
Als Beschwerdegegenstand kommen weiterhin zum einen der Leistungsbescheid des Weinfonds als Akt der Exekutive und zum anderen die abweisenden Urteile der Verwaltungsgerichte als Akte der Judikative in Betracht. Bei mehreren Akten der öffentlichen Gewalt in der gleichen Sache lässt das BVerfG dem Beschwerdeführer die Wahl, ob er nur die letztinstanzliche Gerichtsentscheidung oder zusätzlich die Entscheidungen der Vorinstanzen bzw. den zu Grunde liegenden Akt der Exekutive mit der Verfassungsbeschwerde angreifen will.[3] Sebastian Sartorius wendet sich sowohl gegen den Akt der Exekutive als auch gegen die Akte der Judikative. Aus seinem Begehren ist ersichtlich, dass er alle diese Akte aufgehoben haben möchte. Alle diese Akte sind Beschwerdegegenstand der vorliegenden Verfassungsbeschwerde. Dennoch liegt nur eine Verfassungsbeschwerde vor.[4]
Sebastian Sartorius ist beschwerdebefugt, wenn die von ihm geltend gemachte Grundrechtsverletzung zumindest möglich erscheint und er selbst, gegenwärtig und unmittelbar von der staatlichen Maßnahme betroffen ist.
1. Möglichkeit der Grundrechtsverletzung
Sebastian Sartorius macht geltend, in seinen Grundrechten aus Art. 12, 14, 3 oder 2 Abs. 1 GG verletzt worden zu sein. Durch die Abgabe, die Sebastian Sartorius an den Weinfonds jährlich zu leisten hat, wird sein Gewinn geschmälert. Damit erscheint die von ihm geltend gemachte Grundrechtsverletzung jedenfalls nicht von vornherein vollkommen ausgeschlossen.
Weiterhin muss diese Grundrechtsverletzung gerade durch die fachgerichtlichen Urteile erfolgen. Das Bundesverfassungsgericht überprüft nicht als „Superrevisionsinstanz“ jede Auslegung und Anwendung einfachen Gesetzesrechts durch die Fachgerichte, wie im vorliegenden Fall die Auslegung und Anwendung des WeinG; sondern es beschränkt sich auf die Prüfung, ob die Fachgerichte in ihrem Urteil spezifisches Verfassungsrecht verletzt haben.[5] Dies muss zumindest möglich erscheinen. Hier haben die Fachgerichte ohne erneute Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der zugrunde liegenden Gesetze ihre Urteile auf eine bereits 40 Jahre alte Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gestützt. Eine erneute Prüfung der Grundrechte des Sebastian Sartorius fand in ihrer rechtlichen Beurteilung nicht statt. Dadurch erscheint eine spezifische Grundrechtsverletzung des Sebastian Sartorius gerade durch die fachgerichtlichen Urteile möglich.
2. Betroffenheit des Beschwerdeführers
Zudem müsste Sebastian Sartorius selbst, gegenwärtig und unmittelbar betroffen sein. Dies ist hier unproblematisch zu bejahen. Er macht eine eigene Grundrechtsverletzung geltend, die noch andauert und ihn unmittelbar in Form des Leistungsbescheids und der fachgerichtlichen Urteile trifft.
Sebastian Sartorius ist beschwerdebefugt.
Mangels gegenteiliger Angaben im Sachverhalt ist davon auszugehen, dass die Form (schriftlicher Antrag gemäß § 23 Abs. 1 S. 1 BVerfGG mit Begründung gemäß §§ 92, 93 Abs. 1 S. 1 und 23 Abs. 1 S. 2 BVerfGG) und die Frist von einem Monat nach Zustellung der letztinstanzlichen Gerichtsentscheidung (§ 93 Abs. 1 S. 1 BVerfGG) eingehalten worden sind.
Gemäß § 90 Abs. 2 BVerfGG muss der Rechtsweg vor Erhebung der Verfassungsbeschwerde erschöpft sein. Dies ist geschehen.
2. Rechtskraft der Bundesverfassungsgerichtsentscheidungen
Fraglich ist aber, ob das Rechtsschutzbedürfnis des Sebastian Sartorius entfällt, weil das Bundesverfassungsgericht bereits in einem vergleichbaren Fall (BVerfGE 37, 1) entschieden hat. Einer erneuten Verfassungsbeschwerde könnte die Rechtskraft dieser vorangegangenen Entscheidung entgegenstehen.
Gerichtliche Entscheidungen haben grundsätzlich nur für den einzelnen Rechtstreit bindende Wirkung. Hierbei wird zwischen formeller und materieller Rechtskraft der Entscheidung unterschieden. Die formelle Rechtskraft besagt, dass Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts – abgesehen von der Ausnahme in § 61 BVerfGG – nicht mehr angreifbar sind.[6] Diese spielt vorliegend keine Rolle, weil Sebastian Sartorius nicht die erste Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im Rahmen der Verfassungsbeschwerde seines Vaters angreift, sondern für sich eine neue Verfassungsgerichtsentscheidung begehrt. Neben dieser Unangreifbarkeit der gerichtlichen Entscheidung werden die Prozessbeteiligten in ihrem Verhältnis zueinander zudem in der Weise gebunden, dass grundsätzlich unter ihnen über denselben Streitgegenstand nicht erneut oder abweichend entschieden werden kann (materielle Rechtskraft). Die gerichtliche Entscheidung soll endgültigen Rechtsfrieden zwischen den streitenden Parteien schaffen.[7] Dies gilt auch für die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts. Aus ihrem Zweck heraus folgt, dass in einem späteren Prozess die Rechtskraft das Bundesverfassungsgericht nur dann bindet, wenn es sich um denselben Streitgegenstand zwischen denselben Parteien handelt.[8]
Sebastian Sartorius gehörte nicht zu den Prozessbeteiligten des ersten Gerichtsverfahrens. Dieses hat sein Vater geführt. Damit streiten vorliegend nicht dieselben Parteien wie im ersten Verfahren. Die materielle Rechtskraft der ersten Entscheidung steht der vorliegenden Verfassungsbeschwerde nicht im Weg.
3. Bindungswirkung gemäß § 31 Abs. 1 BVerfGG
Gemäß § 31 Abs. 1 BVerfGG sind alle Verfassungsorgane des Bundes und der Länder sowie alle Gerichte und Behörden an die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts gebunden. Damit ergänzt § 31 Abs. 1 BVerfGG die materielle Rechtskraft der ersten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in so weit, dass die Behörden und Gerichte nicht nur verpflichtet sind, die konkrete Entscheidung zu befolgen, sondern vielmehr auch, in allen gleichgelagerten Fällen entsprechend zu entscheiden.[9] § 31 Abs. 1 BVerfGG dehnt daher die Rechtskraft in subjektiver Hinsicht aus.[10]
Dabei bindet nicht nur der auf den Einzelfall bezogene Tenor der bundesverfassungsgerichtlichen Entscheidung, sondern es binden zudem die tragenden Entscheidungsgründe.[11]
In der Verfassungsbeschwerde des Vaters von Sebastian Sartorius hat das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsmäßigkeit des WeinG inzident überprüft. Es ist damals zu dem Ergebnis gekommen, dass das WeinG verfassungsmäßig ist. Der vorliegende Fall unterscheidet sich lediglich hinsichtlich des Beschwerdeführers von der ersten Entscheidung, so dass von einem gleichgelagerten Fall ausgegangen werden kann.
Reicht die Bindungswirkung in subjektiver Hinsicht weiter als die materielle Rechtskraft, so sind ihre zeitlichen Grenzen aber gleich.[12] Da die Verfassungsbeschwerde immer auf den Zeitpunkt abstellt, in dem die Entscheidung ergeht, kann ihre Rechtskraft und damit auch ihre Bindungswirkung nicht die Berufung auf neue Tatsachen verhindern, die erst nach der früheren Entscheidung entstanden sind.[13] Hierfür reicht es aus, wenn neue Tatsachen objektiv vorliegen.[14] Hat sich die Sachlage verändert, liegt gerade kein gleichgelagerter Fall mehr vor.[15]
Neue Tatsachen könnten sich in Bezug auf das WeinG zum einen daraus ergeben, dass es 1994 neu erlassen worden ist, und zum anderen daraus, dass die erste Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts bereits über 40 Jahre zurück liegt. Die Wein-Abgabe wurde in den 1970er Jahren mit dem Ziel eingeführt, durch Verbesserung der Weinqualität, Absatzwerbung und Stabilisierung der Marktverhältnisse im Hinblick auf eine europäische Marktordnung die Konkurrenzfähigkeit des deutschen Weinbaus gegenüber den Weinbauländern Frankreich und Italien zu festigen. In den letzten 40 Jahren haben sich die wirtschaftlichen Verhältnisse sowohl national als auch europaweit erheblich verändert und mit ihnen auch die Regelungsgrundlage des WeinG. Bei veränderten Verhältnissen besteht aufgrund des aus der Finanzverfassung hergeleiteten Ausnahmecharakters einer Sonderabgabe für den Abgabengesetzgeber die verfassungsrechtliche Pflicht, die Voraussetzungen der Abgabenerhebung zu überprüfen. Auch wenn die Wein-Abgabe damals verfassungsmäßig war, hätte der Gesetzgeber ihre sachliche Rechtfertigung längst überprüfen müssen.[16] Kommt er bei der Überprüfung zu dem Ergebnis, dass die Wein-Abgabe aufgrund der geäderten Verhältnisse nicht mehr verfassungsmäßig ist, muss er sie eigeständig aufheben.[17] In welchen Zeitabständen die Fortdauer der sachlichen Rechtfertigung einer Sonderabgabe vom Gesetzgeber zu überprüfen ist, lässt sich nicht generell und abstrakt, sondern nur nach den besonderen Umständen der konkreten Sonderabgabe und den ihr zugrunde liegenden Verhältnissen bemessen.[18] Nach 40 Jahren ist bei einer im Bereich der Wirtschaftsförderung angesiedelten Abgabe eine Überprüfungspflicht des Gesetzgebers unproblematisch zu bejahen. Mit den veränderten gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen liegen objektiv neue Tatsachen vor. Damit ist die Verfassungsbeschwerde des Sebastian Sartorius kein gleichgelagerter Fall.
Zudem besteht die Bindungswirkung der Entscheidungen auch nicht für das Bundesverfassungsgericht selbst. Das Gericht kann seine in einer früheren Entscheidung vertretenen Rechtsauffassungen aufgeben, auch soweit sie für die damalige Entscheidung tragend waren.[19]
Die Bindungswirkung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts auf die erfolglos erhobene Verfassungsbeschwerde des Vaters von Sebastian Sartorius steht einer erneuten Überprüfung der Wein-Abgabe durch die Verfassungsbeschwerde des Sebastian Sartorius nicht entgegen.
4. Gesetzeskraft gemäß § 31 Abs. 2 BVerfGG i. V. m. Art. 94 Abs. 2 GG
Neben der Bindungswirkung entfalten die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts auch Gesetzeskraft gemäß § 31 Abs. 2 BVerfGG i.V.m. Art. 94 Abs. 2 GG. Die Gesetzeskraft der ersten Entscheidung könnte das Rechtsschutzbedürfnis von Sebastian Sartorius im vorliegenden Fall entfallen lassen. Zwar ist eine Verfassungsbeschwerde zunächst auf die subjektive Grundrechtsverletzung gerichtet, gemäß § 31 Abs. 2, S. 1 u. 2 BVerfGG kommt den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts aber auch bei inzidenten Normenkontroll-Verfassungsbeschwerden, wie der vorliegenden, Gesetzeskraft hinsichtlich der inzidenten Gesetzesprüfung zu. Das Bundesverfassungsgericht entscheidet auch in diesen Verfahren letztverbindlich über die Frage der Gültigkeit oder Nichtigkeit eines Gesetzes gegenüber jedermann.[20] Während die materielle Rechtskraft sich nur auf die am Verfahren Beteiligten erstreckt, hat die Gesetzeskraft zur Folge, dass jeder bei seinem künftigen Verhalten die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts beachten muss. Der Unterschied zur Bindungswirkung liegt darin, dass diese lediglich Hoheitsträger bindet, während aufgrund ihrer Gesetzeskraft die Entscheidungen für und gegen jedermann, also auch Privaten, gelten[21] Dabei erwächst lediglich die Entscheidungsformel in Gesetzeskraft.[22]
Das WeinG wurde in der ersten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts für verfassungsmäßig und damit gültig erklärt. Dies erwuchs in Gesetzeskraft. Doch trotz der Gesetzeskraft bleibt die gesetzeskräftige Gerichtsentscheidung eine gerichtliche Entscheidung. Daher ist auch diese zeitlich gebunden.[23] Auch die Gesetzeskraft der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts reicht in zeitlicher Hinsicht nicht weiter als ihre Bindungswirkung, so dass bei Änderung wesentlicher Umstände eine erneute Vorlage möglich ist.[24]
Damit ist auch durch die Gesetzeskraft des ersten Urteils das Rechtschutzbedürfnis des Sebastian Sartorius nicht entfallen.
Die von Sebastian Sartorius erhobene Verfassungsbeschwerde ist zulässig.
Die zulässige Verfassungsbeschwerde des Sebastian Sartorius ist begründet, wenn er durch die Abgabe an den Weinfonds in seinen Grundrechten verletzt wird. In Betracht kommen hier zunächst die Artt. 12, 14 und 3 GG.
Sebastian Sartorius könnte durch die Weinabgabe in seiner Eigentumsfreiheit aus Art. 14 Abs. 1 GG verletzt sein. Hierfür müsste der Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG eröffnet sein, in diesen müsste eingegriffen worden sein und dieser Eingriff dürfte sich nicht rechtfertigen lassen.
Die Weinabgabe müsste daher zunächst ein zum Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG zählendes Recht des Sebastian Sartorius tangieren. Art. 14 Abs. 1 GG schützt die Innehabung, Nutzung und Verfügung über Eigentum.
Eigentum i. S. von Art. 14 Abs. 1 GG ist die Summe der vom Gesetzgeber gewährten vermögenswerten Rechte. Kern des verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriffs ist der zivilrechtliche Eigentumsbegriff des § 903 BGB. Unter den Eigentumsbegriff des Art. 14 Abs. 1 GG fallen alle privatrechtlichen vermögenswerten Rechte. [25] Die Auferlegung staatlicher Geldleistungspflichten, zu denen auch die Wein-Abgabe zu zählen ist, betrifft das Vermögen des Sebastian Sartorius. Die Frage, ob das Vermögen als solches dem Eigentumsbegriff unterfällt, ist in der Rechtsprechung und Literatur umstritten.[26]
Nach Auffassung des 1. Senats des Bundesverfassungsgerichts schützt Art. 14 Abs. 1 GG nicht vor der staatlichen Auferlegung von Geldleistungspflichten, solange diese keine erdrosselnde Wirkung haben, weil das Vermögen kein Recht, sondern den Inbegriff aller geldwerten Güter einer Person darstelle.[27]
Der 2. Senat des Bundesverfassungsgerichts scheint demgegenüber den Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG bei Steuerpflichten grundsätzlich als eröffnet anzusehen.[28]
Die Befürworter des Vermögensschutzes im Rahmen des Art. 14 Abs. 1 GG begründen dies mit der Garantie aus Art. 14 Abs. 3 GG, einen Tauschwert aller Sachen und Rechte, die das Vermögen des Grundrechtsträgers bildeten, zu bewahren.[29]
Diese Meinung kann jedoch nicht überzeugen, weil Art. 14 GG ein Recht schützt und das Vermögen als solches von der Rechtsordnung gerade nicht als Recht ausgestaltet ist.[30] Damit ist der ersten Auffassung zu folgen.
Die Wein-Abgabe des Sebastian Sartorius als Geldzahlungspflicht betrifft sein Vermögen. Der Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG wäre daher lediglich dann eröffnet, wenn die Abgabe seine Vermögensverhältnisse so grundlegend beeinträchtigt, dass diese für ihn eine erdrosselnde Wirkung entfaltet. Das erscheint aufgrund der geringen Höhe der Abgabe nicht möglich und wurde auch von Sebastian Sartorius nicht vorgetragen. Der Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG ist nicht eröffnet.
Das Grundrecht aus Art. 14 Abs. 1 GG des Sebastian Sartorius ist nicht betroffen.
a.A. genauso vertretbar. Die Bearbeiter, die mit dem 2. Senat den Schutzbereich bejahen, dürften einen Eingriff in der Form einer Inhalts- und Schrankenbestimmung unproblematisch auch bejahen und müssen bereits hier die Rechtfertigungsüberlegungen, die in der Lösungsskizze bei Art. 12 GG erfolgen, prüfen. Art. 12 GG ist neben Art. 14 GG auch zu prüfen. Bei Art. 12 GG kann dann auf die Rechtfertigungsüberlegungen verwiesen werden. |
Hinweis: Die Entscheidung des BVerfG, Beschl. v. 6.5.2014 – 2 BvR 1139/12, 2 BvR 1140/12 geht auf Art. 14 GG nicht ein. Eine Verletzung von Art. 14 GG wurde von Klägerseite allerdings auch nicht gerügt. |
Durch die Abgabepflicht könnte Sebastian Sartorius aber in seinem Grundrecht auf Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG verletzt worden sein.
Hierzu müsste zunächst der Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG eröffnet sein.
a) Sachlicher Schutzbereich
Das Bundesverfassungsgericht geht von einem einheitlichen Grundrecht auf Berufsfreiheit aus, das dem Gesetzesvorbehalt des Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG unterliegt.
Sebastian Sartorius ist nebenberuflich Winzer. Dies müsste ein Beruf i.S. des Art. 12 Abs. 1 GG sein. Ein Beruf ist jede Tätigkeit, die auf Dauer angelegt ist und in ideeller und materieller Hinsicht der Schaffung und Erhaltung einer Lebensgrundlage dient. Dies ist für Winzer unproblematisch zu bejahen und trifft auch auf Nebentätigkeiten zu.
b) Persönlicher Schutzbereich
Weiterhin muss auch der persönliche Schutzbereich eröffnet sein. Art. 12 Abs. 1 GG ist ein Deutschengrundrecht, das heißt Grundrechtsträger sind alle Deutschen i.S. des Art. 116 GG. Sebastian Sartorius ist Deutscher.
Damit ist der Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG eröffnet.
Als nächstes müsste durch die Erhebung der Wein-Abgabe in den Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG eingegriffen worden sein.
Ein Eingriff erscheint problematisch, weil das WeinG weder Berufszulassungs- noch Berufsausübungsregelungen für den Beruf des Winzers aufstellt, sondern lediglich eine für alle Betroffenen gleichermaßen belastende Abgabepflicht an bestimmte Tatbestände – Kauf oder Verkauf von Wein und seinen Ausgangsprodukten inländischen Ursprungs – anknüpft. Hierdurch wird nicht unmittelbar in den Beruf des Winzers regelnd eingegriffen.
Die Weinwirtschaftsabgabe ist ihrem Sinn nach ein Instrument der Wirtschaftspolitik und knüpft lediglich formal, um die ihr zugedachte Funktion innerhalb des Wirtschaftsbereichs „Weinwirtschaft“ erfüllen zu können, an berufliche Tätigkeiten innerhalb dieses Wirtschaftsbereichs an. Die Tätigkeit des Weinfonds hat in erster Linie unterstützenden Charakter. Die Tätigkeitsbereiche bleiben der privaten Wirtschaft weiterhin offen. Wenn durch die Abgabe Gewinne gemindert werden, handelt es sich lediglich um eine allgemeine Marktbeeinflussung durch Eingriffe in das freie Spiel der in der Weinwirtschaft tätigen Kräfte.[31] Art. 12 Abs. 1 GG schützt die Berufsfreiheit aber grundsätzlich nicht vor Veränderungen der Marktdaten und Rahmenbedingungen der unternehmerischen Entscheidungen. Vielmehr unterliegen die Wettbewerbsposition und damit auch die erzielbaren Erträge dem Risiko laufender Veränderung je nach den Verhältnissen am Markt und damit nach Maßgabe seiner Funktionsbedingungen.[32]
Der Gesetzgeber wollte im vorliegenden Fall zwar nicht einen bestimmten Beruf regeln, aber auch gesetzliche Regelungen, deren Ziel nicht primär die Regulierung eines Berufs ist, können in den Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG eingreifen. In Betracht kommt ein mittelbarer Eingriff durch eine staatliche Maßnahme mit objektiv berufsregelnder Tendenz. Hierzu müsste die Abgabepflicht im WeinG mittelbare oder tatsächliche Auswirkungen auf den Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG entfalten, und diese Auswirkungen müssten zurechenbar, das heißt von einigem Gewicht, sein, in einem engen Zusammenhang mit der Ausübung des Berufs stehen und einen konkreten Kreis von Personen in ihrer Berufsfreiheit betreffen.[33] Die Erhebung von Steuern greift nur in den Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG ein, wenn sie erdrosselnde Wirkung entfaltet und dadurch dem Steuerpflichtigen die weitere Berufstätigkeit unmöglich macht.[34] Das wäre bei Sebastian Sartorius, wie bei der Prüfung des Art. 14 GG bereits aufgezeigt, nicht der Fall.
Fraglich ist, ob diese Rechtsprechung zur Steuer auf die vorliegende Abgabe übertragen werden kann. Anders als die Steuer trifft die Abgabe lediglich eine bestimmte Berufsgruppe und steht daher in einem engen Zusammenhang mit der Ausübung eines Berufs. Daher kann Art. 12 Abs. 1 GG nicht pauschal abgelehnt werden, sondern es ist zu prüfen, ob eine deutlich erkennbare objektiv berufsregelnde Tendenz vorliegt.[35] Abgabelasten stehen zwar oft nur in einem losen Zusammenhang mit der Berufstätigkeit, so dass sie die eigentliche Berufsausübung nicht beeinflussen und der Schutzbereich von Art. 12 Abs. 1 GG nicht berührt ist. Dient die Abgabe aber mehreren Zwecken mit unterschiedlich intensivem Berufsbezug, ist die durch sie verursachte Belastung insgesamt an Art. 12 Abs. 1 GG zu messen, wenn ihre Verwendung in erheblicher Weise auf die Berufsausübung zurückwirkt.[36]
Betrachtet man den Zweck und die Höhe der Weinabgabe, könnte zunächst gegen die objektiv berufsregelnde Tendenz sprechen, dass die Abgabenhöhe hierfür zu gering erscheint, um objektiv die Wahl oder Art der Ausübung des Berufs des Winzers zu steuern. Die Weinabgabe knüpft tatbestandlich unmittelbar an die Tätigkeit von Betrieben der Weinwirtschaft an. Sie wirkt auf die Berufe in der Weinwirtschaft nicht nur durch die Höhe der Geldleistungspflicht, sondern auch dadurch, dass sie dazu verwendet wird, diesen Wirtschaftszweig zu fördern. Sie nimmt damit gestaltenden Einfluss auf die Berufsausübung. Der Kern der Berufsausübungsfreiheit besteht beim Inlandsweinhandel darin, ungehindert durch die öffentliche Hand deutschen Wein mit Hilfe von Eigenwerbung möglichst gewinnbringend zu verkaufen. Dazu gehört auch die Ausnutzung günstiger Marktsituationen zu Lasten der übrigen Beteiligten der Weinwirtschaft. Durch die Förderung der Absatzwerbung wird die Eigenwerbung des Handels für seine spezifischen Produkte abgeschwächt. Dadurch werden die Unternehmen der Weinwirtschaft in ihrer durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten unternehmerischen Freiheit eingeschränkt, so dass eine solche Abgabenregelung in die Berufsfreiheit der Abgabepflichtigen eingreift.[37]
[a.A. genauso vertretbar, so beispielsweise BVerfGE 37,1. Die Bearbeiter müssen in diesem Fall Art. 2 Abs. 1 GG prüfen, in dessen Schutzbereich unproblematisch eingegriffen worden ist, und kommen dort zu den nachfolgenden Problemen der Rechtfertigung.]
Fraglich ist, um welche Art von Eingriff es sich vorliegend handelt. Art. 12 Abs. 1 GG unterscheidet drei Eingriffsarten (sog. Drei-Stufen-Theorie), die nach ihrer Schwere verschiedene verfassungsrechtliche Rechtfertigungen nach sich ziehen.[38]
Durch die Abgabepflicht des WeinG ist die Ausübung der beruflichen Tätigkeit der Winzer betroffen. Es ist für sie nicht möglich, ihren Beruf ohne die Abgabepflicht auszuüben. Damit handelt es sich hierbei um eine Berufsausübungsregelung.
3. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung
Der Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit des Sebastian Sartorius könnte verfassungsrechtlich gerechtfertigt sein, wenn Art. 12 Abs. 1 GG einschränkbar ist und die Einschränkung den verfassungsrechtlichen Anforderungen entspricht.
Der Gesetzesvorbehalt des Art. 12 Abs. 1, S. 2 GG gilt sowohl für die Berufsausübung als auch für die Berufswahl. Es handelt sich um ein einheitliches Grundrecht der Berufsfreiheit mit einem einheitlichen Gesetzesvorbehalt.[39]
Art. 12 Abs. 1, S. 2 GG fordert, dass der Eingriff auf ein Gesetz zurückführbar ist, das das Wesentliche selbst regelt und sowohl formell als auch materiell verfassungsmäßig ist.
Ein Gesetz liegt mit dem WeinG vor. Das WeinG müsste formell und materiell verfassungsmäßig sein.
b) Formelle Verfassungsmäßigkeit des WeinG
Zunächst ist zu prüfen, ob das WeinG formell verfassungsmäßig erlassen wurde.
aa) Gesetzgebungsbefugnis des Bundes
Der Bund müsste zur Regelung der Materie gesetzgebungsbefugt sein.
(1) Gesetzgebungsbefugnis nach den Artt. 105, 106 GG
Die Zuständigkeit des Bundes könnte sich zum einen aus den speziellen Art. 105 und 106 GG ergeben, wonach der Bund die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz über die Zölle und Finanzmonopole und die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz über alle Steuern hat, deren Aufkommen zumindest zum Teil ihm zusteht. Hierfür müsste es sich bei der Wein-Abgabe um eine Steuer i.S. von Art. 105 Abs. 2 GG handeln.
Bei der Bestimmung, ob eine Steuer vorliegt, kommt es nicht auf die Bezeichnung durch den Gesetzgeber, sondern allein auf ihren materiellen Gehalt an.[40] Gemäß § 3 AO sind Steuern Geldleistungen, die nicht eine Gegenleistung für eine besondere Leistung darstellen und von einem öffentlich-rechtlichen Gemeinwesen zur Erzielung von Einnahmen allen auferlegt werden, bei denen der Tatbestand zutrifft, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft. Die Erzielung von Einnahmen kann Nebenzweck sein. Zwar ist der verfassungsrechtliche Steuerbegriff der Artt. 105 ff. GG nicht mit dem einfachgesetzlichen Steuerbegriff identisch; solange sich aber aus dem Gesamtzusammenhang der Finanzverfassung des Grundgesetzes keine Abweichungen ergeben, was vorliegend nicht der Fall ist, können beide Begriffe synonym verwendet werden.[41]
Die Wein-Abgabe fällt nicht unter diesen Steuer-Begriff. Sie dient nicht der Gewinnung von Mitteln für den allgemeinen Staatsbedarf, sondern ausschließlich der Finanzierung des Stabilisierungsfonds und seiner Aufgaben. Sie stellt daher eine Leistung solcher Personen dar, die zu dem Zweck, dem das Abgabeaufkommen dient, eine besondere Beziehung haben.[42] Aus diesem Grund sind die Art. 105 und 106 GG nicht einschlägig.
(2) Gesetzgebungskompetenz nach den Artt. 70 ff. GG
Mangels sonstiger Spezialregelungen im Grundgesetz folgt die Zuständigkeit zur Einführung einer Abgabe aus der Zuständigkeit für die Regelung der Sachmaterie gemäß der Artt. 70 ff. GG, der die Abgabe dienen soll.[43]
Vorliegend könnte sich die Gesetzgebungskompetenz aus der Zuständigkeit für die Förderung der landwirtschaftlichen Erzeugung (Art. 74 I Nr. 17 GG) oder für das Recht der Wirtschaft (Art. 74 I Nr. 11 GG) ergeben.
Müsste auf Art. 74 I Nr. 11 zurückgegriffen werden, so könnten die Voraussetzungen aus Art. 72 II GG einschlägig sein. Dies allerdings nur dann, wenn die Änderung des Weingesetzes vom 16.4.2007 dazu geführt hat, dass gemäß Art. 125 a II 1 GG die strengere Vorschrift des Art. 72 II GG nF anzuwenden ist.
Sowohl die Unterscheidung zwischen Art. 74 I Nr. 17 und Art. 74 Nr. 11 GG als auch die Frage der Anwendbarkeit des Art. 72 II GG nF kann offen bleiben, wenn die strengen Anforderungen des Art. 72 II GG nF erfüllt sind.[44]
Von den verschiedenen Alternativen des Art. 72 II GG kommt insbesondere die Wahrung der Wirtschaftseinheit in Betracht. Die Exportförderung der deutschen Weinwirtschaft müsste damit für die Wahrung der Wirtschaftseinheit Deutschlands im gesamtstaatlichen Interesse erforderlich sein.
Die Wirtschaftseinheit ist dann gefährdet, wenn Landesregelungen oder das Untätigbleiben der Länder erhebliche Nachteile für die Gesamtwirtschaft mit sich brächten.[45]
Eine Exportförderung, die der gesamten deutschen Weinwirtschaft dient, setzt ein überregional koordiniertes Auftreten im Ausland voraus. Unter den Bedingungen des globalisierten Weinmarktes erscheint es plausibel, dass eine im gesamtstaatlichen Interesse liegende wettbewerbsfähige deutsche Weinwirtschaft nur mit überregionalen Mitteln wirksam gefördert werden kann.[46]
Damit liegend die Voraussetzungen des Art. 72 II GG vor. Die genannten Fragen können offenbleiben. Der Bund ist für die im WeinG getroffenen Regelungen gesetzgebungsbefugt.
Laut Bearbeitervermerk ist das WeinG in einem verfassungsmäßigen Gesetzgebungsverfahren erlassen und formell ordnungsgemäß verkündet worden.
Damit ist es insgesamt formell verfassungsmäßig.
c) Materielle Verfassungsmäßigkeit des WeinG
Die Bestimmungen des WeinG müssen zudem auch materiell verfassungsmäßig sein. Problematisch erscheint hierbei insbesondere der § 43 WeinG, der die Pflicht zur Zahlung der Weinabgabe aufstellt, gegen die sich Sebastian Sartorius mit seiner Verfassungsbeschwerde wendet.
Die Anforderungen an die Verfassungsmäßigkeit dieser Abgabe richten sich nach der Abgabenart. Daher ist zunächst zu bestimmen, worum es sich bei der Wein-Abgabe rechtlich handelt. In Betracht kommen entweder eine Steuer oder eine andere Abgabe (Gebühren, Beiträge und Sonderabgaben).
aa) Wein-Abgabe als Sonderabgabe mit Finanzierungsfunktion
Wie oben bereits dargestellt, ist die Wein-Abgabe keine Steuer i.S. des § 3 AO, weil sie nicht der Gewinnung von Mitteln für den allgemeinen Staatsbedarf, sondern ausschließlich der Finanzierung des Stabilisierungsfonds und seiner Aufgaben dient. Die Wein-Abgabe könnte daher eine Gebühr bzw. ein Beitrag oder eine Sonderabgabe sein.
Gebühren sind Entgelte für konkrete, individuell zurechenbare staatliche Leistungen.[47] Hierunter fällt die Wein-Abgabe offensichtlich nicht, weil sie keinen Entgeltcharakter hat.
Beiträge sind ebenfalls Entgelte für staatliche Leistungen. Sie unterscheiden sich dadurch von den Gebühren, dass sie nicht für einen tatsächlichen, sondern für einen möglichen Vorteil erhoben werden, beispielsweise für die Möglichkeit, bestimmte Infrastruktureinrichtungen zu nutzen, unabhängig davon, ob im Einzelfall von dieser Möglichkeit Gebrach gemacht wird. Sie dienen dem Ersatz des Aufwandes für die Herstellung, Anschaffung und Erweiterung öffentlicher Einrichtungen und Anlagen.[48] Auch hierunter ist die Wein-Abgabe nicht zu fassen, da sie die Tätigkeit des Weinfonds unterstützt, der keine öffentliche Einrichtung ist, die von den in der Weinwirtschaft tätigen Betrieben genutzt wird. Damit fehlt es an einer zurechenbaren Gegenleistung für die Abgabenschuldner.
Abgaben, denen keine zurechenbare Gegenleistung gegenübersteht, die aber im Gegensatz zu Steuern auch nicht von der Gesamtheit der Steuerbürger, sondern nur von bestimmten Gruppen erhoben werden und der Finanzierung besonderer Aufgaben dienen, sind Sonderabgaben.[49]
Bei diesen Sonderabgaben wird weiter differenziert zwischen Sonderabgaben mit Lenkungsfunktion und Sonderabgaben mit Finanzierungsfunktion.[50] Sonderabgaben mit Lenkungsfunktion sollen die Abgabenschuldner dazu bewegen, sich in einer bestimmten Weise zu verhalten.[51] Das ist bei der Wein-Abgabe offensichtlich nicht der Fall. Die Weinbaubetriebe sollen durch die Abgabe nicht zu einem bestimmten Verhalten veranlasst werden, sondern sie dient allein dem Zweck der Finanzierung des Weinfonds. Die Wein-Abgabe stellt daher eine Sonderabgabe mit Finanzierungsfunktion dar.[52]
bb) Verfassungsmäßigkeit der Sonderabgabe
Sonderabgaben mit Finanzierungsfunktion sind verfassungsrechtlich problematisch, weil sie in Konkurrenz zu den ebenfalls voraussetzungslos geschuldeten Steuern treten.
Das Grundgesetz regelt in den Artt. 104a ff. detailliert die Finanzausstattung des Staates. Hierbei trifft es weitgehend nur Aussagen über die Steuer als Finanzierungsmittel. Hieraus kann gefolgert werden, dass der Staat seinen Finanzbedarf im Wesentlichen über Steuern decken muss.[53] Die Finanzverfassung des Grundgesetzes verlöre ihren Sinn und ihre Funktion, wenn unter Rückgriff auf die Sachgesetzgebungskompetenzen von Bund und Ländern beliebig nichtsteuerliche Abgaben unter Umgehung der finanzverfassungsrechtlichen Verteilungsregeln begründet werden könnten. An die materielle Verfassungsmäßigkeit von Sonderabgaben mit Finanzierungsfunktion werden daher enge Zulässigkeitsanforderungen gestellt.[54]
Der Gesetzgeber muss bei der Erhebung der Sonderabgabe einen Sachzweck verfolgen, der über die bloße Mittelbeschaffung hinausgeht, um sich auf die Sachkompetenzen der Artt. 70 ff. GG berufen zu können.[55]
Zweck der Wein-Abgabe ist die Erhaltung der Qualität des deutschen Weines, die Sicherung seines Absatzes sowie der Schutz des einheimischen Winzerstandes. Das sind besondere Sachzwecke, die über die bloße Mittelbeschaffung hinausgehen.
Ob diese Zwecke unter europarechtlichen Gesichtspunkten legitim sind, kann zwar bezweifelt werden. Ein Europarechtsverstoß erscheint aber nicht derart offensichtlich, dass es bereits an der Legitimität der verfolgten Sachzwecke fehlt. Denn der Gesetzgeber hat bei der Entscheidung, ob er eine bestimmte Aufgabe in Angriff nehmen will und wie sie verwirklicht werden soll, einen weiten Regelungsspielraum. Dieser wird nur dann überschritten, wenn die Erwägungen des Gesetzgebers so offensichtlich falsch sind, dass sie vernünftigerweise keine Grundlage für gesetzgeberische Maßnahmen abgeben können.[56] Das ist vorliegend nicht der Fall.
Wirtschaftliche Lenkungsmaßnahmen des Staates werden auch nicht allein dadurch unzulässig, dass sie die Wettbewerbslage verändern. Einen gewissen Ausgleich zwischen schwächeren und leistungsfähigeren Mitgliedern einer Gruppe zu Lasten der letztgenannten herbeizuführen, ist ein legitimes Mittel staatlicher Wirtschaftspolitik.[57]
Das WeinG verfolgt daher besondere Sachzwecke, die auch legitim sind.
(2) Homogene Gruppe mit besonderer Sachnähe
Sonderabgaben dürfen nicht von der Allgemeinheit, sondern nur von abgegrenzten, homogenen Gruppen erhoben werden. Dabei darf der Gesetzgeber Gruppen nicht beliebig bilden. Die Homogenität der Gruppe muss aus objektiv gegebenen gemeinsamen Merkmalen oder Interessen folgen. Anknüpfungspunkt für diese Beurteilung ist der verfolgte Sachzweck. Die mit der Abgabe belastete Gruppe muss dem mit der Erhebung verfolgten Zweck evident näherstehen als jede andere Gruppe oder die Allgemeinheit der Steuerzahler.[58]
Im Fall des WeinG gehören sämtliche Abgabepflichtigen zur Weinwirtschaft und sind wegen dieser Zugehörigkeit in besonderer Weise verbunden, so dass es gerechtfertigt ist, ihnen und nicht der Allgemeinheit die Finanzierung der der Weinwirtschaft dienenden Tätigkeit des Stabilisierungsfonds aufzuerlegen.[59] Eine homogene Gruppe mit besonderer Sachnähe liegt hinsichtlich der Weinwirtschaftsunternehmen, die zur Wein-Abgabe herangezogen werden, daher vor.
(3) Finanzierungsverantwortung
Die mit der Sonderabgabe belastete homogene Gruppe muss weiterhin eine Finanzierungsverantwortung für die Erfüllung der mit der außersteuerlichen Abgabe zu finanzierenden Aufgabe treffen. Bei einer nicht in die besondere Verantwortung der belasteten Gruppe fallenden Aufgabe handelt es sich um eine öffentliche Angelegenheit, deren Lasten nur die Allgemeinheit treffen dürfen und die deshalb nur mit von der Allgemeinheit zu erbringenden Mitteln, das heißt mit Steuern, finanziert werden darf.[60] Hierbei kann sich die Finanzierungsverantwortung zum einen aus der verursachungsnahen Verantwortung, etwa im Umweltrecht[61], zum anderen aus der verwendungsbedingten Verantwortung, wie im Fall der Wirtschaftsförderung, ergeben.[62]
Die Wein-Abgabe ist keine Abgabe, die an den Verursachungsgedanken anknüpft. Die Finanzierung der Werbe- und Fördermaßnahmen durch den Weinfonds beruht nicht auf der Verursachung eines Bedarfs durch Sebastian Sartorius als Abgabenschuldner. Vielmehr handelt es sich um eine zwangsweise durchgeführte Fördermaßnahme, zu deren Finanzierung die Gruppe der Abgabepflichtigen nur aus Gründen eines Nutzens herangezogen wird, den der Gesetzgeber dieser Gruppe zugedacht hat. Der Staat greift zur Förderung des deutschen Weines auf der Grundlage des WeinG mit wirtschaftspolitisch begründeten Förderungsmaßnahmen in Gestalt des Deutschen Weinfonds gestaltend in die Wirtschaftsordnung ein. Den dadurch entstandenen Finanzierungsbedarf weist er den Unternehmen der Weinwirtschaft zu. Das ist grundsätzlich zulässig.[63] Die Finanzierungsverantwortung des Sebastian Sartorius ergibt sich vorliegend daher allein aus dem Umstand, dass der Weinfonds zugunsten der Weinwirtschaft und damit auch zugunsten des Sebastian Sartorius Marktpflege betreibt.
Hinweis: Bis hierher entspricht die Lösung derjenigen des BVerfG, Beschl. v. 6.5.2014 – 2 BvR 1139/12, 2 BvR 1140/12, Rn. 117-132. |
Die außersteuerliche Belastung von Angehörigen einer Gruppe setzt zudem voraus, dass zwischen den Belastungen und den Begünstigungen, die die Sonderabgabe bewirkt, eine sachgerechte Verknüpfung besteht. Davon ist auszugehen, wenn das Abgabeaufkommen im Interesse der Gruppe der Abgabepflichtigen, also gruppennützig verwendet wird.[64]
Dass der Zweck des WeinG auch bei Unterlassung der Fördermaßnahmen in gleich wirksamer Weise erreicht werden könnte, steht nicht fest. Der Gruppennutzen könnte aber dadurch entfallen, dass Sebastian Sartorius geltend macht, dass er durch seine eigene Werbung gleich effektiv oder sogar besser für sein Unternehmen handele als der Weinfonds und aufgrund der finanziellen Belastung durch die Abgabe seine eigenen Möglichkeiten beschränkt werden, die Qualität des von ihm vermarkteten Weines zu fördern, während im Gegenzug durch die Tätigkeit des Weinfonds nicht er, sondern leistungsschwächere Konkurrenzunternehmen gestärkt werden. Für die Gruppennützigkeit der Wein-Abgabe kann die individuelle Interessenlage des Einzelnen nicht ohne weiteres zum Maßstab der dem Gemeinwohl insgesamt gegenüber zu stellenden Einzelinteressen erhoben werden. Es ist vielmehr eine generalisierende Betrachtungsweise geboten, die auf den in Rede stehenden Wirtschaftsbereich insgesamt abstellt.[65] Bei Sonderabgaben ist, anders als bei der Gebühr, keine konkrete, dem Abgabenschuldner individuell zukommende Gegenleistung erforderlich, sondern auch die Verwendung im allgemeinen Gruppeninteresse, etwa zur Förderung gemeinsamer wirtschaftlicher Zwecke, genügt.[66] Betrachtet man die deutsche Weinwirtschaft insgesamt, so erscheint die Arbeit des Weinfonds, die durch die Weinabgabe finanziert wird, nützlich und diese kann auch nicht durch die Einzelmaßnahmen des Sebastian Sartorius ersetzt werden.
Während das BVerfG in seiner ersten Entscheidung (E 37,1) aufgrund dieser Überlegungen die Gruppennützigkeit bejaht und die Wein-Abgabe damals als verfassungsmäßig angesehen hat, stellt es nunmehr an die gruppennützige Verwendung der Abgabe erhöhte Anforderungen in Fällen, in denen sich die Finanzierungsverantwortung – wie vorliegend die des Sebastian Sartorius - allein aus der Zugehörigkeit der die Fördermaßnahmen betreffenden Gruppe herleiten lässt. Für die Verfassungsmäßigkeit der Sonderabgabe genügt nicht irgendein Gruppennutzen, sondern der zu finanzierende und diese Abgabe rechtfertigende Gruppennutzen muss evident sein.[67]
Unter diesem Gesichtspunkt ist festzustellen, dass staatliche Werbemaßnahmen nicht automatisch privat organisierte in ihrer Wirksamkeit übertreffen, so dass hieraus ein evidenter Gruppennutzen nicht geschlossen werden kann. Der Gruppennutzen könnte sich vorliegend daher allenfalls noch daraus ergeben, dass die staatlichen Fördermaßnahmen zur Aufhebung erheblicher Beeinträchtigungen oder spezieller Nachteile erforderlich sind, die die Gruppenangehörigen besonders betreffen und die von ihnen selbst nicht oder jedenfalls nicht gleich wirksam kompensiert werden können.[68] Es ist aber nicht ersichtlich, dass ausgleichsbedürftige Wettbewerbsnachteile der deutschen Weinwirtschaft bestehen, die staatlich verordnete Werbemaßnahmen erfordern.
Damit fehlt es an der erforderlichen Gruppennützigkeit und die Wein-Abgabe ist verfassungswidrig, so dass der Eingriff in Art. 12 Abs. 1 GG hierdurch nicht gerechtfertigt ist.
BVerfG, Beschl. v. 6.5.2014 – 2 BvR 1139/12, 2 BvR 1140/12 bejaht die Gruppennützigkeit. Dabei stellt es darauf ab, dass eine private Absatzförderung die Möglichkeiten der kleinteilig organisierte Weinwirtschaft überschreitet (Rn. 142) und deutscher Wein im Vergleich zu anderen Weinbaunationen unter Imagenachteilen leidet (Glykolskandal) (Rn. 141). Außerdem bestehe bei einer privatwirtschaftlichen Absatzförderung das Problem, dass eine ausreichende finanzielle Förderung mangels staatlichen Zwangs fraglich erscheint und einzelne Betriebe die Institution als Trittbrettfahrer ausnutzen könnten (Rn. 144 ff.) Damit ist die a.A. ebenso vertretbar. Diese Bearbeiter müssten weiterhin die allgemeine Verhältnismäßigkeit der Wein- Abgabe im Folgenden prüfen und die Verfassungsmäßigkeit der Erhebung der Abgabe im Einzelfall (Urteilsverfassungsbeschwerde) ansprechen. Hier gibt es keine größeren rechtlichen Probleme. Sie dürften insgesamt zur Verfassungsmäßigkeit gelangen und damit der Verfassungsbeschwerde nicht stattgeben. |
Die Sebastian Sartorius durch die Weinabgabe auferlegte Zahlungspflicht verletzt ihn in seinem Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG und ist damit verfassungswidrig.
Der von Sebastian Sartorius zudem angeführte Art. 2 Abs. 1 GG ist subsidiär und kommt erst zum Tragen, wenn kein spezielleres Grundrecht einschlägig ist. Da durch die angegriffene Maßnahme in den Schutzbereich von Art. 12 Abs. 1 GG eingegriffen worden ist, tritt Art. 2 Abs. 1 GG gesetzeskonkurrierend zurück und ist nicht zu prüfen.
Bearbeiter die sowohl Art. 14 als auch Art. 12 GG für nicht einschlägig erachtet haben, müssen Art. 2 Abs. 1 GG vollständig prüfen. Bearbeiter, die den Schutzbereich eines spezielleren Grundrechts als eröffnet angesehen haben, können die Prüfung des Art. 2 Abs. 1 GG auch komplett weglassen. |
Letztendlich könnte die Regelung im WeinG auch gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen.
Art. 3 Abs. 1 GG ist ein Jedermannsgrundrecht. Das heißt jede natürliche Person, egal welcher Nationalität, welchen Alters etc., kann ihre allgemeine Handlungsfreiheit gegenüber dem Staat geltend machen. Damit ist Sebastian Sartorius grundrechtsberechtigt.
Auch der Gesetzgeber ist wegen Art. 1 Abs. 3 GG grundrechtsverpflichtet, so dass das WeinG am Maßstab des Art. 3 Abs. 1 GG zu messen ist.
3. Ungleichbehandlung wesentlich gleicher Sachverhalte
Art. 3 Abs. 1 GG verbietet die grundlose Ungleichbehandlung von „wesentlich Gleichem“.[69]
a) Vergleichsgruppe
Als Vergleichsgruppe kommen alle deutschen Industrieunternehmen in Betracht.
b) Ungleichbehandlung
Eine Ungleichbehandlung liegt hinsichtlich dieser Vergleichsgruppe vor, weil die Unternehmen der Weinindustrie zu einer Sonderabgabe für aufgedrängte staatliche Fördermaßnahmen herangezogen werden, während andere Industriezweige von derartigen staatlichen Maßnahmen verschont bleiben.
4. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung der Ungleichbehandlung
Diese ungleiche Behandlung könnte jedoch verfassungsrechtlich gerechtfertigt sein. Dazu müsste die gesetzliche Regelung formell verfassungsmäßig sein, und es müsste ein sachlicher Grund für die Ungleichbehandlung bestehen.
a) Formelle Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes
Wie bereits oben dargestellt, ist das WeinG formell verfassungsmäßig.
b) Sachlicher Grund für die Ungleichbehandlung
Des Weiteren müsste ein sachlicher Grund für die Ungleichbehandlung gegeben sein. Das zentrale Gebot der Belastungsgleichheit aller Abgabenschuldner aus Art. 3 Abs. 1 GG[70] verbietet Sonderlasten einzelner Gruppen, sofern kein sachlicher Grund hierfür vorliegt.[71]
Anknüpfungspunkt für den sachlichen Grund der Ungleichbehandlung ist die bereits oben überprüfte homogene Gruppe mit besonderer Sachnähe.[72] Den strengen Anforderungen an den sachlichen Grund von besonderem Gewicht entspricht die Weinabgabe – wie oben dargestellt – nicht, weil der durch sie bewirkte Gruppennutzen nicht evident feststellbar ist. Die Ungleichbehandlung innerhalb der Vergleichsgruppe kann folglich nicht gerechtfertigt werden.
Damit verstößt die Wein-Abgabe auch gegen Art. 3 Abs. 1 GG.
Die Verfassungsbeschwerde des Sebastian Sartorius hat Aussicht auf Erfolg. Sie ist sowohl zulässig als auch begründet. Die Wein-Abgabe verletzt Sebastian Sartorius in seinen Grundrechten aus Artt. 12 Abs. 1 und 3 Abs. 1 GG.
Teil 2 [20 %]
Die Werbung nur für deutsche Weine durch den Weinfonds und insbesondere die Vergabe des Gütesiegels „Qualitätswein aus deutschen Landen“ könnte mit Art. 34 AEUV unvereinbar sein.
Gemäß Art. 34 AEUV sind mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen sowie alle Maßnahmen gleicher Wirkung zwischen den Mitgliedstaaten verboten.
Bei den vom Gütezeichen erfassten Produkten müsste es sich um Waren im Sinne von Art. 28 Abs. 2 AEUV handeln. Waren sind körperliche Gegenstände, die über eine Grenze verbracht werden und deshalb Gegenstand von Handelsgeschäften sein können. Deutsche Weine fallen unproblematisch unter diesen Begriff.
Die streitige Vergabe des Gütesiegels „Qualitätswein aus deutschen Landen“ müsste eine staatliche Maßnahme i.S. von Art. 34 AEUV sein. Dabei muss der Staat aber nicht selbst handeln, damit ihm eine bestimmte Maßnahme zuzurechnen ist.[73]
Das Siegel wird vom Deutschen Weinfonds, einer Anstalt des öffentlichen Rechts, vergeben. Diese Anstalt des öffentlichen Rechts wurde durch Gesetz (§ 37 WeinG) errichtet. Der Staat muss sich die Handlungen dieser Anstalt zurechnen lassen. Damit liegt eine dem Staat zuzurechnende öffentliche Maßnahme i.S. von Art. 34 AEUV vor.[74]
III. Mengenmäßige Beschränkung oder Maßnahme gleicher Wirkung
„Mengenmäßige Beschränkungen“ sind staatliche Maßnahmen, die das Verbringen von Waren aus anderen Mitgliedstaaten der Menge oder dem Wert nach begrenzen oder völlig untersagen. Dies ist vorliegend nicht der Fall. Auch Weine aus dem europäischen Ausland können ohne Beschränkung nach Deutschland geliefert werden.
Da das Gütesiegel keine direkte Einfuhrbeschränkung darstellt, ist zu fragen, ob es sich um eine Maßnahme gleicher Wirkung handelt. Dies ist nach der Dassonville-Formel der Fall, wenn eine Maßnahme den innergemeinschaftlichen Handel unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potentiell behindert. In dem Gütesiegel ist zumindest eine potentielle Handelsbeschränkung zu sehen, da die Werbebotschaft des Gütezeichens die deutsche Herkunft des Weins hervorhebt und so den Verbraucher dazu veranlassen könnte, diesen Wein an Stelle eines importierten Weins zu kaufen. An diesem Ergebnis ändern auch der fakultative Charakter des Gütezeichens und seine qualitätsorientierte Ausrichtung nichts. Die Beurteilung erfolgt allein anhand der Auswirkungen der betreffenden Maßnahme auf den Handel.[75]
Eine Ausnahme von der Dassonville-Formel gilt für nationale Bestimmungen, die bestimmte Verkaufsmodalitäten beschränken oder verbieten, sofern sie für alle betroffenen Wirtschaftsteilnehmer gelten, die ihre Tätigkeit im Inland ausüben, und sofern sie den Absatz der inländischen Erzeugnisse und der Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten rechtlich wie tatsächlich in der gleichen Weise berühren (sog. Keck-Formel). Da die Vergabe des Gütesiegels ausschließlich die hiervon ausgeschlossenen ausländischen Weine negativ trifft, erfolgt die staatliche Maßnahme nicht unterschiedslos für in- und ausländische Waren. Somit kommt die Keck- Rechtsprechung nicht zur Anwendung.
Die Vergabe des Gütesiegels „Qualitätswein aus deutschen Landen“ stellt eine Maßnahme gleicher Wirkung i.S. von Art. 34 AEUV dar.
IV. Rechtfertigung der Beschränkung
Die diskriminierende Maßnahme könnte aber gerechtfertigt sein. Hierzu müsste es, in Ermangelung gemeinschaftlicher Regelungen, Sache der Mitgliedstaaten sein, die Herstellung und Vermarktung von Waren zu regeln, und die Hemmnisse müssten aus unterschiedlichen Regelungen resultieren, die notwendig sind, um zwingenden Erfordernissen gerecht zu werden, insbesondere den Erfordernissen einer wirksamen steuerlichen Kontrolle, des Schutzes der öffentlichen Gesundheit, der Lauterkeit des Handelsverkehrs und des Verbraucherschutzes (Cassis-Formel). Diese Rechtfertigung greift im vorliegenden Fall nicht durch, weil die Vergabe des Gütesiegels nicht unterschiedslos für in- und ausländische Weine wirkt. Während inländische Weine nach entsprechender Antragstellung und Prüfung der Voraussetzungen ein Gütesiegel verliehen bekommen können, sind ausländische Weine, selbst wenn sie die Voraussetzungen des Gütesiegels erfüllen, bereits aufgrund ihrer ausländischen Herkunft von der Verleihung des Siegels ausgeschlossen.
Bei solchen diskriminierenden Maßnahmen kommt als Rechtfertigungsgrund ausschließlich Art. 36 AEUV in Betracht. Hiernach stehen die Bestimmungen des Art. 34 AEUV nicht solchen Maßnahmen gleicher Wirkung entgegen, die aus Gründen der öffentlichen Sittlichkeit, Ordnung und Sicherheit, zum Schutze der Gesundheit und des Lebens von Menschen, Tieren oder Pflanzen, des nationalen Kulturguts von künstlerischem, geschichtlichem oder archäologischem Wert oder des gewerblichen und kommerziellen Eigentums gerechtfertigt sind.
Dass das Wein-Gütesiegel dem Schutz der Gesundheit dient, ist nicht erkennbar und wird vom Deutschen Weinfonds auch nicht behauptet. In Betracht kommt aber der Schutz des gewerblichen und kommerziellen Eigentums. Der Gerichtshof erkennt in ständiger Rechtsprechung an, dass geografische Herkunftsangaben unter bestimmten Voraussetzungen unter diesen Rechtfertigungsgrund subsumiert werden können.[76] Für das Wein- Gütesiegel gilt diese Rechtfertigungsmöglichkeit allerdings nicht, da sich das Gütesiegel auf das gesamte deutsche Hoheitsgebiet erstreckt. Diese Regelung ist nicht als geografische Angabe anzusehen, die nach Art. 36 AEUV gerechtfertigt sein kann.[77]
Das vom Deutschen Weinfonds verliehene Gütesiegel „Qualitätswein aus deutschen Landen“ verstößt gegen Art. 34 AEUV.
Die gegenteilige Auffassung ist mit nachvollziehbarer Begründung ebenso vertretbar |
[1] BVerfGE 100, 313, 354; Pieroth/Schlink/Kingreen/Poscher, Grundrechte, 30. Auflage 2014, Rn.1252; Wieland, in: Dreier, GG, Kommentar, Bd. III, 2. Aufl. 2008, Art. 93, Rn. 86.
[2] Pieroth/Schlink/Kingreen/Poscher, Grundrechte, 30. Auflage 2014,, Rn. 1253.
[3] BVerfGE 54, 53, 64 f.
[4] Pieroth/Schlink/Kingreen/Poscher, Grundrechte, 30. Auflage 2014, Rn. 1233; a.A. Stelkens, DVBl. 2004, 403, 404 f.
[5] BVerfGE 1, 418, 420; 18, 85, 92 f.; Pieroth/Schlink/Kingreen/Poscher, Grundrechte, 30. Auflage 2014, Rn. 1279 ff.
[6] Heusch, in: Umbach/Clemens/Dollinger, Bundesverfassungsgerichtsgesetz, Kommentar, 2. Auflage 2005, § 31, Rn. 30 f.
[7] Heusch, in: Umbach/Clemens/Dollinger, Bundesverfassungsgerichtsgesetz, Kommentar, 2. Auflage 2005, § 31, Rn. 35.
[8] BVerfGE 4, 31, 38 f.; 20, 56, 86; 78, 320, 328.
[9] Heusch, in: Umbach/ Clemens/ Dollinger, Bundesverfassungsgerichtsgesetz, Kommentar, 2. Auflage 2005, § 31, Rn. 54 u. 68 ff.
[10] BGHZ 13, 265, 277 f.; Rennert, in: Umbach/ Clemens, Bundesverfassungsgerichtsgesetz, Kommentar, 1992, § 31, Rn. 69.
[11] BVerfGE 1, 13, 36 f.; 40, 88, 93; Heusch, in: Umbach/Clemens/Dollinger, Bundesverfassungsgerichts-gesetz, Kommentar, 2. Auflage 2005, § 31, Rn. 58.
[12] Rennert, in: Umbach/ Clemens, Bundesverfassungsgerichtsgesetz, Kommentar, 1992, § 31, Rn. 91.
[13] BVerfGE 33, 199, 203; 70, 242, 249 f.
[14] Rennert, in: Umbach/ Clemens, Bundesverfassungsgerichtsgesetz, Kommentar, 1992, § 31, Rn. 48.
[15] Rennert, in: Umbach/ Clemens, Bundesverfassungsgerichtsgesetz, Kommentar, 1992, § 31, Rn. 91.
[16] BVerfGE 49, 89, 130; 55, 274, 308; 80, 159, 181.
[17] Germelmann, GewArch 2009, 476, 477.
[18] BVerfGE 108, 186, 231.
[19] BVerfGE 4, 31, 38; Heusch, in: Umbach/Clemens/Dollinger, Bundesverfassungsgerichtsgesetz, Kommentar, 2. Auflage 2005, § 31, Rn. 66.
[20] Heusch, in: Umbach/ Clemens/ Dollinger, Bundesverfassungsgerichtsgesetz, Kommentar, 2. Auflage 2005, § 31, Rn. 73.
[21] Heusch, in: Umbach/ Clemens/ Dollinger, Bundesverfassungsgerichtsgesetz, Kommentar, 2. Auflage 2005, § 31, Rn. 75 f.
[22] Heusch, in: Umbach/ Clemens/ Dollinger, Bundesverfassungsgerichtsgesetz, Kommentar, 2. Auflage 2005, § 31, Rn. 77.
[23] Rennert, in: Umbach/ Clemens, Bundesverfassungsgerichtsgesetz, Kommentar, 1992, § 31, Rn. 47.
[24] Rennert, in: Umbach/ Clemens, Bundesverfassungsgerichtsgesetz, Kommentar, 1992, § 31, Rn. 106.
[25] Wieland, in Dreier, Grundgesetzkommentar, Bd. I, 3. Auflage 2013, Art. 14, Rn. 39.
[26] Übersicht über den Meinungsstand bei Wieland in: Dreier, Grundgesetzkommentar, Bd. I, 3. Auflage 2013, Art. 14, Rn. 55.
[27] BVerfGE 95, 267, 300; BVerfG, NVwZ 2007, S. 1168 f. mit weiteren Nachweisen; Kritisch zum Rückschluss von der Quantität des Eingriffs auf den Schutzbereich Heintzen, in: vMünch/Kunig, Grundgesetzkommentar, 6. Auflage 2012, Art. 105, Rn. 14.
[28] BVerfGE 115, 97, 111.
[29] Friauf, Jura 1970, 299, 307 ff.; Rüfner, DVBl 1970, 881 ff.
[30] Wieland, in: Dreier, Grundgesetzkommentar, Bd. I, 3. Auflage 2013, Art. 14, Rn. 56.
[31] BVerfGE 37, 1, 17 ff.
[32] BVerfG, NVwZ 2007, S. 1168, 1169.
[33] BVerfGE 70, 191, 214.
[34] Wieland in: Dreier, Grundgesetzkommentar, Bd. I, 3. Auflage 2013, Art. 12, Rdnr. 85 f.; Pieroth/Schlink/Kingreen/Poscher, Grundrechte, 30. Auflage 2014, Rdnr. 896.
[35] BVerfGE 37, 1, 17; 98, 83, 97; 111, 191, 213; 113, 128, 145; 123, 132, 139.
[36] BVerfGE 111, 191, 213 f.
[37] So auch BVerfGE 111, 191, 213 f. für die Abgaben zu Notarkassen; 113, 128, 145 für die Abgabe zum Solidarfonds Abfallrückführung; 122, 316, 337 für die CMA-Abgabe; 123, 132, 139 f. für die Forstabsatzfondsabgabe.
[38] Wieland, in: Dreier, GG, Band 1, 3. Aufl. 2013, Art. 12, Rn. 74 f.; Pieroth/Schlink/Kingreen/Poscher, Grundrechte, 30. Auflage 2014, Rn. 894 ff.
[39] St. Rspr. Des BVerfG, zuerst BVerfGE 7, 377, 402.
[40] BVerfGE 7, 244, 252.
[41] Birk/Desens/Tappe, Steuerrecht, 16. Aufl. 2013, Rn. 114; Heintzen, in: vMünch/Kunig, Grundgesetzkommentar, 6. Auflage 2012, Art. 105, Rn. 12.
[42] BVerfGE 37, 1, 16.
[43] Birk/Desens/Tappe, Steuerrecht, 16. Aufl. 2013, Rn. 135.
[44] BVerfG, Beschl. v. 6.5.2014 – 2 BvR 1139/12, 2 BvR 1140/12, Rn. 113 f.
[45] BVerfGE 111, 226, 253; E 112, 226, 246.
[46] BVerfG, Beschl. v. 6.5.2014 – 2 BvR 1139/12, 2 BvR 1140/12, Rn. 114.
[47] Birk/Desens/Tappe, Steuerrecht, 16. Aufl. 2013, Rn. 118; Heintzen, in: vMünch/Kunig, Grundgesetzkommentar, 6. Auflage 2012, Art. 105, Rn. 20; Maurer, Staatsrecht I, 6. Aufl. 2010, § 21, Rn. 18.
[48] Birk/Desens/Tappe, Steuerrecht, 16. Aufl. 2013, Rn. 118; Heintzen, in: vMünch/Kunig, Grundgesetzkommentar, 6. Auflage 2012, Art. 105, Rn. 20; Maurer, Staatsrecht I, 6. Aufl. 2010, § 21, Rn. 18.
[49] Birk/Desens/Tappe, Steuerrecht, 16. Aufl. 2013, Rn. 121.
[50] Heintzen, in: vMünch/Kunig, Grundgesetzkommentar, 6. Auflage 2012, Art. 105, Rn. 26.
[51] Birk/Desens/Tappe, Steuerrecht, 16. Aufl. 2013, Rn. 123.
[52] So auch BVerfG, Beschl. v. 6.5.2014 – 2 BvR 1139/12, 2 BvR 1140/12, Rn. 115 ff.
[53] BVerfGE 82, 159, 178; Heintzen, in: vMünch/Kunig, Grundgesetzkommentar, 6. Auflage 2012, Art. 105, Rn. 2.
[54] BVerfGE 122, 316, 333 f.; 123, 132, 140 f.; Birk, Steuerrecht/Desens/Tappe, Steuerrecht, 16. Aufl. 2013, Rn. 123, Heintzen, in: vMünch/Kunig, Grundgesetzkommentar, 6. Auflage 2012, Art. 105, Rn. 3, 25; Maurer, Staatsrecht I, 5. Aufl. 2007, § 21, Rn. 19.
[55] BVerfGE 122, 316, 334; 123, 132, 142; Birk/Desens/Tappe, Steuerrecht, 16. Aufl., Rn.124.
[56] BVerfGE 30, 292, 317; 37, 1, 20.
[57] BVerfGE 21, 292, 299; 23, 50, 59 f.; 37, 1, 24.
[58] BVerfGE 82, 159, 180; 122, 316, 334; 123, 132, 142; Birk/Desens/Tappe, Steuerrecht, 16. Aufl. 2013, Rn. 124; Germelmann, GewArch 2009, 476; Heintzen, in: vMünch/Kunig, Grundgesetzkommentar, 6. Auflage 2012, Art. 105, Rn. 25.
[59] BVerfGE 37, 1, 16.
[60] BVerfGE 82, 159, 180; 122, 316, 334 f.; Birk/Desens/Tappe, Steuerrecht, 16. Aufl. 2013, Rn.124. Kritisch hierzu Waechter, ZG 2005, 97, 106, der eine Gegenleistungsabhängigkeit aller Sonderlasten, auch der Sonderabgaben, fordert und hier die dargestellten Probleme erörtert.
[61] Beispielsweise BVerfGE 110, 370, 392 zur Abgabe für den Klärschlamm- Entschädigungsfonds.
[62] Germelmann, GewArch 2009, 476, 477.
[63] BVerfGE 82, 159, 189 f.
[64] BVerfGE 55, 274, 307; BVerfGE 122, 316, 334 f.; Birk/Desens/Tappe, Steuerrecht, 16. Aufl. 2013, Rn. 124; Heintzen, in: vMünch/Kunig, Grundgesetzkommentar, 6. Auflage 2012, Art. 105, Rn. 25.
[65] BVerfGE 30, 292, 316; 37, 1, 22.
[66] BVerfGE 80, 159, 180 f.; Germelmann, GewArch 2009, 476, 477.
[67] BVerfGE 122, 316, 338; 123, 132, 143; bestätigt durch BVerfG, Beschl. v. 6.5.2014 – 2 BvR 1139/12, 2 BvR 1140/12, Rn. 134; Heintzen, in: vMünch/Kunig, Grundgesetzkommentar, 6. Auflage 2012, Art. 105, Rn. 25.
[68] BVerfGE 122, 316, 338 für die CMA-Abgabe; BVerfGE 123, 132, 144 ff. für die Forstabsatzfondsabgabe.
[69] BVerfGE 1, 14, 52; Heun in: Dreier, Grundgesetzkommentar, Bd. I, 3. Auflage 2013, Art. 3 Rn. 19.
[70] BVerfGE 55, 274, 303; 113, 128, 147.
[71] BVerfGE 108, 186, 233; 110, 370, 399; Germelmann, GewArch 2009, 476, 477.
[72] Germelmann, GewArch 2009, 476 f.
[73] So EuGH, EuZW 2003, 23, 25 für die CMA-Abgabe; Leible, EuZW 2003, 25.
[74] So EuGH, EuZW, 23, 25 für die CMA-Abgabe.
[75] So EuGH, EuZW, 23, 25 für die CMA-Abgabe.
[76] EuGH, Slg. 1992, I-5529, Exportur.
[77] So EuGH, EuZW, 23, 25 für die CMA-Abgabe.
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